Die alten Fehler
Selbstkritik gehört nicht gerade zu Bill Clintons Stärken, doch am 10. März 2010 leistete er öffentlich Abbitte. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Weißen Haus hatten die USA darauf gedrängt, den haitianischen Reismarkt zu deregulieren: Die Zollgebühren für importierten Reis wurden von 35 auf 3 Prozent gesenkt.
Und damit die Kleinbauern nicht mehr in Abhängigkeit von den Unbilden der Natur auf ihren schrumpfenden Parzellen schuften müssten, so die vermeintlichen Heilsbringer aus den USA, könnten sie sich von ihrem Lohn, den sie in den neuen Sonderwirtschaftszonen verdienten, Importreis aus den Vereinigten Staaten kaufen – also eine „Win-win“-Situation, wie der US-Präsident damals jubelte. Doch während Haitis Märkte mit Importreis überschwemmt wurden, lösten sich die versprochenen Arbeitsplätze in Luft auf und die Nahrungsmittelunsicherheit nahm wieder zu. Sechs Jahre später gestand Clinton ein, dass die Liberalisierung ein Fehler war.
Dennoch wird dieselbe Politik heute fortgesetzt: Im März 2016 spendeten die USA 500 Tonnen Erdnüsse. Mit dieser scheinbar großzügigen Geste entledigte man sich in Wirklichkeit nur auf billige Weise einer mit staatlichen Subventionen geförderten Überproduktion – und zerstörte nebenbei die haitianische Produktion. Gleichzeitig wurden weitere Sonderwirtschaftszonen geschaffen. Statt jedoch vollwertige Arbeitsplätze zu schaffen, sollen dort eher massenweise billige Arbeitskräfte schuften. So kommt es gerade im Umfeld der Sonderwirtschaftszonen zu mehr Armut, Stress und Nahrungsmittelkrisen.
Agritrans, die erste landwirtschaftliche Sonderwirtschaftszone Haitis, liegt direkt gegenüber dem Dorf La Différence. Ihr früherer Geschäftsführer ist niemand anderes als Jovenel Moïse, der designierte Kronprinz des 2015 wiedergewählten Präsidenten Michel Martelly. Obwohl sämtliche zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Haiti die Wahl damals als Farce bezeichnet hatten, äußerten die westlichen Industrienationen bis zum Schluss keinerlei Einwände.
Erst ein auf Druck massiver Proteste eingerichteter unabhängiger Untersuchungsausschuss bestätigte schließlich Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug. Die Wahl wurde annulliert und sollte Anfang Oktober wiederholt werden. Dann kam Hurrikan „Matthew“. Mittlerweile hat die Nationale Wahlbehörde den 30. November als neuen Wahltermin festgelegt.