Mehr General oder mehr Sekretär
Bei den Vereinten Nationen ist wieder der unmöglichste Job der Welt zu vergeben
von Shashi Tharoor
Zum ersten Mal in der 70-jährigen Geschichte der Vereinten Nationen fanden im April dieses Jahres öffentliche Anhörungen der acht offiziellen Kandidatinnen und Kandidaten für den Posten des UN-Generalsekretärs statt.1 Bisher hatte die Weltorganisation ihre Generalsekretäre stets hinter verschlossenen Türen bestimmt. Nun blickt die Welt auf das Rennen um die Nachfolge von Ban Ki Moon, dessen zweite Amtszeit Ende dieses Jahres ausläuft. Ban ist der achte Mann an der Spitze des Staatenbunds aus 193 Ländern – es wäre also höchste Zeit für eine Frau.
Mit der Warnung, das sei der „unmöglichste Job der Welt“, begrüßte der erste UN-Generalsekretär Trygve Lie im Jahr 1953 seinen Nachfolger Dag Hammarskjöld. Seitdem ist der Job nicht leichter geworden. Die Verfasser der UN-Charta haben dem Generalsekretär (GS) zwei unterschiedliche Funktionen verliehen: Er oder sie ist „der höchste Verwaltungsbeamte der Organisation“ und ein unabhängiger Beamter, den die Generalversammlung und der Sicherheitsrat mit nicht näher bezeichneten (jedoch implizit politischen) Aufgaben betrauen können. Jeder Amtsinhaber muss zeigen, ob er oder sie mehr „Sekretär“ oder mehr „General“ ist.
Es ist nicht das einzige Paradox in dieser Rolle. Der GS soll die Unterstützung von Regierungen genießen, insbesondere die der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats – USA, China, Frankreich, Großbritannien und Russland, im UN-Jargon kurz die „Perm Five“ oder P-5 genannt –, doch er darf keiner Regierung gegenüber parteiisch sein. Er hat sich im Verwaltungsdienst oder in einer diplomatischen Laufbahn einen Namen gemacht, doch sobald er gewählt ist, muss er seine Vergangenheit hinter sich lassen und als Stimme der Welt, ja als ein „weltlicher Papst“ wirken.
Der GS soll den Mitgliedsländern helfen, vernünftige und fundierte Entscheidungen zu treffen, die er gegebenenfalls auszuführen hat. Aber er ist auch befugt, Einfluss auf sie zu nehmen, und darf Vorschläge unterbreiten. Er führt einen gewaltigen Apparat von weltweit 44 000 Mitarbeitern und steht an der Spitze der Sonderorganisationen der UN, aber er muss seine Rolle innerhalb der finanziellen und regulatorischen Grenzen ausüben, die die Mitgliedstaaten ihm auferlegt haben.
Tatsächlich ist der GS wie kein anderer in der Lage, Themen zu setzen. Aber er hat nicht die Macht, seine Ideen auch zu verwirklichen. Er formuliert eine Vision, die nur die Regierungen umsetzen können. Er bewegt die Welt, aber er kann sie nicht lenken. Der Schwede Dag Hammarskjöld hat auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges als Erster gesagt, ein unparteiischer Beamter solle „politisch ehelos“ sein, aber nicht „politisch jungfräulich“. Der Generalsekretär könne eine politische Rolle spielen, ohne seine Überparteilichkeit zu verlieren – sofern er sich an die Charta und das Völkerrecht halte.
Die diesjährige Kampagne zur Wahl des UN-Generalsekretärs hat keinerlei Ähnlichkeit mit dem Spektakel des zeitgleich stattfindenden US-Präsidentschaftswahlkampfs. Der Wahlkampf um das Spitzenamt der Vereinten Nationen wird diskret, ja fast im Verborgenen geführt. Schließlich geht es auch nur um eine geringe Anzahl Stimmberechtigter: Die fünfzehn Mitglieder des Sicherheitsrats sollen sich auf einen Namen einigen, den sie dann der UN-Generalversammlung vorschlagen. Mehrheiten spielen in der 193-köpfigen Vollversammlung keine Rolle: Bisher hat sie immer die Nominierung des Sicherheitsrats abgesegnet. Was also zählt, ist der Sieg im Sicherheitsrat, in dem die fünf ständigen Mitglieder ein Vetorecht haben.
Seit 1971 gilt die ungeschriebene Regel, dass das Amt des GS geografisch rotiert. Seitdem war jeweils für zwei fünfjährige Amtsperioden nacheinander ein Europäer, ein Lateinamerikaner, ein Afrikaner und ein Asiate dran. Dass Afrika von 1992 bis 2006 für drei Amtszeiten den GS stellte, war eine Ausnahme: Nachdem die Wiederwahl des Ägypters Boutros Boutros-Ghali am Veto der USA gescheitert war, trat im Januar 1997 der Ghanaer Kofi Annan sein Amt an – das er so erfolgreich ausfüllte, dass niemand ihn nach nur fünf Jahren wieder verlieren wollte.
Die UN ist inoffiziell in fünf regionale Gruppen eingeteilt: Westeuropa und andere Staaten; Lateinamerika und Karibik; Afrika; Asien und Osteuropa. Wenn man das regionale Rotationsprinzip berücksichtigt, könnte der nächste GS also wieder ein Europäer sein, vielleicht ein Osteuropäer, da Osteuropa als einzige UN-Gruppe noch nie den GS gestellt hat.
Die Herausforderung wird darin bestehen, einen Kandidaten zu finden, gegen den weder Russland noch die USA ein Veto einlegen (die anderen drei ständigen Mitglieder werden einen Europäer wohl nicht ablehnen). Sollten die sechs osteuropäischen Kandidatinnen und Kandidaten dennoch alle an einem Veto scheitern, könnte ein Bewerber aus der Gruppe „Westeuropa und andere Staaten“ aus Ozeanien eine Chance haben (etwa Neuseelands Expremierministerin Helen Clark).
Was wird die Weltöffentlichkeit von dem Entscheidungsprozess mitbekommen? Bei der Wahl 2006 wurde in bis dahin ungewohnter Weise öffentlich über die Kandidaten diskutiert: Es gab Treffen mit Regionalgruppen, Kandidaten hielten Reden beim jährlichen Gipfel der OAU (Organisation für Afrikanische Einheit), es wurden Websites eingerichtet, um das Rennen zu beobachten, Umfragen und Leitartikel beschäftigten sich mit der Kandidatensuche, und es fand sogar eine Diskussion auf BBC statt. An der hat Ban Ki Moon allerdings nicht teilgenommen, was bestätigt, dass ein öffentlicher Wahlkampf wenig Einfluss auf das Ergebnis hat.
Es geht um Mehrheiten, nicht um Charisma
Bei Bans Kandidatur setzten die Südkoreaner hohe Maßstäbe: Sie besuchten die Hauptstädte aller fünfzehn Sicherheitsratsmitglieder – neben den fünf ständigen gibt es immer zehn nichtständige Mitglieder – oft mit attraktiven bilateralen Angeboten im Gepäck, wofür die anderen Kandidaten weder Zeit noch Geld hatten. Die südkoreanische Regierung führte als einzige ein Jahr lang einen durchgeplanten, gut finanzierten Wahlkampf und stellte den Entwicklungsländern im Sicherheitsrat bilaterale Unterstützung in Aussicht – und am Ende gewann ihr Kandidat. Offenbar zeigt ein gezielter Wahlkampf durchaus Wirkung, jedenfalls wenn keiner der P-5 grundsätzliche Einwände hat.
Letztlich geht es im Rennen um das Amt des GS weder um eine Vision noch den eindrucksvollsten Lebenslauf, weder um Sprachkenntnisse noch administrative Fähigkeiten, noch persönliches Charisma. Es ist ein politischer Job, über den in erster Linie die P-5 entscheiden. Und die werden niemanden auswählen, der keine Aussicht auf die Mehrheit der Stimmen der übrigen Mitglieder hat.
In der Vergangenheit setzte sich oft nicht der qualifizierteste, sondern der „am wenigsten inakzeptable“ Kandidat durch. Einige galten als farblos und unprofiliert. Die P-5 haben bislang stets Leute bevorzugt, die mehr Sekretär als General waren, und daran wird sich auch durch Facebook, Twitter, Satellitenübertragung und eine aufdringlichere Presse nicht viel ändern.
Es ist natürlich eine erfreuliche Neuerung, dass sich die Kandidaten der Weltöffentlichkeit präsentieren: Die „Vorstellungsgespräche“ vor der Generalversammlung konnte man per Livestream verfolgen, die Kandidaten beantworteten auch Fragen, die die Bürger weltweit zuvor bei den Vereinten Nationen einreichen konnten. Die besten Chancen hätte ein Kandidat oder eine Kandidatin aus Osteuropa, der sowohl für Washington als auch für Moskau akzeptabel ist und von den übrigen P-5 unterstützt wird. Wer diese Bedingungen nicht erfüllt, tritt von vornherein mit einem – nicht unbedingt unüberwindlichen – Handicap an. Mit einem Ergebnis der Kandidatenkür ist bis spätestens Oktober zu rechnen.
Was darf die Welt von einer UN-Generalsekretärin oder einem UN-Generalsekretär erwarten? Die P-5 wollen, wie man seit einigen Jahren beobachten kann, einen ruhigen Verwaltungschef, der seine Zuständigkeiten nicht überschreitet. Und doch hatten wir vor nicht allzu langer Zeit einen GS, der die Möglichkeiten seiner Aufgabe weit darüber hinaus ausgedehnt hat.
Kofi Annan, der das Amt am 1. Januar 1997 antrat, hat die „Plattform“, die sein Amt ihm bot, viel ausgiebiger genutzt als seine Vorgänger. Er stellte die Frage nach der moralischen Rechtfertigung von Interventionen und der Pflicht jedes Einzelnen, seinem Gewissen zu folgen, und forderte die Mitgliedstaaten auf, eine Lösung für das Spannungsverhältnis zwischen der Souveränität der Nationalstaaten und der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) zu suchen.
Als die USA im Februar 1998 zum ersten Mal damit drohten, den Irak zu bombardieren, weil Saddam Hussein keine Atomwaffeninspektionen der UN zulassen wollte, reiste Kofi Annan gegen den ausdrücklichen Wunsch einer Mehrheit der P-5 nach Bagdad, um die Krise zu entschärfen – und hatte Erfolg. Der war zwar nicht von Dauer, aber indem Annan weiter ging, als seine Herren es wollten, zeigte er, welches Potenzial in der Rolle des GS steckt.
Wahr ist aber auch, dass der GS vielleicht schwierige Probleme aufwerfen, aber die Antwort nicht diktieren kann. Annans historische Rede zum Thema Interventionen, die er am 20. September 1999 vor der UN-Vollversammlung hielt, mag Journalisten und Thinktanks beflügelt haben, aber sie hatte nicht eine einzige militärische Intervention zum Schutz der Unterdrückten zur Folge. Die Vereinten Nationen erscheinen oft als Verkörperung einer internationalen Legitimität, und doch sind die Ansprachen ihres Generalsekretärs folgenloser als die Empörung des Papstes über die Empfängnisverhütung.
Der GS weiß, dass er auch auf die Unterstützung von Ländern angewiesen ist, die er von Fall zu Fall für ihre Tatenlosigkeit kritisiert. Er darf sich von keinem Thema so sehr frustrieren lassen, dass ihn das davon abhält, bei anderen Themen wieder die Zusammenarbeit mit den Regierungen zu suchen. Annan hat das einmal mit einem alten ghanaischen Sprichwort ausgedrückt: „Schlag nie einen Mann auf den Kopf, wenn deine Finger zwischen seinen Zähnen stecken.“
Überdies muss der GS ein gutes Verhältnis mit der letzten verbliebenen Supermacht des Planeten aufbauen, ohne dabei seine Integrität und Unabhängigkeit aufs Spiel zu setzen. Die hartnäckige Forderung der USA, die Vereinten Nationen müssten unter Beweis stellen, dass sie für die Vereinigten Staaten nützlich sind – eine Forderungen, die während des Kalten Krieges so nicht erhoben werden konnte –, zwingt den GS, sich auf einem schmalen Grat zwischen der Rücksicht auf US-Prioritäten und den Interessen der Mitglieder insgesamt zu bewegen. Paradoxerweise kann er für die USA besonders wertvoll sein, wenn er beweist, dass er von ihnen unabhängig ist.
Dass die Mitgliedstaaten zunehmend haushaltspolitisches Mikromanagement betreiben, schwächt die Autorität des GS ebenfalls. Sowohl Kofi Annan als auch sein Vorgänger Boutros Boutros-Ghali haben ehrgeizige Reformen der UN-Verwaltung eingeleitet. Gegen das viel größere Problem, das in der institutionellen Trägheit und in den umständlichen Prozeduren der Weltorganisation liegt, konnten sie jedoch nichts ausrichten.
Kein GS ist wirklich unabhängig von den Regierungen: Die UNO hat keine Botschaften und keinen Geheimdienst, und ihre Mitgliedstaaten unterbinden jeden Versuch, etwas Derartiges zu installieren. Die Macht des GS geht somit über seinen unmittelbaren Einflussbereich nicht hinaus, und der endet an den Grenzen der Mitgliedstaaten beziehungsweise ihrer Staatskassen.
Die UNO ist Bühne und Akteur zugleich: eine Bühne, auf der die Mitgliedstaaten ihre Rollen spielen und ihre Differenzen und Gemeinsamkeiten zum Ausdruck bringen, und ein Akteur, der – in Gestalt des GS, seines Stabs, der Sonderorganisationen und Missionen – die Politik ausführt, die auf der Bühne beschlossen wurde.
Der nächste Generalsekretär wird aller Wahrscheinlichkeit nach eine Frau sein. Sie wird große diplomatische Legitimität und noch größere mediale Präsenz besitzen, aber weniger politische Macht, als der Wortlaut der UN-Charta nahelegt. Um Wirkung zu entfalten, muss sie versiert im Umgang mit Personal und Geld sein und ein Händchen für das mehr oder weniger öffentliche diplomatische Geschäft haben; und sie muss es schaffen, die Loyalität der unterschiedlichsten externen Akteure zu gewinnen, von Nichtregierungsorganisationen über Wirtschaftsverbände und bis hin zu Journalisten.
Sie muss zum einen die Länder des armen, von Konflikten zerrissenen Südens davon überzeugen, dass sie deren Interessen stets im Kopf hat, und zum anderen sicherstellen, dass sie mit den reichen und mächtigen Ländern des Nordens effizient zusammenarbeiten kann. Sie muss die Macht und die Privilegien des Sicherheitsrats, zumal der P-5, anerkennen und zugleich ein offenes Ohr für die Prioritäten und Anliegen der Generalversammlung haben. Und sie muss den Mitgliedstaaten realistische Vorschläge machen und auf der anderen Seite mit den Mitteln, die diese ihr zur Verfügung stellen, die ihr übertragenen Mandate umsetzen.
Auf der Welt gibt es nur die eine UNO
Sie muss darüber hinaus die große UN-Reform vorantreiben. Denn die UNO muss reformiert werden – nicht weil sie gescheitert wäre, sondern weil es sich lohnt, in sie zu investieren. Vor allem braucht die künftige GS eine Vorstellung von dem übergeordneten Ziel ihres Amts und ein Bewusstsein für dessen Möglichkeiten und Grenzen. Mit anderen Worten: Um erfolgreich zu sein, muss sie ein Bild der Vereinten Nationen, wie sie sein sollten, entwerfen und zugleich die Organisation, so wie sie nun mal ist, verwalten und verteidigen.
Die UNO der Zukunft müsste – fest verankert auf dem Fundament ihrer Verdienste der Vergangenheit – bestrebt sein, auf veränderte Umstände zu reagieren und sich zu wandeln: in eine erneuerte UNO, die sich der Errungenschaften der letzten 70 Jahre bewusst ist und sich den Problemen gewachsen zeigt, die im Umgang mit den realen Herausforderungen der sich wandelnden Welt zutage treten.
Wahrscheinlich wird das eine UNO sein, die sich mehr auf die Bereiche konzentriert, in denen sie tatsächlich etwas bewirken kann. Sie wird zum Beispiel weiterhin die wichtigste Anlaufstelle sein, wenn es gilt, die Hilfeleistungen bei humanitären Katastrophen zu koordinieren. In dem Bereich ist die UNO die erfolgreichste Praktikerin überhaupt. Zu ihren wichtigsten Aufgaben wird sicher auch in Zukunft gehören, die Einhaltung von Friedensvereinbarungen zu überwachen, friedenserhaltende Missionen durchzuführen und bestimmte Gebiete so lange zu verwalten, bis politische Lösungen gefunden und die Modalitäten für einen dauerhaften Frieden etabliert sind. Schließlich steht die UNO über den Interessen der einzelnen Regierungen und handelt doch zugleich im Namen aller.
Sie wird wohl keine Militärinterventionen leiten – abgesehen von Friedensmissionen –, obwohl die weltweit bindenden Beschlüsse ihrer Gremien auch in Zukunft die wichtigste Legitimationsquelle für derartige Interventionen bleiben werden. Die UNO ist nach wie vor der Ort, an dem auf ernsthafte Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit reagiert wird, und sie ist unverzichtbar für die Friedensstiftung: Mit militärischer Stärke kommt man beim nation building nicht sehr weit. Das Problem hat der französische Diplomat und Staatsmann Talleyrand – er war Außenminister Napoleons, dann Vertreter Frankreichs auf dem Wiener Kongress und zuletzt Botschafter in London – einst so formuliert: „Sire, Sie können mit einem Bajonett alles machen, aber Sie können nicht darauf sitzen.“
Keine andere Institution kann mit einer solchen Effizienz und Objektivität die Mittel zur Verfügung stellen, um jene Löcher und Risse in der Fassade des internationalen Systems anzugehen, die Ursache für viele Probleme des 21. Jahrhunderts sind – von Umweltschäden über globale Epidemien und Verstöße gegen die Menschenrechte bis hin zum internationalen Terrorismus.
Die UNO ist – und muss es bleiben – ein Forum, auf dem die Reichen und Mächtigen ihre Stärke und ihren Reichtum in den Dienst einer besseren Welt stellen können. Und sie muss die Bühne bleiben, auf der sich bedeutende und stolze Nationen, große wie kleine, reiche wie arme, auf Augenhöhe begegnen, um ihre Streitigkeiten beizulegen und das gemeinsame Ziel in der sie verbindenden Menschlichkeit zu finden. So weit zur Architektur. Aber wie ein altes Sprichwort besagt: Ein Haus ist noch kein Heim. Etwas anderes – extrem Wichtiges, wenngleich weniger Greifbares – ist nötig, damit die UNO die wird, die sie sein kann.
Die neue UNO muss den Geist, dem sie ihre Gründung verdankt, für das 21. Jahrhundert wiederbeleben. Sie muss die Stimmen derjenigen verstärken, die sonst kein Gehör fänden, und ein Dach bilden, unter dem sich alle sicher fühlen. Und unsere UNO der Zukunft darf die Probleme nicht aus dem Blick verlieren, vor denen die große Mehrheit der Menschen steht. Sie muss dem „Wir, die Völker der Vereinten Nationen“, mit dem die Präambel der UN-Charta beginnt, treu bleiben. Die UNO der Zukunft darf nie vergessen, dass sie sowohl das Kind als auch der Quell der Hoffnung auf eine bessere Welt ist – einer Hoffnung, die alle Menschen teilen. Und ein neuer Generalsekretär oder eine Generalsekretärin muss sie dahin führen. Es ist ein wahrhaft unmöglicher Job.
Aus dem Englischen von Ursel Schäfer
Shashi Tharoor ist ein indischer Jurist, Schriftsteller, Politiker und Diplomat. Er kandidierte 2006 mit sechs anderen Bewerbern für das Amt des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und unterlag knapp hinter Ban Ki Moon.