Das arabische Dilemma
Plädoyer für eine autochthone Demokratie von Hicham Ben Abdallah El Alaoui
Die Besetzung des Irak hat im Nahen Osten und weit darüber hinaus geopolitische Entwicklungen ausgelöst, deren Richtung und Wirkung noch kaum abzusehen sind. Dazu gehören auch Ansätze zu Demokratisierung und Reformen in der arabischen Welt, die von der US-amerikanischen Regierung leicht verspätet als eigener Erfolg beansprucht werden.
Doch die Dinge liegen komplizierter: Die US-Politik und ihre widersprüchlichen Auswirkungen stellen nur einen von drei möglichen Wegen zur Reform der Gesellschaften dar. Die beiden anderen könnte man als den „islamistischen“ und den „autochthon fortschrittlichen“ Weg bezeichnen.
Dem Irakkrieg gingen jahrelange intellektuelle und politische Bemühungen eines neokonservativen Zirkels voraus. Zu diesem zählen etwa Norman Podhoretz, Richard Perle, David Frum, Bernard Lewis und Fuad Ajami, aber auch der rechte israelische Politiker und russische Exdissident Nathan Scharanski, ein enger Vertrauter von Präsident Bush. Alle diese Politikberater sehen die arabische Welt im Niedergang. Für sie liegen die Gründe im Versagen der arabischen (oder islamischen) Gesellschaften auf kultureller, psychologischer und religiöser Ebene; eine Art „genetischer“ Defekt, der auch die zunehmende terroristische Gewalt erklären soll. Er gilt als entscheidendes Hindernis für die Demokratisierung, die die einzige umfassende Lösung darstelle.
Nach Meinung der „Neocons“ müssen die Vereinigten Staaten den Lauf der Geschichte in der arabisch-muslimischen Welt bestimmen, indem sie deren alte Fehler ausmerzen und sie zur Demokratisierung zwingen, notfalls mit Gewalt.
Man kann diesem rechtsgewendeten Wilson-Plan1 eine gewisse Überzeugungskraft nicht absprechen. Wer sich auf Demokratie beruft, um jede Form von Intervention zu rechtfertigen, erinnert natürlich ein wenig an die Sowjetunion, die sich auf den „Sozialismus“ berief. Der Einmarsch in den Irak diente also nicht einfach dem aktuellen Interesse der USA, sondern war zugleich ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer globalen Ordnung der Sicherheit und der Reformen, die von Washington kontrolliert wird.
Für die Neocons bedeutete dieser Krieg also, abstrakte Begriffe wie das „Böse“ und die „Demokratie“ durch die Praxis des Eingreifens zu ersetzen, die den Wandel erzwingt. Der Irakkrieg war allerdings auch der erste Test für ihre Theorie. Die Ideologen in Washington hatten vorausgesagt, alsbald werde ein unabhängiger, stabiler, laizistischer Irak entstehen, der als Modell für die Demokratisierung des gesamten Nahen Ostens dienen werde. Doch nach tausenden toten Soldaten und zehntausenden toten Zivilisten lautet die bittere Zwischenbilanz: eine zerstörte Gesellschaft am Rande des Bürgerkriegs, die nach Einschätzung der Geheimdienste zu einem Zentrum des internationalen Terrorismus geworden ist.
Einige hellsichtige Beobachter halten diese Entwicklung nicht nur für die bisher größte Niederlage der USA, sondern auch für eine Schandtat, die durch alle Reformpläne für die Region weder zu rechtfertigen noch wieder gutzumachen ist. Die Neocons haben darauf die schlichte Antwort: „Wir haben die Wahlen gewonnen.“ Und Charles Krauthammer, einer ihrer Vordenker, begeisterte sich am Wahlsieg der Kurden und der Schiiten, womit nunmehr „80 Prozent der irakischen Bevölkerung“ die Macht ausüben würden. Das habe auch die demokratischen Entwicklungen im Libanon, in Ägypten und am Golf ausgelöst. Dabei zitiert er den Drusenführer Walid Dschumblat, für den die libanesische Revolution erst durch die „Invasion der USA im Irak“ ermöglicht wurde. Die Wahlen dort seien deshalb ein „historischer Wendepunkt“ für die gesamte arabische Welt – und damit die zentrale Rechtfertigung der Bush-Doktrin und der gesamten „neokonservativen Außenpolitik“.2
So viel Jubel ist verdächtig. Dabei wollten die USA von den Wahlen zunächst nichts wissen. Sie wurden vielmehr von Großajatollah Ali Sistani durchgesetzt. Zu den Wahlversprechen der siegreichen Parteien gehörte der Rückzug der US-Truppen. Was die angeblichen Fernwirkungen angeht, so kommentierte der Chefredakteur des Beirut Daily Star ironisch, vom Einfluss des Irak auf die Libanesen habe er „noch keinen Menschen reden hören außer Walid Dschumblat“. Im Übrigen meinte kürzlich selbst ein hoher Beamter der US-Regierung: „Unsere Ziele waren nie wirklich zu erreichen […]. Wir sind dabei, uns von den ‚unrealistischen‘ Annahmen der Anfangsphase zu verabschieden.“3
Dass bei den irakischen Wahlen gerade die schiitischen Parteien an Einfluss gewannen, macht deutlich, welchen Teufelspakt die USA mit der konservativen schiitischen Geistlichkeit geschlossen haben. Denn deren Bindungen an den Iran stehen jeder Demokratisierung eindeutig im Weg. So muss die britische Besatzungsmacht in Basra eine streng islamistisch geprägte Zivilverwaltung dulden, um die Stadt halbwegs zu befrieden. Und in einigen Gegenden ist der iranisch orientierte Fundamentalismus so stark in der Bevölkerung verwurzelt, dass manche Schiiten bereits die Einrichtung einer autonomen Region fordern, in der ihre Auslegung der Scharia gelten soll. „Wir planen hier die Einführung der Demokratie“, meint ein US-Vertreter zu dieser paradoxen Situation, „aber wir begreifen allmählich, dass wir eine Form von islamischer Republik bekommen werden.“4
Die westliche Vormachtstellung und die gegenläufigen arabischen Unabhängigkeitsbestrebungen bestimmen seit langem die Geschichte des Nahen Ostens. In jüngerer Zeit hat der Islamismus die Führung im Widerstand gegen den westlichen Einfluss übernommen, die zuvor der arabische, teils sozialistisch orientierte Nationalismus innehatte. Trotz offenkundiger Unvereinbarkeiten haben sich Washington und seine europäischen Verbündeten bislang mit den islamistischen Bewegungen arrangiert.
Die US-Regierung will nun Demokratie vor Stabilität setzen
Saudi-Arabien, das konservativste islamische Land der arabischen Welt, ist seit langem der engste Verbündete der USA in der Region. Die Beziehungen zum Iran waren nach der Islamischen Revolution sehr gespannt. In Algerien duldete der Westen 1991 die Annullierung demokratischer Wahlen, die den Fundamentalisten der Islamischen Heilsfront (FIS) die Regierungsübernahme gebracht hätten. In der Türkei dagegen mischte man sich nicht ein, als der sehr gemäßigte Islamist Recep Tayyip Erdogan an die Regierung kam.
Die US-Regierung versucht es nun mit einer neuen Taktik. Außenministerin Condoleezza Rice verkündete Ende Juni eine radikale Abkehr von den seit sechzig Jahren geltenden Prinzipien der US-Außenpolitik: Diese habe Stabilität für wichtiger gehalten als Demokratie und deshalb „letztlich beide Ziele verfehlt“.5 Werden die USA von nun an alle Machtwechsel durch demokratische Wahlen begrüßen? Also etwa einen Wahlsieg der Muslimbrüder in Ägypten oder der fundamentalistischen Schiiten im Irak? Wenn man bedenkt, welche politischen und ökonomischen Interessen die USA verfolgen und in welche Widersprüche sie bereits verwickelt sind, wundert man sich, dass US-Regierungsvertreter an der Strategie einer allgemeinen Durchsetzung der Demokratie festhalten.
Die erklärten Ziele der Regierung Bush scheinen den Interessen der USA nicht zu dienen. Werden die USA also, nachdem sie fundamentalistische Schiitenführer im Irak an die Regierung gebracht haben, von ihren „antiislamistischen“ Positionen abrücken? Und wenn morgen in irgendeinem anderen Land eine Bewegung wie die Hamas an die Macht kommt – wird man dann wieder auf die Politik antifundamentalistischer Stabilitätspakte mit autoritären Regimen zurückgreifen wie vor dem 11. September?
Die unklare Haltung des Westens zu Demokratie und Islamismus entbindet uns – die Araber, die Muslime – nicht von der Aufgabe, unsere eigene Position klar zu definieren. Die meisten fundamentalistischen Bewegungen in unseren Ländern beschränkten sich lange auf das Eintreten für Reformen im Geiste des Islam. Einige haben sich politisiert, weil sie Korruption und Willkürherrschaft in arabischen Staaten als weltliche Phänomene und als Abfall vom Glauben verstehen. Sie wollen die Gesellschaft durch die Reislamisierung des Staates reformieren. Und dann gibt es noch die „Dschihadisten“, die alle modernen arabischen Gesellschaften für korrumpiert halten, weil sie sich den ketzerischen westlichen Werte angepasst haben. Diesen Verhältnissen, sagen sie, muss man den Krieg erklären, um die Gemeinschaft der Muslime, die Umma, wieder zu errichten.
Der Erfolg der Fundamentalisten erklärt sich aus einer spezifischen Kombination von Religion, sozialer Schichtung sowie kulturellen und politischen Konflikten. In vielen muslimischen Ländern leben große Teile der Bevölkerung in Armut und ohne Hoffnung. Der Zerfall alter Sitten ängstigt sie, die falschen Versprechungen der Globalisierung empören sie. Viele wollen das Land verlassen, finden aber keinen Weg. Zugleich sehen sie, wie die westlich orientierte Oberschicht in alle Welt reist. Solange die Bevölkerung keine säkulare Perspektive hat, ist sie empfänglich für fundamentalistische Versprechen. Nicht selten läuft somit Demokratisierung auf Islamisierung hinaus.
Vielleicht haben wir das Aufkommen von Ideologien, die sich auf den Koran berufen, bislang nicht ernst genug genommen. Dabei können wir uns ihnen durchaus entgegenstellen, ohne gleich unsere Kultur und unsere Traditionen zu verraten. Deshalb plädiere ich für eine gemäßigte Politik des Fortschritts, die auch Toleranz gegenüber unterschiedlichen Vorstellungen von der Rolle des Glaubens im politischen Leben bedeutet. Allerdings ist ein theokratisches Regime mit der Entwicklung einer demokratischen Kultur prinzipiell unvereinbar.
Der Staat soll dem Islam verpflichtet bleiben, aber sich nicht den Entscheidungen religiöser Würdenträger unterwerfen. Andererseits darf er seine strenggläubigen Bürger nicht bestrafen, indem er ihnen etwa den Zugang zu öffentlichen Ämtern oder Bildungseinrichtungen verweigert. Denn politische Chancengleichheit und Gewaltenteilung müssen sich auch darin erweisen, dass islamistische Bewegungen in das politische Leben integriert werden.
Über den Weg zu Reformen und Demokratisierung und eine schrittweise Neubestimmung des Verhältnisses von Glauben und Politik muss man in der arabischen Welt also unbedingt diskutieren. Dass irgendeine Nation sich anmaßt, unsere Probleme mit militärischen Mitteln zu lösen, ist jedoch völlig inakzeptabel. Die Demokratie wird in unseren Gesellschaften nur gedeihen, wenn sie Wurzeln schlagen und wachsen kann.
Das Verhältnis von Glauben und Politik bleibt für uns zu klären
Im Iran hat die Bedrohung durch die USA einem konservativen Kandidaten zu einem Sieg bei demokratischen Wahlen verholfen. Auch Parteien wie die Hamas oder die Hisbollah verzeichnen Wahlerfolge. Und im Irak gedeihen inzwischen extremistische Gruppen jeder Couleur. Der Fundamentalismus bietet zwar nicht die gewünschten Reformperspektiven, weder aus eigener Kraft noch im Zusammenwirken mit Demokratie und Nationalismus, doch seit er als einziger Partner von Demokratie und Nationalismus gesehen wird, erscheint er als unvermeidbarer Umweg auf dem langen Marsch zum sozialen Fortschritt.
Im Übrigen gehören zum Dialog immer zwei Seiten. So wie wir ein Recht haben, uns in bestimmte Debatten bei unseren Freunden einzumischen, so gilt auch umgekehrt: Wenn US-amerikanische, ja selbst neokonservative Kritiker gefährliche Tendenzen in der arabischen Welt thematisieren, können wir ihnen eine solche Kritik nicht verwehren. Was jedoch in den USA derzeit entsteht, ist eine machtvolle politische Allianz von rechten christlichen Fundamentalisten, militanten Zionisten und den Verfechtern eines ungehemmten Militarismus. Dieses Konglomerat von Interessen ist verantwortlich für die Militärinterventionen der USA im Irak, wobei die Rechtfertigung gewaltsamer Interventionen die altruistischen Parolen dementiert.
In diese Außenpolitik spielt auch die zunehmende Entsäkularisierung in den USA hinein. Als Beleg mag der erbitterte Streit um das Schicksal der Wachkoma-Patientin Terri Schiavo dienen. Oder auch die Debatte über die Evolutionslehre, in die sogar der Präsident eingriff, um grundlegende wissenschaftliche Prinzipien anzugreifen. „Lincolns Republikanische Partei ist zu einer theokratischen Partei geworden“, befand selbst ein republikanischer Kongressabgeordneter.6
Dies erklärt auch, mit welcher Unbefangenheit die US-Regierung zum Beispiel Folterpraktiken gutheißt oder gestattet, Menschen auf unbestimmte Zeit ohne Anklage und ohne Gerichtsverfahren in Haft zu halten. Auf dieselbe Weise dürfte sich erklären, warum eine so mächtige Nation es nicht fertig bringt, ihre Fehler und ihr Scheitern einzugestehen und zu begreifen, dass nicht alle Länder sich an ihrem Vorbild orientieren.
Wir möchten uns mit freundschaftlichem Respekt an dieser Debatte beteiligen, um Lösungen zu finden, die aus unserer Sicht mit jenen demokratischen Traditionen vereinbar sind, auf die sich unsere Bewunderung für die Vereinigten Staaten gründet.
All dies mag verständlich machen, warum uns die Vorstellungen der Neokonservativen von sozialer Reform so wenig genehm sind wie die der Fundamentalisten. Ob es in naher Zukunft einen dritten Weg geben kann, bleibt vor allem wegen der unabsehbaren Folgen des Irakkriegs gänzlich ungewiss.
Wie werden sich die USA im Konflikt mit dem Iran verhalten? Kundige Beobachter halten angesichts der endlosen Probleme im Irak ein erneutes militärisches Eingreifen für ausgeschlossen. Überdies will davon auch die Führung der Schiiten im Irak nichts wissen. Und auch die Regierung in Bagdad hat versprochen, von irakischem Territorium werde nie wieder ein Angriff auf den Iran ausgehen.
Die US-Regierung hat ihren aggressiven Ton gegenüber den Machthabern in Teheran dennoch nicht aufgegeben – und auch diesmal gilt es angeblich, die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern. US-Vizepräsident Richard Cheney drohte dem Iran sogar mit einem Atomschlag, sollte sich erneut ein Terroranschlag in den USA ereignen, selbst wenn Teheran daran unbeteiligt wäre. Für die Neocons ist der Iran ein mächtiger Staat, dessen regionale Rolle durch den Sturz Saddams weiter gestärkt wurde. Also gilt er als vorrangiges Ziel, noch weit vor der Hamas und der Hisbollah. Dazu kommt der erhebliche iranische Einfluss im Irak, der die Befürchtung nährt, es könnte eine grenzüberschreitende schiitische Einflusssphäre entstehen. Zudem ist der Iran eine bedeutende militärische Macht, der man das Streben nach Atomwaffen unterstellt.
Washington sieht also Gründe genug, die Vernichtung des iranischen Regimes zu betreiben. Für die Neocons wäre ein Militärschlag im Übrigen eine logische Fortsetzung ihrer Strategie der „schöpferischen Zerstörung“7 . Allerdings würde ein solcher Angriff, womöglich von israelischen und US-amerikanischen Streitkräften gemeinsam geführt, den Nahen Osten ins Chaos stürzen und eine endlose Gewaltspirale in Gang setzen.
Aber es gibt auch andere Entwicklungen in der Region. Der Rückzug Syriens aus dem Libanon ist nicht nur ein Zeichen von Schwäche, sondern könnte eine Neubesinnung bedeuten. Mit ungewissen Folgen: Demokratische Reformen wären ebenso denkbar wie die Vorbereitung auf innere Aufstände von Kurden oder Sunniten oder ein härterer Widerstand gegen die Drohungen aus Washington. Auch die Zukunft des Libanon ist offen. Nach der Befreiung vom syrischen Besatzungsregime scheint eine demokratische Übereinkunft der 17 Konfessionen des Landes – vor allem zwischen Maroniten und Schiiten – möglich, solange sich nicht erneut fremde Mächte einmischen.
In Ägypten bleibt unklar, ob wir das Ende einer demokratischen Öffnung oder ihren Neubeginn erleben werden. In Saudi-Arabien haben die strenggläubigen Wahhabiten bei den sehr eingeschränkten Kommunalwahlen den Sieg errungen. Die Kräfte der Zivilgesellschaft haben in allen arabischen Staaten Mut gefasst und werden sich nicht mehr so leicht einschüchtern lassen. Vor diesem Hintergrund muss man die vorsichtigen Reformschritte von gemäßigten Ländern wie Marokko, Bahrain oder Jordanien bewerten.
Doch eine wahrhafte Reform – ein Prozess, der autochthon begründete Fortschritte einleitet und den Bedürfnissen und Hoffnungen unserer Völker entspricht – kann natürlich nicht nur aus zaghaften Ansätzen zur Demokratisierung, Wahlen unter Aufsicht und einigen Zugeständnissen bei den Grundrechten bestehen. Es wird vor allem darum gehen, auf der Landkarte der Bürgerrechte jenes „schwarze Loch“ der arabischen Staaten zu beseitigen, von dem im UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) in seinem Report über die menschliche Entwicklung in der arabischen Welt (2004) die Rede ist.8 Dieser Bericht nennt die Konzentration der Macht in den Reihen einer Exekutive – sei es eine Monarchie, ein Militärregime, eine Diktatur oder ein Präsident, der sich ohne Gegenkandidaten wählen ließ – „eine Art von schwarzem Loch im Zentrum des politischen Lebens“, das dessen „gesellschaftlichen Rahmen so eng zieht, dass sich nichts mehr bewegt“. Um diesen Zustand zu überwinden, sind weitgehende politische und rechtliche Reformen dringend geboten.
Dieser UNDP-Bericht ist eine bemerkenswerte Stellungnahme – er zieht aus seinen historischen und theoretischen Analysen des Freiheitsbegriffs in der arabisch-islamischen Welt das kritische Fazit, dass „jede Form von Verletzung der Menschenwürde, ob Hunger, Krankheit, Unwissenheit, Armut oder Furcht“, abzulehnen sei. Er kritisiert das „allgemeine Klima der Unterdrückung“ und plädiert für einen „Wandel in den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Strukturen“. Damit würde den fortschrittlichen sozialen und politischen Kräften die Möglichkeit verschafft, sich „gegen die geschwächten autoritären und totalitären Regime durchzusetzen“.
Alle Aufgaben zu bewältigen, die in unseren Ländern anstehen, scheint so gut wie unmöglich. Gibt es überhaupt noch Hoffnung, das Inferno, das die beiden feindlichen Lager in unbewusster Übereinstimmung auszulösen drohen, zu verhindern? Beide glauben an die „schöpferische Zerstörung“,9 beide sehen im Anderen die Inkarnation des „Bösen“, mit dem man nicht politisch streitet, sondern das nur ausgelöscht werden kann.
Dennoch bleibt es unsere Pflicht, dieser Entwicklung entgegenzutreten. Zumindest müssen wir Menschen gewinnen, die sich mit dieser drohenden Apokalypse nicht abfinden und für eine bessere, freiere Welt eintreten.