08.02.2018

Wo der Genreis wächst

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Wo der Genreis wächst

Die Chinesen dürfen mit Saatgut experimentieren, aber die Ernte nicht verkaufen

von Zhang Zhulin

Süßkartoffeln, von Natur aus transgen SHENG LI/reuters
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Einen ganzen Vormittag habe ich auf den kurvenreichen Straßen von Shoushan verbracht, um das Versuchsfeld für transgenen Reis zu finden. Das 16 000-Einwohner-Städtchen liegt im Südosten Chinas in einem Gebirge mit üppiger subtropischer Vegetation etwa 20 Kilometer von Fuzhou entfernt, der Provinzhauptstadt von Fujian. Niemand, den ich dort fragte, kannte den Ausdruck „gentechnisch veränderter Organismus“ (GVO).

Schließlich entdecke ich am Ende einer Sackgasse an einem offenstehenden, unbewachten Metalltörchen ein Schild mit der Aufschrift: „Nationale Basis für Zwischen- und Industrialisierungstests von transgenem Reis“. Seit 2009 bewirtschaftet hier die Agrarwissenschaftliche Akademie in Zusammenarbeit mit dem bekannten Genforscher Zhu Zhen und seinem Pekinger Team eine 170 mu (11,33 Hektar) große Fläche. Mitten auf einem gewöhnlichen Reisfeld wachsen in acht großen Treibhäusern in etwa hundert Zementkästen tausende transgene Jungpflanzen. In der Erde stecken Schilder, auf denen das Datum der Anpflanzung und der Name des zuständigen Teams dokumentiert sind. Die chinesische Regierung hat 6 Millionen Yuan (769 000 Euro) in das Projekt investiert und die Provinzbehörde weitere 4 Millionen Yuan (512 000 Euro).

Die Existenz des transgenen Reises kam aus Versehen in einer Mitteilung der Provinzregierung vom 26. November 2010 ans Licht. Unter der Überschrift „Informationen zur Verstärkung der Kontrolle und des Managements von transgenem Reis“ wurde der Verkauf von Genreis auf den Märkten von Fujian untersagt. Unterzeichnet hatten die Lebensmittelbehörde, das Amt für Lebensmittelsicherheit sowie die Abteilungen für Landwirtschaft, Handel und Industrie. Die Mitteilung stand nur wenige Tage auf der Website der Provinzregierung, doch das reichte, um jegliche Zweifel an der Existenz eines Versuchsfelds ein für allemal auszuräumen.

China zählt zu den Pionieren der Gentechnik. Schon 1988 wurden hier virenresistente Tabakpflanzen gezüchtet.1 Heute dürfen in China jedoch nur noch zwei transgene Produkte vermarktet werden: Baumwolle und Papaya. Nach dem Vorfall in Fujian hatte das Landwirtschaftsministerium unzählige Male öffentlich erklärt, es gebe keine weiteren Anbauprojekte – bis zu dem Skandal in Wuhan, Hauptstadt der zentralchinesischen Provinz Hubei.

Im Juli 2014 fanden Reporter der beliebten investigativen Fernsehsendung „Xinwen Diaocha“ („Ergänzende Untersuchung“) heraus, dass drei von fünf Packungen Reis, die sie in einem Wuhaner Supermarkt gekauft hatten, Bt63-Reis enthielten. Dieser Reis ist genetisch so verändert, dass er das Protoxin Cry1Ac bildet, mit dem Reismotten bekämpft werden. Der Bt63-Reis ist eine Züchtung des Teams von Professor Zhang Qifa, Mitglied der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS), Professor an der Wuhaner Agrar­universität Huazhong und Leiter des nationalen Forschungsprogramms zu transgenem Reis.

Die Sendung schlug ein wie eine Bombe und sorgte für eine landesweite Diskussion über GVO. Dabei war die Information, wie so oft, bereits vor zehn Jahren im Ausland publik geworden und auch in China bekannt. Im Dezember 2004 hatte Zhang Qifa dem US-Wochenmagazin Newsweek bestätigt, dass eine Saatgutfirma aus Wuhan genmanipuliertes Saatgut vertreibt und dass dieser Reis bereits auf über 100 Hektar angebaut wurde.2

Nach dieser Meldung gab Greenpeace China sogleich eine Untersuchung in Auftrag, die zwei Monate in Anspruch nahm. Im April 2005 erschien der Bericht: Zwischen 950 und 1200 Tonnen Genreis, der auf einer Fläche zwischen 1333 und 1666 Hektar kultiviert worden sein muss, waren offensichtlich auf den Märkten der Provinz Hubei gelandet. Und Greenpeace China warnte vor einer Ausbreitung der transgenen Pflanzen.

In einem Land, in dem NGOs von der Regierung streng überwacht werden3 , ist Greenpeace nahezu der einzige Akteur, der über die nötigen Mittel für Vor-Ort-Recherchen verfügt. Die chinesische Presse berichtet stets ausführlich über sämtliche Greenpeace-Studien – was die Schlussfolgerung nahelegt, dass auch die politische Führung in der Gentechfrage gespalten ist.

Erlaubt sind nur Genpapaya und Bt-Baumwolle

Fünf Jahre später nahm das Pekinger Magazin China News Weekly die Recherche wieder auf und wies nach, dass in der Provinz Hubei auf großen Flächen Genreis angebaut wurde. Auch wenn dafür keine offizielle Genehmigung vorliegen würde – der Anbau von Genreis für die künftige Vermarktung sei bereits greifbare Realität, hieß es in der China-News-Reportage.

Nach einer Greenpeace-Studie von 2010 wurden Genreis sowie Genreisprodukte bereits in drei weiteren Provinzen Zentral- und Südchinas verkauft (Guangdong, Fujian, Hunan). 2012 schrieb Jiang Gaoming, Forschungsdirektor am Botanischen Institut der CAS, in seinem Blog, dass nach eigener Einschätzung in der südöstlichen Provinz Zhejiang bereits 8,5 Millionen Bürger unwissentlich transgenen Reis zu sich genommen hätten.

Das Landwirtschaftsministerium wollte auf Anfragen nicht antworten, dort beschränkt man sich auf die stets wiederholte Erklärung: „Es gibt keinen wilden Anbau von GVO.“ Doch dessen Spuren lassen sich sogar noch außerhalb der Landesgrenzen finden. Die Europäische Kommission gab nach Angaben ihrer Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zwischen 2006 und 2013 insgesamt 197 Warnungen vor Produkten mit nicht deklarierten GVO aus China und Hongkong heraus, davon allein 194 für Reisprodukte. Zwischen 2014 und 2016 (letzte verfügbare Zahlen) ging die Zahl der Warnungen jedoch zurück: 19 für Reis, eine für Papaya.

Anfang 2016 deckte Greenpeace nach achtmonatiger Recherche in der nordöstlichen Provinz Liaoning, einer der wichtigsten Getreideregionen des Landes, den nächsten Skandal auf: Von sieben Saatmais-Stichproben waren sechs transgen. In fünf Distrikten der Provinz hatte die Organisation Stichproben entnommen, 93 Prozent davon waren gentechnisch verändert.

Das Saatgut stammte von den US-Multis Monsanto, Pioneer Hi-Bred und Dow Chemical sowie vom Schweizer Hersteller Syngenta, der 2017 vom chinesischen Konzern ChemChina aufgekauft wurde. „Für keine dieser transgenen Maissorten liegt eine Genehmigung zum kommerziellen Anbau in China vor“, stellte Greenpeace China klar. Die Zentralregierung in Peking begnügte sich damit, zu versichern, es handele sich um Einzelfälle.

Auch Liaonings Nachbarprovinz Heilongjiang, die für ihre ausgezeichnete Getreidequalität bekannt ist, blieb nicht verschont. Die Pekinger Wirtschaftszeitung Zhongguo Jingying Bao berichtete: „Bauern aus Heilongjiang bauen transgenes Soja an (gefunden in den Ernten von 2013 und 2014) . . .  Es ist ein Rätsel, woher das Saatgut stammt.“ Dasselbe Mysterium trat 3000 Kilometer weiter östlich in der Autonomen Region Xinjiang auf. Im Mai 2016 ließ die Landwirtschaftsbehörde des Xinjianger Distrikts Fuhai ein 133 Hektar großes illegales GVO-Maisfeld zerstören. Dessen Besitzer Liu Yongjun beteuerte vor Reportern des Magazins Caixin seine Unschuld: „Die Saatgutfirma ist schuld. Ich wusste von nichts.“

Offiziell erfolgt die Genehmigung für den Anbau von GVO in fünf Schritten: Forschung im Labor; Zwischentests über zwei Jahre in einem halbgeschlossenen Raum, wobei die Anbaufläche nicht mehr als 0,2 Hektar betragen darf; Umwelttest nach ein bis zwei Jahren Freilandkultur auf einer maximal zwei Hektar großen Fläche; ein bis zwei Jahre Test vor der Vermarktung; Zulassung durch ein Biosicherheitszertifikat. Peking hat bislang nur sieben solcher Zertifikate vergeben: für Tomaten, Petunien, Pfeffer, Reis, Mais, Papaya und Baumwolle, wobei nur die beiden Letztgenannten kommerziell angebaut und vermarktet werden dürfen.

Li Yifang, Leiterin des Programms für Landwirtschaft und Ernährung bei Greenpeace China, scheint jedes Wort vorher abzuwägen: „Die chinesische Regierung ist auf dem Papier sehr anspruchsvoll.“ Tatsächlich gebe es aber Probleme. Deutlicher wird Biodiversitätsforscher Xue Dayuan, Professor am Institut für Lebens- und Umweltwissenschaften der Zentralen Nationalitäten-Universität in Peking: „Dieses genetisch veränderte Saatgut stammt von chinesischen Forschern.“ Laut Dayuan würden sie es importieren oder selbst züchten. Noch 2005, erinnert er sich, wurde ein Reisfeld mit illegalen Kulturen beschlagnahmt: Offiziell hieß es, dass über 10 000 mu (knapp 667 Hektar) auf Anweisung der Hubeier Landwirtschaftsbehörde vernichtet worden seien. „Tatsächlich können es nur höchstens 100 mu gewesen sein“, schätzt er, denn „wer würde in China 10 000 mu Reis zerstören?“

Forscher laden zu GVO-Reis-Verkostungen

Nach Meinung eines Journalisten aus Kanton, der eine Reihe von Reportagen zu dem Thema veröffentlicht hat und anonym bleiben möchte, sei das Ziel mancher Forscher, vollendete Tatsachen zu schaffen. Im Augenblick will niemand die Verantwortung für die illegale Verbreitung von GVO-Saatgut übernehmen: weder die Hersteller, noch die Händler, die Forscherteams oder die Bauern.

Um die Vorbehalte unter der Bevölkerung beiseitezuräumen, gehen manche Wissenschaftler in die Offensive. Im Mai und Juni 2013 fanden in etwa 20 Städten Verkostungen von transgenem Reis statt, tausende Bürger nahmen daran teil. Manche dieser Veranstaltungen wurden von Professor Zhang Qifas Institut organisiert, was einige Beobachter misstrauisch gemacht hat. „Warum hat Zhang Qifa diese Verkostung inszeniert? Abgesehen von der wissenschaftlichen Bildung der Bevölkerung – was führt er im Schilde?“, fragt unser anonymer Journalist. Die Antwort findet sich in einem offenen Brief, der auf Initiative des Professors verfasst und von insgesamt 61 Akademikerinnen unterzeichnet wurde. Darin wird gefordert, „die Industrialisierung der transgenen Reiskultur nicht aufzuhalten, denn dies würde dem Land schaden“.4

In Frankreich konnte ein Team des Nationalen Instituts für Agrarforschung (Inra) direkt nachweisen, dass die Nähe zwischen Wissenschaftlern und Saatgutindustrie nicht ohne Folgen bleibt: „Wenn Interessenkonflikte vorliegen, dann fallen die Schlussfolgerungen in Publikationen mit 49-prozentiger Wahrscheinlichkeit zugunsten der Saatgutindustrie aus.“5

In China sind Forscher und Saatguthersteller besonders eng verbandelt. Am 2. Dezember 2004 schoss der Ak­tien­kurs des Saatgutproduzenten LeFeng in die Höhe, nachdem das Unternehmen verkündet hatte, „gemeinsam mit dem Institut für Genetik und Entwicklungsbiologie der CAS und der Akademie für Agrarwissenschaft der Provinz Fujian die Biotechfirma Zhongke LeFeng zu gründen, um neue transgene Hybridreissorten zu entwickeln, die resistent gegen Insekten sind“.

Der Wert der neuen Firma betrug 30 Millionen Yuan (3,8 Millionen Euro), die beiden Institute waren mit jeweils 18 beziehungsweise 17 Prozent daran beteiligt und brachten zudem ihre Kenntnisse und ihr Renommee mit ein.6 Die Genforscherin Su Jun, die an der Akademie für Agrarwissenschaft der Provinz Fujian arbeitet, versichert jedoch, ihr Institut besitze seit mindestens drei Jahren keine Anteile mehr an der Biotechfirma Zhongke LeFeng.

Auch Zhang Qifa ist vom Verdacht eines Interessenkonflikts nicht verschont geblieben. Er sitzt nämlich nicht nur in der Jury des Stipendienprogramms von Monsanto7 , sondern war auch Geschäftsführer der im Fe­bruar 2001 in Wuhan gegründeten Firma Keni, die sich auf transgenen Reis spezialisiert hatte und vier Jahre später aufgelöst wurde.

Der Ausschuss, der die Biosicherheitszertifikate für den GVO-Anbau erteilt, umfasst je nach Sitzungsperiode zwischen 58 und 75 Mitglieder; zwei Drittel davon sind Gentechnikspezia­listen. Mehrere Mitglieder besitzen bereits selbst solche Zertifikate oder haben Anträge gestellt, auch wenn sie das nicht öffentlich bekanntgeben; nur wenige kennen sich in Ökologie oder Lebensmittelsicherheit aus.

Jiang Shirong ist zum Beispiel Forscher am Institut für Biotechnologie der Chinesischen Akademie für Agrarwissenschaft (CAAS) und wissenschaftlicher Leiter und Chef eines Saatgutunternehmens in Shenzen. Als Mitglied nahm er an den ersten drei Sitzungsperioden des Zulassungsausschusses von 2002 bis 2013 teil. „Lässt sich hier noch von einer gerechten und ausgewogenen Einschätzung des Ausschusses sprechen?“, fragt Biodiversitätsforscher Xue Dayuan.

Neben den undurchsichtigen Verbindungen zwischen Forschern und Konzernen macht einem auch Angst, dass es manchen Wissenschaftlern an Berufsethos fehlt. 2012 wurde in Hunan eine Gruppe von 25 Kindern zwischen 6 und 8 Jahren als Versuchskaninchen für eine Studie zum sogenannten Goldenen Reis benutzt, der Vorstufen von Beta-Carotin (zur Bekämpfung von Vitamin-A-Mangel) enthält. Zwei Monate lang aßen die Kinder jeden Tag 60 Gramm Goldenen Reis – doch weder die Kinder noch ihre Eltern wussten, dass es sich dabei um Genreis handelte. Die Verantwortung dafür trug die Biologieprofessorin Tang Guangwen von der in Boston ansässigen Tufts University, Unterstützung erhielt sie vom US-Landwirtschaftsministerium. Als die Umstände der Studie vier Jahre später publik wurden, sorgte das für landesweite Proteste in China.8

Die Verantwortlichen in China betonen häufig, in welch einer schwierigen Lage sich ihr Land befindet, das nur 7 Prozent der globalen Anbauflächen besitzt, aber 22 Prozent der Weltbevölkerung ernähren muss. Im „Nationalplan zur mittel- und langfristigen Entwicklung von Wissenschaft und Technologie (2006–2020)“ wurde der Erforschung transgener Sorten 2006 dieselbe Priorität eingeräumt wie der Erschließung von Öl- und Gasfeldern oder dem Bau von Großraumflugzeugen. Zwei Jahre später plante die Regierung, bis 2020 insgesamt 20 Milliarden Yuan (2,56 Milliarden Euro) in die GVO-Forschung zu investieren.

Aus Sicht des Landwirtschaftsministeriums erscheint es nur logisch, dass die Agrarnation China sich ihren Platz auf dem Gebiet der Gentechnik sichert. Landwirtschaftsminister Han Changfu erklärte bei einer Pressekonferenz in Peking am 6. März 2014, er selbst esse „Lebensmittel auf Basis gentechnisch veränderter Rohstoffe, wie etwa Sojaöl“. Doch in dem von Lebensmittelskandalen gebeutelten Land misstraut man den Behörden, weshalb die Regierung zur Vorsicht mahnt. 2014 gab Präsident Xi Jinping unumwunden zu, dass GVO, die „eine neue Technologie“ darstellten, „in der Gesellschaft Diskussionen und Zweifel hervorgerufen haben. Das ist normal. Wir müssen in der Forschung mutig, aber in der Vermarktung zurückhaltend sein.“ Doch man könne den Markt auch nicht den ausländischen Firmen überlassen.9

Tatsächlich hat China 2016 bereits 83,91 Millionen Tonnen Gensoja importiert. Für Länder wie Argentinien ist es ein wichtiger Abnehmer. Beim „Forum zur nachhaltigen Produktion in den USA und zum Handel mit China“, das der Internationale Verband der Sojaproduzenten (Isga) am 28. März 2017 veranstaltete, erklärte der Vertreter eines argentinischen Bauernverbands Pedro Manuel Vignau: „Wenn eine Gensojasorte in China nicht zum richtigen Zeitpunkt zugelassen wird, können wir den Anbau in Argentinien vergessen.“10

Trotz der eindeutigen Umfrageergebnisse haben es Gentechgegner in China nicht leicht, wie der ehemalige CCTV-Starmoderator Cui Yong­yuan berichtet, der inzwischen ein militanter Anti-GVO-Aktivist ist. Selbst als Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (PKKCV), die einmal im Jahr zusammentritt, um die Regierung zu „beraten“, kann er nicht viel ausrichten. „Beim ersten Mal haben die Politiker noch so getan, als würden sie meinen Antrag zu GVOs prüfen. Danach haben sie ihn vollständig ignoriert“, klagt er. Auf Weibo, Chinas einflussreichstem sozialen Netzwerk, hatte er vorgeschlagen, die Kontrollen zu verschärfen und ein System der Nahrungsmitteletikettierung und unabhängigen Bewertung der Lebensmittelsicherheit einzuführen. Kurz darauf wurde sein Post gelöscht.

In dem Weißbuch „Analyse und Perspektiven der chinesischen Gesellschaft 2017“ wurde eine Umfrage der Chinesischen Akademie für Wissenschaften und Technologie im Dienste der Entwicklung (­Casted) und der Zeitschrift für Wissenschaft und Technologie veröffentlicht, in der sich mehr als 70 Prozent der Befragten eindeutig gegen Gentechnik aussprechen. Ende 2016 verabschiedete der Provinzvolkskongress von Heilon­jiang ein Gesetz, das den Anbau von GVO in der gesamten Provinz verbietet – eine deutliche Reak­tion auf eine Umfrage der Lokalregierung in 13 Städten, bei der sich über 90 Prozent der Befragten gegen GVO-Produkte ausgesprochen hatten.

Wenn man dem Internationalen Dienst für den Erwerb biotechnologischer landwirtschaftlicher Anwendungen (ISAAA) Glauben schenken darf, schrumpft die Anbaufläche für transgene Kulturen in China: Demnach gibt es heute 900 000 Hektar weniger als 2015. Bleiben immerhin noch 2,8 Millionen Hektar übrig – mit ihnen belegt China weltweit den 8. Platz.

Für Su Jun, Forscherin an der Agrarwissenschaftlichen Akademie von Fujian, ist es ohnehin nur eine Frage der Zeit: Wenn eine große Naturkatastrophe wie etwa eine Dürre das Land heimsucht, werde der transgene Reis aus China auch in China verkauft. Die USA haben damit bekanntlich sowieso kein Problem. Am 11. Januar 2018 hat die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (Food and Drug Administration, FDA) sogar erstmals die Einfuhr von GVO-Reissaatgut aus Wuhan zugelassen.

1 Vgl. Zhang Tao und Zhou Shundong, „L’impact économique et social de l’utilisation d’organismes génétiquement modifiés en Chine“, in: Perspectives chinoises, Hongkong, März/April 2003.

2 Craig Simons, „Of Rice and Men“, in: Newsweek, New York, 20. Dezember 2004.

3 Siehe Guillaume Pitron, „Ewiges Grün, braune Flüsse“, in: Le Monde diplomatique, Juli 2017.

4 Nanfang Dushibao, Kanton, 20. Oktober 2013.

5 Thomas Guillemaud, Éric Lombaert und Denis Bourguet, „Conflicts of interest in GM Bt crop efficacy and durability studies“, in: Plos One, 15. Dezember 2016.

6 Nanfang Zhoumo, Kanton, 9. Dezember 2014.

7 Das Monsanto-Stipendienprogramm wurde am 13. Februar 2009 aufgelegt; das Stipendium wird jedes Jahr an 25 Studierende der Landwirtschaftsuniversität Huazhong vergeben, die über fünf Jahre insgesamt 160 000 Dollar erhalten.

8 Beijing News, Peking, 7. Dezember 2012.

9 Chuin-Wei Yap, „Xi’s remark on GMO signal caution“, China Real Time Report, 9. Oktober 2014.

10 Caixin, Peking, 29. März 2017.

Aus dem Französischen von Sabine Jainski

Zhang Zhulin ist Journalist.

Le Monde diplomatique vom 08.02.2018, von Zhang Zhulin