Diamanten, Drohnen, Diplomatie
Geschichte der israelisch-afrikanischen Beziehungen
von Alhadji Bouba Nouhou
Am 28. November besuchte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu die kenianische Hauptstadt Nairobi. Neben dem gerade wiedergewählten kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta traf er mit elf weiteren afrikanischen Staatschefs zusammen und verkündete außerdem die Eröffnung einer israelischen Botschaft in der ruandischen Hauptstadt Kigali.
Bereits Ende 2016 hatte Netanjahu eine Werbetour durch Afrika unternommen. Damals sah man ihn beim vertrauten Händeschütteln mit Togos Präsidenten Faure Gnassingbé oder entspannt lächelnd neben Ruandas Staatschef Paul Kagame. Das Ziel dieser Reise in Länder südlich der Sahara wurde schon an ihrem Motto deutlich: „Israel ist zurück in Afrika. Afrika kehrt nach Israel zurück.“
Als Höhepunkt der neuen Afrika-Initiative Tel Avivs war für Ende Oktober ein großer Gipfel im togoischen Lomé geplant, zu dem alle afrikanischen Staatschefs außer die der Maghrebstaaten eingeladen werden sollten. Schwerpunktthemen sollten unter anderem die Zusammenarbeit bei Großprojekten sowie auf den Gebieten Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und Sicherheit sein.
Doch dann mehrten sich im Laufe dieses Jahres die Spannungen. Der Senegal, der Niger und Nigeria kritisierten, dass Netanjahu im Juni 2017 beim 51. Gipfeltreffen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) in Liberias Hauptstadt Monrovia als Gast mit am Tisch saß. Marokko, das bei dem Treffen seine Rückkehr in die Ecowas zelebrieren wollte, sagte seine Teilnahme in letzter Minute ab. Rabat wollte den Eindruck einer Normalisierung seiner Beziehungen mit Israel vermeiden. Die beiden Länder haben ihre diplomatischen Beziehungen im Jahr 2000 abgebrochen.
Das waren natürlich schlechte Vorzeichen für den Israel-Afrika-Gipfel. Über den Sommer erklärten immer mehr westafrikanische Staaten, dass sie an dem Treffen im Oktober nicht teilnehmen würden. Die Absage Südafrikas Anfang September bedeutete dann das endgültige Aus für Netanjahus Initiative. Der Israel-Afrika-Gipfel musste abgesagt werden – auch weil Demonstrationen gegen Togos Präsidenten das Gastgeberland völlig lahmgelegt hatten.
Geplatztes Gipfeltreffen in Lomé
Das Verhältnis zwischen Israel und Afrika war schon immer von einem Hin und Her zwischen Zurückhaltung und vorsichtiger Annäherung geprägt. Als die UNO am 29. November 1947 das britische Mandatsgebiet Palästina in einen Staat für Juden und einen für Araber teilte, standen die meisten der heutigen afrikanischen Länder noch unter Kolonialherrschaft. Liberia und Äthiopien – die einzigen unabhängigen afrikanischen Staaten damals – stimmten in der UNO unterschiedlich zum Teilungsplan ab: Liberia war dafür, Äthiopien enthielt sich.
Nach dem ersten arabisch-israelischen Krieg 1948/49 und den – verglichen mit dem UN-Teilungsplan für die Araber nachteiligen – Waffenstillstandsverträgen vom Februar 1949 zwischen Israel und seinen Nachbarn Ägypten, Jordanien, dem Libanon und Syrien kam es vermehrt zu Zwischenfällen entlang der Demarkationslinien, insbesondere an der israelisch-ägyptischen Grenze. Israel wurde von der Konferenz der blockfreien Staaten im indonesischen Bandung 1955 ausgeschlossen. Der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser durfte hingegen teilnehmen.
Die Suezkrise 1956 verschärfte die Spannungen zwischen Kairo und Tel Aviv noch einmal erheblich. Israel hatte in Abstimmung mit den am Suezkanal intervenierenden Franzosen und Briten die Halbinsel Sinai von Ägypten erobert. Der jüdische Staat wandte sich nun Subsahara-Afrika zu, wobei auf eine angeblich bestehende Leidensgemeinschaft verwiesen wurde. In den frühen 1960er Jahren besuchten die Oberhäupter verschiedener afrikanischer Staaten israelische Kibbuzim.
Seine strategischen Interessen verlor Israel niemals aus dem Blick. So zeigte beispielsweise die Eröffnung eines ersten Konsulats in Äthiopien 1956, welche Bedeutung der Golf von Aden für Israel hat. Da Israel mit dem Golf von Akaba sowohl zum Roten Meer als auch zum Indischen Ozean Zugang hat, wollte die Regierung in Tel Aviv das Land als Brücke zu den entwickelten Ländern etablieren und sich als Vorbild in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Militär, Geheimdienste und so weiter präsentieren.
Der junge Staat Israel unterstützte beispielsweise die Gründung von landwirtschaftlichen Betrieben in Nigeria. Und er half mehreren afrikanischen Ländern (dem Senegal, Madagaskar, Kenia, dem damaligen Obervolta, Mali, dem damaligen Dahomey, Kamerun, der Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria, Tansania, Guinea) dabei, Jugendorganisationen für die Arbeit in der Landwirtschaft nach dem Vorbild der israelischen „kämpfenden Pionierjugend“ (Nachal) aufzubauen.
1958 unternahm die damalige Außenministerin Golda Meir eine Reise durch Afrika, das zu einem wichtigen Faktor in der israelischen Diplomatie geworden war. Die spätere Premierministerin (Meir übernahm das Amt 1969) schrieb in ihrer Autobiografie: „Als wir nach Afrika gegangen sind, taten wir das denn nicht, um uns Stimmen in der UNO zu sichern? Ja, natürlich war das eines unserer Motive, und zwar ein sehr ehrenhaftes.“1 Daneben spielte für das Verhältnis zwischen Israel und den afrikanischen Staaten immer auch die Ökonomie eine wichtige Rolle. Mit Äthiopien, Uganda, Zaire, Kenia, Ruanda, dem Tschad und der Zentralafrikanischen Republik schloss das Land schon damals Kooperationsabkommen.
Doch nach dem Sechstagekrieg im Juni 1967 brach Guinea, ein treuer Verbündeter Ägyptens, die diplomatischen Beziehungen zu Tel Aviv ab. Die Spannungen verschärften sich weiter, als nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 fast alle afrikanischen Staaten (außer Malawi, Botswana, Swasiland, Lesotho und Südafrika) die Beziehungen zu Israel ebenfalls abbrachen.
Mit dem weißen Südafrika gegen den ANC
Die Arabische Liga trieb die Isolierung Israels voran, auch indem sie Druck auf die muslimischen Staaten Afrikas ausübte. Umgekehrt trug Israel zur Feindseligkeit der afrikanischen Staaten vor allem dadurch bei, dass Tel Aviv enge Beziehungen zum Apartheidstaat Südafrika unterhielt – schließlich waren Israel und Südafrika ihrem Selbstverständnis nach prowestlich und Vorkämpfer gegen den Kommunismus.
Israel importierte trotz des internationalen Embargos gegen das Apartheidregime Diamanten aus Südafrika. Auch militärisch arbeiteten die beiden Staaten eng zusammen. So unterstützte Israel Pretorias Kampf gegen den African National Congress (ANC) sowie gegen die revolutionären Bewegungen in Angola, Mosambik und Namibia.
Trotz des 1978 im US-amerikanischen Camp David unterzeichneten Friedensvertrags mit Ägypten gelang es Israel nicht, sein Ansehen auf dem afrikanischen Kontinent wieder aufzubessern. Der israelische Abzug vom Sinai im April 1982 nahm den Gegnern des jüdischen Staates zwar einen wichtigen Angriffspunkt. Für die Regierungen des afrikanischen Kontinents behielt jedoch die palästinensische Frage, die als nationaler Befreiungskampf gedeutet wurde, hohe Priorität. In der UN-Vollversammlung, in der die PLO seit 1974 einen Beobachterstatus hatte, stimmten die afrikanischen Länder fast immer im Sinne der Palästinenser. So sprachen sie ihnen beispielsweise 1975 das Recht auf Selbstbestimmung zu und stimmten im selben Jahr auch für die Resolution 3379, die den Zionismus als eine Form des Rassismus bezeichnete (die Resolution wurde 1991 wieder zurückgenommen).
Danach prägten vor allem zwei Entwicklungen die Beziehungen zwischen den afrikanischen Staaten und Israel: Das israelisch-palästinensische Oslo-Abkommen von 1993 führte dazu, dass nach und nach rund 40 Staaten des subsaharischen Afrika den Staat Israel anerkannten. Heute hat Israel Botschaften in 12 Ländern auf dem afrikanischen Kontinent.2 Und mit dem Ende der Apartheid und dem Wahlsieg des ANC 1994 wurde Südafrika vom Verbündeten Israels zu einem Vorkämpfer für die Sache der Palästinenser.
So verurteilten die afrikanischen und arabischen Staaten auf der dritten UN-Weltkonferenz gegen Rassismus im südafrikanischen Durban 2001 Israels Politik in den besetzten Gebieten. Und 2002 verlor Israel seinen Beobachterstatus bei der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), den es seit 1993 innegehabt hatte.
2009 befürworteten die Afrikaner die Arbeit der Goldstone-Kommission, die im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats die israelische Militäroperation „Gegossenes Blei“ vom Winter 2008/09 im Gazastreifen untersuchte und in ihrem Abschlussbericht der israelischen Armee Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht vorwarf.3 2011 stimmten die meisten afrikanischen Staaten für die Aufnahme Palästinas in die Unesco. Nur Burundi, Kamerun, Kap Verde, die Elfenbeinküste, Ruanda, Togo, Uganda und Sambia enthielten sich der Stimme.
Nach der erneuten Militäroperation der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen im Juli/August 2014 kam es in Dakar (Senegal), Kapstadt (Südafrika), Zaria (Nigeria) und Rabat (Marokko) zu großen propalästinensischen Solidaritätskundgebungen. Nachdem der Senegal 2016 (gemeinsam mit Malaysia, Neuseeland und Venezuela) dem Weltsicherheitsrat die Resolution 2334 zur Abstimmung vorgelegt hatte, die die israelische Siedlungspolitik verurteilte, rief Israel seinen Botschafter aus Dakar zurück. Im Juni 2017 wurden die diplomatischen Beziehungen allerdings wieder aufgenommen.
Trotz der Spannungen wegen der besetzten Gebiete gelang es Israel, seine Beziehungen zu den afrikanischen Staaten nach und nach wieder zu normalisieren. Die afrikanischen Regierungen nahmen die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) zunehmend als eine normale politische Kraft wahr und deuteten die Situation in den Palästinensergebieten immer seltener im Kontext eines nationalen Befreiungskampfs.
Der Sturz des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi, der stets für eine harte Linie gegenüber Israel gekämpft hatte, und der verschärfte ökonomische Wettbewerb untereinander führten zur Zersplitterung der Front der afrikanischen Staaten. Der Direktor des südafrikanischen Afro-Middle East Centre, Na’eem Jeenah, meint, inzwischen sei in manchen Staaten des Kontinents an die Stelle der Solidarität das Eigeninteresse getreten.4
Mit den Jahren hat Israel auch sicherheitspolitisch an Bedeutung gewonnen. Als in der Sahelzone und am Horn von Afrika der islamistische Terrorismus zunahm, war Israel zur Stelle und bot Waffen und geheimdienstliche Zusammenarbeit an. Das von Terrorattacken heimgesuchte Kenia hat die Kooperation mit Israel bei der Terrorbekämpfung weiter verstärkt. Es ist eine Zusammenarbeit, die schon seit 1976 existiert. In der Nacht zum 4. Juli 1976 hatten israelische Elitesoldaten auf dem Flughafen von Entebbe in Uganda die Entführung eines aus Tel Aviv kommenden Passagierflugzeugs durch palästinensische und deutsche Terroristen gewaltsam beendet.
Nach dem Terrorangriff auf das Einkaufszentrum Westgate 2013 in Nairobi bekamen die kenianischen Behörden tatkräftige Unterstützung von israelischen Sicherheitsdiensten. Kenia und Uganda sind in Ostafrika die wichtigsten Partner Israels im Kampf gegen den Dschihadismus. Tel Aviv unterstützte sie mit Militärberatern, kleinen Kampfeinheiten, Drohnen, Überwachungsgerät und Schnellbooten. Mit dem 2013 unabhängig gewordenen Südsudan gewann Israel einen neuen Bündnispartner in der Region. Tel Aviv unterstützt das Land militärisch, schickt Lebensmittel in dürregeplagte Gegenden und hilft offenbar beim Aufbau eines Wissenschafts- und Technologiezentrums. Beide Länder eint die Feindschaft gegen das islamistische Regime in Khartum, das wiederum die palästinensische Hamas unterstützt.
Das Horn von Afrika war für Israel seit jeher von strategischer Bedeutung – wegen des Schiffsverkehrs durch den Golf von Aden, die Meerenge von Bab al-Mandab und das Rote Meer. Mit den in der Sahelzone und in Westafrika verübten terroristischen Attentaten hat sich das mögliche Zielgebiet für ein israelisches Engagement jedoch vergrößert. So hat beispielsweise der israelische General Maher Heres, der in Kamerun eine schnelle Eingreiftruppe ausbilden soll, im April 2013 sein Quartier in Maroua im Norden des Landes bezogen. Von dort aus soll er beim Kampf gegen die Terrororganisation Boko Haram helfen. Dem israelischen Verteidigungsministerium zufolge stieg der Wert der Waffengeschäfte mit afrikanischen Staaten seit 2009 beständig an und hat mittlerweile die 100-Millionen-Dollar-Marke überschritten.5
Über den Waffen- und Diamanthandel hinaus pflegen Israel und Afrika Wirtschaftsbeziehungen auf vielen Gebieten, beispielsweise im Agrobusiness oder in der Umwelttechnik. Das Unternehmen Beny Steinmetz Group Recources etwa ist in vier afrikanischen Ländern im Kupfer- und Kobaltbergbau sowie in der Öl- und Gasförderung tätig. In Kenia investieren israelische Firmen in die Hotellerie. Und in einem Vorort der ivorischen Hauptstadt Abidjan errichtet der Baukonzern Telemenia ein Gasheizkraftwerk. Die Diamantenindustrie lockt israelisches Kapital nach Südafrika und Botswana. Die Israelis haben langjährige Erfahrung mit Bedingungen der Wasserknappheit und bieten ihr Know-how in den Gebieten Sonnenenergie, Wasseraufbereitung und Landwirtschaft an.
Jedes Jahr bildet die israelische Agentur für Entwicklungszusammenarbeit Mashav etwa einhundert afrikanische Experten für die industrielle Lebensmittelproduktion aus. Nach Angaben des Israelischen Instituts für Export und internationale Zusammenarbeit (IEICI) sind Südafrika, Angola, Botswana, Ägypten, Kenia, Nigeria und Togo regelmäßige Kooperationspartner. Selbst Marokko unterhält ebenso diskrete wie stabile politische und wirtschaftliche Beziehungen mit Israel.6 Seit 2015 belaufen sich die israelischen Exporte auf den afrikanischen Kontinent auf mehr als eine Milliarde Dollar. Der Handel mit Afrika macht bislang zwar nur 2 Prozent der israelischen Exporte aus, er birgt aber großes Wachstumspotenzial.
In Ramallah wird das diplomatische Werben Israels in Afrika misstrauisch beäugt, auch weil der israelisch-palästinensische Friedensprozess derzeit praktisch inexistent ist. Die PA besitzt einen Beobachterstatus bei der Afrikanischen Union, und um einen solchen bewirbt sich auch Israel. Im Oktober 2017 reiste eine Delegation der Fatah durch die afrikanischen Hauptstädte, um den israelischen Bemühungen entgegenzuarbeiten. Allerdings hatte Ruandas Präsident Paul Kagame, dessen Land im Januar 2018 die Präsidentschaft der AU übernehmen wird, bereits im vergangenen März erklärt: „Ruanda ist ein Freund Israels. Israel hat das Recht, als Staat zu existieren und sich als vollwertiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu entwickeln.“
1 Golda Meir, „Mein Leben“, Hamburg (Hoffmann und Campe) 1975.
4 LeMonde.fr, 18. September 2017.
5 „Israeli arms sales to Africa mark steep rise in past year“, The Times of Israel, 25. Mai 2017
6 „Maroc, le partenaire discret d’Israël“, www.slateafrique.com.
Aus dem Französischen von Christian Siepmann
Alhadji Bouba Nouhou ist assoziierter Wissenschaftler am Centre Montesquieu de recherche politique der Universität Bordeaux-Montaigne.