10.08.2007

Frau Dr. Seltsam aus Prag

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Frau Dr. Seltsam aus Prag

von Steve Wright

Die neuen Waffen für einen pharmakologischen Krieg haben einen düsteren Paten. Dr. Wouter Basson arbeitete während des Apartheidregimes in Südafrika an chemischen und biologischen Waffen, die für außergerichtliche Hinrichtungen gedacht waren. Letztlich ging es darum, Waffen für „ethnische Säuberungen“ zu entwickeln. Viele Regierungen sind fasziniert von der Idee „nichtletaler“ Waffen, die den Gegner in einen kurzzeitigen Schockzustand versetzen können.

Diese Techniken sind derzeit auf dem Vormarsch – trotz der Warnungen, dass ihr Einsatz zu mehr Todesfällen durch konventionelle Waffen führen könnte, weil diese Personen im Schockzustand stärker gefährden können.1 Die Nato Research and Technology Organisation verweist auf Vorschläge der deutschen Bundeswehr, ihre Einheiten im Kosovo mit „angemessenen nichtletalen Waffen“ auszurüsten, nachdem es 2000 bei der Besetzung der deutschen Botschaft in Tirana und bei einem Aufruhr in Mitrovica zu „kritischen Situationen“ gekommen war. In Tschechien forscht man über Drogen, die „anästhesierend und schmerzdämpfend wirken oder auch psychologische Zustände (von Zielpersonen) lindern sollen, etwa Panik in größeren Menschenmengen“.2

Dr. Jitka Schreiberová, Chefanästhesistin der Neurochirurgie an der Karls-Universität in Prag, hat ihre Forschungen seit 2005 bei mehreren Symposien vorgestellt. In ihrem Labor wird an der Kombination einer breiten Palette von Anästhesiewirkstoffen mit ultraschnellen Gegenmitteln geforscht. In ihrer Präsentation war zu sehen, wie diese Drogen mittels Luftpistolen verschossen wurden, auf dem nächsten Bild sah man die lächelnden Gesichter von getroffenen Kindern, die erfolgreich wiederbelebt wurden.

Befugnisse von medizinischem Personal auf Ordnungskräfte (Polizisten etwa) zu übertragen, die gegen Menschen auf der Straße vorgehen, ist für Dr. Schreiberová kein ethisches Problem – wie ihre verblüffte Reaktion auf eine diesbezügliche Frage zeigte.

Im Mai 2007 stellte sie die Ergebnisse ihrer diesmal an Makaken (Halbaffen) durchgeführten Versuche vor. Sie hatte eine Verbindung von Medetomidin und Ketamin eingesetzt, mit denen Tierärzte üblicherweise die Aggressivität von Tieren reduzieren. Ihre stolze Bilanz lautete: „Man kann damit aggressive Personen während einer medizinischen Behandlung oder auch bei einem terroristischen Angriff beruhigen, solange wir noch nicht über neuartige, nichttödliche pharmakologische Waffen verfügen.“3

Fußnoten:

1 Robin M. Coupland, David R. Meddings, „Mortality associated with use of weapons in armed conflict, wartime atrocities, and civilian mass shootings“, in: British Medical Journal, 319, London 1999, S. 407–410. 2 Nato Research and Technology Organisation, „The Human Effects of Non-Lethal Technologies“, August 2006, www.rta.nato.int/Pubs/RDP.asp?RDP=RTO-TR-HFM-073. 3 Über diese Tagung berichten Olaf Arndt und Ronald Düker, „Eine andere Gewalt ist möglich“, 6. 6. 2007, www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25448/1.html

Le Monde diplomatique vom 10.08.2007, von Steve Wright