12.04.2013

Neuer Hafen für Kenia

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Neuer Hafen für Kenia

Ein panafrikanisches Infrastrukturprojekt soll das Land aus der wirtschaftlichen Misere befreien von Tristan Coloma

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Unter gleißendem Sonnenlicht heizt sich die Piste auf und versengt die spärliche Vegetation der Savanne. Ahmet, ein Mann in zerlumpter Kleidung, ausgezehrt von stundenlangen Kontrollgängen entlang kilometerlanger Palisadenzäune, sucht nach Gewissheit. „Es geht nicht wirklich voran, stimmt’s? In Lamu bewegt man sich immer noch im Esels-Tempo. Das Haus für die Offiziere steht zwar schon, aber noch nichts, das wie ein Milliarden Dollar teurer Hafen aussieht! Ich weiß wirklich nicht, was man hier bewachen soll. Die Straße ist immer noch nicht asphaltiert, und der Hafen soll eigentlich 2016 eröffnet werden. Kaum zu glauben.“

Umso begeisterter reagieren die kenianische Regierung und ihre Partner in Südsudan und Äthiopien. Schließlich geht es um das größte Bauvorhaben der afrikanischen Geschichte seit dem Ende der Kolonialzeit. Mithilfe des internationalen Seehandels, regionaler Integration und der infrastukturellen Erschließung des Ostens soll Afrikas Wirtschaft vollkommen umgekrempelt werden. Emilio Mwai Kibaki, Kenias im März abgetretener Präsident, wollte die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC)1 durch den Beitritt Somalias, Äthiopiens und Dschibuti zu einem „Großen Horn Afrikas“ erweitern.

Zu diesem Zweck holte er ein Megaprojekt, das aus den 1970er Jahre stammt, aus der Schublade: den Bau einer grenzüberschreitenden Transportachse zwischen Ost und West. Der Lamu Port – South Sudan – Ethiopia Transport Corridor (Lapsset Corridor) soll an einem Tiefseehafen in der Manda-Bucht im Lamu-Archipel beginnen und in eine Landbrücke zwischen Kenia und der kamerunischen Hauptstadt Duala münden, die Atlantischen und Indischen Ozean verbindet (siehe Kasten).

Das Projekt gilt als Speerspitze des mittelfristigen Entwicklungsplans Kenya Vision 2030, der im Jahr 2008 von der kenianischen Regierung lanciert wurde. Ist der Sprung in die Zukunft in einem Zeitraum von 22 Jahren (2008 bis 2030) möglich? Zumindest für die Inselgruppe Lamu wäre es ein sehr großer Schritt nach vorn. Hinter den brüchigen Fassaden jahrhundertealter arabischer Paläste, die von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurden, verbirgt sich ein Labyrinth aus Gassen. Sitzt man in einem der gemütlichen Internetcafés, neben sich vielleicht ein Massai-Krieger, der gerade seine E-Mails abruft, sieht man draußen ein paar Esel vorbeilaufen. Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Und Nairobi möchte unbedingt auch diesen letzten Zipfel einer Welt von gestern in das Afrika der Zukunft beamen.

Bislang lief der gesamte Warenverkehr in Ost- und Zentralafrika über Mombasa, den großen Hafen im Süden, der nach Aussage der Weltbank „den wichtigsten Trumpf der gesamten Region“ darstellt. Mombasas Hafen ist so etwas wie ein Seismograf für die wirtschaftliche Dynamik der Region und steht unter entsprechend großem Druck. Zwischen 2007 und 2011 ist das Handelsvolumen um 23 Prozent gestiegen. 2011 wurden in Mombasa etwa 770 000 Container umgeschlagen, obwohl der Hafen lediglich für 250 000 ausgelegt ist.

Laut einer US-amerikanischen Studie2 bleiben die Container nach dem Löschen im Durchschnitt 15 Tage im Hafen liegen, bevor sie weitertransportiert werden. Zudem gibt es keine guten Straßen oder Schienenwege in der Region, der Kilometerpreis für den Containertransport zählt zu den höchsten der Welt.3 „91 Prozent von Kenias Bruttoinlandsprodukt (BIP) werden in einem Umkreis von 100 Kilometern um die Bahnstrecke zwischen Uganda und Kenia erwirtschaftet. Der Rest des Landes, in dem 75 Prozent der Bevölkerung leben, produziert lediglich 10 Prozent des BIPs. Warum? Weil dort niemals eine Infrastruktur aufgebaut wurde“, erklärt Cyrus Njiru, ehemaliger Staatssekretär im Verkehrsministerium und seit ein paar Monaten Mitarbeiter im Ministerium für Industrialisierung.4

Geringere Transportkosten und ein schnellerer Güterverkehr würden sicherlich zum Aufschwung der Landwirtschaft und Industrie beitragen. „Diese Infrastrukturprojekte sind gigantisch. Die Kosten entsprechen zwei Dritteln des jährlichen kenianischen BIPs, aber sie könnten das Wachstum in der gesamten Region ankurbeln. Und sie könnten bedeutende geostrategische Folgen haben, die für den Frieden und die Integration in ganz Ostafrika wichtig sind“, meint Mark Bohlund vom Beratungsunternehmen IHS Global Insight.

In Matondoni, wenige Kilometer östlich von Lamu, brennt die Sonne auf das Sumpfland. Nach einem anstrengenden Fußmarsch durch die Dünen, drei Stunden vom Badeidyll der weißen Sandstrände in Shela entfernt, wird das Elend der Einheimischen offenbar. Das im Reisebüro angepriesene Traumbild von der Blütezeit des Sultanats verblasst rasch.

Hier gibt es nichts, und hier macht sich auch niemand Illusionen. Außer einem Mann, der jedoch am Ende seiner Kräfte zu sein scheint: Mohamed Famau, der mzee („der Weise“) des Dorfs. „Man verspricht uns, Lamu werde ein Paradies sein, wo jeder Arbeit hat und unvergleichlichen Komfort genießt. Es soll die fortschrittlichste Gegend in ganz Kenia werden. Wir hätten zum Beispiel gern einen Supermarkt, das wäre schon ein großer Fortschritt.“

Damals, in ihrer glorreichen Vergangenheit, sandte die Swahili-Stadt ihre Segelschiffe bis nach Indien und China, um mit Amber, Elfenbein und Sklaven zu handeln. Im Schatten der Mangroven plagen sich hier heute nur noch ein paar unbeirrbare Fischer auf zerbrechlichen, uralten Booten ab. Das Ausbaggern der Fahrrinne, die Rodung der Mangroven oder spätestens der künftige Tiefseehafen und seine Raffinerie werden für ihren Berufsstand das Ende bedeuten. Die Fische werden verschwinden, da sind sie sich sicher. Und sie wissen auch schon, dass sie im künftigen Hafen keine Arbeit finden werden. Das hat ihnen bereits ein Regierungsvertreter erklärt, der extra angereist kam. Ohne Schulabschluss werde es unmöglich sein, im Hafen eine Stelle zu bekommen.

„Dabei wurde hier erst vor vier Jahren eine Schule eröffnet“, erzählt der freundliche Schiffszimmermann Moussa Omar. „Wenn alle Arbeit finden könnten, würden wir dem Projekt sogar zustimmen. Aber im Augenblick bringt uns das nichts als Ärger. Wovon sollen wir leben, wenn es nichts mehr zu fischen gibt? Von der Regierung bekommen wir keinerlei Entschädigung, weil uns keiner gezeigt hat, wie das geht. Die geben sich gar nicht erst mit uns ab.“ Im Planungsministerium bekommt man immerhin die Auskunft, dass der Fischfang für 70 Prozent der Bevölkerung des Lamu-Archipels die wichtigste Einkommensquelle ist.

Silvester Kasuku, der Infrastrukturbeauftragte im Kabinett des Premierministers, absolviert an diesem Tag einen offiziellen Baustellenbesuch auf der Insel Manda. „Wir sind zuversichtlich, dass der Hafen 2016 eröffnet werden kann. Ich muss alle Projektteilnehmer treffen, um ihnen zu sagen, wie die Bauarbeiten vorankommen. Außerdem müssen wir unbedingt darüber reden, wie es weitergeht. Es gibt viel zu besprechen. Alle unterstützen das Projekt. Die Bevölkerung sehnt sich nach Fortschritt. Die Leute wollen Straßen, einen Hafen, Flughäfen. Wir können ihre Wünsche unmöglich ignorieren.“ Kaum angekommen, steigen Kasuku und seine Entourage schon Minuten später wieder in ihren Geländewagen und rauschen davon.

Kasukus Aussagen decken sich in keiner Weise mit den Ansichten der Inselbewohner. 2009 gründeten Umweltaktivisten den Verein „Save Lamu“, der die Interessen der ansässigen Gemeinden beim Bau des Lapsset-Korridors vertritt. „Die Leute sind nicht generell gegen den Hafen. Aber wir machen uns Sorgen, weil die Regierung sich nichts sagen lässt“, erklärt Hussein Send Elmaawy, einer der „Weisen“ des Vereins. „Dabei ist es so wichtig, die Leute miteinzubeziehen, damit sie sich das Projekt zu eigen machen können. Keiner kümmert sich um die negativen Folgen für die Umwelt und die Gemeinden, um die Landstreitigkeiten und die Arbeitsplätze. Die Bevölkerung muss eine richtige Vereinbarung mit der Regierung abschließen. Nur reden nützt nichts, wir wollen es schwarz auf weiß haben.“ Da man in Nairobi die Forderungen von Save Lamu nicht zur Kenntnis nehmen will, ist der Verein vor Gericht gezogen, um den Bau des Hafens zu stoppen. Er hat Verfassungsklage eingereicht, weil die Regierung die Bevölkerung nicht beteiligt hat und die möglichen Folgen für die Umwelt nicht untersuchen ließ. Der Vereinsvorsitzende Abubakar Mohamed El-Amudy will nicht klein beigeben: „Die Gemeinden müssen informiert und zu Rate gezogen werden, wie es in der Verfassung vorgeschrieben ist. Man kann davon ausgehen, dass eine Zuwanderungswelle kommt, und mit den Fremden wird unsere Kultur endgültig verschwinden. Wir waren doch schon immer eine Randgruppe.“ Viele Inselbewohner des Lamu-Archipels fühlen sich von der Zentralregierung in Nairobi, die von der größten ethnischen Gruppe der Kikuyu dominiert wird, als Staatsbürger zweiter Klasse behandelt. So erklärt sich auch die Fremdenfeindlichkeit, auf die man hier trifft.5 „Lamu wird eine Kikuyu-Kolonie“ ist ein Satz, den man hier häufiger hören kann. Die ethnischen Spannungen und die von manchen politischen Kräften unterstützten Unabhängigkeitsbestrebungen in der Region haben deutlich zugenommen.

Die Küstenbewohner könnten sich eigentlich freuen, dass sich der Zentralstaat endlich für die wirtschaftliche Entwicklung des Archipels interessiert. Hervé Maupeu, Politologe und Keniaspezialist an der Universität von Pau, sieht darin „eine große Neuheit, denn vom Wachstumsschub der „Vision 2030“ wird zum ersten Mal die Peripherie profitieren.“ Seit der Unabhängigkeit von Großbritannien vor 50 Jahren haben Kenias Regierungen stets in Regionen mit „hohem Potenzial“6 investiert, in das „nützliche“ Kenia, das auf über 1 700 Meter Höhe liegt. Die Folgen waren der politische Ausschluss und die wirtschaftliche Marginalisierung der Bevölkerung in den Trockenzonen im Norden und in den ländlichen Gebieten, die weit entfernt von den Metropolen Nairobi und Mombasa liegen.

In den Augen von François Gipouloux vom Pariser Forschungszentrum für das moderne und zeitgenössische China war dieser Wandel eine notwendige Entwicklung: „Die Küstenregionen werden wieder zum Zentrum eines liberalisierten Wirtschaftsraums, und zwar in Form transnationaler Wirtschaftskooperationszonen, die sich auf den Aufbau international ausgerichteter Entwicklungs- beziehungsweise Handelskorridore stützen.“7 Die Dynamik der Globalisierung macht auch vor Ostafrika nicht halt. Sie drängt auf eine Öffnung der Märkte, Handelserleichterungen und Sonderwirtschaftszonen, in denen Investitions-, Finanzierungs- und Betriebskosten stark reduziert werden, um ausländische Investoren anzulocken. In Kenia trat das Gesetz zur Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen am 8. November 2012 in Kraft.

In Erwartung künftiger Investoren zahlte die Regierung bereits 234,6 Millionen Euro für die erste Bauphase des Hafens. Kenia, Äthiopien und der Südsudan hatten 2012 eine Vereinbarung unterzeichnet, nach der der Südsudan einen Teil der Ölpipeline bezahlen und Äthiopien sich am Bau der neuen Bahnlinie beteiligen sollte.

„Yes, we can!“, ruft der Regierungsgesandte Kasuku, in der Hoffnung, die berühmten Worte Barack Obamas könnten alle Kritiker zum Schweigen bringen. „Warum sollten wir wegen der Lapsset-Kredite Angst vor einer Schuldenkrise haben?8 Die Hälfte unseres Landes verfügt über keinerlei Infrastruktur. Wir müssen zuerst investieren, nur dann werden wir auch Geld verdienen können. Außerdem muss die öffentliche Hand nicht alle Bauvorhaben allein stemmen, wir werden private Investoren mit einbeziehen.“

Trotzdem befürchtete das kenianische Finanzministerium eine hohe öffentliche Schuldenlast und legte zur Finanzierung des Lapsset-Korridors Anleihen9 mit einer Laufzeit von fünf Jahren im Wert von fast 119 Millionen Euro auf, die nach Aussagen der Zentralbank den Anlegern gute Zinsen bringen. Das „große Horn von Afrika“ sollte zum Sinnbild der Fülle werden. Die fetten Renditen, mit denen die regionalen Finanzinstitutionen werben, sollten als Köder dienen, um die Risikofreude der Investoren zu wecken. 2011 konnte Afrika dennoch wieder nur 3,6 Prozent der gesamten ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) für sich verbuchen.

Angesichts der Größe des Lapsset-Projekts hat die Regierung ein ganzes Arsenal von Strategien in Stellung gebracht, um die Geldquellen zu diversifizieren und vor allem neue ausländische Direktinvestitionen einzuwerben. „Der Lapsset-Korridor ist die beste Investitionsmöglichkeit auf dem gesamten afrikanischen Kontinent“, wiederholt Kasuku beständig. „Die Investoren sollten die Augen aufmachen und hierherkommen.“ Hafen und Straße werden mit Staatsgeldern finanziert, Pipeline und Raffinerie von privaten Investoren, für die Zugverbindung sollen beide Seiten zahlen.

Um die Auslandsinvestitionen wieder anzukurbeln, nutzt Kenia ein Instrument aus der Werkzeugkiste des Internationalen Währungsfonds (IWF): Public-Private-Partnerships (PPP).10 Der Staat regiert, während die Privatunternehmer damit beschäftigt sind, die Infrastruktur aufzubauen und öffentliche Dienstleistungen anzubieten11 – der Unvereinbarkeit von privatem Profitstreben und staatlicher Umverteilungspolitik zum Trotz. Solche Partnerschaften sind für die Firmen nur deshalb interessant, weil der Staat das gesamte unternehmerische Risiko trägt. „Damit der Privatsektor investiert, muss der Staat dessen Engagement entsprechend honorieren“, sagt ein Experte, der sich mit dem Bauvorhaben gut auskennt. „Aufgrund der Schuldenexplosion kann die Regierung diese Garantien nicht mehr bieten. Die PPP sind nicht der richtige Weg.“

Nach anderthalb Stunden Sitzung ist Kasuku offenbar mit seinem Tagespensum in Verzug geraten. Seine Assistentin mahnt zur Eile. Der Infrastrukturbeauftragte des Premierministers entschuldigt sich und erklärt, er müsse jetzt zum nächsten Termin, da „der Premierminister den chinesischen Botschafter empfangen hat, um über den Lapsset-Korridor zu sprechen“. Verlegen hält er inne, um dann hinzuzufügen: „Es war nur ein diplomatischer Höflichkeitsbesuch.“

Tatsächlich geht es in der kenianischen Wirtschaftsdiplomatie vor allem um die Suche nach neuen Verbündeten, etwa die Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), aber auch Länder wie Südkorea, Katar und Singapur. In den letzten fünf Jahren kamen die meisten ausländischen Direktinvestitionen aus China, Indien, Japan, Südafrika und Südkorea, die Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die Niederlande abgelöst haben.12

Die Wirtschaftskrise besiegelte das Ende einer Weltordnung. Die neue wird vom Aufschwung Asiens geprägt, das von den jüngsten Turbulenzen weitgehend verschont geblieben ist. Zudem binden die westlichen Industrieländer ihre Investitionen an bestimmte Konditionen, zu denen auch institutionelle Reformen zählen. Damit geraten sie ins Hintertreffen gegenüber den Chinesen, die nicht unbedingt auf Ausschreibungen reagieren, sondern über Handelsverträge ihre eigenen Betriebe ins Spiel bringen wollen.

Enttäuscht von China

„In Kenia wehren sich die Eliten derzeit heftig gegen die Einflussnahme des Westens, vor allem gegen Weltbank und Internationalen Währungsfonds“, erklärt der Politologe Maupeu. „Sie wollen unabhängig sein, vor allem durch die Beziehungen nach Asien, das gerade neue Werte, neue Visionen und neue Formen der Zusammenarbeit entwickelt.“

Präsident Kibaki brachte 2005 ganz bewusst seine „Look East Policy“ auf den Weg. Im ersten Halbjahr 2012 haben nach Angaben der kenianischen Investitionsbehörde China, Südafrika, Indien und Südkorea insgesamt 31,26 Millionen Euro investiert, davon kamen allein 23 Millionen aus China. Eine Mitteilung aus dem Präsidialamt macht deutlich, wohin die Reise gehen soll: „Kenias Außenpolitik ist daran ausgerichtet, die geopolitische Dynamik weiter voranzutreiben. In einer sich ständig wandelnden Welt gehört dazu auch die politische Übereinkunft zwischen Ost und West.“ Doch letztlich schloss man die wichtigsten Verträge stets mit den Partnern im Osten.

„Kenia schaut nicht nur nach Osten“, wiegelt Kasuku ab. „Das ist nicht unsere Absicht. Aber wenn man eine Ausschreibung auf der ganzen Welt lanciert, dann reagieren die Asiaten immer am schnellsten. Während die anderen noch damit beschäftigt sind, sich zu beschweren, sind die schon längst da und ganz zufrieden.“ Nur ist es keine gleichberechtigte Partnerschaft. China hat die afrikanischen Länder in eine Art Abhängigkeit gebracht. Denn diese sind für ihre Infrastrukturprojekte auf die günstigen chinesischen Kredite angewiesen. Das Problem dabei: Das chinesische Wirtschaftswachstum verlangsamt sich, ebenso wie das indische. In seiner letzten Weltwirtschaftsprognose warnte der IWF Kenia vor einer solchen Rezession, die der Staatskasse schaden könnte. „Ein plötzlicher Einbruch des chinesischen Wachstums könnte wegen der starken Handelsbeziehungen, aber auch wegen Chinas Finanzierungsanteil über Direktinvestitionen, negative Auswirkungen haben.“13

Gegen Ende seiner Amtszeit versuchte Präsident Kibaki daher die afrikanischen Staaten dazu zu bewegen, beim Ausbau der Infrastruktur weniger auf ausländische Kredite zu setzen. Er machte sich auch zum Anwalt der regionalen Integration und erklärte, die Märkte des Kontinents könnten alternative Finanzierungsmöglichkeiten für die Infrastrukturprojekte bieten. Die Konturen des Lamu-Projekts blieben aber auch nach solchen Erklärungen weiter unklar. Die Investoren wollten ihrerseits zunächst das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vom 4. März abwarten.

Präsident Kibaki, der nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren durfte, wollte sich selbst und seiner Regierungszeit offenbar ein Denkmal setzen. Letztlich ging es beim Lapsset-Korridor aber vor allem darum, die Alleingänge und Konkurrenzkämpfe in der afrikanischen Wirtschaftspolitik zu beenden. Kibaki wollte einen neuen Panafrikanismus begründen, der einerseits auf den neoliberalen Grundsätzen der internationalen Kreditgeber beruhte und sich dennoch von der Bevormundung durch den IWF befreien sollte. Zugleich versuchte er, Chinas Entwicklungspolitik zu verändern, indem er sie der Konkurrenz anderer Schwellenländer aussetzte. Ob sein Nachfolger Uhuru Kenyatta diese Politik fortsetzen wird, ist alles andere als sicher.

Fußnoten: 1 Die Mitglieder sind Kenia, Burundi, Ruanda, Tansania und Uganda. 2 US International Trade Commission (USITC), Investigation Nr. 332–530, Publikation Nr. 4 335, Juli 2012. 3 2009 musste man für einen Transport von Mombasa ins übrige Kenia 0,04 Dollar pro Kilometer rechnen, nach Uganda 0,085, nach Ruanda 0,09 und nach Burundi 0,11 US-Dollar. Siehe „Transport Prices and Costs in Africa“, Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), Weltbank, 2009. 4 www.theafricareport.com, Juni 2012. 5 Siehe Claire Médard, „Quelques clés pour comprendre la crise kenyane: spoliation, autochtonie et privatisation foncière“, 14. Januar 2010: www.cetri.be. 6 „African Socialism and its Application to Planning in Kenya“, Sessional Paper, Nr. 10, Nairobi 1965. 7 François Gipouloux, „La Méditerranée asiatique. Villes portuaires et réseaux marchands en Chine, au Japon et en Asie du Sud-Est, XVIe–XXIe siècle“, in: Editions du CNRS, Paris 2009, S. 314. 8 2011 wurden Kenias Staatsschulden auf 50,7 Prozent des BIPs geschätzt, die Auslandsschulden auf 7,055 Milliarden Euro. Siehe CIA World Factbook: www.cia.gov. 9 Diese auch „Infrastrukturobligationen“ genannten Finanzprodukte ähneln Staatsanleihen mit festem Zins. 10 Siehe Faranak Miraftab, „Public Private Partnerships: The Trojan Horse of Neoliberal Development?“, in: Journal of Planning Education and Research, September 2004. 11 Siehe David Osborne und Ted Gaebler, „Reinventing Government: How the Entrepreneurial Spirit Is Transforming the Public Sector“, New York (Plume). 12 Siehe Kenya Investment Authority (KIA) und Kenya National Bureau of Statistics (KNBS). 13 IWF, „World Economic Output Report“, Oktober 2012. Aus dem Französischen von Sabine Jainski Tristan Coloma ist Journalist.

Le Monde diplomatique vom 12.04.2013, von Tristan Coloma