16.09.2005

Mugabes eiserne Hand

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Mugabes eiserne Hand

Die Regierung in Simbabwe bekämpft Obdachlosigkeit, indem sie Häuser einreißen lässt von Augusta Conchiglia

Dort, wo der Weg zur Kirche des heiligen Alfons abzweigt, an der asphaltierten Straße nach Tafara, einem der zahlreichen Townships von Harare, sitzt seit Tagen Kudakwashe Sithole und wartet. Er wartet auf den Lastwagen, der ihn in sein Dorf Kadoma im westlichen Mashonaland zurückbringen soll, 150 Kilometer von Harare entfernt. Es ist Anfang Juli, und seit drei Wochen schläft Kudakwashe Sithole nun schon auf der Straße, seine gesamte Habe liegt neben ihm am Straßenrand. Nachts wickelt er sich in eine der bunten Decken ein, die die Kirche an die vielen Familien verteilt hat, die durch die Operation Murambatsvina ihr Dach über dem Kopf verloren haben. Murambatsvina begann im April 2005. „Operation Müllentsorgung“ lautet die wörtliche Übersetzung des Begriffs aus der Shona-Sprache – „Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung“ nennt die Regierung offiziell ihre Aktion.

Wie tausende anderer Bewohner von Tafara und seinem Nachbarviertel Mabvuku wurde Kudakwashe Sithole von der Polizei gezwungen, das kleine gemauerte Haus mit den drei Zimmern, die er seit fünfzehn Jahren mit seiner Familie zur Miete bewohnte, eigenhändig abzureißen. Hätte er sich geweigert, wäre er wie 40 000 seiner Mitbürger verhaftet worden und hätte für jeden der drei Räume eine Strafe in Höhe von 600 000 Simbabwe-Dollar1 zahlen müssen. Der Besitzer des Hauses, ein arbeitsloser ehemaliger Postangestellter, wohnte im Hauptgebäude der kleinen Parzelle, auf der die Familie Sithole Zuflucht gefunden hatte. Er musste über sich ergehen lassen, dass das ohne Baugenehmigung errichtete Häuschen dem Erdboden gleichgemacht wurde. Hier sollten, wie in Simbabwe üblich, einmal die erwachsenen Kinder wohnen. Häufig wird auch an Neuankömmlinge vermietet, die sich keine eigene Parzelle leisten können, weil sie entweder nicht genug Geld verdienen oder aber keine Baugenehmigung bekommen.

In Simbabwe herrscht seit Jahren chronischer Wohnungsmangel. Vor fünf Jahren standen rund 670 000 Familien – ein Fünftel davon aus der Mittelschicht – auf der Warteliste für ein Baugrundstück. Seitdem ist die Nachfrage explodiert. Die Zwangsenteignung der weißen Farmer hat zu einem Massenexodus der schwarzen Landarbeiter in die Städte geführt.2 Daraufhin hat die Regierung unter dem 81-jährigen Robert Mugabe damit begonnen, hunderttausende aus den Elendsvierteln der Großstädte zu vertreiben. Sie werden gezwungen, in ihre Dörfer zurückzukehren, obwohl die Lage dort nach jahrelanger Trockenheit und einer chaotischen Landreform hoffnungslos ist.

Während die Regierung das Ausmaß der Katastrophe nicht zur Kenntnis nehmen will, bemühen sich die Kirchen aller Konfessionen, die schlimmsten Folgen abzumildern. Unterstützt werden sie von Nichtregierungsorganisationen – deren Präsenz dem Regime schon immer ein Dorn im Auge war und die sich daher aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatten – und von der UNO. Die UNO hat Spezialisten nach Simbabwe geschickt, die feststellen sollten, welche der Betroffenen an Aids erkrankt sind und sich gerade in medizinischer Behandlung befinden. Tausende von Aidskranken konnten sich nicht melden, weil sie irgendwo vereinzelt leben oder gewaltsam in ihre Dörfer zurückgeschickt worden waren oder sich versteckt hielten, um nicht in Übergangslager deportiert zu werden.

Simbabwe ist eines der Länder mit der weltweit höchsten HIV-Infektionsrate – zwischen 24 und 35 Prozent der 12,7 Millionen Einwohner sind HIV-positiv. In keinem Land der Welt ist die Lebenserwartung innerhalb so kurzer Zeit derart dramatisch zurückgegangen: in weniger als einem Jahrzehnt um zwanzig Jahre – von 55 auf 35 Jahre3 . Auf dem Human Development Index des Jahres 2004 ist Simbabwe mittlerweile auf Platz 147 abgerutscht (von 177 verglichenen Ländern).

Ein Flohmarkt namens „Ende all unserer Probleme“

Dort, wo die Bagger und Planierraupen begonnen hatten, die ersten Siedlungen platt zu walzen, in Hatfield, Chitungwiza, White Cliff Farm oder Mbare, liegt Bauschutt an den Straßenrändern, viel Gips und Zement, denn die Behausungen waren nicht, wie häufig in Afrika, aus wiederverwertbarem Baumaterial. Der große Flohmarkt von Mbare, Mupedznahamo („das Ende all unsrer wirtschaftlichen und sozialen Probleme“), war Ende Juni nur noch ein riesiger Schutthaufen. „Als hätte eine Bombe eingeschlagen“, rief Kardinal Wilfrid Napier entsetzt aus, als er an der Spitze einer Delegation des südafrikanischen Kirchenrats die zerstörten Orte besichtigte. Anderswo waren ganze Stadtviertel mit Straßenständen und Lagerräumen dem Erdboden gleichgemacht worden. Satellitenfotos, die von der UNO-Nachrichtenagentur4 Irin verbreitet wurden, zeigen ein Bild der Verwüstung.

Obwohl Gewerkschaften, Verbände, Opposition, Kirchen und natürlich auch die internationale Gemeinschaft gegen die Aktion Sturm liefen, machte die Regierung keine Anstalten, einzulenken. Im Gegenteil. Mit Hilfe der Armee wurde die „Operation Murambatsvina“ auf sämtliche Städte des Landes ausgedehnt, auch auf Bulawayo, die zweitgrößte Stadt des Landes. Nach Angaben der UNO, die die Leiterin ihres Siedlungsprogramms, Anna K. Tibaijuka, nach Simbabwe geschickt hat, sind inzwischen 2,4 Millionen Menschen „in unterschiedlichem Ausmaß“ von der Zwangsräumung betroffen.5

220 000 Kinder können nicht mehr zur Schule gehen, seit sie obdachlos sind, berichtet die Unicef. Viele Kinder seien krank geworden, seit sie ohne jeden Schutz im Freien übernachten müssen. Nachts kann es in Simbabwe empfindlich kalt werden. Harare liegt auf einem Hochplateau auf 1 600 Meter Höhe, im Winter sinkt die Temperatur nachts fast bis auf den Gefrierpunkt.

Die Regierung zeigt sich völlig unbeeindruckt von den weltweiten Protesten: Man habe lediglich ein paar illegale Siedlungen beseitigt und im Übrigen völlig legitime Maßnahmen zur Stadterneuerung und Entlastung der Städte durchgeführt. Vizepräsidentin Mujuru geht sogar so weit, von einer „lobenswerten Initiative“ zu sprechen. Es gehe bei der Aktion darum, „die Armut zu bekämpfen“ und die Kriminalität einzudämmen sowie gegen den Schwarzmarkt vorzugehen.6

Außerdem kündigte die Regierung ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm mit dem viel versprechenden Namen „Garikai“ („Fühlen Sie sich wohl“) an, um die internationalen Proteste zu entkräften. Sie kündigte an, für dieses Programm 300 Millionen US-Dollar bereitzustellen. Aber Harare hat keine 300 Millionen Dollar und hofft daher auf die Hilfe des Auslands.

Die Frage ist: Warum hat sich ein international isoliertes und geschwächtes Regime7 – außer von Südafrika und China kann Simbabwe von nirgendwo mehr Hilfe erwarten –, das verzweifelt auf der Suche nach ausländischen Investoren ist, um seine Auslandsschulden bezahlen zu können, auf eine solche Aktion eingelassen? Intellektuelle, die der Partei von Robert Mugabe, der Zanu-PF (Zimbabwe African National Union – Patriotic Front), nahe stehen, machen den dramatischen Devisenmangel des Landes für diese Politik verantwortlich. Die Regierung ist überzeugt, dass der Dollarschwarzmarkt – der inoffizielle Dollarkurs liegt um etwa 50 Prozent über dem offiziellen Kurs – durch illegale Transferzahlungen von Exilsimbabwern, die in die Nachbarländer geflohen sind,8 sowie durch andere unerlaubte Transaktionen angeheizt wird. Daher hat sie den Wechselkurs für die im Ausland lebenden Simbabwer erhöht und lässt überall im Land Jagd auf Devisen machen, und zwar sowohl in der regulären Wirtschaft, d. h. in Hotels, Firmen, Geschäften etc., als auch im informellen Sektor, der in den Augen der Regierung die Wurzel allen Übels ist.

Der tatsächliche Grund für Murambatsvina dürfte jedoch ein anderer sein: die Angst vor einem Umsturz wie in der Ukraine und Georgien. Die Abrissaktion begann interessanterweise wenige Wochen nach den Parlamentswahlen vom 31. März 2005. Die Partei Mugabes hatte die Wahlen zwar gewonnen (78 Sitze für die Zanu-PF gegenüber 48 für die Bewegung für den demokratischen Wandel, MDC9). Aber das Ergebnis der Parlamentswahlen wurde von der internationalen Gemeinschaft ebenso wenig anerkannt wie die Ergebnisse früherer Wahlen, auch wenn die afrikanischen Wahlbeobachter – die einzigen, die zugelassen waren – sie als „frei und fair“ bezeichnet hatten.

Hoffnung auf Annäherung an den Westen

Das Mugabe-Regime gefällt sich einmal mehr in seiner Opferrolle und klagt darüber, dass der Westen Simbabwe nur deshalb wie einen Paria behandelt, weil die Regierung es gewagt habe, das koloniale Erbe anzutasten und eine Hand voll Weiße von dem Land zu verjagen, das diese vor 100 Jahren den Schwarzen weggenommen hatten. „Sind denn Ägypten oder Uganda demokratischer als Simbabwe?“, sagen Leute aus dem Umkreis der Partei gern.

Harare hoffte, dass sich die Beziehungen zur Europäischen Union nach den Wahlen vom März 2005 normalisieren werden, um die „angloamerikanische Einkreisung“ durchbrechen zu können. Dieser Hoffnung hatte die „konstruktive Haltung“ einiger südeuropäischer Länder Nahrung gegeben – sie hatten sich für eine Wiederaufnahme des Dialogs mit Harare ausgesprochen. Zwar hat die EU betont, dass bei den letzten Wahlen durchaus Fortschritte gegenüber den Parlamentswahlen von 2000 und der Präsidentschaftswahl des Jahres 2002 festzustellen seien. Aber die Sanktionen wurden trotzdem nicht aufgehoben.10

Seit der Invasion des Irak fürchtet Mugabe einen bewaffneten Angriff auf Simbabwe. Dies würde auch erklären, warum die Regierung in jüngster Zeit verstärkt in China Waffen kauft, unter anderem zwölf Kampfjets und 700 Truppentransporter für 240 Millionen US-Dollar. Im Januar 2005 hat US-Außenministerin Condoleezza Rice Simbabwe zum „Vorposten der Tyrannei“ erklärt, zusammen mit Kuba, dem Iran, Weißrussland, Birma und Nordkorea. Am 22. Juli 2005 hat der britische Außenminister Jack Straw wegen der Zwangsräumungen in Simbabwe den UNO-Sicherheitsrat angerufen. Eine Entscheidung ist bisher am Widerstand Pekings gescheitert.

Den Preis für diesen neuerlichen westlichen Affront zahlt der „gemäßigte Flügel“ der Zanu-PF: wichtigster Repräsentant dieses Flügels ist Zentralbankchef Gideon Gono. Dieser Flügel fordert eine Annäherung an den Westen und eine Normalisierung der Beziehungen zu den internationalen Finanzinstitutionen. Voraussetzung hierfür wäre die Einhaltung der Kriterien für good governance und eine liberalere Wirtschaftspolitik. Dagegen haben die Hardliner – zu denen der Ehemann der Vizepräsidentin, General Solomon Mujuru, sowie der Sicherheitsminister Didymus Mutasa zählen (er ist auch für die Agrarreform verantwortlich) – einen Präventivkrieg gegen die potenziellen Aufständischen angezettelt, und das sind die städtischen Schichten, vor allem die ärmeren, die bei den Parlamentswahlen überwiegend für die Opposition gestimmt haben.

In dem Wahlergebnis spiegelt sich die doppelte Spaltung des Landes wider: nicht nur zwischen Stadt und Land, sondern auch zwischen den beiden Stämmen Shona und Ndebele. In den von den Ndebele bewohnten ländlichen Gebieten im Süden hat die MDC sehr viel besser abgeschnitten. Dort hat die Opposition ihre Wurzeln, vor allem in Bulawayo.

Tatsächlich werden potenzielle Unterstützer der Opposition aus den Städten verjagt – unter dem Vorwand, dass ihre Häuser illegal gebaut wurden. Gleichzeitig geht es nach Ansicht von MDC-Abgeordneten von Harare und Bulawayo aber noch um etwas anderes: Durch die Verteilung neuer Parzellen, die im Wiederaufbauprogramm vorgesehen ist und natürlich in erster Linie den Sympathisanten der Zanu-PF zugute käme, würde sich das Regime eine neue Wählerklientel schaffen.

Die Opposition, deren Legitimität die Regierung nach wie vor nicht anerkennt und mit der sie jeden außerparlamentarischen Dialog ablehnt, ist ratlos und wird zunehmend von internen Auseinandersetzungen gelähmt. „Wieso sollten wir bis in alle Ewigkeit einem Wahlziel hinterherlaufen, wo wir doch wissen, dass der Gegner kein ehrliches Spiel spielt?“, fragt uns der MDC-Vorsitzende Morgan Tsvangirai. Die Opposition setzt zunehmend auf zivilen Ungehorsam (Blockaden, Streiks usw.), um die für freie Wahlen unerlässlichen Reformen zu erzwingen (ein neues Wahlgesetz, Pressefreiheit). Einschüchterungen und Überfälle durch Aktivisten der Zanu-PF haben den Enthusiasmus der MDC-Anhänger gedämpft, und die MDC hat keinerlei koordinierte Aktion gegen Murambatsvina durchgeführt.

Die 1999 gegründete MDC war nach Ansicht von Brian Raftopoulos, einem der Opposition nahe stehenden Intellektuellen, auch nicht imstande, „klare Alternativvorschläge“ zu der notwendigen, aber brutalen Landreform vorzulegen. Darüber hinaus waren die erklärten oder vermeintlichen Anhänger der Opposition die ersten Opfer der Enteignungen.

Die Koexistenz zwischen dem Regime und der weißen Minderheit, in deren Händen der größte Teil des Reichtums des Landes konzentriert war, hatte bis 1997 erstaunlich gut funktioniert. Es gab eine stillschweigende Übereinkunft zwischen dem Regime und der weißen Minderheit: Solange die Weißen sich aus der Politik heraushielten, würden ihre wirtschaftlichen Interessen nicht angetastet. Als sich jedoch 1999 Vertreter der weißen Minderheit anschickten, an der Seite der Opposition in die Politik einzusteigen, sah die Regierung dies als eine Art Vertragsbruch an. Und als sich dann gegen Ende der 90er-Jahre auch noch die Wirtschaftskrise11 dramatisch zuspitzte und die Unzufriedenheit der Bevölkerung von Tag zu Tag wuchs, lag es nahe, den Unmut der Bevölkerung in die Kampagne für die „Wiederaneignung von Land“ zu kanalisieren.

Als Mugabes Verfassungsentwurf 2000 in einem Referendum von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wurde, sah die Zanu-PF zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit ihre Macht ernsthaft bedroht. Sie änderte ihre Taktik radikal und startete einen Frontalangriff gegen eine ganze Reihe von „Feinden und Verrätern“ an der patriotischen Sache, deren Verkörperung die Partei von Mugabe seit jeher zu sein behauptet. Dieser Angriff richtete sich gegen die frühere Kolonialmacht, die weiße Bevölkerung, die MDC, Verbände und Gewerkschaften, Landarbeiter und die städtische Bevölkerung, aus der die Opposition ihre Anhänger rekrutiert.

Die Offensive hat die Konturen der politischen Landschaft verändert und ein Problem wieder auf die Tagesordnung gesetzt, das durch das Lancaster-House-Abkommen mit Großbritannien auf Eis gelegt worden war: die „Rassenfrage“12 . Die Schaffung einer Regenbogennation wie in Südafrika war in Simbabwe nie ein Thema. In Simbabwe erfolgte die Aussöhnung in erster Linie über eine Verständigung mit dem weißen Kapital und nicht zwischen den Rassen, wie Ibbo Mandaza, der Chefredakteur der unabhängigen Tageszeitung Daily Mirror in Harare betont.

Die Bilanz der Agrarreform ist überaus umstritten: 80 Prozent der Farmen wurden enteignet und das Land an Schwarze verteilt.13 Seitdem hat die Armut in Simbabwe jedoch deutlich zugenommen, wie der Vertreter der Weltbank in Harare feststellt. Die besten Ländereien hat sich die schwarze Bourgeoisie unter den Nagel gerissen. Genau wie bei der ersten Enteignungswelle, als sich die Anhänger Mugabes mehr als 20 Prozent der kommerziellen Farmen, die damals vom Staat aufgekauft wurden, gesichert hatten. Die Masse der schwarzen Landarbeiter – 150 000 Familien – musste sich dagegen mit unrentablen kleinen Farmen zufrieden geben, die zumeist in extrem trockenen Gebieten liegen und ohne staatliche Investitionen in die Infrastruktur gar nicht lebensfähig sind – und auf die warten die Farmer bis heute.

Noch paradoxer ist die Tatsache, dass das Regime die Interessen der 350 000 ehemaligen Landarbeiter völlig ignoriert. Dabei handelt es sich um das größte Agrarprotelariat in Schwarzafrika, das – zusammen mit den Familien der Arbeiter – immerhin 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht14 . 2003 hatten gerade einmal 100 000 dieser Landarbeiter wieder Arbeit gefunden. Die meisten wurden von den neuen Besitzern der Farmen, auf denen sie seit Generationen gelebt hatten, verjagt und wanderten in die Städte ab. Von dort sind sie nun ein zweites Mal vertrieben worden, diesmal unter dem Vorwand der „Bereinigung“. Die Vertreibung dieser erfahrenen Arbeitskräfte und die Zerstückelung der Farmen hatten verheerende Folgen für die Landwirtschaft in Simbabwe. So ist die Tabakproduktion, lange Zeit Haupteinnahmequelle des Landes, um 75 Prozent zurückgegangen. Inzwischen droht sogar Hungersnot. Dieses Jahr fehlen auch aufgrund der schlimmen Dürre 1,2 Millionen Tonnen Getreide; der inländische Maisanbau deckt gerade einmal ein Drittel des Bedarfs.

Das Regime von Robert Mugabe hat eigentlich gar keine Wahl, als den Rettungsring aufzunehmen, den Südafrika ihm zugeworfen hat. Seit Jahren versucht Südafrika, in dem internen Konflikt im Nachbarland zu vermitteln, bislang vergeblich. Dies könnte sich nun ändern, denn heute hat Pretoria, das mit Harare durch den gemeinsamen Kampf gegen die Apartheid verbunden ist, ein starkes Druckmittel in der Hand: Südafrika könnte die Gewährung einer Finanzhilfe, ohne die Simbabwe nicht überleben kann, an die Bedingung knüpfen, dass Simbabwe einen Weg der tief greifenden politischen und wirtschaftlichen Reformen beschreitet.

Fußnoten: 1 Anfang August hat der Simbabwe-Dollar 40 Prozent seines Wertes verloren. Es existieren drei verschiedene Wechselkurse: einer für den Kauf von Ausrüstungen und Gütern für die Regierung (845 Simbabwe-Dollar für einen US-Dollar), ein offizieller für Importprodukte, der sich aus den alle zwei Monate stattfindenden Devisenauktionen ergibt und derzeit bei 17 000 Simbabwe-Dollar für einen US-Dollar liegt, sowie einen Wechselkurs für die Exilanten, der im Allgemeinen deutlich über Letzterem, nämlich bei derzeit 40 000 liegt. 2 Dazu: Colette Braeckman, „Günstlingswirtschaft als Landreform. Simbabwe nach Mugabes Wahlsieg“, Le Monde diplomatique, Mai 2002. 3 Le Monde, 22. Juli 2005. 4 Irin ist eine Unterorganisation des UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (Ocha): www.irinnews.org/frontpage.asp. 5 Bericht vom 21. Juli 2005 an UN-Generalsekretär Kofi Annan. 6 The Herald, Harare, 26. Juli 2005. 7 Die EU, die USA und Australien haben gegen Robert Mugabe und 76 weitere Angehörige der simbabweschen Führung Reisesanktionen verhängt, die ihnen die Einreise in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die USA und Australien untersagen. In diesen Staaten wurden auch ihre Konten eingefroren. Die Vereinigten Staaten haben 24 kommerzielle Farmen und zwei Unternehmen ausgemacht, die Parteimitgliedern, Mitgliedern der Armee oder Generälen im Ruhestand gehören und mit denen Handel und Finanztransfers verboten sind. 8 Die legalen Transferzahlungen von im Ausland lebenden Simbabwern betrugen im letzten Jahr 54 Millionen US-Dollar. 9 Zu diesen 78 Sitzen kommen noch 30 zusätzliche Mandate für Abgeordnete hinzu, die vom Präsidenten kraft seiner verfassungsgemäßen Vorrechte vergeben werden. Die Verfassung war aus dem Lancaster-House-Abkommen hervorgegangen, das kurz vor der Unabhängigkeit zwischen Großbritannien und der Rebellenbewegung geschlossen worden war und der weißen Minderheit ein Minimum an Repräsentativität garantieren sollte. In dem Entwurf für die neue Verfassung, die von der Zanu-PF im Referendum des Jahres 2000 vorgelegt und von den Wählern abgelehnt wurde, sollte diese Klausel abgeschafft werden. 10 Seit 1999 ist die internationale Hilfe wegen Verstößen gegen demokratische Grundsätze eingestellt. 11 1991 hatte die Regierung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ein Strukturanpassungsabkommen geschlossen, um mehr ausländische Investitionen ins Land zu ziehen, vor allem auf dem Bergwerkssektor (Gold, Platin, Kohle usw.). Diese Politik hatte negative Auswirkungen, die bis heute spürbar sind: Anstieg des Zinssatzes und der Inflation, einen 65-prozentigen Kurssturz an der Wertpapierbörse, einen drastischen Rückgang der Industrieproduktion – um 40 Prozent im Verarbeitenden Sektor –, massive Entlassungen und einen rasanten Kaufkraftverlust. 12 Das Lancaster-House-Abkommen von 1979 sah vor, dass es in den ersten zehn Jahren keine Zwangsenteignungen weißer Farmer geben würde; die Ländereien sollten der Regierung oder potenziellen Käufern ausschließlich auf freiwilliger Basis und gegen Entschädigung überlassen würden. 13 Siehe auch Doris Lessing: „Wenn sie so weit sind, dass sie uns lieben, werden wir sie hassen – Robert Mugabe und die Tragödie Simbabwes“, Le Monde diplomatique, August 2003 14 Henri Bernstein, „Reclaiming the Land“, London (Zed Books), 2005.

Aus dem Französischen von Sonja Schmidt Augusta Conchiglia ist Journalistin. In Le Monde diplomatique erschien von ihr zuletzt im Januar 2004 die Reportage „Rechtlos in Guantánamo Bay. Ortsbesichtigung eines Kriegsgefangenenlagers, das keines ist“.

Le Monde diplomatique vom 16.09.2005, von Augusta Conchiglia