14.10.2005

Die arabischen Israelis und ihre minderen Rechte

zurück

Die arabischen Israelis und ihre minderen Rechte

von Joseph Algazy

Im August haben die internationalen Medien anlässlich des Rückzugs aus Gaza und der Räumung von Siedlungen im Westjordanland das behutsame Vorgehen der israelischen Armee und Polizei hervorgehoben. Anders vor fünf Jahren, als es nach Ariel Scharons Besuch des Tempelberges am 28. September 2000 vielerorts zu brutalen Übergriffen der Polizei gegen protestierende arabische Israelis gekommen war. Damals war die Staatsgewalt nicht gerade zimperlich. Ihr Vorgehen trug dazu bei, die so genannte zweite Intifada auszulösen.

In der Nacht zum Jom-Kippur-Fest am 8. Oktober 2000 töteten Kommandoeinheiten der Polizei und Scharfschützen in Nazareth innerhalb weniger Tage dreizehn Araber (zwölf von ihnen israelische Bürger, einer aus den besetzten Gebieten); außerdem gab es dutzende Verletzte. Der damalige Regierungschef Ehud Barak, Polizeiminister Schlomo Ben-Ami und Innenminister Haim Ramon – alle drei Führungskräfte der regierenden Arbeitspartei und zum Lager der „Tauben“ gerechnet – gaben als Grund für den Einsatz damals unisono an, sie hätten gegen die Blockade einer Hauptstraße einschreiten müssen.1 Drei Jahre später, am 1. September 2003, legte eine Untersuchungskommission der Regierung unter Vorsitz von Theodore Or, Richter am Obersten Gerichtshof, einen 831 Seiten langen Bericht zu den Vorfällen vor. Darin wurde zwar im Grundsatz bejaht, dass der Staat das Recht habe, notfalls mit Gewalt die wichtigsten Straßen des Landes zu sichern; allerdings stellte der Report auch fest, der allgemeine Schießbefehl und erst recht der Einsatz von Scharfschützen seien unangemessene Maßnahmen zur Auflösung protestierender Menschenmengen. Die Polizei wurde aufgefordert, ihre Verschleierungstaktik aufzugeben und ihre Truppen dazu anzuhalten, die arabischen Bürger nicht länger als Feinde zu behandeln. Ferner forderte die Kommission von der Regierung neue Anstrengungen, den Lebensstandard der Araber zu erhöhen.

Doch die „Or-Kommission“ enthielt sich jeglicher Kritik an den Entscheidungen des Ministerpräsidenten oder des Polizeiministers, was sowohl bei den Vertretern der arabischen Bevölkerung als auch bei den Vertretern der demokratischen jüdischen Organisationen auf heftige Kritik stieß.2 Überdies wurde der Report nicht einmal auf Arabisch veröffentlicht, obwohl es in Israel die zweite Amtssprache ist.

Um den Empfehlungen der Kommission formal Genüge zu tun, schuf die Regierung Scharon am 14. September 2003 einen Ausschuss auf Ministerebene; den Vorsitz hatte der damalige Justizminister Josef Lapid. Da diesem Gremium jedoch pikanterweise einige Minister angehörten, die für den „Transfer“ – also die Vertreibung der Palästinenser – eintraten, verweigerten die Vertreter der arabischen Bevölkerung die Zusammenarbeit. Der Lapid-Ausschuss empfahl die Errichtung einer „Behörde zur Förderung der nichtjüdischen Minderheiten“ und regte außerdem an, „Jugendliche aus den arabischen Schichten, die nicht zum Militär eingezogen werden, künftig in einen staatlichen Zivildienst einzuberufen“.3 Die israelischen Araber zeigten sich empört über diese Vorschläge. Aber auch Richter Theodore Or warf der Regierung mehrfach vor, den Empfehlungen seiner Kommission zur Bekämpfung der Diskriminierungen nicht nachgekommen zu sein.4

Umstritten war vor allem der Vorschlag der Or-Komission, für junge Araber einen Zivildienst einzuführen. Man muss hierzu wissen, dass Israel seit seiner Staatsgründung 1948 seine arabischen Staatsbürger von der Wehrpflicht ausschließt, weil man ihre Loyalität anzweifelt. Damit werden sie gleichzeitig von diversen staatlichen Leistungen ausgeschlossen, für die der Militärdienst Voraussetzung ist. Doch auch den nichtjüdischen jungen Männern und Frauen, die den Wehrdienst absolvieren – etwa Drusen oder Tscherkessen – oder die sich freiwillig melden können – wie Beduinen und Araber christlicher Konfession –, werden diese Leistungen vorenthalten. Daran werde, so die arabischen Vertreter, auch ein allgemeiner Zivildienst nichts ändern. Sie schlagen stattdessen einen Zivildienst auf lokaler und kommunaler Ebene vor, doch sie betonen gleichzeitig, dass die Gleichheit der Bürger an keine Bedingung geknüpft sein dürfe.

Kontrovers ist nicht nur die Wehrpflicht, sondern auch die Frage der nationalen Zugehörigkeit. Die Staatsführung verlangt von den arabischen Israelis die uneingeschränkte „Treue“ zum israelischen Staat, der sich jedoch als „jüdischer Staat“, „jüdisch-zionistischer Staat“ oder – im Grundgesetz von 1980 – als „demokratischer jüdischer Staat“ definiert. All diese Bezeichnungen übersehen die Tatsache, dass es eine große arabische Minderheit im Lande gibt (fast 20 Prozent der Bevölkerung). Sie werden gemeinhin unter dem Begriff „nichtjüdische Minderheiten“ subsumiert. Die Vertreter der Araber in Israel fordern, dass Israel sich als „Staat für alle Bürger“ oder gar „für alle seine Völker“ verstehen müsse, doch solche Vorstellungen sind für die Regierenden unannehmbar.

Nach den jüngsten Umfragen würden sich 63,1 Prozent der Befragten aus dieser Bevölkerungsgruppe als „palästinensische Araber in Israel“ bezeichnen. Eine noch größere Mehrheit würde die Bildung eines unabhängigen Palästinenserstaates und die Umwandlung Israels in ein binationales Staatsgebilde befürworten – in der Hoffnung, endlich den jüdischen Bürgern gleichgestellt zu werden. Zugleich gibt es Vorbehalte: In der Gruppe der 25-Jährigen war die zweite Intifada ein Bruch: Seither verstehen viele sich nicht mehr als „israelische Palästinenser“.

Die junge Journalistin Mona Abu Bakr will „den zionistischen Staat“ nicht anerkennen, weil er, wie sie sagt, „sich hartnäckig weigert, die Existenz arabischer palästinensischer Menschen in diesem Land anzuerkennen. […] Zu meiner Identität gehört es, dass ich morgens aufwache, das Radio einschalte und auf der Stimme Israels Nachrichten höre; dass ich durch die Straßen laufe und um mich herum Menschen in mehreren Sprachen reden höre; dass ich auf dem Weg zur Arbeit im Zug zwischen bewaffneten Soldaten sitze, so als ob nichts wäre; dass ich mir Hasstiraden gegen meine Landsleute anhören muss und dass ich mich, im Vergleich zu einem jüdischen Mitbewerber, doppelt anstrengen muss, um einen Studienplatz zu bekommen. […] Das heißt nicht, dass ich, wenn es eines Tages einen Palästinenserstaat gibt, dort auch leben möchte, aber der Gedanke an Palästina ist in unseren Köpfen sehr präsent, egal, wo wir leben.“5

Umstritten ist auch die Forderung der Araber nach „kultureller Autonomie“. Die Mehrheit der jüdischen Bürger fürchtet, ebenso wie die Staatsführung, eine solche kulturelle Autonomie könne dem Anspruch auf „politische Autonomie“ und separatistischen Bestrebungen Nahrung geben. Für den jüdischen Soziologen Sami Samuha, Professor an der Universität Haifa, der seit vielen Jahren die Meinungen der jüdischen und arabischen Bevölkerung erforscht, überwiegen allerdings die „Vorteile einer kulturellen Autonomie der Araber bei weitem die Nachteile“. Seiner Meinung nach ist die kulturelle Autonomie „ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur multikulturellen Gesellschaft – und Letztere ist nur sinnvoll, wenn auch jene Minderheiten, die nicht zur Assimilierung bereit sind, Autonomie gewährt bekommen. Wenn die multikulturelle Gesellschaft auch den Arabern ausreichende Finanzmittel zu Verfügung stellt, wird das die Araber stärken, ihr Bild in der Öffentlichkeit verbessern, ihre Kultur und ihre nationalen Symbole aufwerten, und es ihnen ermöglichen, ihre Kultur, Geschichte und Literatur zu erforschen.“6

Schafiq Masalhah, Professor für Psychologie an der Universität Tel Aviv, ist beunruhigt, dass die arabischen Bürger – vor allem im Bildungssektor, wo der arabischen Jugend die eigene Kultur vorenthalten wird – zunehmend enttäuscht und verzweifelt sind. „Wenn in einer Gesellschaft mehrere Kulturen nebeneinander bestehen, ist das eigentlich kein Fluch, sondern ein Segen“, stellt er fest. Doch mit Blick auf seine arabischen Mitbürger gibt er zu bedenken: „Die Autonomie einer von mehreren Kulturen in einer Gesellschaft kann in der Isolation enden. Eine solche Abkehr […] wird dann aber zwangsläufig die chauvinistischen Reaktionen auf diese Kultur bestärken.“

Die Ereignisse vom Oktober 2000 haben jedenfalls bei den arabischen Bürgern das Vertrauen in den israelischen Staat und in die israelischen Medien nachhaltig erschüttert: Nach einer Umfrage des arabischen Informationszentrums Elam vertraut eine Mehrheit der Araber in Israel eher den Meldungen arabischer als israelischer Medien. 64,4 Prozent halten die Nachrichten des Fernsehsenders al-Dschasira für glaubwürdig, nur 4,3 Prozent glauben dem Zweiten Programm des israelischen Fernsehens. Und 56,9 Prozent würden spontan eher den Bericht eines arabischen Journalisten für wahr halten als den eines jüdischen (5,5 Prozent). Amal Jammal von der Universität Tel Aviv, der diese Umfrage betreut hat, erklärt die Ergebnisse so: „Die arabische Öffentlichkeit in Israel hört arabische Sender, um ihr nationales Zugehörigkeitsgefühl zu stärken; wenn sie sich aber über aktuelle Ereignisse informieren will, sieht sie den israelischen Sender.“

Das Gefühl der Araber, fehl am Platze zu sein, ist nicht verwunderlich: Seit der Staatsgründung werden sie in allen Bereichen der Gesellschaft benachteiligt. Besonders schlimm ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt: In den arabischen Städten und Dörfern ist die Arbeitslosigkeit vor allem der Jüngeren extrem hoch. Die offiziellen Zahlen von 13,3 Prozent Arbeitslosen bei erwerbsfähigen arabischen Israelis und 10,4 Prozent unter den jüdischen Bürgern beziehen sich nur auf die gemeldeten Arbeitsuchenden. Die Arbeitsämter verlangen, dass die Arbeitsuchenden jede Stelle annehmen, die ihnen geboten wird. Wer ablehnt, verliert die Unterstützung und erscheint nicht mehr in der Statistik. Wie in vielen westlichen Ländern ist auch in Israel die Sozialhilfe gekürzt worden, um die Leistungsempfänger“ wieder in den „produktiven“ Sektor zurückzuführen. Igal Ben-Schalom, Direktor der israelischen Sozialversicherung, hat kürzlich erklärt, dass diese Politik „keineswegs zu weniger Ausgaben und mehr Arbeitsplätzen“, sondern nur zu „weniger Ausgaben und mehr Elend“7 führen wird. Tatsächlich ist die Erwerbsquote unter den als arm Erfassten zwar von 33,5 (1990) auf 43,1 Prozent (2003) gestiegen – zugleich stieg aber auch die Zahl der Erwerbstätigen, die unter der Armutsgrenze leben, von 13,6 (1990) auf 20,3 Prozent (2003).8

Der Wisconsin-Plan und seine Folgen

Das israelische „Workfare“-Konzept heißt „Wisconsin-Plan“ – nach dem US-Bundesstaat, in dem finanzielle Beihilfen erstmals an Beschäftigungs- und Fortbildungsprogramme gekoppelt wurden. Seit August 2004 dienen 4 500 Arbeitslose aus der (mehrheitlich arabischen) Stadt Nazareth und dem benachbarten (jüdischen) Ilit als Versuchspersonen bei der Erprobung des Konzepts, unter Leitung einer israelischen und einer niederländischen Firma. Die Organisation Saut al-Amal (Stimme der Arbeit) empört sich, dieses Experiment sei „keine Kriegserklärung an die Arbeitslosigkeit, sondern an die Arbeitslosen: Es hat zum Ziel, ihnen die Unterstützungsleistungen zu streichen.“

Auch in den Städten mit arabischer und jüdischer Bevölkerung ist die Diskriminierung spürbar. Lod zum Beispiel zählt 21 000 arabische Einwohner (die vorwiegend im Norden und Westen der Stadt leben) und hat 53 000 jüdische Bürger (die im Süden und Osten wohnen). Bei einer Fahrt durch die Stadt springen die Unterschiede zwischen den Wohnvierteln ins Auge. Nach Auskunft von Butaina Dabit, einer palästinensischen Aktivistin, leben 60 Prozent der 2 930 arabischen Familien in Lod in völlig heruntergekommenen Häusern. Es fehlen 1 600 neue Wohnungen, aber die Behörden ordnen dem Abriss von Gebäuden an, die ohne Baugenehmigung errichtet wurden. Nicht besser ergeht es den 8 000 arabischen Bewohnern der historisch bedeutenden Altstadt von Akko. Tausende von Touristen bestaunen die architektonischen Kostbarkeiten – von der Trostlosigkeit hinter den schönen Fassaden erfahren sie nichts. „Die Mehrzahl der Häuser ist über 200 Jahre alt und in sehr schlechtem Zustand“, sagt Ahmed Uda, Mitglied des Gemeinderats von Akko, „Sie drohen einzustürzen, einige mussten bereits geräumt und abgesperrt werden. Aber die meisten Familien sind sehr arm, oft teilen sich sechs oder sieben Menschen ein Zimmer. Vernachlässigung und Verelendung haben die Altstadt zu einem Zentrum des Drogenhandels, der Prostitution und der Kriminalität gemacht.“

Die wahrhaft Ausgestoßenen und Vergessenen des Landes aber findet man ganz im Süden Israels, in der Negev-Wüste. Vor der Staatsgründung lebten hier etwa 60 000 Beduinen – nur 11 000 entgingen der Vertreibung von 1948. Heute leben wieder 140 000 bis 165 000 Beduinen in Israel, 60 Prozent sind jünger als 17 Jahre. Zu dieser Bevölkerungsentwicklung trägt auch die Polygamie bei: Jeder fünfte Beduine hat zwei Ehefrauen.

Der israelische Staat hat – nicht selten unter Anwendung von Gewalt – zwei Drittel der Negev-Beduinen in sieben Wohngebieten angesiedelt, die an Indianerreservate erinnern. Das übrige Drittel lebt in kleinen Dörfern:9 Diese 45 „nichtoffiziellen“ Ortschaften sind auf keiner Karte verzeichnet und nur in den seltensten Fällen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen. Die Beduinen dürfen offiziell keine Häuser bauen, selbst die armseligste Hütte kann jederzeit vom Militär abgerissen werden. Außerdem haben die Beduinen kein Recht auf Grundeigentum. Deshalb hat der Staat wiederholt Anbauflächen von Beduinen zerstört – unter anderem durch Pflanzenvernichtungsmittel, die von Flugzeugen versprüht wurden. In puncto Arbeitslosigkeit stehen die Beduinensiedlungen ganz oben in der Statistik, in puncto Lebensstandard ganz unten. In der Beduinensiedlung Arara liegt das monatliche Pro-Kopf-Mindesteinkommen umgerechnet bei knapp 135 Euro.

Israels Rückzug aus dem Gaza-Streifen hat innerhalb der arabischen Bevölkerung neue Befürchtungen geweckt, denn es gab Gerüchte, ein Teil der Siedler solle nach Galiläa und in den Negev umgesiedelt werden. Im April 2005 hielt die Jewish Agency gemeinsam mit dem israelischen Staat eine Konferenz unter dem Titel „Entwicklung Galiläas und des israelischen Nordens“ ab. Von der arabischen Bevölkerung war nur ein einziger Vertreter eingeladen. Für Hana Swaid, den ehemaligen Bürgermeister der arabischen Ortschaft Eilabun, ist dies eindeutig ein Versuch, das alte Projekt einer „Judaisierung“ Galiläas voranzutreiben: Auch wenn die Araber in dieser Region nur 12 Prozent des Bodens besitzen, stellen sie immer noch 51 Prozent der Bevölkerung.

Auch zivilrechtlich sind die Araber diskriminiert.10 Ende Juli beschloss das israelische Parlament mit großer Mehrheit, der Familienzusammenführung von Palästinensern in Israel und den besetzten Gebieten sehr enge Grenzen zu setzen. Demnach dürfen nur Männer über 35 Jahre und Frauen über 25 Jahren beim israelischen Innenministerium die israelische Staatsbürgerschaft beantragen.11

Die Regelung gilt auch für Eheleute: Seit März 2003 haben die Behörden auch Zuzugsanträge derjenigen Antragsteller nicht weiterbearbeitet, die bereits mit einem israelischen Staatsbürger verheiratet sind.12 Menschenrechtsorganisationen haben das Gesetz scharf kritisiert, auch weil seine Durchsetzung von einer beispiellosen antiarabischen Medienkampagne begleitet war. Glaubt man den Aussagen von Regierungsvertretern oder Zeitungskommentatoren, dann gefährdet die Heirat zwischen einem arabischen Israeli und einer Palästinenserin aus den besetzten Gebieten langfristig die Demografie des jüdischen Staates und damit dessen Sicherheit. Ähnlich haben sich auch Vertreter der Arbeitspartei geäußert, etwa Innenminister Ophir Pines.

Der Terroranschlag vom 4. August in Schfar’am kam keineswegs unerwartet. Der israelische Soldat, der das Feuer auf einen Bus eröffnete und vier Menschen erschoss, war ein Anhänger der verbotenen rassistischen Kach-Partei. Elias Jabur, ehemaliges Mitglied im Gemeinderat von Schfar’am – einer Stadt in Galiläa, in der Araber verschiedener Konfessionen (Muslime, Christen und Drusen) zusammenleben –, wehrt sich entschieden dagegen, den Täter einfach als einen „Verrückten“ einzustufen. „Hoffentlich wird die ganze Sache nicht fallen gelassen, unter dem Vorwand, dass der Mörder geistesgestört gewesen sei. Das wäre in unseren Augen der Versuch, ein abscheuliches Verbrechen herunterzuspielen und alles zu vertuschen. […] Ich glaube, dass die Morde in Schfar’am ein Ausdruck des ganz alltäglichen Rassismus sind. Der Täter ist ein Armeeangehöriger, und man weiß, dass die Truppen in den besetzten Gebieten üble Unterdrückungsmaßnahmen durchführen. Erst wenn damit Schluss ist, wird es solche Verbrechen nicht mehr geben.“ Wie der Journalist Rafik Halabi schreibt, hat der vierfache Mord „nicht allein die Ruhe in der Stadt zerstört, sondern auch tausende von Demonstranten auf die Straße gerufen und die Beziehungen zwischen Gaza. und Galiläa wieder enger geknüpft“.

Fußnoten: 1 Siehe Joseph Algazy, „Mein Staat tötet mein Volk“, Le Monde diplomatique, November 2000. 2 Siehe die Stellungnahme des Zentrums für die Verteidigung der Menschenrechte der arabischen Minderheit (Adalah) vom 4. September 2003. 3 Presseerklärung des Justizministeriums vom 2. Juni 2004. 4 Siehe vor allem Ha’aretz (Tel Aviv), Ausgaben vom 2. September 2004 und vom 22. Juni 2005. 5 Siehe die Ausgabe der in Jerusalem erscheinenden Zeitschrift Du-et (hebräisch; arabisch: Lahn musdauag), eines zweisprachigen Periodikums des „Diskussionskreises jüdischer und arabischer Bürger Israels“, vom Juli 2005. Auch die beiden nachfolgenden Zitate stammen aus diesem Heft. 6 Ha’aretz, 3. März 2005. 7 Ha’aretz, 9. August 2005. Siehe dazu auch Anne Daguerre, „Emplois forcés pour les bénéficiaires de l’aide sociale“, Le Monde diplomatique, Juni 2005. 8 The Marker (Wirtschaftsbeilage der Ha’aretz), 6. Juli 2005. 9 Itsik Saporta, „Agglomérations dans le Néguev, quelques comparaisons“, www.haokets.org, 8. Februar 2004. 10 Siehe Meron Rapoport, „Les libertés menacées des citoyens d’Israel“, Le Monde diplomatique, Februar 2004. 11 Yedioth Ahronot (Tel Aviv), 28. Juli 2005. 12 Ha’aretz, 27. Juli 2005. Aus dem Französischen von Edgar Peinelt Joseph Algazy ist Journalist in Tel Aviv.

Le Monde diplomatique vom 14.10.2005, von Joseph Algazy