Militärische Optionen
von Philippe Leymarie
Man kann die Probleme im Sahel nicht mit Blumen lösen“, sagt der senegalesische Präsident Macky Sall. Deshalb wirbt er für eine Verstärkung der UN-Stabilisierungsmission in Mali (Minusma). Die ist mit 102 getöteten Blauhelmen eine der verlustreichsten UN-Missionen überhaupt. Sall fürchtet vor allem potenzielle „Rückkehrer“ – aus dem Irak oder aus Syrien verjagte Dschihadisten. Doch die UN-Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze sieht sich außerstande, eine Befriedung „zu erzwingen“, denn ihr Mandat beschränkt sich auf den Schutz der Bevölkerung.
Die Antwort auf diese „operative Herausforderung“ könnten offensivere Einsätze afrikanischer Truppen sein. Die Organisation G5-Sahel sieht eine direkte Zusammenarbeit der fünf Staaten vor, die am stärksten von Dschihadisten bedroht sind: Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad. Für die gemeinsame Eingreiftruppe, die gerade aufgebaut wird, gibt es klare Vorgaben: ein begrenztes Einsatzgebiet (das Dreiländereck von Niger, Mali und Tschad), ein präzises Kriegsziel (die Kontrolle dieses Gebiets), ein politisches Ziel (Stabilität), eine realistische Truppenstärke (5000 Mann) und gemeinsame Einsatzregeln.
Niger und Mali hatten 2013 als Erste eine Partnerschaft geschlossen, um ihre gemeinsame Grenze zu sichern, gefolgt von gemeinsamen Militäroperationen. Ebenfalls 2013 begannen die Generalstabschefs der fünf Sahelstaaten zusammenzuarbeiten. Vorbild war dabei auch die seit 2010 operierende gemischte Grenzsicherungstruppe von Tschad und Sudan.1
Derzeit ist die Einsatztruppe noch von Frankreich abhängig, weil die fünf Armeen nicht über genügend Transportmittel, Versorgungseinheiten und Informationstechnik verfügen und ihre Ausrüstung nicht standardisiert ist. Dennoch sehen Experten die G5-Sahel „ausschließlich als Resultat afrikanischer Entwicklungen“. Frankreich sei nicht der Architekt des Projekts, habe allerdings die Initiative gefördert.
Seit 2015 zeigt sich, dass die G5-Sahel-Truppe – über die militärische Zusammenarbeit mit Frankreich hinaus – auf umfassende internationale Unterstützung angewiesen ist. Das Startbudget von 423 Millionen Euro war nach zwei Geberkonferenzen in Paris und Brüssel Ende 2017 und Anfang 2018 vollständig finanziert. Den Großteil des Geldes steuern die EU, Saudi-Arabien, die VAE und die USA bei. Die fünf Sahelstaaten gaben je 5 Millionen Euro. Die langfristige Aufrechterhaltung der Eingreiftruppe erfordert mindestens 75 Millionen Euro pro Jahr.
Ob diese G5-Sahel eine geeignete Antwort auf die Konflikte in der Region ist, darf jedoch bezweifelt werden: Ende Juni berichtete die UN-Mission in Mali, am 19. Mai hätten Soldaten des malischen G5-Bataillons 12 Menschen auf dem Viehmarkt von Boulkessy in Zentralmali hingerichtet. Nach offizieller Darstellung handelte es sich um „neutralisierte Terroristen“, in Wahrheit aber um Zivilisten. Zuvor war am selben Ort ein malischer Soldat getötet worden.
In der Sahelzone sind seit 2014 auch französische Streitkräfte der Militäroperation „Barkhane“ stationiert, die den islamistischen Extremismus eindämmen soll. Die Truppe verfügt über 4000 Soldaten, 200 Transportfahrzeuge, 200 Panzerfahrzeuge, 8 Jagdflugzeuge, 10 Transportflugzeuge, 20 Hubschrauber sowie 5 Drohnen. Ihre Einsatzzentrale liegt in der tschadischen Hauptstadt N’Djamena, wo sich ein „teilstreitkräfteübergreifender Kommandoposten“, Luft- und Bodenstreitkräfte sowie ein Logistikzentrum befinden.
In Niamey, der Hauptstadt von Niger, gibt es eine weitere Luftwaffenbasis und geheimdienstliche Anlagen. Und im malischen Gao ist das Gros der Luftlandetruppen von „Barkhane“ stationiert. Hinzu kommen kleinere Einheiten im burkinischen Ouagadougou, im mauretanischen Atar sowie in frontnahen Basen wie Tessalit und Kidal in Mali, Madama in Niger und Faya-Largeau im Tschad.
Die Soldaten bekämpfen einen Gegner, den der malische Präsident Ibrahim Boubacar Keïta als „pseudoreligiöse Straßenräuberterroristen“ bezeichnet, weil er auf handstreichartige Überfälle, Mordanschläge, Entführungen und Sprengfallen setzt. Es ist ein Krieg ohne klare Fronten, ohne Rückzugs- und Zufluchtsgebiete. Die Bedrohung ist eher diffus; der französische General Jean-François Ferlet spricht von einem „lästigen Hintergrundrauschen“ und bezeichnet die Lage als „unbefriedigend, aber unter Kontrolle“.
Die Operation „Barkhane“ hat das Gefährdungspotenzial der Dschihadisten zweifellos reduziert. Mittlerweile vermeiden die Extremisten bewaffnete Auseinandersetzungen und tauchen in der normalen Bevölkerung unter. Da ein Gebiet von 5 Millionen Quadratkilometer zu sichern ist – größer als die Fläche der EU –, muss das militärische Potenzial weiträumig verteilt werden. Auch diese Reorganisation trägt dazu bei, dass der Einsatz täglich über 1 Million Euro kostet.
Im Übrigen garantieren taktische Erfolge noch keineswegs einen strategischen Sieg. Ohnehin ist fraglich, ob der von einer Truppe zu erwarten ist, die von der ehemaligen Kolonialmacht aufgestellt wurde und dazu neigt, sich einzubunkern, wenn es nicht vorangeht.
Der militärische Ansatz ist umso problematischer, als es durchaus Anläufe zu einer politischen Lösung gab, insbesondere in Mali. So drohte der UN-Sicherheitsrat am 11. April mit Sanktionen gegen alle Länder, die eine Umsetzung des Friedensvertrags von Algier zwischen der Regierung und den Rebellen im Norden des Landes behindern. Zudem werben afrikanische und europäische Intellektuelle für eine „Aussetzung gezielter Angriffe, wenn sich die Sahelstaaten für den Dialog mit den bewaffneten Gruppen, Dschihadisten eingeschlossen, entscheiden sollten“.3 Dieser Aufruf spielt darauf an, dass Bemühungen um eine politische Lösung zuweilen durch militärische Operationen konterkariert wurden. Gleichzeitig argumentieren die Unterzeichner, die Verkleinerung der Militärpräsenz Frankreichs in bestimmten Gebieten könne eine „vertrauensstiftende Maßnahme gegenüber Algerien und bestimmten lokalen Gemeinschaften darstellen, die diese Präsenz als Provokation empfinden“.⇥Philippe Leymarie
1 Delphine Lecoutre, „Der Tschad und seine großen Freunde“, Le Monde diplomatique, Juni 2016.
Aus dem Französischen von Richard Siegert
Philippe Leymarie ist Journalist.