07.03.2019

Fleisch für die Welt

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Fleisch für die Welt

von Stefano Liberti

Hans-Christian Schink, A9/A38 Autobahnkreuz Rippachtal (1), 1998, Serie Verkehrsprojekte Deutsche Einheit, 1995–2003, C-Print, 178 x 211 cm
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Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Verzehr von süßsaurem Schweinefleisch in Schang­hai, dem Verlust von einem Hektar Wald im Amazonasbecken und afrikanischen Flüchtlingen im europäischen Mittel­meer?

In Mato Grosso im Westen Brasiliens leitet Rodrigo Pozzobon in zweiter Generation einen landwirtschaftlichen Betrieb mit mehreren tausend Hektar. Er ist hier geboren und erlebte selbst den raschen Aufstieg der Region, die mit der Ausdehnung der Anbaugebiete einherging. „Wir leben an einem idealen Ort: Wir haben das Klima und das Land für eine Agrarproduktion, die nirgends sonst möglich wäre. Unsere Wirtschaft basiert im Wesentlichen auf einem Produkt: Sojabohnen.“

Früher waren die brasilianischen Cerrados, die Savannen im Landesinneren, für ihre biologische Vielfalt berühmt. Heute gibt es den „dicken Wald“ (Mato Grosso auf Portugiesisch) nicht mehr, sondern nur noch Sojafelder, so weit das Auge reicht. Die große Metamorphose liegt noch nicht lange zurück. In den 1980er Jahren gelang der brasilianischen Regierung mit Unterstützung des Instituts für Agrarforschung das sogenannte Wunder von Cerrado1 : die Verwandlung einer unwirtlichen und unfruchtbaren Region zum Herzstück einer neuen Agrarindustrie.

Mato Grosso ist das Labor für eines der größten landwirtschaftlichen Experimente unserer Zeit. An die Stelle eines biologisch reichen Lebensraums – vielseitig, aber nicht sehr ertragreich – trat eine Monokultur, die den Weltmarkt beliefert. Sojabohnen sind allgemein als Pro­tein­quelle und Fleischersatz bekannt. Tatsächlich sind sie jedoch ein zentraler Bestandteil der intensiven Viehhaltung. 70 Prozent der weltweiten Sojaproduktion enden als Futtermittel in der industriellen Tierzucht. Der Ausbau der Monokultur, die heute die Landschaft von Mato Grosso prägt, ging Hand in Hand mit der Zunahme des weltweiten Fleischkonsums.

Die Wachstumsraten sind schwindelerregend: Die brasilianische Sojaproduktion stieg von 32 Millionen Tonnen im Jahr 2000 auf 117 Mil­lio­nen 2017. Allein in Mato Grosso wuchs die Anbaufläche im selben Zeitraum von 3 Millionen Hektar auf heute 7 Millionen. In dieser Region Lateinamerikas, genannt die „Vereinigte Republik der Sojabohne“, die sich über Teile Brasiliens und Argentiniens, Uruguay, Paraguay und den Osten Boliviens erstreckt, wird auf 46 Mil­lio­nen Hektar Land ausschließlich Soja angebaut. Zum Größenvergleich: 1950 betrug die Weltproduk­tion an Soja 17 Millionen Tonnen, heute beläuft sie sich auf 250 Millionen Tonnen, das ist das Vierzehnfache. Weizen, Mais und Reis, die Grund­ele­mente der Welternährung, sind im gleichen Zeitraum lediglich um das Drei- bis Vierfache gestiegen.

„Und wir können die Produktion noch erweitern. Uns steht noch viel Land zur Verfügung“, erklärt Sergio Mendes, der Generaldirektor vom Dachverband für Soja- und Getreidebetriebe, Associação Nacional dos Exportadores de Cereais (ANC). „Wir sind der Brotkorb des Planeten“, fügt er enthusiastisch hinzu. „Die Welt will Soja. Und wir haben das Land und die Bedingungen, um die Nachfrage zu befriedigen.“ Man bräuchte nur noch eine bessere Infrastruktur für den Export.

Entwaldung für den Sojaanbau

Ein Großteil der Sojaproduktion von Mato Grosso bleibt nicht im Land, sondern wird rund um den Globus verschickt. Zunächst wird die Hülsenfrucht in gigantischen Silos überall im Land gesammelt, dann per Lkw in die 2000 Kilometer entfernt gelegenen Häfen am Atlantik transportiert. Die Containerschiffe steuern in erster Linie zwei Ziele an: Rotterdam, als Zugang zum europäischen Markt, und, noch häufiger und mit viel größeren Ladungen, chinesische Hafenstädte. Von den 2017 erzeugten 117 Millionen Tonnen gelangten 54 Millionen nach China, 14 Millionen nach Europa.

Der jüngste Handelskonflikt zwischen den USA und China wird diesen Prozess vermutlich noch beschleunigen. Seit die Trump-Regierung für verschiedene chinesische Produkte die Zölle erhöht hat, revanchierte sich Peking mit einem Aufschlag von 25 Prozent für US-amerikanische Sojabohnen.2 Die Maßnahme entfaltete sofort ihre Wirkung. Im November 2018 hat China zum ersten Mal seit zwanzig Jahren nicht eine einzige Sojabohne aus den USA importiert (gegenüber 4,7 Millionen im November 2017). Peking erhöhte folglich die Einfuhr aus Brasilien, und als dessen Vorräte erschöpft waren, erhöhten die Unternehmer in Mato Grosso und den benachbarten Bundesstaaten die Produktion.

Washington und Peking einigten sich im Dezember 2018 zwar auf einen 90-tägigen „Waffenstillstand im Zollkrieg“, um Verhandlungen zu erleichtern, und China importierte danach auch wieder Soja aus den USA. Aber die Sogwirkung auf die brasilianischen Sojabauern war bereits spürbar und führte zu weiteren Produktionssteigerungen.

Um mit der Nachfrage Schritt zu halten, hat sich die Anbaugrenze schon seit einigen Jahren deutlich nach Norden verschoben, ganz Mato Grosso und weite Teile des Regenwalds gehören dazu. Heute wachsen hier die gleichen Monokulturen, die früher für die Regionen weiter südlich typisch waren. Am Amazonas wurden mehrere Exporthäfen gebaut; jede Handelsfirma hat ihren eigenen Hafen, über den die Sojaausfuhr direkt abgewickelt wird.

Das weiße Gold bringt nicht nur Unternehmern wie Pozzobon ein Vermögen ein, sondern auch den Handelsfirmen, die den Markt kon­trol­lieren: den US-Unternehmen Cargill, Archer Da­niel Midland und Bunge sowie dem französischen Mischkonzern Louis Dreyfus. In den vergangenen Jahren kamen das staatseigene chinesische Unternehmen Cofco und die brasilianische Amaggi-Gruppe hinzu, die sich im Besitz der Familie Maggi befindet. Blairo Maggi, der Chef des Unternehmens, war früher Gouverneur von Mato Grosso und zuletzt Landwirtschaftsminister in Michel Temers liberal-konservativer Regierung. Die genannten sechs Konzerne kontrollieren 57 Prozent der brasilianischen Soja­exporte.3

Doch ohne den intensiven Einsatz von Agrochemikalien hätte es kein „Wunder von Cerrado“ gegeben. „Aus agrarwissenschaftlicher Sicht ist hier ein Verbrechen begangen worden“, erklärt João Pedro Stedile, Sprecher und Gründer der Landlosenbewegung Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST). Soja wurde an eine feucht-tropische Gegend angepasst, die dafür nicht geeignet war. Damit die Pflanzen überhaupt wachsen konnten, wurde der Boden mit Harnstoff, Nitrat und Phosphat gedüngt. Inzwischen ist Brasilien der weltweit größte Verbraucher von Düngemitteln und Pestiziden. „Das ist ein Fehler, der kurzfristig die Natur aus dem Gleichgewicht bringen wird – ganz zu schweigen von dem Verlust an biologischer Vielfalt“, klagt João Pe­dro Stedile.

Die Zerstörung der Cerrados und die schrittweise Abholzung des Regenwaldes tragen außerdem zur weltweiten Erderwärmung bei. Wenn Bäume gefällt werden, vermindert das nicht nur die Kapazitäten zur CO2-Speicherung, sondern es werden zugleich unglaubliche Mengen an Kohlendioxid freigesetzt.

Umweltorganisationen dokumentieren seit Jahren die Folgen des Sojaanbaus. „19 Prozent des Waldes sind bereits verschwunden“, erklärt Romulo Batista, der Vorsitzende von Greenpeace Amazonia. Auf einer Karte zeigt er den „Entwaldungsbogen“: die bereits abgeholzten Gebiete sind rot eingefärbt. „62 Prozent der abgeholzten Flächen, die den ganzen südlichen Amazonas umfasst, sind für die Sojaproduktion bestimmt.“

Vor mehr als zehn Jahren startete Greenpeace eine besonders wirkungsvolle Kampagne: Als Hühner verkleidet ketteten sich die Aktivisten in verschiedenen McDonald’s-Restaurants in Europa an Stühle und erklärten den erstaunten Gästen: „Jedes Mal, wenn Sie Ihre Chicken McNuggets essen, zerstören Sie ein Stück Amazonas.“

„Diese Schockkampagne war supererfolgreich“, erzählt Batista. Kurz danach unterzeichnete die brasilianische Regierung eine Art Soja-Moratorium, das den Anbau auf kürzlich gerodeten Flächen verbietet. Seitdem sei der Anteil der nur für die Sojaproduktion abgeholzten Gebiete auf 1 Prozent gesunken. Das Moratorium verhindert jedoch nicht, dass weiter Soja angebaut wird – auf Flächen, die für die Holzgewinnung oder für die Nutzung als Weideland gerodet wurden. Die Zahlen sprechen für sich: Seit Inkrafttreten des Moratoriums 2006 wuchs die zur Sojaproduk­tion verwendete Fläche in der Amazonasregion von 2 Millionen auf 3,6 Millionen Hektar.

Die Wahl von Jair Bolsonaro zum Präsidenten bedeutet nichts Gutes für die Zukunft des größten Regenwalds der Erde. Bolsonaro hat wiederholt eine „flexiblere Anwendung“ von Umweltschutzbestimmungen gefordert. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt am 1. Januar 2019 unterstützte er eine Reihe von Verordnungen zugunsten der Interessen von Großproduzenten.4

Der rasante Anstieg der Sojaerzeugung ist untrennbar mit dem Anstieg des Fleischkonsums in der westlichen Welt und in Ländern wie China verknüpft. Die Kausalität, die Greenpeace damals in seiner Kampagne hergestellt hat, ist alles andere als weit hergeholt: Jedes Mal, wenn wir Chicken-Nuggets essen – oder auch einen edlen Parmaschinken –, tragen wir indirekt zur Abholzung im Amazonas und zur Erderwärmung bei.

Die Verbindung zwischen intensiver Landwirtschaft und großen Monokulturen ist quasi symbiotisch. Tony Weis, Professor für Geografie an der University of Western Ohio, spricht vom „Getreide-Ölsaat-Vieh-Komplex“.5 „Industrielle Landwirtschaftsbetriebe sind wie Inseln in einem Meer aus Soja und Getreide“, hält er die Situation in einem anschaulichen Bild fest.

Die Massentierhaltung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg intensiv vorangetrieben, immer mehr Tiere wurden auf immer kleinerem Raum gehalten. Die Fleischproduktion stieg von 71 Millionen Tonnen 1961 auf 323 Millionen Tonnen 2017. „Heute werden auf der Erde jährlich 70 Milliarden Tiere für den menschlichen Verzehr getötet, 1960 waren es noch 10 Milliarden. Setzt sich die Entwicklung beim Fleischkonsum fort, liegen wir 2050 bei jährlich 120 Milliarden getöteten Zuchttieren“, rechnet Weis vor.

Die industrielle Massentierhaltung hat das Zuchtkonzept grundlegend verändert. Seit ihre Domestizierung im alten Mesopotamien begann, waren Tiere fester Bestandteil eines organischen, mit der Landwirtschaft eng verwobenen Systems. Sie grasten auf den Weiden, die sie mit ihrem Mist düngten und so wieder fruchtbar machten.

Das nennt man heute Kreislaufwirtschaft, wohingegen Massentierhaltung zur Linearwirtschaft gehört, die nur Treibstoff verbraucht und Abfall erzeugt. Hochkonzentrierte tierische Jauche ist nämlich kein Dünger, sondern Abfall. Und die ungeheuren Mengen an Soja und Getreide, die zu Tierfutter verarbeitet werden, bilden den Treibstoff. „Heute wird ein Drittel des weltweiten Ackerlands für diese Futterpflanzen verwendet“, stellt Weis fest.

Der Trend ist auf der ganzen Welt ähnlich: Mit zunehmendem Wohlstand erhöhen die Menschen meist ihren Fleischkonsum. Länder, in denen die Bevölkerung rasch wächst, übernehmen die Essgewohnheiten der westlichen Welt. Analysiert man den Pro-Kopf-Verbrauch je nach Re­gion, so stellt man fest, dass von 1961 bis heute der Fleischkonsum in Westeuropa von 50 auf 80,6 Kilogramm pro Person und Jahr gestiegen ist, in den USA von 89,2 auf 120,2 Kilogramm und in China von 4 auf 58,2 Kilogramm.6

Insbesondere der exponentielle Anstieg des Fleischverbrauchs in China hat zu der gewaltigen Ausweitung der intensiven Sojaproduktion in Brasilien und ganz Lateinamerika geführt. Heute ist China mit 60 Prozent der Gesamtmenge der größte Importeur von Sojabohnen weltweit. Der zweitgrößte sind die Niederlande mit 3 Prozent.

„Es ist absurd, tonnenweise Soja in Brasilien zu produzieren, um Hühner oder Schweine in China zu füttern! Können die Chinesen ihre Schweine nicht ohne unsere Sojabohnen züchten?“, fragt João Pedro Stedile. Nein, das können sie nicht. China verfügt nicht über genug Land, um die erforderliche Menge an Soja und Getreide anzubauen. „In den vergangenen fünfzehn Jahren hat Peking den Industrialisierungsprozess bei der Fleisch­erzeugung gefördert und die Errichtung gewaltiger Massenbetriebe nach westlichem Modell vorangetrieben“, berichtet Mindi Schneider.

Die Professorin für Agrarwissenschaften vom Institut für Soziale Studien in Den Haag hat in einer Langzeitstudie die Entwicklung der Schwei­ne­industrie in China untersucht.7 In ihrem Büro, in dem Schweinefiguren in allen Formen und Größen stehen, erläutert sie die Ergebnisse ihrer Feldforschung. Heute werden in dem asiatischen Land jährlich 700 Millionen Schweine gezüchtet, die Hälfte aller Zuchtschweine weltweit. Um sie zu ernähren, hat die chinesische Regierung die Einfuhr von Sojabohnen komplett liberalisiert.

Siebzig Milliarden tote Tiere

Konsummuster beeinflussen Produktionsmuster und können weltweite Folgen haben. Die „Ge­treide-­Ölsaat-­Nutztiere“, wie Tony Weis sie beschreibt, verursachen gewaltige Umweltschäden, angefangen bei der Entwaldung der Cerrados und des Amazonas bis hin zu den CO2-Emissionen der Sojatransporte. Hinzu kommen die unkalkulierbaren sozialen Kosten, wie die Enteignung von Kleinbauern, die gezwungen sind, in Großstädte zu ziehen oder ins Ausland zu emigrieren.

Die Ausbreitung des westlichen Konsumverhaltens auf andere Erdteile, wie sie sich zum Beispiel im Anstieg des Fleischverzehrs in China und anderen asiatischen sowie afrikanischen Ländern mit ähnlichem BIP-Wachstum zeigt, gibt Anlass zur Sorge. Bislang wird in China pro Kopf nur halb so viel Fleisch konsumiert wie in den USA, erklärt die Washingtoner Umweltforscherin Janet Larsen: „Aber bei 1,4 Milliarden Chinesen sind die Mengen dennoch enorm. Wenn sie irgendwann die westliche Ernährungsweise vollständig übernehmen sollten, wo bekämen wir die Ressourcen her, um all die Nutztiere zu füttern?“

Tony Weis hat eine geradezu apokalyptische Antwort auf diese Frage: „Wenn wir 2050 die Zahl von 120 Milliarden Tieren erreichen, müssen zwei Drittel des Ackerlands auf der Erde ausschließlich für den Futtermittelanbau verwendet werden.“ Aufgrund dieser Analysen von Verbrauchertrends plädiert er dafür, die gängige Sichtweise zum Thema Überbevölkerung noch einmal zu überdenken.

Laut der Welternährungsorganisation (FAO) werden 2050 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben. „Die wahre Überbevölkerung, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, ist aber die der gezüchteten Tiere“, sagt Weis. „Anstatt unsere Produktion zu steigern, müssen wir anders produzieren und konsumieren. Wir müssen dringend das vorherrschende Modell überprüfen, das auf einer permanenten Steigerung des Verzehrs von tierischem Eiweiß basiert.“

Die intensive Tierhaltung hat es im Laufe der Zeit möglich gemacht, breiten Bevölkerungsschichten billige Lebensmittel anzubieten. Doch wer bezahlt die Kosten, die durch die Ausbeutung der Böden und die Umweltzerstörung mit Pestiziden und tierischen Abfallprodukten entstehen? Wie berechnet man den Verlust an CO2-Speichern, wenn alle Bäume abgeholzt sind? Und was ist mit den CO2-Emissionen, die durch den Transport von Soja quer über den Globus verursacht werden? Oder den gewaltigen Wassermengen, die für die Herstellung von einem Kilogramm Fleisch verbraucht werden? Oder den sozialen Kosten, die entstehen, wenn Landschaften in Lebensmittelfabriken für die wachsende städtische Bevölkerung umgewandelt werden und Klein­bauern von Konzernen verdrängt werden?

All diese „negativen Externalitäten“ werden nicht in den Preis für ein Kilogramm Fleisch miteingerechnet, den der einzelne Verbraucher zahlt. Aber sie stecken in den Folgekosten, die jeder Mensch als Bewohner eines Ökosystems mitträgt, dessen Zerstörung immer schneller voranschreitet. Würden auch diese Faktoren berücksichtigt, so müssten manche Lebensmittel mindestens doppelt so viel kosten wie auf dem Preisschild im Supermarkt ausgezeichnet.8

Kommen wir noch einmal auf die anfangs gestellte Frage zurück: Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Verzehr von süßsaurem Schweinefleisch in einem Restaurant in Schanghai und einem Flüchtlingsboot im europäischen Mittelmeer?

Der übermäßige Fleischverzehr und das dazugehörige Produktionsmodell können ein ohnehin fragiles Gleichgewicht zerstören und enorme Umwelt- und Sozialschäden anrichten. Für ein Kilogramm Schweinefleisch muss etwa ein Hektar Regenwald geopfert werden, das führt unweigerlich zum Anstieg der Erdtemperatur und in manchen Regionen der Welt sogar zur Ausdehnung von Wüsten, so zum Beispiel in Subsahara-Afrika.

Die Verteilungskämpfe um Wasser werden zunehmen und weitere kriegerische Auseinandersetzungen um knappe Ressourcen nach sich ziehen, die die Menschen in die Flucht treiben. Es ist ein vielschichtiges, komplexes Phänomen. Und sicher ist nicht allein das Schwein in Schanghai dafür verantwortlich. Auch wenn es sich manchmal danach anhört: Das alles sind keine Science-Fiction-Szenarien. Es ist die Wirklichkeit, in der wir bereits heute leben.

1 „The miracle of the cerrado“, The Economist, 26. August 2010.

2 Siehe Martine Bulard, „USA gegen China – Wer siegt im Handelskrieg?“, LMd, Oktober 2018.

3 „Brazilian soy supply chains: linking buyers to landscapes“, Trase Yearbook 2018.

4 Dom Phillips, „Jair Bolsonaro launches assault on Amazon rain­forest protections“, The Guardian, 2. Januar 2019.

5 Siehe Tony Weis, „The ecological hoofprint. The Global Burden of Industrial Livestock“, London (Zed Books) 2013.

6 Faostat, 2016.

7 Siehe Mindi Schneider und Shefali Sharma, „China’s Pork Miracle? Agribusiness and Development in China’s Pork Industry“, Institute for Agriculture and Trade Policy, 17. Februar 2014.

8 ETC Group, „Who will feed us? The Peasant Food Web vs. the Industrial Food Chain“, 15. Oktober 2017.

Aus dem Englischen von Birgit Bayerlein

Stefano Liberti ist freier Journalist und Dokumentarfilmer in Rom. Zuletzt drehte er zusammen mit Enrico Parenti „Soyalism“, siehe www.soyalism.com.

© Stefano Liberti; für die deutsche Übersetzung LMd, Berlin

Le Monde diplomatique vom 07.03.2019, von Stefano Liberti