Furcht und Elend der Goldschürfer im Kongo
von Stefano Liberti
Das Dorf Mongbwalu in der Ituri-Region im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo erinnert an den Wilden Westen: eine staubige Straße, gesäumt von Cafés, die aussehen wie Saloons; ein schäbiges Hotel mit verbeultem Namensschild; jugendliche Motorradbanden, die das Kommen und Gehen der Passanten beobachten, als erwarteten sie jeden Moment das nächste Duell. Der Vergleich ist keineswegs übertrieben: Wie in den berühmten Goldgräberstädten der USA dreht sich auch hier alles um das heiß begehrte Metall.
Ituri liegt mitten in einer der goldreichsten Regionen der Welt.1 Mehrere Doppelzentner werden jeden Monat aus den verstreuten Goldminen im Umkreis des verlassenen Dorfs Mongbwalu gewonnen. Das kostbare Gut wird illegal ins benachbarte Uganda verfrachtet, von dort nach Europa exportiert, vorzugsweise in die Schweiz. Die enormen Gewinne, die dabei herausspringen, sind das Objekt aller Begierden und Ursache des blutigen Konflikts, der seit 1998 die Demokratische Republik Kongo erschüttert.2
Afrikas Riese, das ehemalige Zaire, wird wegen seiner mineralhaltigen Böden auch als „geologischer Skandal“ bezeichnet. Seit Diktator Mobutu Sese Seko 1982 den Goldabbau in bestimmten Teilen des Landes liberalisiert hat, ist der Ort Mongbwalu das moderne Klondike. Das Business, in dem tausende Schürfer hart arbeiten, ist selbst in den schlimmsten Kriegswirren nie zum Stillstand gekommen.
Jeden Tag im Morgengrauen verlassen die Schürfer das Dorf und fahren über eine holprige, unbefestigte Straße zu den Minen hinaus. Dort teilen sie sich in Gruppen und fangen an zu graben – ein riesiger Schwarm, der sich im Schlamm zu schaffen macht. Bis zu den Hüften im Wasser stehend, schürfen sie, manche in rasendem Tempo, und schütten die Erde in Plastikbehälter, die andere, an beide Seiten des Abhangs geklammert, wie am Fließband weiterreichen.
Jedes Team ist zunächst auf sich gestellt. Der aufgeweichte Sand und die Steinchen kommen in ein Sieb über einer Wasserlache. Zuerst wird Goldstaub gesucht. Dann werden die verheißungsvollsten Steine mit Keulenschlägen zerkleinert, in der Hoffnung, eine glitzernde Ader zu entdecken. „Man muss sich auskennen, um an den richtigen Stellen zu graben“, kommentiert Etienne, der mindestens zehn Jahre in den Hügeln von Mongbwalu verbracht hat. Eine Gruppe junger Arbeiter untersucht sorgfältig die kleinen Steinreste im Sieb, um vielleicht noch ein paar Körnchen zu finden. „Heute hatten wir kein Glück“, meint Etienne. „Aber ich bin sicher, es wird bald besser. Wenn wir auf ein gutes Stück stoßen, können wir jeder fünf Dollar verdienen.“
Oben auf dem Abhang erkennt man eine verfallene Metallkonstruktion: Hier stand einmal die „Fabrik“, das staatliche Unternehmen zum Abbau der Goldvorkommen in der Region Kilo-Moto, an deren Rand Mongbwalu liegt. Zur Zeit Joseph Mobutus, als die Regierung in Kinshasa die Region Ituri noch kontrollierte, herrschte hier reger Betrieb. Und die Gewinne wanderten direkt in die Taschen des zairischen Diktators, der auf ausländischen Bankkonten ein Vermögen sammeln konnte. Unmittelbar nach seinem Sturz im Jahr 1997 begannen die Auseinandersetzungen um die Herrschaft über dieses reiche Stückchen Erde. In der Region Kilo-Moto liegen die größten Goldminen des Kontinents, sie bildet deshalb einen der wichtigsten Krisenherde im Gebiet der Großen Seen. Der außergewöhnliche Reichtum hat bei den Hauptakteuren des „Ersten Afrikanischen Weltkrieges“3 große Begierden geweckt: 1998, als Truppen aus Ruanda und Uganda in das Land eindrangen, wurde die Region von Soldaten aus Kampala besetzt, die das Gold per Flugzeug direkt nach Hause transportierten.
Der im Abkommen von Sun City (Südafrika) 2003 beschlossene Abzug aller fremden Truppen brachte keinen Frieden, sondern erneut heftige Kämpfe zwischen der von Ruanda unterstützten Union des Patriotes Congolais (UPC) und dem mit Uganda verbündeten Front des Nationalistes et Intégrationnistes (FNI). Trotz einiger schüchterner Interventionen der seit 1999 vor Ort stationierten UN-Mission Monuc wird die Zahl der Toten auf 60 000 geschätzt. Die Goldminen, die zunächst in die Hände der UPC fielen, wurden später vom FNI zurückerobert, der sie bis heute als sein Lehen betrachtet.
Goldstaub, Salpetersäure, Kohlenfeuer
Menschenrechtsorganisationen werfen den FNI-Milizen unter anderem vor, dass sie die Bevölkerung zur Zwangsarbeit rekrutieren. Nach dem jüngsten Bericht der Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch beschlagnahmt der FNI einen Teil des Goldes und verlangt von den Schürfern einen Dollar pro Tag für die Erlaubnis, in den Minen zu arbeiten.4 Die Milizionäre weisen diese Vorwürfe empört zurück: „Hier herrscht Frieden, unsere Männer haben die Waffen niedergelegt. Jeder arbeitet für sich und für das allgemeine Wohl des Landes“, behauptet Iribi Pitchou Kasamba. Er hat sich an die Spitze der Rebellenbewegung gesetzt, nachdem im März 2005 ihr Anführer Floribert Ndjabu wegen Anstiftung zum Mord an neun Blauhemden in Irturi im Februar in Kinshasa verhaftet worden war.
Wenn Kasamba am Rand der Minenfelder seine „Offiziere“ um sich schart, erstarren die Arbeiter in einer Mischung aus Furcht und Achtung. Die Vorwürfe der NGO aus den USA weist er als „absoluten Quatsch“ zurück. „Das einzige Geld, das wir bekommen haben, sind die 8 000 Dollar, die AngloGold Ashanti freiwillig gezahlt hat“, fügt er hinzu. Das große südafrikanische Unternehmen, das für 10 000 Quadratkilometer rund um Mongbwalu die Schürfrechte erworben hat, wird beschuldigt, den Rebellen die Taschen zu füllen.
Dabei verbietet das UNO-Embargo seit 2003 jegliche finanzielle und logistische Unterstützung bewaffneter Gruppen in der Demokratischen Republik Kongo.5 Die Geschäftsleitung von AngloGold Ashanti hat den Verstoß offiziell eingeräumt, argumentiert jedoch, diese Zahlungen seien notwendig gewesen, um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten. Dabei brüstet sich die Firma öffentlich damit, eine „ethisch und gesellschaftlich verantwortliche“ Unternehmenspolitik zu verfolgen.6
In der Umgebung der Minen stehen Scharen potenzieller Käufer mit ihren Goldwaagen. Um sie herum versammeln sich die Goldgräber, sofern sie fündig geworden sind, und halten mit einem Lächeln um die Lippen ihre kleine Beute fest in der Hand. Das Geschäft kann beginnen: Zunächst wird der Goldstaub über dem Kohlefeuer eines Kochers mit Salpetersäure vermischt, um die unreinen Partikel abzulösen. Danach kommt das Gold zum Verkauf auf die Waage. Der Preis beträgt etwa 10 Dollar pro Gramm. Der Kurs steigt mit wachsender Entfernung von der Schürfregion. In Bunia, der Hauptstadt der Provinz Ituri, kostet ein Gramm Gold bereits 11,50 Dollar. Die kleinen Leute, die am Rande der Minen einkaufen oder sich zu Dutzenden auf den Straße von Mongwalu drängen, arbeiten für Zwischenhändler, sei es in Bunia, sei es in Butembo in der Nachbarprovinz Nordkivu.
Der Goldabbau belebt auch den regionalen Markt: Überall sieht man Frauen, die Obst, Kartoffeln und Reis verkaufen; junge Motorradfahrer bieten Pendeldienste zwischen den Minenfeldern und dem Zentrum von Mongbwalu an; eine Schar Musiker ist ganz offensichtlich als Aufpasser engagiert. Das Einnahmensystem scheint eingefahren zu sein, anscheinend erhebt der FNI tatsächlich eine Abgabe auf jeden Verkauf. Doch das ist schwierig nachzuweisen: Die bloße Anwesenheit des Parteivorsitzenden Iribi Pitchou Kasamba jagt allen Furcht ein. Niemand sagt ein Wort.
Erst später will einer der Bewohner von Mongbwalu mit uns reden, allerdings nur anonym: „In der Fabrik und in unmittelbarer Nähe des Dorfes begnügen sich die FNI-Leute mit sanfteren Methoden. Seit die Blauhelme hier stationiert sind, müssen sie sich in Acht nehmen. Aber schon ein paar Kilometer von hier entfernt sind die Zustände wie früher: Zwangsarbeit, Beschlagnahmung des Goldes und viele Schikanen.“
Die 140 pakistanischen Monuc-Soldaten, die im April 2005 mit dem Auftrag eingetroffen waren, die Milizionäre zu entwaffnen, müssen noch mehr aufpassen.7 Sie verlassen ihr Lager am Dorfausgang kaum und beschränken sich auf gelegentliche Patrouillen. Einer der Verantwortlichen des Kontingents gab übrigens zu, er wisse „nicht genau, wie es dort in den Minen zugeht“. Am Hauptsitz in Bunia wird dieser Tatbestand ohne Umschweife bestätigt. „Theoretisch könnte die Monuc den Handel mit Rohstoffen überwachen“, meint Karin Volkner, die Ressortleiterin für politische Angelegenheiten der Mission. „Aber in Wirklichkeit haben wir gar nicht die Mittel, eine solche Kontrolle auszuüben. In Mongbwalu gibt es nur ein Militärkontingent. Im Augenblick können wir nur die Lage sondieren.“ Die Monuc-Soldaten, die auch mit Vorbereitungen für die Wahl befasst sind, die das Ende der Übergangsperiode bedeutet,8 kümmern sich kaum um den Schwarzhandel, der vor ihren Augen abläuft.
In Bunia floriert das Goldgeschäft. In dieser von Krieg und Elend gezeichneten Stadt ist der Handel mit dem Edelmetall die einzig mögliche Wirtschaftsaktivität – auch für die vielen Flüchtlinge, die auf engstem Raum in einem Lager auf dem nahen Flughafen leben. Auf den beiden lokalen Märkten scheint fast jeder diesem Geschäft nachzugehen. Manche tun es ostentativ und hängen Schilder an ihre Büdchen: „Hier Goldverkauf!“ Andere versuchen es diskreter. Doch die allgegenwärtige Goldwaage und das Scheidewasser daneben sind untrügliche Zeichen.
Nach dem kongolesischen Bergbaugesetz von 2002 ist für jeden Golderwerb im Einzelhandel eine Genehmigung der Zentralbehörden erforderlich.9 Aber in dieser Region, wo der Staat durch Abwesenheit glänzt, schert sich niemand darum. „Ituri leidet unter dem vollständigen Versagen der Institutionen“, beklagt Karin Volkner. „Die Regierung in Kinshasa ist in weiter Ferne, und sie hat die Bevölkerung im Osten schon immer vernachlässigt. Obendrein sind einige Minister direkt in den Rohstoffschmuggel verstrickt und haben nicht das geringste Interesse an einem Frieden in der Region.“
Der ganze Goldhandel beruht auf einem gut durchorganisierten Netz von kleinen Schürfern, Einkäufern und Zwischenhändlern. Das Gold der Händler wird in der Stadt von ein paar einflussreichen Geschäftsleuten aufgekauft und heimlich nach Kampala befördert. Als Transportmittel dienen Laster, Geländewagen, Motorräder, manchmal auch Einbäume (über den Albertsee), dabei verlassen sich alle darauf, dass es praktisch keine Kontrollen an der kongolesischen Grenze gibt.
Kambala Kisoni, Besitzer von Combocom Trading House
In der ugandischen Hauptstadt treten nur noch drei Gesellschaften als Goldankäufer in Erscheinung, alle unter der Leitung indischstämmiger Unternehmer. Die wichtigste, die Uganda Commercial Impex Ltd. (UCI), hat ihren Sitz im Vorort Kamutckia, eine halbe Autostunde vom Stadtzentrum entfernt.10
„Jeden Monat kaufen wir ungefähr 350 Kilo Gold für insgesamt 5 Millionen Dollar“, erzählt der Eigentümer Jamnadas Vasanji Lodhia. „Und unsere Lieferanten sind immer dieselben: sechs bis sieben Personen, alles Kongolesen aus Bunia und Butembo.“ Der bekannteste unter ihnen ist zweifellos Kambala Kisoni, Besitzer des Congocom Trading House und einer kleinen Antonov, die unter dem Aushängeschild „Butembo Airlines“ für eine fast tägliche Verbindung zwischen Mongbwalu und Butembo sorgt. Die Vereinten Nationen werfen ihm zahlreiche Verstöße gegen das Embargo vor: Laut den UNO-Experten soll er dem FNI bei der Beförderung von Waffen und Personal nach Mongbwalu geholfen haben.11
In einem Telefongespräch weist Kisoni alle Vorwürfe zurück: „Man hält uns für Komplizen der Rebellen. In Wirklichkeit werden wir von den FNI- Leuten wie Geiseln gehalten. Sie spielen sich hier als die absoluten Herren auf und zwingen uns, für jede Landung in Mongbwalu 60 Dollar zu bezahlen. Es wäre uns lieber, die kongolesischen Streitkräfte könnten die Kontrolle über die Region zurückgewinnen und die Ordnung wiederherstellen.“
Kisoni leugnet nicht, dass er das Gold ohne Genehmigung des Bergbauministeriums in Kinshasa exportiert, aber er rechtfertigt sein Verhalten: „Es ist gefährlich geworden, mit einer Lizenz zu exportieren. Angesichts der Korruption im Staatsapparat kann es einem passieren, dass man dadurch alles verliert. Früher hatten wir eine Lizenz, aber dreimal wurde uns die ganze Goldladung gestohlen. Und wir wissen, dass die Diebe Verbindungen zur Regierung hatten.“ Laut dem kongolesischen Unternehmer ist Congocom nichts anderes als eine inoffizielle Bank: „Hier ist das Gold ein Tauschmittel. Mit dem Gold unserer Kunden kaufen wir Waren ein, die sie dann im Kongo weiterverkaufen. Die Abnehmer in Kampala, etwa die Uganda Commercial Impex, kümmern sich um erhöhte Kreditlinien bei den großen Unternehmen, die unsere Kunden mit Produkten beliefern. Wir arbeiten nur als Vermittler zwischen den Geschäftsleuten in Ostkongo und den ugandischen Gesellschaften.“
In Kampala wird das von der UCI gekaufte Gold geschmolzen und in kleinen Barren monatlich an eine der wichtigsten europäischen Edelmetallfirmen, die Metalor Technologies SA im schweizerischen Neuchâtel, geschickt. Doch seit Juni 2005 scheint der Markt blockiert zu sein: Infolge der Veröffentlichung des Berichts von Human Rights Watch hat die Schweizer Firma beschlossen, ihre Goldimporte aus dieser Region einzustellen. Der Chef der Uganda Commercial Impex Ltd. lässt seiner Wut freien Lauf: „Dieser Handel existiert seit hundert Jahren. Ich begreife einfach nicht, warum sie so eine Geschichte daraus machen. Die Kongolesen werfen uns vor, wir würden ihnen die Reichtümer stehlen, dabei sind unsere Lieferanten selbst Kongolesen. Mit dem Geld, das sie von uns bekommen, kaufen sie Waren, um sie zu Hause, wo es nichts zu kaufen gibt, auf den Markt zu bringen. Sie kaufen keine Waffen, sondern Zucker, Kaffee, Decken und Bekleidung. Wozu auch Waffen kaufen? Der Kongo ist doch voll davon. Wirtschaftlich bringt das am wenigsten.“
Lodhia sagt, er wisse nichts von den angeblichen Verbindungen seiner Lieferanten zu bewaffneten Gruppen in Ituri. Er selbst kenne Bunia und Butembo, sei aber nie in Mongbwalu gewesen. „Gelegentlich habe ich unsere Kunden im Osten des Landes besucht, aber nie die Minen“, versichert er. Er zeigt uns sogar die Rechnungsbücher seiner Gesellschaft, in denen die Millionen-Dollar-Geschäfte mit seinen kongolesischen Kunden verzeichnet sind: Das Geld wird größtenteils auf Offshore-Konten in Mauritius oder Hongkong überwiesen. „Unsere Lieferanten trauen den einheimischen Banken nicht“, erklärt er. „Wir schicken das Geld auf die Konten, die sie uns angeben. Das ist nichts Ungesetzliches.“
Uganda als Drehscheibe des kongolesischen Golds
In der Tat ist dieser Handel vollkommen legal: Der ugandische Staat verlangt keinen Herkunftsnachweis. Er beschränkt sich auf einen Exportzoll von 0,5 Prozent und eine Lizenzgebühr von 1 200 Dollar pro Jahr. Theoretisch müsste das von auswärts kommende Edelmetall bei der Einfuhr deklariert werden. Aber die kongolesisch-ugandische Grenze ist so leicht zu passieren, dass niemand sich den Umstand macht, durch den Zoll zu fahren.
Die Zahlen verraten den Umfang des Handels: Im Jahr 2003 belief sich die lokale Goldproduktion auf einen Wert von 23 000 Dollar, das offiziell importierte Gold auf 2 000 Dollar und das exportierte auf 45 Millionen Dollar. Laut der gleichen Statistik des Ministeriums für Energie und Bergbauentwicklung in Kampala hat Uganda im selben Jahr 40 Kilo Gold produziert und über 4 Tonnen exportiert (2002 betrug die offizielle Produktion 2,6 Kilo gegenüber einem Export von 7,6 Tonnen).12
Dank dieser gigantischen legalisierten Schmuggeloperation rangiert das Gold nach dem Kaffee an zweiter Stelle der ugandischen Exportartikel. „Das ist ein Witz!“, schimpft Lodhia. „Jedes Kind weiß, dass unser Gold aus dem Kongo stammt. Und im ehemaligen Zaire, vor allem im Osten, kann von Staat sowieso keine Rede sein, es gibt keinerlei Kontrolle. So war es immer, seit Mobutus Zeiten.“
Tatsächlich ist Uganda erst zur Drehscheibe des kongolesischen Goldes geworden, seit die Regierung in Kampala 1994 beschlossen hat, der Zentralbank das Ankaufsmonopol für das Edelmetall zu entziehen, die hohen Exportzölle (zwischen 3 und 5 Prozent) abzuschaffen und die Vorschriften, denen die Handelsgesellschaften bis dahin unterlagen, zu lockern. Vorher hatte das Gold aus der Ituri-Region den Umweg über Kenia genommen, wo der Handel bereits liberalisiert war. Lodhia selbst hat seine Firma von Nairobi nach Kampala verlegt. „Logistisch ist es sehr viel einfacher, von Uganda aus zu arbeiten: Die Demokratische Republik Kongo ist gleich nebenan, und hinzu kommt, dass hier die Sicherheit gewährt ist“, erklärt der indische Unternehmer.
Auf dem Weg vom Kongo in die Hauptstadt Ugandas steigt der Wert des Goldes. Die Uganda Commercial Impex kauft das Gramm zu 13,50 Dollar. Der Verkaufspreis im Ausland variiert je nach den Schwankungen des internationalen Marktes. „Aber wir arbeiten auf der Basis einer Gewinnspanne von 0,5 Prozent“, sagt Lodhia, ehe er hinzufügt: „Die Goldgewinnung ist das tägliche Brot für tausende von Menschen im Osten des Kongo. Diese Aktivisten von Human Rights Watch kämpfen mit einer Riesenpropaganda dagegen an, aber ihre Ideologie trifft am Ende die Interessen derer, die sie zu verteidigen glauben. Ich bin in einer anderen Situation. Ich verliere Geld, aber ich muss nicht hungers sterben. Wenn die Schweizer nicht mehr kaufen und ich keine anderen Absatzmöglichkeiten finde, bin ich demnächst gezwungen, meine Käufe einzustellen.“
Von den Schürfern der Minen bei Mongbwalu über die Mittelsmänner in Bunia und Butembo bis hin zu den großen Geschäftsleuten in Kampala sind es in der Tat tausende, die in den Goldhandel verstrickt sind. Auch wenn der Goldabbau ganz unbestreitbar die bewaffneten Gruppen im Osten der Demokratischen Republik Kongo finanziert hat – und sie weiter finanziert –, wäre es fragwürdig, den Goldabbau durch Embargos oder ähnliche Maßnahmen zu beenden. Zumal nicht absehbar ist, wer diese überhaupt durchsetzen sollte. Eine Expertengruppe der UNO weist im Übrigen darauf hin, dass „ein vollständiges Exportverbot für die Bodenschätze der Demokratischen Republik Kongo schon wegen der Größe des Landes äußerst kostspielig und schwer durchsetzbar wäre“.13 Nach ihren Angaben bestünde die ideale Lösung in einem Nachweissystem, das die Spur des Goldes bis zum Ursprung verfolgbar machen und den Schmuggel nach Uganda unterbinden würde. Aber ein solcher Mechanismus, wie er mit dem Kimberley-Prozess für den Diamantenhandel eingerichtet wurde, ist für das Edelmetall noch nicht erfunden.14
„Das einzige Mittel, die Kriegsherren von den Gewinnen abzuschneiden“, meint der UNO-Finanzexperte Enrico Carisch, „sehe ich darin, verstärkten Druck auf die regionalen Regierungen auszuüben, damit sie der Straffreiheit ein Ende setzen; insbesondere Uganda müsste den bilateralen Handel mit dem Kongo normalisieren. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es der Regierung in Kinshasa gelingt, mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft den Osten des Landes wieder unter Kontrolle zu bringen.“ In einer Region, wo der Staat durch Abwesenheit glänzt und das Gold für die meisten Bewohner die einzige Einkommensquelle ist, dürfte es kaum möglich sein, die eingefahrenen Mechanismen schlagartig zu verändern, erst recht nicht, solange die internationale Nachfrage das Geschäft mit dem Gold belebt.