07.03.2019

Die Karriere des Elliott Abrams

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Die Karriere des Elliott Abrams

Unter Reagan half er Stellvertreterkriege in Mittelamerika anzuzetteln, nun ist er Trumps Sonderbeauftragter für Venezuela

von Eric Alterman

US-Außenminister Pompeo (rechts) und sein neuer Mann MANUEL BALCE CENETA/ap
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Als US-Außenminister Mike Pompeo den neokonservativen Provokateur Elliott Abrams zum US-Sonderbeauftragten für die „Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela“ ernannte, sah die Presse darin einen Beleg für die Eigenständigkeit Pompeos gegenüber Präsident Trump. Pompeos Vorgänger, Rex Tillerson (einst CEO von Exxon), hatte schon gehofft, Abrams zu seinem Stellvertreter machen zu können, aber Trump hatte das abgelehnt – trotz der dem Vernehmen nach hartnäckigen Lobbyarbeit des rechten Großspenders Sheldon Adelson, dem Trump ansonsten jeden Wunsch erfüllt.

Abrams hatte sich während des Wahlkampfs der Republikaner mit anderen Neokonservativen gegen Trump gestellt. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner unterstützte Abrams, aber Präsidentenberater Steve Bannon bestärkte Trump in seinem Nein. Den Ausschlag dürften allerdings weniger Abrams’ Angriffe auf den späteren Präsidenten gegeben haben als vielmehr der Umstand, dass er bei Trumpisten als „Globalist“ verrufen ist.

In einer Meldung der Agentur Bloomberg News hieß es, die Personalie signalisiere eine Umorientierung hin zu „Positionen [und] außenpolitischen Denkansätzen, die Trump während des Wahlkampfs noch verhöhnt hat – so etwa [Abrams’] vehemente Unterstützung des Irakkriegs, den Trump lange Zeit kritisierte. Doch Abrams hat sich offenbar, ebenso wie Trump, ein Stück weit bewegt.“1 Mit ähnlich besänftigenden Wendungen spielte Abrams seine verbrecherische Rolle in der Iran-Contra-Affäre2 unter Präsident Reagan herunter. Dabei hatte er sich schuldig bekennen müssen, dem Kongress in zwei Fällen Informationen vorenthalten zu haben, woraufhin er seine Zulassung als Anwalt in Washington, D. C., verlor. George Bush senior begnadigte Abrams, nachdem er sich bei der Präsidentschaftswahl 1992 Bill Clinton geschlagen geben musste. „Ich glaube, das ist nicht mehr von Bedeutung“, meinte Abrams dazu kaltschnäuzig. „Es geht nicht um Ereignisse aus den 1980er Jahren. Wir konzentrieren uns auf die Ereignisse im Jahr 2019.“3

Wenn man aus Abrams’ Vergangenheit auf die Zukunft schließen darf, wird 2019 für das venezolanische Volk eine Katastrophe. Ich verfolge Abrams’ Laufbahn seit über dreißig Jahren: Er begann als Referent von Kongressabgeordneten, wurde unter Reagan zuständig für Menschenrechte und später für Mittelamerika, bevor er in der zweiten Amtszeit von George Bush senior zum Sonderbeauftragten des Präsidenten und Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats aufstieg. Danach betätigte er sich in der renommierten Denkfabrik Council of Foreign Relations und mehreren konservativen jüdischen Organisationen als außerparlamentarischer Agitator. Mit Ausnahme von Henry Kissinger und Dick Cheney lässt sich schwerlich ein US-Amtsträger finden, der mehr zum Einsatz von Folter und Massenmord im Namen der „Demokratie“ beigetragen hat als Elliott Abrams.

Abrams frühe Karriere als Referent der demokratischen Senatoren Henry „Scoop“ Jackson und Patrick Moynihan passte zum neokonservativen Bestreben, die Demokratische Partei der 1970er Jahre auf die interventionistische Linie der „Falken“ einzuschwören. Aber als Jimmy Carter keinen der beiden Senatoren in sein Kabinett berief, wechselten sie die Pferde. „Wir wurden kaltgestellt“, beklagte sich Abrams. „Wir bekamen eine unglaublich nichtssagende Stelle. Als Verhandlungsführer. Nicht für Polynesien. Nicht für Makronesien. Nein, für Mikronesien.“4

Erst am Busen der Reagan-Regierung gelang Abrams ein rasanter Aufstieg in die oberen Ränge des Außenministeriums. Er wurde zuerst Staatssekretär für internationale Organisationen, dann, ausgerechnet, für Menschenrechte und schließlich für interamerikanische Angelegenheiten. In dieser Stellung bewahrte Abrams den damaligen Außenminister ­George Shultz vor dem Wüten der Reagan-Fraktion, die gegen die Sowjetunion in den Krieg ziehen wollte – indem er half, eine Reihe von Stellvertreterkriegen in Mittelamerika anzuzetteln.

Die faschistische Rechte Lateinamerikas dürfte kaum je einen energischeren Fürsprecher in den USA gehabt haben. Wann immer die Öffentlichkeit von Massakern an unschuldigen Bauern erfuhr, ob in El Salvador, Nicaragua, Guatemala oder in Panama (wo Bush senior sogar US-Truppen einmarschieren ließ), stets kannte Abrams die wahren Schuldigen: Journalisten, Menschenrechtler und die Opfer selbst.

Im März 1982 putschte sich General Ríos Montt in Guatemala an die Macht. Bald darauf verkündete der damalige US-Staatssekretär für Menschenrechte, Elliott Abrams, Montt habe in Sachen Menschenrechte „beachtliche Fortschritte erzielt“; die Anzahl der getöteten Zivilisten werde „Schritt für Schritt reduziert“.5 In Wirklichkeit lagen dem US-Außenministerium „glaubhafte Aussagen über einen Massenmord an indianischen Männern, Frauen und Kindern durch die [guatemaltekische] Armee in einem abgelegenen Gebiet“ vor. Dennoch forderte Abrams vom Kongress, das Regime mit besseren Waffen auszurüsten, um den „Fortschritt zu belohnen und bestärken“. 2013 wurde Ríos Montt von der durch die UN unterstützte guatemaltekische Aufarbeitungskommission für den Völkermord an den indigenen Ixil im Departement Quiché verurteilt.

Nachdem Abrams zum Staatssekretär für interamerikanische Angelegenheiten ernannt worden war, verurteilte er wiederholt die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die auf die von Ríos Montts nicht weniger blutrünstigen Nachfolger Vinicio Cerezo verübten Massaker aufmerksam machten. 1985 wurde eine Sprecherin der Grupo de apoyo mutuo (eine Organisation von Müttern Verschwundener) mit ihrem dreijährigen Sohn und ihrem Bruder tot in einem verunglückten Auto aufgefunden. Abrams deckte nicht nur die unglaubwürdigen Beteuerungen des Regimes, dass es sich um einen Verkehrsunfall gehandelt habe, sondern ging auch juristisch gegen jene vor, die auf einer Untersuchung bestanden.

Die New York Times veröffentlichte einen Gastkommentar, der die offiziellen Opferzahlen des US-Außenministeriums in Zweifel zog – geschrieben von einer Frau, die Zeugin wurde, wie am helllichten Tage in Guatemala-Stadt eine Todesschwadron einen Mann erschoss, und die nie etwas darüber in der Presse fand. Abrams schrieb daraufhin einen offenen Brief an die Redaktion, in dem er einen Bericht in einer nicht existierenden Zeitung erfand, um zu belegen, dass über diesen Mord sehr wohl berichtet worden sei.

Abrams beschaffte Geld für die Contras

1982 veröffentlichten die New York Times und die Washington Post Artikel über zwei Massaker in der Gegend von El Mozote in El Salvador, verübt von den durch die USA ausgebildeten und unterstützten Truppen der Militärdiktatur. Abrams erklärte vor einem Senatsausschuss die Berichte für „unglaubwürdig“, und befand, es handle sich um einen Vorfall, den die Guerilla nach Kräften propagandistisch ausgeschlachtet habe. Mehr als zehn Jahre später stellte die Wahrheitskommission des Landes fest, dass in El Mozote „vorsätzlich und systematisch“ 5000 Zivilisten ermordet worden waren.

Als der panamaische Diktator Manuel Noriega 1985 die Ermordung Hugo Spafadoras anordnete – dem Gue­ril­la­führer wurde bei lebendigem Leib der Kopf abgesägt –, sorgte Abrams dafür, dass Außenministerium und Kongress den Mantel des Schweigens über die Sache breiteten. Er argumentierte, Noriega sei „für uns wirklich hilfreich“ und „kein allzu großes Problem“. „Die Panamaer haben versprochen, uns mit den Contras zu helfen. Falls Sie eine Anhörung [im Kongress] durchführen, wird sie das verstimmen.“6

In die Iran-Contra-Affäre war Abrams gleich in mehrfacher Weise verstrickt: Als 1986 ein US-amerikanischer Söldnerpilot bei einer illegalen Waffenlieferung an die Contras abgeschossen wurde, erschien Abrams auf CNN und erzählte, dass niemand, der mit in der US-Regierung in Verbindung stehe, etwas mit diesen Flügen zu tun habe: „Das wäre ungesetzlich. Es ist uns verboten, das zu tun, also tun wir es nicht. Dies war in keinerlei Hinsicht eine Operation der US-Regierung. Keineswegs.“ Er erklärte, dass „der Grund, warum dergleichen geschieht, der Grund, warum dort Amerikaner getötet und abgeschossen werden, ist, dass der Kongress nicht handelt“ – indem er die Contras finanziert.

Vor zwei Kongressausschüssen wiederholte er dreist, dass der Flug „nicht von der US-Regierung organisiert, geleitet oder finanziert wurde“. Die Unterstützung des Außenministeriums für die Contras habe „nicht darin bestanden, irgendwelche Gelder einzusammeln, sondern nur darin, den Kongress dazu zu bewegen, sie zu bewilligen“.

All das war gelogen: Die Waffenlieferungen wurden über Generalleutnant Oliver North und die CIA finanziert. Und Abrams war kurz zuvor aus Brunei zurückgekehrt, wo er Geld für die Contras eingesammelt hatte. Die Aufdeckung von Abrams’ Lügen führte schließlich zu seiner Verurteilung wegen Irreführung des Kongresses. Aktenkundig ist die Bemerkung des demokratischen Senators Thomas Eagleton aus Missouri, Abrams’ Aussage sei „zum Kotzen“.

Als Sonderbeauftragter für Israel und Palästina im Nationalen Sicherheitsrat bestand Abrams’ herausragendste Leistung darin, nach der Wahl in Palästina 2006 die Bildung einer Regierungskoalition aus Hamas und Fatah im Westjordanland und in Gaza zu verhindern, wie Vanity Fair 2008 enthüllte. Er konspirierte mit Teilen der Fatah und erzwang so den Rückzug der von der Hamas geführten Regierung nach Gaza.7 Dies hat zu einer permanenten Spaltung geführt und der Unmöglichkeit, einen bleibenden Frieden mit Israel auszuhandeln (sollte Israel dazu je bereit sein).

Schon 2002 hatte Abrams, einem Bericht des Guardian zufolge,8 den vorübergehend erfolgreichen Militärputsch gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez unterstützt.

Trotz alledem berief der Council of Foreign Relations Abrams 2009 in eine leitende Position. Man bekam allerdings ein kleines Problem mit ihm, als er gegenüber dem National Public Radio im Januar 2013 Obamas designierten Verteidigungsminister Chuck Hagel als „Antisemiten“ bezeichnete. Der Leiter des Councils, Richard Haas, erklärte daraufhin gegenüber ABC, dieser Vorwurf sei nicht nur falsch, sondern habe auch „eine Grenze überschritten“.

Dass jemand wie Elliott Abrams trotz seiner amoralischen – um nicht zu sagen destruktiven – politischen Laufbahn in den Council geholt wurde und daraufhin in den US-Medien als respektable Stimme in der außenpolitischen Debatte reüssierte, stellt eine Kapitulation des außenpolitischen Establishments der USA vor den Neokonservativen dar. Das gilt noch mehr für Abrams’ Berufung ins Außenministerium als Sonderbeauftragter für Vene­zue­la: Sie könnte – trotz Trumps isolationistischer Reden – die Rückkehr zur grobschlächtigen Interventionspolitik früherer Zeiten bedeuten.

1 Jennifer Jacobs und Nick Wadhams, „‚Never Trumpers‘ can get State Departement jobs with Pompeo there“, Bloomberg, 31. Januar 2019.

2 Die Contras, die gegen die sandinistische Regierung Nicaraguas kämpfende Miliz, wurde von den USA durch heimliche Waffenverkäufe an den kriegführenden Iran finanziert.

3 Grace Segers, „US envoy to Venezuela Elliott Abrams says his history with Iran-Contra isn’t an issue“, CBS News, 30. Januar 2019, www.cbsnews.com.

4 Zitiert nach Samuel Blumenthal, „The Rise of the Counter-Establishment. The Conservative Ascent to Political Power“, New York (Union Square Press) 1986 und 2008.

5 Zitiert nach Samuel Totten, „Dirty Hands and Vicious Deeds. The US Government’s Complicity in Crimes Against Humanity and Genocide“, Toronto (University of Toronto Press) 2018.

6 Zitiert nach Stephen Kinzer, „Overthrow: America’s Century of Regime Change from Hawaii to Iraq“, New York (Times Books) 2006.

7 David Rose, „The Gaza bombshell“, Vanity Fair, 3. März 2008, www.vanityfair.com.

8 Ed Vulliamy, „Venezuela coup linked to Bush team“, The Guardian, London, 21. April 2002.

Aus dem Englischen von Robin Cackett

Eric Alterman ist Journalist und Historiker und lehrt am Brooklyn College, New York. Er ist Autor unter anderem von „When Presidents Lie: A History of Official Deception and its Consequences“, New York (Viking Press) 2004.

Le Monde diplomatique vom 07.03.2019, von Eric Alterman