16.09.2005

Südafrikas diskrete Kunst der Diplomatie

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Südafrikas diskrete Kunst der Diplomatie

Nach knapp einem Monat zäher Verhandlungen erklärte sich Südafrika Anfang August 2005 bereit, seinem Nachbarn Simbabwe mit einem Kredit über eine halbe Milliarde Dollar unter die Arme zu greifen. Mitte August haben außerdem die Vereinigten Staaten der Region 51 Millionen Dollar Hilfszahlungen für den Getreideankauf zugesagt. Die Hälfte davon wird Simbabwe zugute kommen. Mit diesem Geld kann Harare seinen dringendsten Zahlungsverpflichtungen nachkommen und Lebensmittel wie Mehl und Öl sowie Treibstoff kaufen. Vor allem der Treibstoffmangel hatte die Wirtschaft des Landes in den letzten Monaten lahm gelegt. Das Geld reicht für 600.000 Tonnen Mais, um die drohende Hungersnot abzuwenden, für den Import elektrischer Energie (Zahlungen an Südafrika und vor allem Mosambik sind fällig) und für Ersatzteile für das Kraftwerk von Hwange im Nordwesten des Landes, das seit Monaten abgeschaltet ist.

Mit dieser Rettung aus höchster Not wollten die südafrikanischen Politiker vor allem verhindern, dass der Nachbar im Norden zahlungsunfähig wird. Falls Simbabwe nicht innerhalb kurzer Zeit seine fälligen Schulden in Höhe von 300 Millionen Dollar an den internationalen Währungsfonds (IWF) hätte zurückzahlen können, wäre das Land aus dem IWF ausgeschlossen worden.

Peking hatte sich Ende Juli geweigert, Robert Mugabe bei seinem Besuch in China einen neuen Kredit zu gewähren, obwohl er der Volksrepublik als Gegenleistung neue Bergwerkskonzessionen angeboten hatte, vor allem über Platin, von dem Simbabwe die weltweit zweitgrößten Vorräte besitzt. Als letzter Rettungsanker blieb nur noch Südafrika. Und die Südafrikaner haben – diskret, versteht sich – Simbabwe innenpolitische Konzessionen für ihre Hilfe abgerungen: eine schrittweise Normalisierung der Beziehungen zur Opposition, eine Verfassungsänderung, die mehr Demokratie zulässt, die Stärkung rechtsstaatlicher Prinzipien auch in einem so heiklen Bereich wie dem Grundbesitz. Allesamt Zugeständnisse, um die sich Pretoria mit seiner stillen Diplomatie in den letzten drei Jahren vergeblich bemüht hatte. Aber wird Harare auch Wort halten? Immerhin wurde der Vorwurf des Verrats gegen den Oppositionsführer Morgan Tsvangirai einige Tage vor dem Abschluss der Verhandlungen und kurz vor dem Urteil des Berufungsgerichts von Harare zurückgenommen.

Pretoria war bisher stets darauf bedacht, alles zu vermeiden, was zu einer Destabilisierung Simbabwes beigetragen hätte. Südafrika ist der wichtigste Handelspartner und größte Investor im Bergwerkssektor des Landes. Ein Zusammenbruch Simbabwes hätte verheerende Folgen für Südafrika, sagen jedenfalls Leute aus der Umgebung von Präsident Thabo Mbeki. Aber es gibt noch einen anderen Grund: die historische Solidarität mit Mugabe. Schließlich war Mugabe einer der Vorkämpfer wider die Apartheid.

Zum Leidwesen der westlichen Staaten, die Südafrika unter Druck setzen, hat sich das Land stets geweigert, die gewaltsamen Enteignungen der weißen Farmer durch die Veteranen des Befreiungskrieges von Simbabwe zu verurteilen. Allerdings könnte genau das für Südafrika zu einem Problem werden. Das Land steht nämlich vor demselben Problem, möchte es jedoch friedlich regeln, auch wenn sich das Verfahren dadurch sehr in die Länge ziehen sollte1 .

Zu einer solchen langwierigen Regelung ist die ländliche Basis des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) jedoch immer weniger bereit. Dort gilt Mugabe nach wie vor als Held, der wegen seines Mutes bewundert und verehrt wird – wie fast überall auf dem afrikanischen Kontinent.

Seit 2002 weigern sich die afrikanischen Regierungen, ein zweites Gipfeltreffen mit der Europäischen Union zu organisieren, solange die Sanktionen gegen das Mugabe-Regime nicht aufgehoben werden. Auch der Versuch des Präsidenten der Afrikanischen Union, Alpha Oumar Konaré aus Mali, eine unabhängige Untersuchung der humanitären Krise in Simbabwe durchzuführen, ist gescheitert.

In Südafrika wurde mit großer Schärfe diskutiert, ob man Harare überhaupt Finanzhilfe gewähren solle. Der Gewerkschaftsbund Cosatu und die Kommunistische Partei Südafrikas, bisher stets treue Verbündete des ANC, haben sich entschieden gegen einen euen Kredit an Simbabwe ausgesprochen.

Dagegen hat der mächtige Rat der südafrikanischen Kirchen, der sich direkt an der humanitären Hilfe für die Opfer der Operation „Wiederherstellung der Ordnung“ beteiligt, Präsident Thabo Mbeki aufgefordert, über langfristige Lösungen nachzudenken.

Fußnote: 1 In Südafrika wurden lediglich 3,1 Millionen Hektar an schwarze Südafrikaner übertragen, das sind weniger als 2 Prozent der vorhandenen Agrarflächen. Siehe Colette Braeckman, „Krokodile auf dem Acker. Landlos in Südafrika“, Le Monde diplomatique, September 2003.

Le Monde diplomatique vom 16.09.2005