Womanism
von Florence Beaugé
Auch der Feminismus hat sich im Zeitalter des Internets gewandelt. Neben den traditionsreichen Organisationen wie der National Organization for Women (NOW) oder Emily’s List, die den Demokraten nahestehen, tummeln sich in den sozialen Netzwerken viele parteiunabhängige Strömungen. „‚Likes‘ und Klicks anstelle von Demos. Die Kommunikation hat das politische Handeln ersetzt“, meint die Schriftstellerin Carolyn Burke.1 Umstritten ist auch der sogenannte Pop-Feminismus, für den etwa die Sängerin Beyoncé steht. Ihre provokanten Auftritte werden entweder als feminine Emanzipation bejubelt oder als bloße Marketingstrategie beargwöhnt.
Einer breiteren Beliebtheit erfreuen sich auch die unterhaltsamen Tabubrüche von jungen Feministinnen wie Lena Dunham, Schauspielerin und Erfinderin der Comedyserie „Girls“, die Komikerin Amy Poehler oder Ali Wong und ihre schamlose One-Woman-Show „Baby Cobra“.2
Demgegenüber steht die eher didaktisch-pädagogische Serie „Masters of Sex“ über das Leben und Forschen des Wissenschaftlerpaars William Howell Masters (1915–2001) und Virginia E. Johnson (1925–2013): „Der Zuschauer wird an die Hand genommen, und ihm wird auf distanzierte, gänzlich unaggressive Weise die Epoche nahegebracht“, sagt Iris Brey, Autorin von „Sex and the Series“2 über die Handlung der mittlerweile vier Staffeln.
Laut der Medienwissenschaftlerin Brey drehen sich heutzutage die wichtigen Fragen „weniger um den Feminismus als um Gender- und Queertheorien“, in denen die sexuelle Identität nicht mehr automatisch mit dem vermeintlich angeborenen biologischen Geschlecht gleichgesetzt wird. Gerade für Drehbuchschreiber sind die damit verbundenen persönlichen Dramen ein dankbarer Stoff; mittlerweile ist dazu ein eigenes Filmgenre entstanden, zu dem etwa die populärere Serie „Transparent“ gehört, in der sich ein Familienvater dazu entschließt, sein Geschlecht zu wechseln.
Wie Sprache das Bewusstsein prägt, zeigt sich an Begriffen wie „Cisgender“, das in aufklärerischer Absicht als Gegensatz von „Transgender“ benutzt wird. Ähnlich wie der Begriff „heteronormativ“, der sich dagegen richtet, Heterosexualität als soziale Norm vorauszusetzen. „Man will nicht mehr durch „sie“ und „er“ definiert werden“, erklärt die frankoamerikanische Schriftstellerin und Aktivistin Catherine Texier. Die Bipolarisierung der Geschlechter sei schon heute nicht mehr zeitgemäß. „Das Spektrum geht von ganz männlich bis ganz weiblich. Die Leute wollen sich nicht mehr in Schubladen stecken lassen.“
Dementsprechend geht es dem „intersektionalen Feminismus“ nicht mehr nur um die Emanzipation der Frauen, sondern um Gendergleichheit, erklärt die Dozentin Martha Rampton von der Pacific University in Oregon. Für Gloria Steinem, seit den 1960er Jahren die Galionsfigur des amerikanischen Feminismus, sind vor allem schwarze Frauen die „wahren Akteurinnen der Veränderung“, deren Mehrfachdiskriminierung durch Geschlecht, Rasse, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft thematisiert wird.
Dafür steht etwa die Bewegung Black Lives Matter, die 2013 von einer schwarzen Aktivistin und zwei queeren Freundinnen ins Leben gerufen wurde, um Proteste gegen Polizeigewalt zu mobilisieren. Sie wird von Frauen und Repräsentanten der LGBT-Community (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender) getragen, die sich mit dem mehrheitlich heterosexuellen und bürgerlichen „weißen Feminismus“, für den zum Beispiel Hillary Clinton steht, nicht identifizieren können. Statt „Feminismus“ verwenden einige Afroamerikanerinnen lieber den Begriff „Womanism“, der für sie eine umfassendere, humanistische und universelle Bedeutung hat. „Womanist is to feminist as purple to lavender“, erklärte die Schriftstellerin Alice Walker („Die Farbe Lila“, 1983) den Begriff einst mithilfe einer Farbmetapher (Lavendel = Feminismus ist ein Farbton von Violett = Womanism). Walker verbeugte sich damit auch vor der frühen Frauenrechtlerin und ehemaligen Sklavin Sojourner Truth, die 1851 in einer Rede in Akron (Ohio) den legendär gewordenen Satz sagte: „Ain’t I a woman?“
Florence Beaugé
2 Siehe Ariel Levy, „Ali Wong’s Radical Raunch“, The New Yorker, 3. Oktober 2016.