Finanz-TÜV für Deutschland?
Nirgendwo hat eine Regierung so konsequent aus dem Crash von 1929 und der nachfolgenden Weltwirtschaftskrise gelernt wie in den USA. Nie wieder sollten Banken, wenn sie schon spekulieren, das Geld ihrer Kunden aufs Spiel setzen können. Der nach den federführenden Kongressmitgliedern benannte Glass-Steagall Act verfügte 1933 eine Zweiteilung des Bankensystems: Da gibt es die Geschäftsbanken, auch Depositenbanken genannt, die Einlagen von Sparern annehmen und das Geld in Form von Krediten an Konsumenten und Unternehmen weiterreichen. Anders die Investmentbanken: Sie legen Kundenvermögen an der Börse an, organisieren für Unternehmen Börsengänge oder Übernahmen, sichern Geschäfte an den Terminbörsen ab und spekulieren auch mit ihrem eigenen Kapital.
Mit diesem Trennbankensystem begann eine lange Phase relativer Ruhe auf den Finanzmärkten – von einigen halb vergessenen Krisen wie der US-Sparkassenkrise oder der lateinamerikanischen Schuldenkrise in den 1980er Jahren einmal abgesehen. Im Zuge der allgemeinen Deregulierung wurde dieses System jedoch 1999 unter Clinton abgeschafft.
In Deutschland war die Situation von vornherein anders. Hier waren die Finanzinstitute Universalbanken, die im Prinzip alles anbieten: vom Girokonto bis zum Hedgefonds-Investment, vom Konsumentenkredit bis zur Konzernfusion.
Doch im Gefolge der Finanzkrise werden die Stimmen immer lauter, die an die stabilisierende Wirkung des Trennbankensystems erinnern. Zu ihnen gehören die Konzernchefs von HeidelbergCement, Bernd Scheifele, und der Münchener Rückversicherung, Nikolaus von Bomhard, der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und neuerdings sogar die Bundesregierung. Das Ziel: Im Krisenfall sollen Banken, die sich verspekuliert haben, nicht mehr mit Steuermilliarden gerettet werden müssen. Sie sollen pleitegehen können, ohne das ganze System mit in den Abgrund zu reißen.
Laut Kabinettsbeschluss von Anfang Februar sollen künftig Einlagenkreditinstitute die Risiken aus eigenen spekulativen Geschäften vom Kundengeschäft trennen. Der Eigenhandel der Banken oder riskante Deals mit Hedgefonds sollen in spezielle Institute ausgelagert werden. Eine Zerschlagung der Großbanken will die Regierung allerdings vermeiden.
Die Banken könnten ihre verschiedenen Geschäfte also immer noch unter dem Dach einer Holding vereinigen. Das Gesetz soll im Übrigen erst greifen, wenn die riskanten Geschäfte mehr als 100 Milliarden Euro oder 20 Prozent der Bilanzsumme der Bank ausmachen. Das betrifft so wenig Geldinstitute, dass man bereits von einer „Lex Deutsche Bank“ spricht.
Kritiker fragen aber ohnehin, ob die Finanzkrise durch die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanking die Finanzkrise verhindert worden wäre.1 Der Crash von Lehman Brothers – übrigens eine reine Investmentbank – im September 2008 hätte in jedem Fall das gesamte Finanzsystem erschüttert, weil die Banken so stark vernetzt sind. Umgekehrt dürfte gerade die Vernachlässigung des Universalbankenmodells und die einseitige Konzentration auf das scheinbar lukrativere Investmentbanking zur Krisenanfälligkeit der deutschen Großbanken beigetragen haben. Die deutschen Beinahepleitebanken IKB und Hypo Real Estate waren gerade keine Universalbanken, sondern spezialisiert auf Unternehmens- beziehungsweise Baufinanzierung.
Suleika Reiners vom World Future Council argumentiert, in den heutigen komplexen Finanzmärkten mit einer unübersehbaren Vielzahl von „Finanzinnovationen“ greife der Vorschlag eines Trennbankensystems ohnehin viel zu kurz: „Lediglich die Geschäftsbereiche zu trennen, hieße, systemische Gefahren weiter florieren zu lassen.“2 Viel wichtiger sei etwa eine Zulassungspflicht von Wertpapieren und anderen Finanzinstrumenten durch eine Art Finanz-TÜV. Nützlich wäre auch ein Verbot des reinen Eigenhandels und eine höhere Eigenkapitalquote der Banken. Nicola Liebert