12.07.2013

Alles von Samsung

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Koreas mächtiger Schattenstaat von Martine Bulard

Alles von Samsung
Familie Lee

Er ist nicht zu übersehen, nicht einmal in diesem Wald skurriler Glaspaläste. Der Samsung-Turm steht im Herzen von Gangnam, einem der schillerndsten Stadtviertel Seouls. Der Rapper Psy hat das Viertel, in dem teure Autos und hippe junge Leute die Szene dominieren, mit seinem Videoclip „Gangnam Style“ weltweit bekannt gemacht.

Hier präsentiert Samsung Electronics auf drei Etagen seine spektakulärsten Erfindungen: riesige Bildschirme, auf denen der Betrachter sich als Golf- oder Baseballspieler betätigen kann; 3-D-Bildschirme; Kühlschränke mit durchsichtigen Wänden und einem Computer, der Rezepte liefern kann, die auf den Kühlschrankinhalt abgestimmt sind; Spiegel mit Sensoren, die Herzschlag und Körpertemperatur messen. Und natürlich ist an prominenter Stelle das jüngste Juwel des Konzerns platziert: das Smartphone Galaxy S4, das Anfang Juni weltweit eingeführt wurde.

Dies ist die glitzernde Seite des Konzerns. In den Showrooms drängen sich an einem Nachmittag im Mai vorwiegend junge Leute; die Universität von Seoul liegt direkt um die Ecke. Sie wandern von einer Präsentation zur nächsten, staunen über die tollen Neuheiten, probieren, diskutieren. Und für alle, die wir ansprechen, wäre ein Arbeitsplatz bei Samsung „ein Traum“.

Das bekommen wir immer wieder zu hören. Zusammen mit dem Hinweis, dass Samsung den US-Giganten Apple und den japanischen Koloss Sony überholt hat. Oder dass Samsung „der Riese des 21. Jahrhunderts mit den fortschrittlichsten Technologien“ ist, jedenfalls nach Meinung eines jungen Ingenieurs vom Innovationstempel Samsung Design, der mit ironischem Unterton auf den höchsten Wolkenkratzer der Welt in Dubai und das Atomkraftwerk in Abu Dhabi verweist. Bei beiden Großbauprojekten war Samsung federführend – nachdem der koreanische Konzern die französischen Anbieter ausgestochen hatte. Samsung, immer wieder Samsung.

Der Konzern streckt seine Tentakeln nach allen Richtungen aus: Er baut Werften und Atomkraftwerke, investiert in die Schwerindustrie und den Wohnungsbau, in Freizeitparks und Rüstungsunternehmen, in die IT-Branche und den Großhandel. Und selbst in die Bäckerei an der Ecke, in Versicherungen und Forschungsinstitute nicht zu vergessen. Samsung ist ein Mischkonzern mit Zügen eines Familienunternehmens: eine weltweit einzigartige Konzernstruktur, „Jaebeol“ genannt.1

Was das für die Menschen heißt, erfahren wir von Park Je Song, der als Forscher im Korean Labor Institute (KLI) arbeitet: „Als Südkoreaner kommst du in einer Klinik zur Welt, die einem Jaebeol gehört, gehst in eine Schule, die einem Jaebeol gehört, und bekommst dein Gehalt von einem Jaebeol, denn so gut wie alle kleinen und mittleren Unternehmen hängen von einem dieser Großkonzerne ab. Du lebst in einer Wohnung, die einem Jaebeol gehört, hast eine Kreditkarte von einem Jaebeol, und auch um deine Freizeitgestaltung kümmert sich ein Jaebeol.“ Er hätte noch hinzufügen können: „Und selbst wenn du in ein politisches Amt gewählt wirst, verdankst du das einem Jaebeol.“ Der Krakenkonzern finanziert alle Parteien, von rechts bis links.

In Südkorea gibt es etwa 30 Jaebeols. Zu den bekanntesten gehören Hyundai, Lucky Goldstar (LG) und die Sunkyung Group (SK). Jeder befindet sich im Besitz einer einflussreichen Familiendynastie. Der mächtigste von allen ist Samsung. Die Familiengeschichte des Unternehmens ist eine Dauerserie von Sensationsprozessen, Bruderkämpfen, Korruptionsfällen und abartiger Verschwendung. Verglichen damit ist „Dallas“ eine Seifenoper für Teenager. Auch betreibt der Konzern eine intensive Imagepflege: Das Marketingbudget für 2012 belief sich auf 9 Milliarden Euro.2

In der Geschichte von Samsung spiegelt sich der Aufstieg der Republik Korea von einem Entwicklungsland, das noch in den 1960er Jahren hinter dem bereits industrialisierten Nordkorea zurücklag, zu einer der 15 größten Wirtschaftsmächte der Welt. Der Samsung-Gründer Lee Byung Chull (1910–1987), betrieb ursprünglich ein Lebensmittelgeschäft, auf dessen Ladenschild drei Sterne prangten – samsung auf Koreanisch. Die Firmenlegende preist seinen kommerziellen Instinkt, der ihn auf Weiße Ware (Waschmaschinen, Kühlschränke) und später auf Elektronik setzen ließ. Damit setzte er sich in Korea und auf den westlichen Märkten durch – und wurde reich. Sein Vermögen vererbte er an seine vier Kinder, die nur eine geringfügige Erbschaftssteuer zahlten. Zu seinem Nachfolger bestimmte er einen seiner Söhne.

Unter diesem Kun Hee entwickelte sich der Konzern weiter zum weltweit führenden Halbleiterproduzenten (Lieferant von Apple), zum Marktführer bei Smartphones, Flachbildschirmen und Fernsehapparaten und zu einem der größten Maschinenbauer und Chemieproduzenten. Auf der Rangliste der Weltkonzerne steht Samsung heute auf Platz 20, sein Umsatz entspricht einem Fünftel des koreanischen BIPs.3 Lee Kun Hees Privatvermögen beträgt laut Forbes-Liste 13 Milliarden Dollar, damit ist er der reichste Mensch Südkoreas und die Nummer 69 weltweit.

Was die Samsung-Legende ausblendet, ist das historische Detail, dass Lee Byung Chull seine Geschäfte 1938 mit der Hilfe der japanischen Besatzer begonnen hat. Kein Thema ist auch, dass der Konzern vom koreanischen Diktator Park Chung Hee4 massiv unterstützt wurde, durch Überlassung von Grundstücken, durch Subventionen und Kredite, durch Steuervorteile und eine Abschottung des Binnenmarkts. Samsung ist ein Produkt der Diktaturzeit, was dem Konzern immer noch deutlich anzumerken ist.

Der jetzige Konzernchef ist 71 Jahre alt und „herrscht mit absoluter Macht über den Kurs des Unternehmens und über die Mitarbeiter“, sagt Park Je Song. Und das, obwohl er nicht einmal 3 Prozent des Firmenkapitals besitzt. Kun Hees Worte sind Befehle, die von allen strikt befolgt werden. 1995 verkündete er seinen Mitarbeitern, ohne Angst vor dem Vorwurf des Sexismus: „Ihr müsst euch von allem trennen, außer von euren Frauen.“ Von heute auf morgen ließ er Produktpaletten, Fertigungsmethoden und Managementstrukturen komplett ummodeln. Diese Bereitschaft, „auf den Markt zu reagieren“, brachte Samsung große Gewinne und ihm selbst großen Ruhm ein.

Als Kun Hee 1997 feststellen musste, dass seine Mobiltelefone von miserabler Qualität waren, organisierte er eine gigantische Telefonverbrennung. Vor den Augen der fassungslosen Arbeiter gingen 150 000 Geräte in Flammen auf. Die Bilder wurden in alle Fabrikhallen des Konzerns übertragen. Die Botschaft lautete: Pfusch ist nicht mehr wert als ein Haufen Asche. Der Grundsatz „null Fehler“ wurde zum Dogma erhoben, für dessen Einhaltung waren die Arbeiter verantwortlich.

Kim Yong Cheol ist ein renommierter Anwalt, der in der „Zentralgruppe für Reformen“ (Reformation Headquarter Group) arbeitet. Das Allerheiligste des Konzerns wird auch Generalsekretariat genannt. Wie Kim erzählt, riskiert es kein Angestellter, während der bis zu sechs Stunden dauernden Besprechungen mit dem obersten Chef auch nur ein Glas Wasser zu trinken. Auf die Toilette zu gehen ist nämlich nicht gestattet. Keiner spricht ohne Lees Erlaubnis, keine käme auf den Gedanken, den leisesten Zweifel zu äußern. „Es ist wie bei einem Diktator. Er befiehlt, die anderen führen aus.“

Auch die Zulieferer müssen sich bedingungslos fügen. So schildert es ein Kenner der koreanischen Verhältnisse, der Chef eines französischen Unternehmens im Bereich städtische Luxusbehausungen ist, jedoch anonym bleiben möchte: „Um hier zu arbeiten, muss man erwählt werden. Es gibt keine Ausschreibungen. Alles beruht auf Vertrauen. Wenn Sie auserkoren werden, müssen Sie dem Konzern vollkommen ergeben sein, aufs Wort gehorchen. Aber man hat dafür den Vorteil, dass man seine Innovationen vorantreiben kann, allerdings stets unter der Oberaufsicht von Samsung.“

Mit einem anderen Jaebeol zusammenzuarbeiten oder einen Auftrag abzulehnen, ist undenkbar. „Es sind feudale Verhältnisse“, gibt der französische Unternehmer zu. Weniger renommierte Zulieferer müssen hinnehmen, dass sie plötzlich nur noch die Hälfte verdienen oder über Nacht von der Liste der Zulieferer gestrichen werden.

Der Anwalt Yong Cheol hat das System Samsung von innen kennengelernt. Und er ist auf Genauigkeit bedacht. Sieben Jahre und einen Monat stellte er seine Fähigkeiten in den Dienst des großen Mannes und seiner mehr oder weniger legalen Geschäftspraktiken: doppelte Buchführung, schwarze Kassen für die Bestechung von Journalisten und Abgeordneten, Geheimkonten für die Finanzierung privater Hobbys, etwa der von Lees Gattin, die zeitgenössische Kunst liebt. „Ich bin geblieben, bis ich herausfand, dass man auf meinen Namen ein Konto mit einem Guthaben von zig Millionen Won eröffnet hatte.“5

Yong Cheol hat 2005 gekündigt. Zwei Jahre später wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt. Lee Kun Hee bekam wegen Steuerhinterziehung und Untreue eine Gefängnisstrafe von drei Jahren mit Bewährung – um sogleich vom damaligen Präsidenten Lee Myung Bak begnadigt zu werden. Der hatte einmal eine Tochterfirma von Hyundai geleitet. Die derzeitige Präsidentin und Tochter des ehemaligen Diktators Chung Hee, Park Geun Hye, lud Lee im Mai 2013 sogar ein, sie auf ihrer USA-Reise zu begleiten.

Kim Yong Cheol war über das milde Urteil gegen den Boss aller Bosse derart empört, dass er 2010 sein Buch „Samsung denken“ publizierte.6 Darin schildert er minutiös die illegalen Praktiken des Clans und die Korruption bis in die Spitze des Staates. Doch keine der drei großen Zeitungen Koreas (Chosun, Joongang und Donga) war bereit, eine Werbebeilage für das Buch zu akzeptieren. Und natürlich erschien in keiner eine Rezension. Alle sind durch Werbeeinnahmen oder Familienbeziehungen mit Samsung verbunden, gelegentlich muss auch ein Geldkuvert für Journalisten nachhelfen. Nur die Zeitung Hankyoreh durchbrach das Schweigen, allerdings muss sie seither ohne Werbeanzeigen von Samsung auskommen.

Doch das Buch würde über die sozialen Netzwerke bekannt, bis heute sind 200 000 Exemplare verkauft. Das bedeutete für den Anwalt zwar einen schönen Verkaufserfolg, verschaffte ihm aber keinen Job. Er musste in seine Heimatstadt Gwangju zurückehren. In dieser Hochburg der Demokraten fand Kim Yong Cheol, der sich selbst als Konservativen bezeichnet, eine neue Arbeitsstelle. Im Rückblick bedauert er nur eines: „Es hat keine öffentliche Debatte stattgefunden. Samsung hat mein Buch als ‚reine Fiktion‘ bezeichnet.“ Und alles ging weiter wie gehabt.

Ähnliche Erfahrungen hat der Filmemacher Im Sang Soo gemacht. Er drehte 2012 den Spielfilm „Der Geschmack des Geldes“ und verlegte sich damit von vornherein auf die Ebene der Fiktion. In dem Film wird das Gebaren der Jaebeols meisterhaft geschildert: die Korruption, die Arroganz, die Missachtung der Beschäftigten, die Familienfehden, im Extremfall sogar Mord.

Was in Nordkorea die Kims, sind in Südkorea die Lees

Bei einem Gespräch in den Räumen der koreanischen Ausgabe von Le Monde diplomatique erklärt Im Sang Soo: „Die Jaebeols machen aus den Menschen Sklaven. Ich musste ihre Mechanismen entlarven.“7 Dennoch war der Film kein großer Erfolg an den Kinokassen. Die Medien schwiegen ihn tot, die großen Kinos wollten ihn nicht zeigen. Für den Regisseur war die größte Enttäuschung, „dass der Film die Linke nicht interessiert hat, denn sie wagt nicht, diese Festung anzugreifen.“ Für Im Sang Soo gibt es auf der koreanischen Halbinsel zwei einflussreiche Dynastien: „In Nordkorea die Kims und in Südkorea die Lees.“

Angesichts des Schicksals von Roh Hoe Chan scheint diese Aussage nicht übertrieben. Der Abgeordnete der Neuen Progressiven Partei verlor bei den Wahlen im Februar 2013 sein Parlamentsmandat, weil er eine Liste mit Personen veröffentlicht hatte, die von Samsung bestochen worden waren.

Es handelte sich nicht um irgendeine Liste, sondern um eine Liste des Geheimdienstes. Der hatte, aus welchen Gründen auch immer, Gespräche zwischen dem Konzernchef und dem Chef der Zeitung Joongang abgehört. Darin war viel von Geld die Rede, das zum Beispiel an den stellvertretenden Justizminister geflossen war, aber auch an ein, zwei Staatsanwälte, an mehrere Journalisten und an Kandidaten für die Parlamentswahlen.

Als die Sache durchsickerte, forderte Roh Hoe Chan zunächst einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Der kam tatsächlich zustande, tat aber alles, um den Skandal zu vertuschen. Nur der stellvertretende Justizminister musste zurücktreten. Geschützt durch seine Immunität als Abgeordneter, machte Roh Hoe Chan daraufhin die Liste bei einer Pressekonferenz publik und stellte sie auf seine Webseite. Über die Folgen seines Handelns machte er sich keine Illusionen. Der oberste Gerichtshof entschied, dass die Immunität Grenzen habe – und im Internet nicht gelte. Roh Hoe Chan hält das für eine Farce: „Mich hat man verurteilt, aber gegen die Staatsanwälte ist man nicht vorgegangen. Dazu muss man wissen, dass der Sohn des Staatsanwalts, der die Untersuchung leitet, bei Samsung angestellt ist. Der oberste Gerichtshof wollte ein Exempel statuieren. Es ist unglaublich, wie viele ‚Freunde‘ anriefen, um mich davon abzubringen, meinen Kampf weiterzuführen.“ Der unbeugsame Abgeordnete warf das Handtuch.

Auch die Gewerkschaften haben erfahren, was Knebelung bedeutet. Ein Konzernsprecher, Cho Kevin, bestreitet allerdings jede Form von Repression. Da ein Termin mit einem Samsung-Vertreter schwerer zu bekommen ist als mit einem Minister oder einem Abgeordneten, kommt seine Auskunft per E-Mail: „In vielen Einzelbetrieben gibt es Gewerkschaften; der Konzern respektiert das Arbeitsrecht und die ethischen Normen.“ Es stimmt, dass Betriebsgewerkschaften existieren, nicht vertreten ist jedoch der Koreanische Gewerkschaftsdachverband (Korean Confederation of Trade Union, KCTU), dessen Vorläuferorganisation in den 1980er Jahren eine entscheidende Rolle bei der Beendigung der Militärdiktatur spielte.

Wie Professor Cho Dho Moon, Soziologe an der Katholischen Universität von Korea, dokumentiert hat, arbeitet die Konzernführung mit allen Methoden, unter anderem mit Verschleppungen, Drohungen und Erpressung.8 Bis 2011 war im ganzen Konzern nur eine einzige Gewerkschaft zugelassen.

Wer eine neue Gewerkschaft gründen wollte, musste den Antrag bei einer staatlichen Behörde stellen. Und die informierte dann sofort die Chefetage von Samsung, die den Antragsteller einige Tage aus dem Verkehr zog. In dieser Zeit installierte Samsung dann in dem betreffenden Betrieb eine firmeneigene Gewerkschaft.

Seit Januar 2011 ist der gewerkschaftliche Pluralismus zwar anerkannt, aber der Dachverband KCTU gilt nach wie als Feind des Konzerns.

Unsere Gesprächspartner sind sechs Männer mittleren Alters. Alle arbeiten bei Samsung, in der Nähe von Ulsan südöstlich von Seoul. Unser Treffpunkt ist ein traditionelles koreanisches Gasthaus, das inmitten eines Parks an einem See liegt. Der Ort ist viel reizvoller als die Umgebung der Fabriken, in denen sie Akkus für Mobiltelefone, LCD-Bildschirme und Solarmodule herstellen. Aber vor allem ist er sicherer. „Es ist gefährlich, mit einer Journalistin zu sprechen, noch dazu mit einer ausländischen“, sagen die Gewerkschafter. Als Angehörige des KCTU leben sie halb im Untergrund.

Alle sechs sind als „MJ“ eingestuft, für moon jae, was „Problem“ bedeutet. Einer von ihnen erklärt: „In jedem Unternehmensbereich gibt es Personen, die den Auftrag haben, MJs aufzuspüren, unter Druck zu setzen, sie zu kaufen und zu verhindern, dass andere ‚angesteckt‘ werden.“ Ein anderer Kollege ergänzt: „Wenn jemand zufällig einmal abends mit einem MJ ein Bier trinkt, wird er sofort einbestellt und ausgefragt, was er gehört und gesagt hat. Mit einem MJ sollte man nicht einmal in der Kantine am selben Tisch sitzen.“

Privatleben der Arbeiterinnen ist nicht gern gesehen

Und ständig haben sie mit Sanktionen zu rechnen: Nur einer der Gewerkschafter hat seinen Arbeitsplatz am Fließband behalten. Einer wurde in ein Büro versetzt, wo er ganz allein die wohltätigen Aktivitäten des Unternehmens organisiert. Ein anderer wurde einem streng überwachten Versorgungsbetrieb zugewiesen. Die Frage nach der Tätigkeit des Vierten löst großes Gelächter aus: „Nichts, ich mache buchstäblich nichts. Vorher war ich Arbeiter; jetzt sitze ich allein in einem Büro und habe nichts zu tun.“

Der Mann lacht, aber er hat sich in psychiatrische Behandlung begeben. Als der fünfte Kollege der Gewerkschaft beitrat, wollte ihn die Unternehmensleitung für mehrere Monate zu einer „obligatorischen Fortbildung“ nach Malaysia schicken. Er hat sich geweigert und wartet jetzt ab, was mit ihm geschieht. Der Sechste in der Runde wurde vor vier Jahren entlassen. Wiedereinstellung ausgeschlossen.

Solche „Problemfälle“ gibt es auch in Suwon bei Seoul, wo eine der bekanntesten Samsung-Fabriken steht. Hier treffen wir Cho Jang Hee, der zusammen mit drei Kollegen die Frechheit besaß, eine Gewerkschaft unter dem Dach des KCTU zu gründen.

Alle Anläufe vor ihnen waren gescheitert. Manche der angesprochenen Kollegen wurden plötzlich befördert oder bekamen Geld für die Ausbildung ihrer Kinder angeboten. Andere wurden unter Druck gesetzt und knickten ein, berichtet Cho Jang Hee: „Von einem Tag auf den andere wagen die Kollegen nicht mehr, einen anzusehen oder ein Wort zu wechseln. Es gab sogar ‚Fortbildungslektionen‘, in denen die Vorgesetzten uns erklärten, wir seien Ganoven, die das Unternehmen gefährden.“ Cho Jang Hee und seine Kollegen wurden rund um die Uhr überwacht und auf Schritt und Tritt gefilmt. Ihre Telefone wurden abgehört, ihre Angehörigen bedroht. Aber sie ließen sich nicht einschüchtern.

Ihre Möglichkeiten sind jedoch eng begrenzt: Die Gewerkschaft hat 11 „öffentliche“ und 68 heimliche Mitglieder, in einem Betrieb mit 10 000 Beschäftigten. Deshalb sind sie noch weit davon entfernt, in die paritätischen Ausschüsse hineingewählt zu werden, die der Konzern eingerichtet hat, um den Gewerkschaften den Wind aus den Segeln zu nehmen. Diese Ausschüsse bestehen zur Hälfte aus Vertretern der Unternehmensführung und zur anderen Hälfte aus Repräsentanten der Belegschaft, die allerdings „von oben“ für diese Aufgabe empfohlen wurden.

Immerhin ist der Verband KCTU damit erstmals legal bei Samsung vertreten, wenn auch nicht respektiert. Doch die Gründer zahlten dafür einen hohen Preis: Cho Jong Hee wurde entlassen; seine beiden Kollegen wurden für drei Monate beurlaubt und anschließend an verschiedene Orte versetzt.

In Ulsan wie in Suwon räumen die Gewerkschafter ein, für die Vollzeitbeschäftigten seien „die Gehälter in Ordnung“. Aber die Zeitarbeiter bekommen 40 bis 60 Prozent weniger, obwohl sie teilweise die gleiche Arbeit leisten. Zudem beziehen sie keine Bonuszahlungen. Und wenn die Aufträge zurückgehen, landen sie auf der Straße.9

Die direkt bei Samsung oder bei Subunternehmen beschäftigten Zeitarbeiter werden auf 40 bis 50 Prozent der Belegschaft geschätzt (offizielle Zahlen gibt es nicht). Mitarbeiter über 50 Jahre, auch in leitenden Positionen, werden massiv zur Kündigung gedrängt, denn sie kosten zu viel. Aber für alle gilt, dass die Arbeitsbedingungen schwierig, die Arbeitszeiten übermäßig lang und die Belastungen hoch sind.

Auch die Zahl der Arbeitsunfälle ist hoch. Im Januar 2013 starb ein Zeitarbeiter, nachdem in der Fabrik Hwasung in der Nähe von Suwon Fluorwasserstoffsäure entwichen war. Solche Risiken sind beim Anblick des Betriebs nicht zu ahnen. Das kunstvolle Ensemble aus großen, strahlend weißen Würfeln, eleganten Glaskonstruktionen und gepflegten Rasenflächen erinnert an den Campus einer Universität. Lee Kun Hee hat seine „digital city“, die sich über die drei Kommunen Hwasung, Giheung und Onyang erstreckt, aufs Genaueste geplant. Am Rand des Geländes liegen Wohnheime, die für die weiblichen Arbeitskräfte sind größer, weil in der Produktionsstätte für Halbleiter mehr „Operatorinnen“ gebraucht werden. Etwas weiter entfernt liegt das Wohnheim der jungen Männer, die für Instandhaltung und Versorgung zuständig sind.

Die jungen Leute kommen aus dem ganzen Land. Alljährlich gehen die Manager von Samsung auf die Jagd. Sie besuchen die weiterführenden Schulen in der Provinz, um sich neue Kandidaten anzusehen. Die Lehrer haben bereits eine Vorauswahl getroffen, aber stets gibt es mehr Interessenten als Plätze. Samsung genießt einen guten Ruf, und die Gehälter sind relativ hoch. Umgerechnet 2 000 Euro sind für Berufsanfänger ein Vermögen (das Mindesteinkommen liegt in Korea bei 600 Euro). „Weil ich bei Samsung arbeite“, erzählt uns eine Angestellte, „kann ich meine Eltern unterstützen und für meine Hochzeit sparen.“

Doch in den weißen Produktionshallen lösen sich die Träume der jungen Mädchen meist schnell in Luft auf. Von außen wirkt alles sauber und aseptisch. Die „Operatorinnen“ sehen mit ihrer Arbeitskleidung, die den Körper ganz verhüllt, wie Astronautinnen aus. Man könnte auch an eine Hochsicherheitseinrichtung denken. Doch hinter dem futuristischen Ambiente verbergen sich mittelalterliche Arbeitsbedingungen.

Die jungen Frauen arbeiten täglich mindestens zwölf Stunden, danach verlangt das Management die Teilnahme an Wohltätigkeitsaktivitäten, um die Solidarität zu festigen. Und bevor sie endlich ins Bett können, geht es womöglich erneut zurück an den Arbeitsplatz. Und das sechs Tage hintereinander. Am siebten Tag sind sie so müde, dass sie selten nach Hause zu ihren Familien fahren.

„Wir stehen mit Samsung auf, essen mit Samsung, arbeiten bei Samsung, unterhalten uns mit Samsung, schlafen bei Samsung“, beschreibt Kab Soo ihr Leben, dem sie glücklich entronnen ist. Sie hat gespart und dann eine andere, weniger harte Arbeit gefunden.

Natürlich haben die jungen Frauen das Recht, abends auszugehen. „Wir sind hier nicht in China“, meint ein ehemaliger Manager des Konzerns etwas pikiert auf meine Frage. Es werde allerdings nicht gern gesehen, räumt der Mann ein. Und wenn eine Arbeiterin erst nach dem Zapfenstreich (Mitternacht) heimkehrt, bekommt sie eine „rote Karte“, die so lange bestehen bleibt, bis sie sich ausreichend an den betriebsinternen Wohltätigkeitsaktivitäten beteiligt hat.

Die große Belastung sorgt ohnehin dafür, dass disziplinarische Verstöße nur selten vorkommen. Und doch schaffen es die jungen Uniformträgerinnen immer wieder, gegen die Degradierung zu Robotern aufzubegehren. Make-up ist verboten, also kleben sie sich falsche Wimpern an. Die vorgeschriebene Haube muss bis zu den Augen reichen, aber sie schaffen es, sie elegant zu drapieren, erzählt Lee Kyung Hong. Der junge Dokumentarfilmer hat Samsung-Mitarbeiterinnen drei Jahre lang mit der Kamera begleitet hat.10 Allerdings erst nach ihrem Ausscheiden, denn solange sie bei dem Konzern beschäftigt sind, ist es ihnen strikt untersagt, über die Arbeitsbedingungen zu sprechen.

„Man arbeitet immer in Angst“, erinnert sich Kab Soo an ihre Zeit in der „digital city“. Angst, einen Fehler zu machen. Angst, es nicht zu schaffen. Und Angst, krank zu werden. Die Halbleiterfabrik verbraucht große Mengen an hochgefährlichen Chemikalien und arbeitet mit elektromagnetischen Feldern. Die Arbeiterinnen müssen die Leiterplatten sehr schnell in mehrere Bäder tauchen, dürfen keinen Fehler machen, alles ständig kontrollieren.

Auf dem Papier gibt es zwar Sicherheitsvorschriften. Aber in der Fabrik von Hwasung ist zwischen Januar und Mai 2013 zweimal Fluorwasserstoffsäure entwichen, und die Lüftungsanlagen sind nicht immer intakt. Und auch die „Operatorinnen“ selbst schalten häufig die Sicherheitsventile ab, damit sie ihre Arbeit beschleunigen und das vorgegebene Pensum erfüllen können.

Dieses Arbeitstempo halten die meisten nicht länger als vier bis fünf Jahre durch. Anschließend suchen sie sich einen anderen Arbeitsplatz oder kehren zu ihren Eltern zurück und heiraten.11 Manche bezahlen auch mit dem Leben.

Die 22-jährige Hwang Yumi starb 2007, nachdem sie vier Jahre bei Samsung in Giheung gearbeitet hatte. Ihr Vater Hwang Sang Gi erinnert sich an jede Sekunde jener Monate, in denen der Krebs seine Tochter zerfressen hat. Hwang Sang Gi ist zu einer Symbolfigur geworden. Er hat niemals aufgegeben, obwohl er „nicht so gut reden kann wie die Bürokraten von Samsung“, wie er selbst meint, und obwohl er mit Drohungen und Geld zum Schweigen gebracht werden sollte. Er will, dass der Krebs seiner Tochter als Berufskrankheit anerkannt wird. Und zwar nicht nur vom Staat, was bereits geschehen ist, sondern auch von Samsung. Aber der Konzern bestreitet nach wie vor jeden Zusammenhang zwischen dem Krebs und den Arbeitsbedingungen.

Hwang Yumis Vater kämpft auch für die Frauen, die bei Samsung noch sterben werden. Die erste Unterstützung fand er vor Jahren bei der Anwältin Lee Jong Ran. Sie ist noch heute empört, wenn sie über die Schäden spricht, die diese gefährlichen Substanzen verursachen. „Die Hersteller behaupten, alles sei harmlos, aber keiner sagt genau, was verwendet wird. Das sei ‚Produktionsgeheimnis‘. Ein tödliches Geheimnis.“

Die Anwältin hat zusammen mit dem Arzt Kong Jeong Ok und der Organisation Sharps (Supporters for the Health and Rights of People in the Semiconductor Industrie) seit März 2012 über 150 Patienten erfasst, die an Krankheiten wie Leukämie, Brustkrebs und Multiple Sklerose leiden. 137 von ihnen haben bei Samsung gearbeitet. Viele Spezialisten im Konzern kennen diese Berufskrankheiten seit Langem. Aber erst als das tödliche Gas in Hwasung freigesetzt wurde, nahe der Luxusresidenzen rund um Suwon, hat man in den obereren Etagen begonnen, sich Gedanken zu machen und Vorsorgemaßnahmen anzuordnen.

Nach der Untersuchung eines konkreten Falls, die sich über Monate hinzog, wurde der Antrag einer Opferfamilie von der für die Entschädigung der Opfer zuständigen Behörde abgelehnt. In der Gutachterkommission saß auch ein Mediziner, der im Hauptberuf Krankenhausarzt ist – angestellt bei einer Samsung-Klinik.12

Fußnoten: 1 Siehe Laurent Carroué, „Les travailleurs coréens à l’assaut du dragon“, und Jacques Decornoy, „Délicate fin de guerre dans la péninsule de Corée“, beide in: Le Monde diplomatique, Februar 1997 und November 1994. 2 Benjamin Ferran, „Samsung a dépensé 9 milliards en marketing“, Le Figaro, Paris, 14. März 2013. 3 „Global 2000 companies“, Forbes, Mai 2013, abrufbar unter: www.forbes.com/global2000/list/. 4 Präsident Park Chung Hee regierte das Land von 1961 bis 1979. 5 1 000 Won sind umgerechnet etwa 60 Cent. 6 Das Buch ist in keine andere Sprache übersetzt. 7 Das ganze Gespräch ist nachzulesen auf: blog.mondediplo.net. 8 Cho Don Moon, „Die Antigewerkschaftsstrategie von Samsung. Geschichte des Kampfs der Arbeiter für die Gründung einer Gewerkschaft“ (nur auf Koreanisch), 2012. 9 Siehe Jean-Marie Pernot, „Des luttes syndicales pour la démocratie“, Chronique internationale de L’IRES, Nr. 135, Paris, März 2012. 10 „Das Reich der Schande“, Regie: Lee Kyung Hong, Südkorea, 2013 (nur auf Koreanisch). 11 In Südkorea sind nur 53,1 Prozent der Frauen berufstätig; für die OECD-Länder liegt der Anteil im Durchschnitt bei 56,7 Prozent. 12 „South Korean government rejects Samsung victim’s workers compensation based on Samsung doctor’s opinion“, Sharps, 31. Mai 2013: stopsamsung.wordpress.com. Aus dem Französischen von Ursel Schäfer

Der Konzern

Umsatz: 185,1 Milliarden Euro.

Nettogewinn: 13,7 Milliarden.

Beschäftigte: 369 000, davon 40 000 in der Forschung.

Weltmarktanteil bei Mobiltelefonen: 29 Prozent (Apple: 22 Prozent).

Wichtigste Tochterunternehmen: Samsung Electronics (Mobiltelefone, Halbleiter, LCD-Bildschirme, Solarzellen), Samsung Heavy Industries (Schiffbau, Bohrinseln), Samsung Techwin (Sicherheits- und Rüstungstechnik), Samsung Life Insurance (Versicherungen), Everland (Freizeitparks), The Shilla Hotels and Resorts, Samsung Medical Center, Samsung Economic Research Institute.

Wichtigste Standorte im Ausland: China (Fertigung von Mobiltelefonen), Malaysia, Vietnam, Indien, Ukraine, Polen, USA.

Quellen: Offizieller Geschäftsbericht von Samsung (2012), IDC Worldwide Mobile Tracker 2012.

Familie Lee

Wie kann die Familie Lee, die lediglich 3 Prozent des Kapitals besitzt, einen Konzern kontrollieren, dessen Umsatz ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts der Republik Korea ausmacht? Um diese Frage zu beantworten, nimmt sich Professor Kim Sang Jo, Ökonom an der Hansung-Universität in Seoul und Präsident der Vereinigung für Wirtschaftsreform,1 drei Stunden Zeit. Sein Befund lässt sich in zwei Stichworten zusammenfassen: Verschleierung von Bilanzen und unklare Beteiligungsverhältnisse.

Es gibt das Gerücht, Samsung sei im Besitz ausländischer Pensionsfonds. Aber für Kim Sang Jo ist am wahrscheinlichsten, „dass die Familie Lee in Steuerparadiesen Offshore-Gesellschaften besitzt“. Alle von uns befragten Spezialisten nehmen an, dass hinter einem Teil der ausländischen Anteilseigner in Wahrheit die Familie steckt, aber niemand kennt die genaue Größenordnung. Und die Regierung zeigt sich nicht neugierig.

„Viele Kleinaktionäre sind Strohmänner“, bestätigt Kim Sang Jo. „Auch bei Tochterfirmen wie Samsung Life Insurance lassen sich Gelder verstecken.“ Das Vermögen des heutigen Samsung-Chefs Lee Kun Hee schätzt er auf 30 Milliarden Dollar, mehr als das Doppelte der offiziellen Zahl. Aufschlussreich ist, dass Kun Hees Bruder Lee Maeng Hee und seine Schwester Lee Sook Hee gegen ihn prozessieren. Ihr Vorwurf lautet, er habe das Erbe ihres Vaters zu gering veranschlagt. Das Verfahren läuft noch.

Der Konzern wird durch ein System zirkulärer Beteiligungen kontrolliert: A kontrolliert B, und B kontrolliert C, das wiederum A kontrolliert. Jason Chung, Gründer der Website chaebul.com, die als koreanisches Gegenstück zum US-Wirtschaftsmagazin Forbes gilt, geht davon aus, dass die entscheidenden Player drei große Tochtergesellschaften sind: Samsung Everland, eine Art Holding, in der die Freizeitparks zusammengefasst sind, Samsung Life Insurance und Samsung Electronics.

Der gesamte Konzern wird überwölbt durch eine extrem zentralisierte und autoritäre Unternehmensführung. Nach außen wird sie durch Lee Kun Hee vertreten, doch hinter den Kulissen regiert die zuweilen als Generalsekretariat bezeichnete „Zentralgruppe für Reformen“ (Reformation Headquarter Group, RGH). Für Kim Sang Jo hält diese aus rund 100 Personen bestehende Mannschaft die wahre Macht in den Händen, zumindest seit Lee Kun Hee Ende der 1990er Jahre mit seinem Versuch gescheitert ist, den Konzern durch Einstieg in die Automobilbranche weiter zu diversifizieren. Nach der Krise 1997 entschied die RGH, dass man sich auf das Kerngeschäft konzentrieren werde, insbesondere die Elektronik. Die strategische Entscheidung, auf diesem Gebiet die Qualität zu verbessern und Innovationen vorantreiben – auch durch den Einkauf ausländischer Forscher –, hat sich als Erfolg erwiesen.

Mittlerweile hat Lee Kun Hee die Zügel wieder in der Hand. Aber Kun Hee ist inzwischen 71 Jahre alt. Er hat bereits seinen 46-jährigen Sohn Lee Jea Yong, gegenwärtig Chef der Elektroniksparte, zu seinem Nachfolger gekürt. Jea Yong ist jedoch geschieden, ein erheblicher Makel in Korea. Und er ist bislang auch noch nicht durch besondere Leistungen aufgefallen. Als größte Konkurrentin gilt seine Schwester Boojin, die Everland und die Chemiesparte des Konzerns leitet.

Ein Risikofaktor ist auch, dass fast 80 Prozent der Konzerngewinne von der Elektroniksparte erwirtschaftet werden: Eine schlechte Produktentscheidung wie bei Nokia oder ein Strategiefehler wie bei Sony könnte den ganzen Konzern ins Wanken bringen.

Die Jaebeols und insbesondere Samsung haben eine derartige Macht erlangt, „dass kein Politiker sich ihr bisher entziehen konnte“, betont Kim Sang Jo. Aber es ist nicht sicher, dass das so bleiben wird. Die (innere) „Demokratisierung der Jaebeols“, die die südkoranische Präsidentin Park Geun Hye versprochen hat, steht bislang nur auf dem Papier, aber ein Teil der Aktionäre, besonders der ausländischen, rebelliert bereits. Sie stören sich vor allem daran, dass das neofeudale Verhältnis zu den kleinen und mittleren Unternehmen häufig Innovationen verhindert.

Kim Sang Jo glaubt, dass „Unternehmen wie Google oder Microsoft hier nicht existieren könnten“. Und Jason Chung geht davon aus, dass der soziale und politische Protest, der heute noch sehr begrenzt ausfällt, mit der wachsenden Ungleichheit im Land zunehmen wird. 2012 besaß 1 Prozent der Bevölkerung 65 Prozent des Volksvermögens, 1990 hatten die Superreichen erst 40 Prozent.

Fußnote: 1 Die von Ökonomen und Juristen dominierte Organisation setzt sich für eine strukturelle Reform der koreanischen Wirtschaft und die Begrenzung der Macht der Jaebeols ein.

Le Monde diplomatique vom 12.07.2013, von Martine Bulard