Katar und seine Nachbarn
Der Boykott Katars durch Saudi-Arabien und dessen Unterstützer hat verschiedene Ursachen und eine lange Vorgeschichte. Die Saudis demonstrieren damit ihren hegemonialen Anspruch in der ganzen Region – und den Willen zur Konfrontation mit Teheran.
von Fatiha Dazi-Héni
Die aggressive diplomatische Offensive Saudi-Arabiens gegen Katar hat eine klare Botschaft: Die Saudis als Herren der Region wollen ihren hegemonialen Einfluss auf die benachbarten Monarchien geltend machen. Am 5. Juni verkündete das wahhabitische Königreich – zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und Ägypten – den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Katar. Riad und seine Verbündeten beschuldigten Doha der Unterstützung „verschiedener terroristischer und sektiererischer Gruppen, mit dem Ziel, die Region zu destabilisieren“. Ausdrücklich erwähnt wurden die Muslimbrüder, al-Qaida, der IS und von Iran unterstützte Gruppen in Saudi-Arabien.
Kurz darauf schlossen Saudi-Arabien und die VAE ihren Luftraum für Flüge nach und aus Katar, ebenso ihre Häfen und die einzige Landgrenze, über die 90 Prozent der wichtigsten Versorgungsgüter einschließlich Nahrungsmitteln in das Land gelangen. Die Liste der ultimativen Forderungen wurde immer länger. Am 23. Juni übermittelten Saudi-Arabien und die anderen Staaten eine Liste, deren wichtigste Forderungen lauten: Einstellung des TV-Senders al-Dschasira, Schließung der türkischen Militärbasis in Doha, Abbruch aller Verbindungen mit den Muslimbrüdern, der Hisbollah und allen dschihadistischen Gruppen, Einschränkung diplomatischer Beziehungen und Ende jeder militärischen Zusammenarbeit mit Teheran.
Würde Katar diese Forderungen erfüllen, würde es seine Souveränität aufgeben. Zumal unter Punkt 11 vorgesehen ist, das Emirat zehn Jahre lang unter Aufsicht seiner Gegner zu stellen, die im ersten Jahr die Einhaltung des Programms sogar monatlich überprüfen wollen.1
Die Krise hatte bereits mehrere Wochen lang geschwelt. Am 23. Mai, kurz nach dem Besuch des US-Präsidenten Trump in Riad, verbreitete die Presseagentur Qatar News Agency eine dem Emir Tamim zugeschrieben Aussage, in der die Verteufelung Irans, der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah verurteilt wurde. Einen Tag später dementierte Katar diese Meldung und betonte, seine Presseagentur sei Opfer von Hackern geworden, die auf diesem Weg „Falschmeldungen“ in Umlauf gebracht hätten. Doch diese Erklärung reichte nicht aus, um die Zuspitzung der Krise zu verhindern.
Zur Vorgeschichte des Konflikts gehört eine diplomatische Krise zwischen Katar und seinen Golfnachbarn im Jahr 2014. Damals hatte Doha seine Botschafter aus Saudi-Arabien, den VAE und Bahrain abgezogen, um gegen die Unterdrückung der Muslimbruderschaft durch das Regime des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi zu protestieren. Auf Seiten der VAE hegt der starke Mann des Emirats Abu Dhabi, Kronprinz Mohammed bin Zayid al-Nahyan, eine heftige Abneigung gegen die Bruderschaft, und in den Medien der Emirate läuft seit drei Jahren eine scharfe Kampagne gegen Katar wegen dessen Unterstützung der „Brüder“.2
Die Krise von 2014 hatte auch tiefgreifende Konsequenzen für den Golfkooperationsrat (GCC). Diesem gehören die sechs Monarchien der Arabischen Halbinsel an: Saudi-Arabien, Bahrain, die VAE (eine Föderation aus sieben Emiraten, darunter Abu Dhabi und Dubai), Katar, Kuwait und Oman. Die Gründung des GCC erfolgte am 25. Mai 1981 in Abu Dhabi, zwei Jahre nach der islamischen Revolution in Iran, 17 Monate nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan und acht Monate nach Beginn des Kriegs zwischen Iran und Irak.
Der GCC war damals vor allem eine defensive Antwort auf die wiederkehrenden Spannungen und Konflikte in der Region. Die dynastischen Golfmonarchien verfügen über enorme finanzielle Mittel und natürliche Ressourcen: Ihr gesamtes Bruttoinlandsprodukt entspricht mehr als 70 Prozent des gesamten Wirtschaftsleistung aller arabischen Staaten. Doch angesichts ihrer demografischen Schwäche und ihrer militärischen Verwundbarkeit – als Nachbarn von Staaten wie Irak, Iran, Ägypten und Israel – ist es eine Notwendigkeit, sich in einem regionalen Bündnis zusammenzutun. Neben der wirtschaftlichen Integration durch einen gemeinsamen Markt unterhalten die einzelnen Mitglieder des GCC auch Sicherheitspartnerschaften unterschiedlichen Typs mit dem Westen, wobei die Vereinigten Staaten die wichtigste Garantiemacht sind.
Da sie stets auf die Unterstützung der USA zählen konnten – auch wenn diese während der Obama-Ära schwächer wurde –, haben die Golfmonarchien nie eine gemeinsame multilaterale Militärmacht aufgebaut. Das lag allerdings auch an dem Misstrauen unter den Monarchen, die es vorzogen, bilaterale Verträge mit den großen Rüstungsexportnationen abzuschließen. Als Ersatz für eine gemeinsame Truppe vereinbarten die GCC-Mitgliedstaaten ein Sicherheitsabkommen, das im November 2012 in Riad unterzeichnet wurde und 2014 von fünf der sechs Mitgliedstaaten ratifiziert wurde; in Kuwait hat das Parlament seine Zustimmung verweigert.
Widerspruch aus Oman und Kuwait
Das Abkommen sieht den Austausch von geheimdienstlichen Informationen über Bürger der Golfstaaten vor, ermöglicht die Zusammenlegung von Gerichten und etabliert gemeinsame Überwachungssysteme für das Internet, damit man die sozialen Netzwerke blockieren kann, die das zentrale Medium freier Meinungsäußerung in der Golfregion sind.
Der GCC schien, trotz seiner strukturellen Schwächen und der ständigen Rivalitäten unter seinen Mitgliedern, innerhalb der arabischen Welt die einzige zwischenstaatliche Organisation zu sein, die Effektivität mit Stabilität verbindet. Dennoch kam es seit der Gründung des Rats immer wieder zu Krisen, wobei die Front meistens zwischen den Saudis und den anderen Mitgliedstaaten verlief. Deren Misstrauen hat vor allem mit dem staatlichen Selbstverständnis des saudischen Königreichs zu tun, das auf militärischen Eroberungen und der Ausbreitung der saudischen Staatsreligion, des Wahhabismus,3 basiert. Zudem betrachtet Riad die gesamte Arabische Halbinsel als sein natürliches Einflussgebiet.
Das Misstrauen zwischen den Golfmonarchien zeigte sich etwa beim Scheitern der Währungsunion, die ursprünglich 2010 gegründet werden solle. Aber das vergleichsweise arme Sultanat Oman zeigte wenig Lust, vom großen saudischen Nachbarn abhängig zu sein, und wollte mehr Zeit, um seine Wirtschaft zu entwickeln. Das endgültige Aus für das Projekt war schließlich der Rückzug der VAE, weil die Emirate die künftige Zentralbank auf keinen Fall in Riad sehen wollten.
Die saudischen Initiativen stehen häufig im Zusammenhang mit hegemonialen Ansprüchen, die sich auf Bereiche der Politik wie der Religion beziehen. Das ist auch der Grund, warum das Sultanat Oman – ein Nationalstaat mit einer jahrtausendealten Identität4 – von den politisch-militärischen Projekten der Saudis nichts wissen will. So lehnte Sultan Qabus ibn Said auch den Vorschlag ab, mit dem der saudische König Abdullah 2013 auf die Volksaufstände in der arabischen Welt reagierte: den Umbau des GCC zu einer Golfunion, in der sich alle Mitgliedstaaten an dieselbe politische, diplomatische und sicherheitspolitische Linie halten müssen.
In diesem Projekt sahen die anderen Monarchien den Versuch Riads, sie unter saudische Kuratel zu stellen – wie es 2011 in Bahrain geschah, als saudische Soldaten und Panzer eingriffen, um die Protestbewegung niederzuschlagen.5 Alle GCC-Staaten lehnten das saudische Projekt damals weitgehend ab, aber nur Oman erteilte Riads Plänen öffentlich eine Absage. Am 8. Dezember 2013, auf der 9. Sitzung des Manama-Dialogs über Sicherheitsfragen im Golf, widersprach der omanische Außenminister Yusuf bin Alawi vehement einer Umwandlung des GCC. Die omanische Weigerung wurde von den anderen vier Mitgliedstaaten mit Erleichterung aufgenommen. Damit war der saudische Plan vereitelt, drei Tage später beim 34. Treffen der GCC-Staatschefs in Kuwait die Golfunion auszurufen.
Schon zu Beginn der 1980er Jahre hatte sich Oman einem saudisch-kuwaitischen Vorschlag verweigert, gemeinsame Armeeeinheiten aufzustellen, um Saddam Hussein, der gerade Iran den Krieg erklärt hatte, zu unterstützen. Eine solche Aktion käme einer Kriegserklärung an die Islamische Republik gleich, erklärten die Omaner damals.6 Seither pflegte das Sultanat stets gute nachbarschaftliche Beziehungen mit Iran und Jemen, wodurch es immer wieder Streit mit den übrigen GCC-Mitgliedern riskierte.
In den späteren 1980er Jahren teilten die VAE und Katar regelmäßig die Position Omans. Heute ist es neben Katar eher Kuwait, das die antiinterventionistischen Positionen des Sultanats übernimmt. Oman ist auch beim Konflikt im Jemen neutral geblieben, während Saudi-Arabien und die VAE seit März 2015 massiv militärisch gegen die dortigen Huthi-Rebellen vorgehen, um den nach Riad geflohenen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi wieder an die Macht zu bringen.7
Seit einigen Jahren ist noch ein weiterer Faktor im Spiel: Hegemoniale Bestrebungen werden nicht mehr nur den Saudis unterstellt. Seit Beginn der Revolten in Libyen und vor allem im Jemen sind der Oman und die anderen Golfmonarchien auch über den offenen Interventionismus der VAE besorgt.8 Vor allem Abu Dhabi verfolgt eigene Interessen: Es engagiert sich nicht nur militärisch an der Seite Riads, sondern hat auch im Süden des Jemen finanzielle und logistische Investitionen zu verteidigen.
Die Situation im Jemen macht die Komplexität der Beziehungen zwischen den Golfmonarchien besonders deutlich. Hier sind trotz aller Bemühungen um eine Verhandlungslösung nach dem Aufstand von 2011 die bewaffneten Konflikte immer weiter eskaliert. Inzwischen werden die Auseinandersetzungen zusätzlich von einem Streit zwischen Riad und Abu Dhabi um die Provinz Hadramaut im Süden des Jemen überlagert. Saudi-Arabien unterstellt Abu Dhabi, auf eine Teilung des Gebiets aus zu sein, um seine eigenen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Diese Spannungen zwischen den beiden Bündnispartnern – die bei der „Bestrafung“ Katars jedoch Hand in Hand arbeiten – könnten sich demnächst zu einem weiteren Konfliktherd innerhalb des GCC entwickeln.
Der Aktivitäten Abu Dhabis lösen auch in Oman und Kuwait Besorgnis aus. Dagegen ist die Al-Khalifa-Dynastie in Bahrain, die ihr Überleben der saudischen Militärintervention gegen die prodemokratische Opposition im März 2011 verdankt, auf die diplomatische Linie Riads eingeschwenkt. Selbst Katar, das Anfang Juni von der sunnitisch-arabischen Militärkoalition im Jemen-Konflikt ausgeschlossen wurde, könnte sich in Sachen Südjemen auf die Seite der Saudis stellen. Doha kann nicht daran interessiert sein, dass die VAE ihren Einfluss in diesem Gebiet noch ausweiten.
Scharfe Töne vom saudischen Kronprinzen
Was Iran angeht, teilen alle GCC-Mitglieder die Einschätzung, dass es sich um eine hegemoniale Macht handelt. Allerdings bewerten sie die Bedrohung, die von dort ausgeht, sehr unterschiedlich. Die Wahrnehmung des regionalen Rivalen der Saudis und die Beurteilung der Aktionen, die Riad gegen Teheran durchsetzen will, teilen die GCC-Staaten in zwei Blöcke. Auf der einen Seite stehen neben Saudi-Arabien die VAE (angeführt von Abu Dhabi) und Bahrain. Sie fordern ein hartes Vorgehen gegen Iran wegen dessen Interventionen in der Region: iranische Kampfverbände in Syrien und in Irak, Ausbildung schiitischer Milizen, logistische Unterstützung für die Hisbollah, Schützenhilfe für die schiitischen Minderheiten in Saudi-Arabien und die schiitische Opposition in Bahrain.
Auf der anderen Seite stehen Oman und Kuwait, die eher auf diplomatische Vermittlungsbemühungen setzen. Im Sultanat haben im Vorfeld des Atomabkommens mit Iran vom Juli 2015 geheime Gespräche zwischen Teheran und Washington stattgefunden, ohne dass die anderen Golfmonarchien darüber informiert wurden. Auch Emir Tamim von Katar, der im Juni 2013 Nachfolger seines Vaters Hamad wurde, verfolgt eine weniger konfrontative diplomatische Linie. Im Vorfeld der aktuellen Krise hatte er sich mehr an die Positionen Riads angenähert. Allerdings gehört Katar, obwohl man auch dort den großen persischen Nachbarn fürchtet, zu jenen regionalen Kräften, die eine diplomatische Vermittlung zwischen Iran und Saudi-Arabien befürworten.
Spannungen zwischen den sechs Monarchien hat es also schon in der Vergangenheit reichlich gegeben. Doch die jüngste Aktion Saudi-Arabiens und der VAE gegen ein Mitglied des GCC sind ohne Beispiel. Die Wucht der vielfältigen medialen Attacken und das Ausmaß der diplomatischen, wirtschaftlichen und politischen Strafmaßnahmen gegen Katar haben Folgen, die noch nicht abzusehen sind. Bislang haben die Monarchen am Golf stets Wert darauf gelegt, ihre Differenzen „innerhalb der Familie“ zu regeln, unter Ausschluss Dritter.
Die neue Aggressivität und Entschlossenheit im Umgang mit arabischen Nachbarn lässt sich zum Teil durch den Generationswechsel in einigen Königshäusern erklären, mit dem eine Veränderung der politischen Kultur einhergeht.9 Zur neuen Generation in den Palästen am Golf gehören Mohammed bin Zayid al-Nahyan, der Kronprinz von Abu Dhabi, und der saudische Verteidigungsminister und Vizepremier Mohammed bin Salman, der Ende Juni zum Kronprinzen befördert wurde. Beide sind für ihre harte Linie gegenüber Teheran bekannt; Salman gilt zudem als treibende Kraft hinter der saudischen Militärintervention gegen die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen.
Für die Bevölkerung der Golfstaaten ist der Bruch der Solidarität zwischen den GCC-Dynastien ein Schock. Die Menschen stammen schließlich von denselben arabischen Stämmen ab, Heiraten über nationale Grenzen hinweg sind keine Seltenheit. Deshalb sind tausende Familien von den Spannungen betroffen. Neuerdings drohen die Führungen in Riad und den VAE sogar mit harten Strafen (bis zu 15 Jahren Gefängnis) für Leute, die ihre Sympathie mit Doha bekunden.
Die großen ausländischen Mächte haben an die Vernunft appelliert. Desgleichen die große Mehrheit der muslimischen Staaten, voran die Türkei, Iran, Pakistan und selbst Marokko, das normalerweise fest an der Seite von Saudi-Arabien und den VAE steht. In Washington hatte Präsident Trump per Twitter das harte Vorgehen gegen Katar zunächst begrüßt. Aber wichtige Figuren seiner Regierung, wie Verteidigungsminister Mattis und Außenminister Tillerson, haben diesen Äußerungen umgehend widersprochen. Die Vermittlungsbemühungen von Oman und Kuwait können auf große internationale Unterstützung bauen.
Der Ausgang der aktuellen Krise ist zwar noch offen, aber schon jetzt haben sich die Monarchien des GCC als seriöse Partner disqualifiziert, allen voran Saudi-Arabien, das mit seinem Vorhaben, sich als arabische Regionalmacht zu etablieren, gescheitert ist. Auch Abu Dhabi könnte der Übereifer, mit dem es die Region destabilisiert, irgendwann teuer zu stehen kommen, denn es hat nicht nur seine Nachbarn, sondern auch den großen Beschützer USA verärgert.
Die Katar-Krise hat bereits jetzt Iran gestärkt, im Gegensatz zu dem, was ihre Urheber beabsichtigt haben. Teheran kann sich heute als kohärente und gefestigte Regionalmacht darstellen, die in der Lage ist, einen Teil ihrer internen Spannungen mittels Wahlen im Griff zu behalten – ein Instrument, das auf der anderen Seite des Persischen Golfs weitgehend unbekannt ist.
4 Siehe Alain Gresh, „Das vernünftige Sultanat“, Le Monde diplomatique, Mai 2016.
5 Siehe Alexander Smoltczyk, „Der Dominostein am Persischen Golf“, Le Monde diplomatique, Juni 2011.
7 Siehe Laurent Bonnefoy, „Strippenzieher im Jemen-Krieg“, Le Monde diplomatique, März 2016.
Aus dem Französischen von Jakob Farah
Fatiha Dazi-Héni forscht am Institut de recherches stratégiques de l’Ecole militaire (Irsem). Autorin von: „L’Arabie saoudite en 100 questions“, Paris (Tallandier) 2017.
Trump und die Saudis
Im September 2014 twitterte Donald Trump: „Sagt Saudi-Arabien und anderen, dass wir für die nächsten zehn Jahre ihr Öl umsonst haben wollen, oder wir schützen ihre privaten Boeings 747 nicht mehr. Zahlt!“ Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 behauptete der Kandidat Trump bei „Fox News“, das World Trade Center hätten Saudis „in die Luft gesprengt“. Zudem drohte er, die saudischen Ölimporte zu blockieren, falls Riad nicht mehr tue, um den IS zu bekämpfen.
Als Präsident vollzog Trump eine 180-Grad-Wendung: Als Ziel seiner ersten Auslandsreise wählte er Riad, wo er eine Brandrede gegen Iran hielt und einen 110-Milliarden-Dollar Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien ankündigte, der künftig um weitere 240 Milliarden aufgestockt werden könne. Als die Saudis ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar abbrachen und ihren Luftraum für Flüge nach und von Doha sperrten, kommentierte Trump auf Twitter: „Gut zu sehen, dass der Saudi-Arabien-Besuch beim König mit 50 anderen Staaten sich bereits auszahlt ... Vielleicht ist dies der Anfang vom Ende des Terrorismushorrors“.
Trumps Kehrtwende löste in Washington einige Verwunderung, in Riad jedoch großen Jubel aus. Der wichtigste Grund für diesen Sinneswandel ist offensichtlich Trumps harte Linie gegenüber Teheran. Deshalb setzt er auf eine arabisch-sunnitische Allianz in der Golfregion – unter Führung von Riad.
Als am 21. Juni Mohammed bin Salman, der saudische Verteidigungsminister und ein Sohn des Königs, zum neuen saudischen Kronprinzen ernannt wurde, griff Trump innerhalb weniger Stunden zum Telefon, um „MBS“ seine Glückwünsche zu übermitteln. Der junge künftige König steht für einen harten Kurs gegenüber dem Erzrivalen jenseits des persischen Golfs. Anfang April lehnte er in einem Fernsehinterview jeden Dialog mit Teheran ab und behauptete, Iran wolle die heiligen Stätten in Mekka und Medina unter seine Kontrolle bringen.
Seit seinem Amtsantritt unterstützt Trump auch die saudisch geführte Militärintervention im Jemen. Mitte Juni billigte der US-Senat mit knapper Mehrheit den von Trump eingefädelten Verkauf von Präzisionsbomben an die Saudis. Einen ähnlichen Deal hatte die Obama-Regierung noch im Dezember 2016 ausgesetzt, in Reaktion auf Einwände aus dem Repräsentantenhaus und von Menschenrechtsorganisationen.
Im Gegensatz zu den begeisterten Tweets des Präsidenten äußerten sich Regierungsmitglieder allerdings deutlich vorsichtiger über den saudischen Eskalationskurs gegenüber Katar. US-Außenminister Rex Tillerson gibt sich als Vermittler und hat beide Seiten zu einem „ruhigen, überlegten Dialog“ aufgerufen. Auch Verteidigungsminister James Mattis bemüht sich um Zurückhaltung. Zwar unterstützt auch Mattis die saudische Intervention in Jemen und sieht in Iran die „einzige andauernde Bedrohung für die Stabilität im Nahen Osten“. Aber in einer offiziellen Erklärung lobte das Pentagon – nach Ausbruch der Katar-Krise – die Regierung in Doha für ihren „beständigen Einsatz für die regionale Sicherheit“.
Dass das US-Verteidigungsministerium in der Katar-Krise nicht bedingungslos auf der Seite der Saudis steht, ist wenig überraschend. Für das US-Militär ist die Al-Udeid Air Base der wichtigste Stützpunkt in der Region, der auch als Basis für die Luftschläge gegen den IS dient. Insgesamt sind etwa 10 000 US-Soldaten in Katar stationiert.
Ob sich die moderaten Stimmen in der US-Administration durchsetzen und Trump von seinem einseitig prosaudischen Kurs abbringen werden, ist ungewiss. Bereits jetzt ist jedoch klar, dass Trump mit seiner bedingungslosen Unterstützung der Saudis die Regierung in Riad ermutigt hat, ihren Ton gegenüber Teheran zu verschärfen und diejenigen Golfnachbarn, die nicht der saudischen Konfrontationslogik folgen, massiv unter Druck zu setzen. ⇥Jakob Farah