07.07.2016

Ein kurdischer Gesellschaftsvertrag

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Ein kurdischer Gesellschaftsvertrag

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Im Januar 2014 verkündete die Demokratische Partei Kurdistans (PYD) in Nordsyrien die Autonomie der drei unter ihrer Kontrolle stehenden Bezirke Dschasira, Kobani und Afrin. Die Übergangsverfassung von Nordsyrien – Rojava etablierte ein System direkter Demokratie, das der PKK-Führer Abdullah Öcalan im Gefängnis entwickelt hat.

Inspiriert von den Schriften des ökoanarchistischen Theoretikers Murray Bookchin (1921–2006),1 bezeichnete Öcalan seine alternative Ordnung als „demokratischen Konföderalismus“. In einer programmatischen Schrift hatte er sich bereits 2005 vom Prinzip des Nationalstaats verabschiedet, das er als ernsthaftes Hindernis für die Entwicklung einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft betrachtet.

Im föderal organisierten Rojava bestimmen demokratisch gewählte Gemeinschaftskomitees über die Verteilung von Ressourcen im Bildungswesen und in der Landwirtschaft sowie über Fragen der Sicherheit. Auch die Entscheidungen über die Verwendung der fossilen Rohstoffe werden auf kommunaler Ebene getroffen – Rojava hat reiche Ölvorkommen, die es wegen des Embargos aber nicht exportieren kann.

Im türkischen Nordkurdistan haben sich die Vertreter aus Städten, Kommunen und Landkreisen 2006 im Kongress der Demokratischen Gesellschaft (DTK) zusammengeschlossen. 60 Prozent der mehreren hundert Mitglieder werden aus der Mitte der Gesellschaft in einer öffentlichen Volksversammlung gewählt; die restlichen 40 Prozent sind bereits gewählte Delegierte wie Bürgermeister und Abgeordnete.2 Im DTK sind auch Armenier, Aramäer, Je­siden, Aleviten und Turkmenen vertreten. 2011 forderte der DTK die Autonomie über Justiz, Verteidigung, Kultur, Wirtschaft sowie Umwelt- und Außenpolitik. Die Reaktion des türkischen Zentralstaats war vorauszusehen: Der DTK wurde verboten.

Le Monde diplomatique vom 07.07.2016