Griechenland – Reise durch ein ersticktes Land
Europas Sparauflagen und die Folgen von Gatien Elie, Allan Popelard und Paul Vannier
Griechenland ist ein zerrissenes geografisches Gebilde. Von der Ägäis bis zum Ionischen Meer, vom Pindos-Gebirge im Nordwesten bis zu den Rhodopen im Nordosten, von den wenigen Ebenen zu den vielen Steilküsten und der weit gestreuten Inselwelt sind Griechenlands Landschaften derart vielfältig, dass ihre Gestaltung und Kultivierung für die Menschen eine ständige Herausforderung war. In den ersten zwanzig Jahren nach dem EU-Beitritt stand die verkehrsmäßige Erschließung und Anbindung dieses schwierigen Terrains ganz oben auf der europäischen Agenda. Davon zeugen noch die unzähligen blauen Hinweistafeln, die wie überall in der EU-Peripherie die Subventionierung von Straßen- und anderen Infrastrukturprojekten anzeigen.
Doch in Zeiten des Sparzwangs wird die kleinformatige Geografie immer mehr zu einem Hindernis. Die staatliche Eisenbahngesellschaft OSE soll privatisiert werden, die Subventionen für die Schiffsverbindungen zu kleineren Inseln wurden bereits gekürzt.1 Die Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel sind seit 2009 erheblich gestiegen, desgleichen die Benzinpreise.2 Dagegen sind die Masseneinkommen drastisch gesunken. Das wird die geografisch bedingten Ungleichheiten noch weiter verschärfen.
Östlich von Patras spannt sich die Charilaos-Trikoupis-Brücke über den Eingang zum Golf von Korinth. Darunter kreuzen die kleinen Fährschiffe zwischen Rio und Antirrio. Die Fahrgäste starren nach oben, wo in luftiger Höhe kaum Autos zu sehen sind (nur wenige können sich die 29 Euro Brückenmaut hin und zurück leisten). Vier massige Pfeiler tragen die fächerförmig aufgespreizten Halteseile, an denen die zweitlängste Straßenbrücke Europas aufgehängt ist, die den Peloponnes mit dem Nordwesten des Landes verbindet. Sie wurde vom Staat mithilfe eines Kredits der Europäischen Investitionsbank finanziert und wird von einer Tochter des französischen Autobahnbetreibers Vinci bewirtschaftet, der eine Konzession über 42 Jahre besitzt.
Der Hellenic Republic Asset Development Fund (HRADV), der die staatlichen Vermögenswerte privatisieren soll, treibt den stückweisen Ausverkauf des Landes voran. Die Wasserwerke von Athen und Thessaloniki, Teile des Stromversorgers DEI, Autobahnen, Häfen und Provinzflughäfen sollen meistbietend veräußert werden.
Das gilt auch für das Gelände des ehemaligen Athener Flughafens Ellinikon, auf dem für die Olympischen Spiele von 2004 mehrere Sportstätten errichtet wurden. Ursprünglich war auf dem Großteil des Geländes ein öffentlicher Park geplant, doch die Krise ebnete den Königsweg zum Ausverkauf. Seitdem „hat sich viel verändert“, meint Fereniki Vatavali vom städtischen Bauamt. Die großenteils vom Steuerzahler finanzierten Sportanlagen3 sollen jetzt abgerissen werden, um potenzielle Investoren anzulocken.
Im ganzen Land gibt es solche Großprojekte, für die eine touristisch-kommerzielle Nutzung angestrebt wird. Während sich die Investitionen auf solche autonomen Enklaven konzentrieren, wird der Rest des Landes vernachlässigt. Die Regierung will einerseits Freihandelszonen einrichten4 und andererseits – ohne Rücksicht auf die Umwelt – neue Bodenschätze erschließen und nach Erdölvorkommen suchen. Der Wirtschaftswissenschaftler Jannis Efstathopoulos bezeichnet diese Politik als „Wirtschaftswachstum durch Entwertung“, und zwar mittels „Sozial-, Steuer- und Umweltdumping“.
In einigen Vierteln im Athener Zentrum hat bereits jeder dritte Ladenbesitzer wegen der eingebrochenen Inlandsnachfrage aufgegeben. Hinter weiß übertünchten Schaufenstern verstaubt das Interieur von Möbelgeschäften und Friseursalons. Die Häuserwände sind gepflastert mit roten und gelben Zetteln, auf denen tausende leerstehende Wohnungen zur Miete oder zum Verkauf angeboten werden. Die brutalen Gehaltskürzungen – das reale Durchschnittseinkommen ist zwischen 2010 und Ende 2012 um 45 Prozent gesunken – und der Anstieg der Arbeitslosenrate – von 8,8 Prozent im Januar 2009 auf 26,8 Prozent im Oktober 2012 – zwingen viele Familien, in ihren Wohnungen zusammenzurücken.
Stadtentwicklung ohne Wohnungsbaupolitik
Doch noch sieht es in Athen nicht so aus wie in den Geisterstädten rund um Madrid. Der urbane Raum verkümmert langsamer und auf weniger spektakuläre Weise. Die weitgehend ungeplante Stadtentwicklung hat wildere bauliche Strukturen hervorgebracht, die dem Zusammenbruch des Systems besser widerstehen können. In Griechenland sind die Banken und Bauunternehmen nicht groß in den Städtebau eingestiegen, aber es gab auch keine Wohnungspolitik, die eines Sozialstaats würdig gewesen wäre. Zwischen der Metaxas-Diktatur (1936–1941) und dem Obristenregime (1967–1974) herrschte in Griechenland eine stramm rechte Regierung unter Konstantin Karamanlis (1955–1963). Die Arbeiterbewegung war schon deshalb nicht in der Lage, soziale Wohnungsbauprogramme durchzusetzen, weil sie nach der Niederlage der Kommunisten im Bürgerkrieg (1946–1949) lange Zeit unterdrückt wurde.
Deshalb hat sich Athen baulich „durch viele Einzelinitiativen von unten entwickelt“, erläutert Thomas Maloutas, Professor für Sozialgeografie an der Charokopio-Universität. Das Modell sah so aus, dass sich ein Grundstückseigentümer mit einem Bauunternehmer zusammentat, der das nötige Kapital für den Bau eines vier- bis sechsstöckigen Mietshauses stellte, indem er die Wohnungen vorab verkaufte. Der Grundstückseigentümer wurde in der Regel durch ein, zwei Wohnungen entschädigt. In den 1950er und 1960er Jahren wurde dieses kleinkapitalistische System namens antiparochi (wörtlich: „Gegenleistung“) zur „vorherrschenden Produktionsweise im Wohnungsbau“. Sämtliche Innenstadtbezirke von Athen erhielten ihr heutiges Gesicht durch dieses Antiparochi-System5 , wobei der Kauf der Einzelwohnungen eher durch Ersparnisse als durch Kredite finanziert wurde. Auf diese Weise kamen viele Griechen zu Wohneigentum6 , womit sie auch besser gegen das Versagen des Staats, die Wucherzinsen der Banken und wirtschaftlichen Unsicherheiten geschützt waren.
Doch selbst diese Form urbaner Selbstorganisation gerät durch die Austeritätspolitik offenbar ins Wanken. Die Verwaltungs- und Geschäftsviertel in der Athener Innenstadt leiden am stärksten unter dem Einbruch des Konsums und den Kürzungen bei den Staatsausgaben. Und vom Epizentrum der Hauptstadt ausgehend setzen sich die Krisenwellen in alle griechischen Regionen fort.
200 Kilometer nördlich von Athen, zwischen der Ägäis und den Ausläufern des Pindos, erstreckt sich die thessalische Ebene wie ein Riesenmosaik aus sanft gewellten Flächen mit grünen Maiskulturen, gelben Stoppeläckern und weiß getupften Baumwollfeldern. Dazu kubische Fabrikgebäude, Bewässerungsanlagen und die Zylindersilos einer typischen agroindustriellen Landschaft. Im Gegensatz zu anderen europäischen Regionen mit intensiver Landwirtschaft ist Thessalien jedoch dicht bevölkert.
Im Schatten der Platanen auf dem Dorfplatz von Evidrio erzählt Dimitris Goussios, Professor für ländliche Geografie an der Universität Volos, dass in Griechenland zu Beginn des 20. Jahrhunderts die radikalste Landreform Europas durchgeführt wurde. Der Staat verteilte den unter der osmanischen Herrschaft entstandenen Großgrundbesitz nach egalitären Prinzipien, entsprechend der Bedürfnisse der einzelnen Pächterfamilien. Die durchschnittliche Größe der Anwesen wurde damals auf 15 Hektar begrenzt, denn man wollte „die Monopole der Großgrundbesitzer zerschlagen und die Kleinbauern fördern“, erklärt Goussios. Bis heute ist die Landwirtschaft in Thessalien kleinbäuerlich organisiert, allerdings sind die Familienbetriebe flächenmäßig sehr viel größer als im griechischen Durchschnitt.7
Die Landreform war ein Schlüsselereignis im Zuge der Konsolidierung des griechischen Staates. Nach 1922 verteilte die junge Republik Ländereien in vormals türkischem Besitz an Hunderttausende griechische Familien, die aus Kleinasien geflüchtet oder umgesiedelt worden waren.8 Für den Staat war dies ein willkommenes Mittel, um seine Legitimität zu festigen; doch nach der Landverteilung ließ er diese Neubauern im Wesentlichen unbehelligt.9 Um die ländlichen Wähler zu schonen, verzichtete die Regierung sogar auf die Erhebung von Steuern.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Steuern für alle Bauern faktisch abgeschafft. Damit entzog sich aber auch die Organisation der Produktionsverhältnisse jeder rechtlichen Regelung. In einer dörflichen Welt ohne Quittungen und Rechnungen konnten verschiedene Arten informeller Arbeit überleben, erläutert Goussios, wie zum Beispiel „der Austausch von Dienstleistungen und Gütern zwischen Verwandten und Nachbarn“. Damit wurde aber auch die Ausbeutung von Landarbeitern begünstigt, die seit den 1990er Jahren vor allem albanische Immigranten waren.
Seit 2011 unterliegen auch die Bauern erstmals der Einkommenssteuer, und zwar ab einem Grundfreibetrag von 5 000 Euro. Zudem sind die Betriebe zur Buchführung verpflichtet. Seit der Einführung eines Systems von Arbeitszetteln, das im Betrugsfall auch Geldstrafen vorsieht, gibt es nun auch auf dem Lande formelle Arbeitnehmer. Damit sei allerdings auch die informelle Kooperation zerstört worden, meint Goussios. Dabei gehe es dem Staat weniger darum, zu Einnahmen zu kommen, als vielmehr den Geist wirtschaftlicher Berechnung durchzusetzen.
Die Besteuerungspolitik der Regierung ist zudem keineswegs auf Gleichbehandlung ausgelegt, denn die Reichsten der Reichen – die Reeder –, waren bislang von jeglicher Steuerlast befreit. Vorrangiges Ziel ist die Abzahlung der Staatsschuld: Die steuerlichen Einnahmen fließen direkt in den Schuldendienst, womit sie von den Gläubigern Griechenlands gleichsam privatisiert wurden.
Das Dorf Ambelia liegt an den bewaldeten Ausläufern des Pindos-Gebirges. Doula Agoritsa arbeitet als landwirtschaftliche Fachberaterin in der Gemeindeverwaltung und kann berichten, wie hart die neuen Steuern die Dorfbewohner treffen. Auch ihr Gehalt wurde seit 2009 um 40 Prozent gekürzt. „Von den 15 Leuten, die jede Woche zu mir kommen, sind 12 in großen Schwierigkeiten. Manche überleben nur dank Selbstversorgung. Aber Benzin, Strom und Wasser haben sich so verteuert, dass die zusätzliche Einkommenssteuer für sie eine Katastrophe ist.“
Viele Bauern haben inzwischen ihr Land verloren, zu groß ist die Last der neuen Einkommens- und Mehrwertsteuern (der Mehrwertsteuersatz wurde 2010 von 18 auf 23 Prozent angehoben). Und die Ersparnisse sind inzwischen auch alle aufgebraucht. Angesichts der kleinen Betriebsgrößen, der Überalterung der ländlichen Bevölkerung und der sinkenden Garantiepreise (seit die Mittel aus dem EU-Agrarhaushalt auch in die östlichen Beitrittsländer fließen) dürfte die nächste Pleitewelle auch auf dem Land die Schwächsten treffen. Dies würde das Ende der Landreform bedeuten: In den Ebenen würde eine erneute Konzentration des Landbesitzes stattfinden, und in den Bergen würden immer mehr landwirtschaftliche Flächen brachliegen.
Mit dem Beitritt zur Europäischen Union und zur Eurozone wurde das griechische Terrain schon einmal komplett umgestaltet. Gewiss haben EU-Gelder und vor allem die Agrarsubventionen die Entwicklung des Landes vorangebracht. Doch der Anschluss an den Binnenmarkt hat zugleich die Spezialisierung der einzelnen Landesteile verstärkt – aber auch die räumlichen und sozialen Unterschiede. Die europäische Arbeitsteilung ließ den Tourismus auf den Ägäischen Inseln aufblühen und hat zugleich den Niedergang der Industrie auf dem Festland beschleunigt.
Noch Anfang der 1980er Jahre zählte Patras zu den größten Industriestädten Griechenlands. Zahlreiche Fabriken, in denen Textilien, Reifen, Papier und Seife produziert wurden, wie auch Schlachthöfe und Mühlbetriebe boten Tausenden Arbeit. Heute sind die Fabriken nur noch Ruinen. „Seit den 1970er Jahren haben alle Regierungen versprochen, die Industriegebiete weiter zu entwickeln, um die Wirtschaft vor Ort zu stärken. Aber es ist nichts passiert“, erzählt Jannis Souvaliotis, Leiter des gewerkschaftlich betriebenen Arbeitsinstituts von Patras.
Weil zu wenig in die Produktionsanlagen investiert wurde, „konnte Patras’ Industrie nicht mehr mit der Konkurrenz mithalten. Sie stand plötzlich im Wettbewerb mit der viel effektiveren europäischen Industrie, damit begann der Niedergang.“ Das Ende des Kalten Krieges und die marktwirtschaftliche Wende in Osteuropa haben das Industriesterben noch beschleunigt; immer mehr Unternehmen, auch griechische, verlagerten ihre Produktion zum Beispiel nach Bulgarien.
Der große Schock kam 1993. Als die größte Textilfabrik Piraiki-Patraiki bankrottging, wurden Tausende arbeitslos.10 „Seitdem haben außer der Amstel-Brauerei und der Zementfabrik Titan alle großen Betriebe geschlossen. Und jetzt ist die Klein- und Mittelindustrie in der Krise.“11
Die Auswirkungen der Deindustrialisierung konnten noch eine Zeit lang durch den Eintritt in die Eurozone und den wachsenden, über private Verschuldung finanzierten Konsum überdeckt werden.12 Die allgemeine Euphorie, die damals herrschte, erreichte ihren Gipfel mit den Olympischen Sommerspielen von 2004. Doch dann wurde das Land in den Strudel der globalen Finanzkrise von 2008 hineingezogen: Zum einen konnten die wachsenden Staatsschulden nicht mehr bedient werden, zum anderen wurden die Schwächen einer rein auf Dienstleistung beruhenden Wirtschaft schonungslos offengelegt.
Der Austritt aus der Eurozone, der Griechenland von einigen Seiten angeraten wird, wäre allerdings keine Lösung. Die Rückkehr zu einer stark abgewerteten Drachme würde nur die Importe verteuern, ohne dem Export wirklich neuen Schwung zu verleihen, da das produzierende Gewerbe längst zusammengebrochen ist. Nach einem Jahrzehnt gemeinsamer europäischer Währung ist die Falle der Deindustrialisierung bereits zugeschnappt.
In der Hafenzone von Patras wird das besonders deutlich. Man sieht hier kaum noch griechische Arbeiter, dafür aber viele Migranten, die es auf eine Fähre nach Italien schaffen wollen. Auf der anderen Seite der Uferstraße liegt eine stillgelegte Fabrik. Auf dem Dach sitzen illegale Einwanderer, verfolgen die Polizei-Patrouillen und die manövrierenden Lastwagen und warten auf die Gunst des Augenblicks. „Manche sind schon zwei oder drei Jahre hier“, erzählt uns Vangelia Tsomaka. Die junge Rechtsanwältin arbeitet für die griechische Sektion von Ärzte ohne Grenzen, die medizinische und juristische Unterstützung für die Migranten organisiert.
Der Bus von Ärzte ohne Grenzen steht auf einem verlassenen Gelände am Meer. Von hier aus kann man tagtäglich die Konsequenzen des Dublin-II-Abkommens beobachten. Nach dieser EU-Vereinbarung wird seit 2003 jeder illegale Einwanderer, der in Griechenland zuerst europäischen Boden betreten hat und später in einem anderen EU-Staat festgenommen wurde, automatisch nach Athen zurückgeschickt.13 Patras ist damit zu einer europäischen Sackgasse geworden, erklärt die Anwältin: „Heute kommt man leichter nach Griechenland hinein als heraus!“ Mit dem martialisch befestigten Sperrzaun, der Ende 2012 an der Landgrenze zur Türkei fertiggestellt wurde, hat Griechenland seine Maßnahmen gegen die illegale Einwanderung noch einmal spektakulär verschärft (siehe nebenstehenden Beitrag von Grégory Lassalle).
In der aktuellen Rezession heizt der Zustrom der Flüchtlinge den Rassismus mancher Griechen an. In Patras hat im Mai 2012 eine bewaffnete Nachbarschaftsmiliz, unterstützt von der Neonazipartei Chrysi Avgi („Goldene Morgenröte“), Einwanderer überfallen. Ministerpräsident Lukas Papadimos hatte in seine Regierung, die er von November 2011 bis Mai 2012 führte, die Laos-Partei („Orthodoxer Volksalarm“) aufgenommen und damit die Rechtsextremen wieder hoffähig gemacht.14
In Patras werden die Rechtsextremen nur von einer Minderheit unterstützt. Die Mehrheit macht ihrer Wut auf andere Weise Luft. Patras ist die Hauptstadt der Region Achaia, die stets eine Hochburg der sozialdemokratischen Pasok war. Doch inzwischen hat hier die „Koalition der radikalen Linken“ Syriza (siehe Beitrag von Niels Kadritzke, Seite 16 f.) die Oberhand gewonnen. Seit 2010 stellt sie den Bürgermeister von Patras, und seit den Parlamentswahlen vom Juni 2012 ist sie auch die stärkste Partei in der Stadt.
Nur 35 Kilometer von Patras entfernt liegt das Bergdorf Kalentzi, wo die Familie Papandreou herkommt. Auf der Platia stehen die Büsten der Politikerdynastie Papandreou: Großvater Georgios, der mehrfach, zuletzt bis 1965, griechischer Ministerpräsident war und Vater Andreas, der von 1981 bis 1989 und von 1993 bis 1996 das Land regierte. Für Sohn Giorgos, der von 2009 bis 2011 Premierminister war, hat man noch kein Denkmal errichtet.
Was wann geschah
1967–1974 Militärdiktatur, die nach ihrem Zypern-Abenteuer zusammenbricht.
1981 Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (späteren EU).
2001 Beitritt zur Eurozone.
Oktober 2009 Giorgos Papandreou löst nach dem Wahlsieg seiner sozialdemokratischen Partei Pasok die Regierung Karamanlis der konservativen Nea Dimokratia (ND) ab. Er kündigt an, dass die Staatsverschuldung voraussichtlich bei 12,7 statt bei 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen wird, wie es die ND-Regierung angegeben hatte.
Dezember 2009 Die Ratingagenturen stufen die langfristige Kreditwürdigkeit des griechischen Staats um mehrere Stufen herab. In der Folge schießen die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen (spread) in die Höhe.
März 2010 Erstes Sparpaket.
April 2010 Griechenland bittet den IWF und die EU um Hilfe.
Mai 2010 Erstes Rettungspaket im Umfang von 110 Milliarden Euro über drei Jahre. Gründung des Europäischen Rettungsschirms EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität), der in Schwierigkeiten geratenen Staaten der Eurozone unter die Arme greifen soll.
Juni/Juli 2010 Zweites Sparpaket für die Jahre 2011–2016 und zweites Rettungspaket im Umfang von 109 Milliarden Euro, dazu ein 20-prozentiger Schuldenerlass.
Oktober/November 2011 Drittes Rettungspaket zur Rekapitalisierung des griechischen Bankensektors (106 Milliarden Euro), das einen 50-prozentigen Schuldenschnitt für die vom privaten Sektor gehaltenen Staatspapiere vorsieht. Papandreou will das Programm durch eine Volksabstimmung absegnen lassen. Deutschland und Frankreich drängen zur Aufgabe dieses Plans, aber auch 80 Prozent der Bevölkerung lehnen das Referendum ab. Papandreou tritt am 9. November zurück. Neuer Ministerpräsident wird der ehemalige Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Lukas Papadimos, der von einer breiten Koalition aus Pasok, Nea Dimokratia und rechtsextremer Laos (Orthodoxer Volksalarm) getragen wird.
Februar 2012 Nächstes Rettungspaket über 130 Milliarden Euro, verbunden mit einem (freiwilligen) Schuldenerlass der privaten Gläubiger um 53,5 Prozent (PSI).
6. Mai 2012 Die vorgezogene Neuwahl bringt kein klares Ergebnis. Die Linkspartei Syriza wird mit 16,8 Prozent zweitstärkste Partei hinter der Nea Dimokratia (18,8 Prozent). Die Neonazipartei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) gelangt mit fast 7 Prozent ins Parlament.
17. Juni 2012 Nach dem Scheitern einer Regierungsbildung finden neuerliche Parlamentswahlen statt. Die Nea Dimokratia wird stärkste Partei mit 29,7 Prozent, gefolgt von der Syriza mit 26,9 Prozent. ND-Chef Antonis Samaras wird Premierminister einer großen Koalition mit der Pasok und der Dimar (Demokratische Linke).
November 2012 Weitere Hilfsgelder in Höhe von 34,4 Milliarden Euro werden ausgezahlt, verbunden mit neuen Sparauflagen von 9,4 Milliarden Euro allein für 2013.