Absolutismus in Swasiland
Mswati III. feiert, seine Untertanen leiden
von Alain Vicky
Täglich drei Hin- und Rückflüge zwischen Südafrika und Swasiland und eine vierspurige Schnellstraße, die nach 70 Kilometern durch die Wüste im Zuckergürtel von Mbabane endet. Der neue King Mswati III International Airport (Kostenpunkt 164 Millionen Dollar) ist ein sogenannter weißer Elefant. Abgesehen von den drei Flügen nach Südafrika startet von hier nur noch der Airbus des Königs, den Afrikas letzte absolute Monarchie der taiwanesischen China Airlines abgekauft hat.
Vor 50 Jahren, am 6. September 1968, erlangte das ehemalige britische Protektorat Swasiland seine Unabhängigkeit. Die Feierlichkeiten wurden auf den 19. April vorverlegt, Mwsatis 50. Geburtstag. 8,8 Millionen Dollar sollen für das Fest ausgegeben worden sein (2016 lag das Bruttoinlandsprodukt bei 3,3 Milliarden Dollar). Taiwan hat eine Spende von 1,3 Millionen Dollar beigesteuert (Swasiland unterhält als letztes afrikanisches Land noch diplomatische Beziehungen zu dem Inselstaat). Der große Rest stammt aus öffentlichen Mitteln und den Pensions- und Rentenkassen der Untertanen.
Der Monarch bediene sich an den Staatseinnahmen, als wären es seine persönlichen Pfründen, erklärt Mario Masuku, Vorsitzender der Vereinigten Demokratischen Volksbewegung (Pudemo), die wie alle politischen Parteien des Landes seit 1973 verboten ist.
An erster Stelle bereichert sich Mswatis Familie (15 Ehefrauen, 23 Kinder und etwa 200 Geschwister). Auf ihre Kosten kommen auch ein paar südafrikanische Investoren, für die vor allem die niedrigen Löhne attraktiv sind (zu Hause müssten sie das Dreifache bezahlen), sowie eine kleine Gruppe weißer Unternehmer, den Erben der britischen Kolonialherren. Laut Masuku gehören etwa 15 000 Geschäftsmänner zu diesem Kreis, der unmittelbar von der Korruption und den skrupellosen Methoden der Monarchie profitiert.
Seit 1986 herrscht Mswati III. in Swasiland, das er an seinem 50. Geburtstag in „Königreich Eswatini“ umbenannt hat. Jede Kritik perle an ihm ab, beklagt Muzi Mhlanga, der stellvertretende Generalsekretär des Gewerkschaftsverbands von Swasiland (Tucoswa), der seit 2015 zugelassen ist. Der ebenso korrupte wie brutale Polizeiapparat erhielt 2017 mit 5 Prozent des Haushaltsbudgets genauso viel wie die Streitkräfte, und der Staatschef selbst braucht für die Ausübung seines Amts sogar 8 Prozent.
Während der Apartheid flohen viele ANC-Aktivisten aus Südafrika in das Königreich, und weiße Südafrikaner zogen durch die Bars und Bordelle von Ezulwini, dem „himmlischen Tal“, wie die Übersetzung aus dem Siswati lautet. Im touristischen Zentrum des Landes dominieren bis heute Weiße, hier gibt es Privatschulen, ein Einkaufszentrum, ein Luxushotel und ein Kasino, Läden für nachhaltiges Kunsthandwerk und eine gigantische US-Botschaft.
Jenseits dieses vermeintlichen Paradieses leben 63 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze, 26 Prozent sind HIV-positiv und 200 000 Menschen (bei einer Gesamtbevölkerung von knapp 1,3 Millionen) sind auf Lebensmittelhilfen angewiesen. Die Arbeitslosenquote beträgt 28 Prozent. Die Lebenserwartung liegt bei etwas mehr als 49 Jahren.
Im Land von König Mswati III. herrscht Polygamie. Ehescheidungen und Miniröcke sind verboten – das wiederum gefällt den Evangelikalen, die der Monarch unterstützt, der ansonsten auf die Tradition und die Heilkraft der Pflanzenmedizin muti schwört.
Mswati III. vertraut nur seinen engsten Angehörigen, der altgedienten Führungsmannschaft und seinem Premierminister Barnabas Sibusiso Dlamini. Und er legt viel Wert auf die alten Bräuche wie den berühmten Schilftanz Umhlanga, den Ende August alljährlich tausende junge Frauen vom Land vor dem Königshof aufführen, um sich für den Harem zu bewerben.
Der pittoreske Tanz gilt als große touristische Attraktion. Dabei missbrauche Mswati III. nur die Tradition, um seine Macht zu festigen, beklagt der Historiker Joy Dumsile Ddwandwe. „Wer seine Tochter nicht zum Umhlanga schickt, kann von den Stammesführern verstoßen werden. Das heißt, es gibt dann keine finanzielle Unterstützung mehr, man kann sogar seine Rente verlieren.“
Fast 200 000 Leute sind in der Zuckerindustrie beschäftigt, die allein 18 Prozent des BIPs erwirtschaftet. Swasiland ist Afrikas viertgrößter Produzent von Rohrzucker. Auf den Plantagen herrschen Verhältnisse wie im 19. Jahrhundert, mit Kinder- und Schwerstarbeit bis zu 60 Wochenstunden. Jegliche Versuche seitens der Beschäftigten, sich gewerkschaftlich zu organisieren, werden brutal unterdrückt.1
Der meiste Rohrzucker wird direkt vor Ort in einer Coca-Cola-Fabrik verarbeitet. Dafür braucht der Konzern kaum Steuern zu zahlen.2 Den Rest der Produktion (40 Prozent) kann das Land im Rahmen eines Wirtschaftspartnerschaftsabkommens (WPA) zollfrei in die Europäische Union exportieren.3
Der Gewerkschafter Mhlanga kritisiert, dass die EU dem König alles durchgehen lasse, während die USA immerhin schon einmal reagiert haben: Zwischen 2015 und 2017 wurde Swasiland wegen der Verletzung von Menschenrechten vom African Growth and Opportunity Act (Agoa) ausgeschlossen, der afrikanischen Ländern über Vorzugszölle für bestimmte Exportprodukte den Zugang zum US-Markt erleichtert.
Morddrohungen von der Polizei
Wenn es nach William K. Mkhaliphi ginge, müsste man Zucker aus Swasiland eigentlich boykottieren. Der 84-jährige Kleinproduzent wurde 2016 ohne Entschädigung von der Royal Swaziland Sugar Corporation (RSSC), die zwei Drittel des Markts beherrscht, von seiner Farm vertrieben, die er mit etwa 20 anderen Bauern bewirtschaftete.
Mkhaliphi und seine Mitstreiter haben alle Rechtsmittel ausgeschöpft und sind bis vor das oberste Gericht gezogen. Aus Respekt vor der Monarchie hat er sogar die Volksversammlung (Sibaya) informiert, eine Art Schiedsgericht, das vom König persönlich einberufen wird.
Kurz darauf erhielt er Morddrohungen – von der Polizei. Dann wurde er wegen Diebstahls von landwirtschaftlichen Geräten festgenommen, jedoch mangels Beweisen wieder freigelassen. „Das gab es noch nie, unter keinem König“, empört sich der Bauer. „Die Sibaya ist eine Versammlung, in der man frei sprechen kann und keine Angst vor dem König haben muss oder davor, angegriffen oder sogar mit dem Tod bedroht zu werden.“
Das Treffen mit Mkhaliphi findet an einem geheimen Ort statt. In der Ferne liegen die Zuckerrohrplantagen, die Rohre stehen kurz vor der Ernte. Über den Raffinerien der Royal Swaziland Sugar Corporation steigt Rauch auf. Das Unternehmen gehört zur Hälfte dem Staatsfonds Tibiyo TakaNgwane, den Mswatis Vater, König Sobhuza II., nach der Unabhängigkeit eingerichtet hat, um die von den Kolonialherren aufgegebenen Firmen und Farmen aufzukaufen.
Heute gehören dem Tibiyo, den Mswati III. nach Gutdünken leitet, 60 Prozent des landesweiten Bodens. Außerdem besitzt der Staatsfonds Anteile an allen großen Unternehmen der Luxushotellerie und Immobilienbranche, im Transport und Bergbau, in der Milch- und Molkereiwirtschaft, der Brauereien und natürlich der Zuckerproduktion. Der geschätzte Wert der Anteile lag 2015 bei etwa 2 Milliarden Dollar.
Ursprünglich sollte der Staatsfonds dem ganzen Land helfen und für materiellen Wohlstand und bessere Lebensbedingungen sorgen. Doch heute „weiß jeder, dass sich die königliche Familie aus dem Tibiyo bedient“, heißt es bei der dänischen NGO Afrika Kontakt, die sich seit Ende der 1970er Jahre im südlichen Afrika engagiert.4
Die Wut wächst, vor allem seit der extremen Dürre von 2016, die das Land an den Rand des totalen Zusammenbruchs brachte. Der öffentliche Dienst läuft seither nur noch auf Sparflamme, im ganzen Land gibt es nicht mehr als zwölf Notfallambulanzen, die Grundschulen können kein Mittagessen mehr ausgeben, und in den Apotheken fehlt es an Medikamenten.
Einige Tage vor den Jubiläumsfeierlichkeiten organisierte der Gewerkschaftsverband Tucoswa in der Hauptstadt Mbabane eine Kundgebung gegen die Sparmaßnahmen und die Erhöhung des Strompreises und der Mehrwertsteuer. Mehrere tausend Menschen nahmen daran teil – und wurden von der Polizei brutal niedergeknüppelt.„Seit der letzten großen Kundgebung 2012 haben wir nicht mehr so viele Leute gesehen“, erzählt Muzi Mhlanga.
Im Anschluss riefen Gewerkschaften und Parteien dazu auf, die am 21. September anstehenden pseudodemokratischen Parlamentswahlen zu boykottieren. Von insgesamt 65 Abgeordneten werden 55 lokal gewählt. Sie treten nur mit ihrem Namen an, Parteien sind wie gesagt verboten. Beaufsichtigt wird das Prozedere von 300 Stammesführern, die ihrerseits dem König unterstehen. Zehn Abgeordnete, zwei Drittel der 30 Senatoren, der Premierminister und die Regierungsmannschaft werden direkt vom König benannt. Auch die Richter setzt der König persönlich ein.
Mittlerweile formiert sich auch in den ländlichen Regionen der Widerstand. „Die Mauer der Angst beginnt zu wanken“, meint Bheki Masuku, Chefredakteur der Monatszeitschrift Die Nation. Er saß einmal 14 Monate lang im Gefängnis, nur weil er es gewagt hatte, Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz zu äußern.
An diesem Juliabend treffen sich fast 20 000 Menschen zum Tanz auf den Zuckerrohrfeldern. Das beliebte Musikfestival Bushfire beginnt, das seit zwölf Jahren in Malkerns stattfindet, dem Nachbartal der touristischen Weißenhochburg Ezulwini. Stars wie die nigerianische Sängerin Yemi Alade oder der Popmusiker Salif Keïta aus Mali treten vor einem jungen Publikum aus Swasi und Südafrikanern auf, etwa ein Drittel sind Weiße. Der Festivalleiter Jiggs Thorne meint, dass es vor allem die Söhne der ehemaligen Kolonialherren zu dem Festival zieht. Neben der von Marihuanaschwaden eingehüllten Tanzfläche wird Kunsthandwerk angeboten, die Leute an den Infoständen verteilen Präservative oder klären über nachhaltige Entwicklung auf.
Denn es geht nicht nur ums Vergnügen. Das Festival will auch „einen Beitrag dazu leisten, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern“. Die Einnahmen fließen vor allem in Hilfen für ländliche Gemeinden, den Kampf gegen Aids/HIV und Ausbildungsplätze. Über 1 Million Dollar wurden dieses Jahr an regionale Projekte aus der Kreativwirtschaft verteilt.
Etwa 1000 Leute arbeiten für Bushfire, das wie eine Oase der Freiheit wirkt. In diesem Jahr gibt es zum ersten Mal auch einen LGBTQ-Stand – und das in einem Land, in dem Homosexualität offiziell verboten ist. Aber auch das Königshaus weiß seinen Nutzen aus diesem Festival zu ziehen, über das sogar die Fernsehsender CNN und BBC berichten. Nach außen hin zeigt man sich tolerant – und freut sich ansonsten vor allem über die Devisen, die das Festival bringt.
Die Opposition gibt trotzdem nicht auf und setzt nun auf die neue Führung in Südafrika.5 Masuku hofft, dass Präsident Cyril Ramaphosa, der im Februar sein Amt angetreten hat, der Liebedienerei gegenüber der letzten absoluten Monarchie Afrikas bald ein Ende bereiten wird.
Aus dem Französischen von Nastasja S. Dresler
Alain Vicky ist Journalist.