Macht der Südsee
Australien will mehr Einfluss in der Region von Olivier Zajec
Auf den üblichen Weltkarten erscheint Australien wie eine Fußnote in der unteren rechten Ecke – entspricht das seiner Position im aktuellen geopolitischen Kontext? „Down Under“, wie die Australier ihr Land angesichts seiner Kartenposition ironisch nennen, ruft auch bei den Experten für internationale Beziehungen bestenfalls höfliches Interesse hervor. Australien ist keine Atommacht, es gehört weder zur Nato noch zum Verband südostasiatischer Nationen Asean1 oder zur Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), und es zählt auch nicht zu den aufstrebenden BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) – ist es also gar keine geopolitische Macht?
Der sechstgrößte Staat der Erde zählt seit langem zu den fünfzehn reichsten Ländern der Welt, weist den dritthöchsten Index menschlicher Entwicklung auf (der Human Development Index (HDI) wird jährlich vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) herausgegeben) und verfügt über einen voll ausgerüsteten und funktionsfähigen Verteidigungsapparat. Auch wenn es nur 26 Millionen Einwohner hat, ist Australien ein Schwergewicht in der Pazifikregion. Während US-Präsident Barack Obama im März zur 70-Jahr-Feier der amerikanisch-australischen Beziehungen in Canberra erwartet wird, hat die inneraustralische Debatte über die nationale Sicherheit eine Menge Fragen aufgeworfen, die mit den Machtverschiebungen im asiatisch-pazifischen Raum zusammenhängen.
Die größte Herausforderung für Kevin Rudd, Premierminister von der Australian Labor Party (ALP), der das Land seit etwa zwei Jahren regiert, besteht auch Anfang 2010 immer noch darin, sich von den einschneidenden Entscheidungen seines konservativen Vorgängers John Howard (1996–2007) zu distanzieren. Howard hatte die Eigenständigkeit der australischen Außenpolitik untergraben und sein Land mehr denn je zu einer einfachen Schaltstelle des US-amerikanischen Einflusses gemacht. Mitten in der allgemeinen Euphorie nach dem Erfolg der von Australien geleiteten UN-Friedenstruppe in Osttimor 1999 hatte Howard die Nachbarländer mit der Ankündigung schockiert, sein Land sei künftig bereit, den Hilfssheriff im Pazifikraum zu spielen, für den er den USA eine legitime Rolle als Ordnungsmacht zusprach.
Zu diesem Image trugen auch die Bündnistreue Australiens im Irakkrieg von 2003 und Howards Zustimmung zu Bushs Doktrin der sogenannten Präemptivschläge nach den Attentaten von Bali im Oktober 20022 bei. Das proamerikanische Bekenntnis zog sofort offizielle Proteste der Nachbarstaaten Indonesien, Philippinen, Malaysia und Thailand nach sich, die allesamt Verteidigungsabkommen mit Canberra abgeschlossen haben. Australiens Bereitschaft zur Intervention in seiner unmittelbaren Interessensphäre kam für diese Länder allerdings nicht wirklich überraschend: Die Entsendung von 1 500 Soldaten auf die Salomon-Inseln im Jahre 20033 und einer Hundertschaft ins Königreich Tonga 2006 sind nur die jüngsten Beispiele4 für australische Interventionen im Namen der „regionalen Stabilisierung“.
Fabrice Argounès, Experte für den Pazifikraum und Verfasser des einzigen französischen Handbuchs zur Geopolitik Australiens,5 hat richtig festgestellt:
Die explosive Mischung aus strukturellem Interventionismus und einer undiplomatischen Diktion nach dem Vorbild der US-Administration unter Bush – so wurden Nachbarstaaten wie Papua-Neuguinea willkürlich als „gescheiterte Staaten“ eingestuft – hat das überhebliche Image Australiens verstärkt, wie zahlreiche Äußerungen von Politikern aus der Region belegen: So stellte der philippinische Verteidigungsminister Roilo Golez im Jahre 2002 unumwunden fest: „Howards Haltung ist offen arrogant.“ Manasseh Sogavare, Premierminister der Salomon-Inseln, bezeichnete Canberra 2006 sogar als „Schrecken der Region und arrogante Nation“, und Michael Somare, Premierminister von Papua-Neuguinea, polterte: „Ich finde, das ist typisch für die Arroganz des Westens und seiner Regierungen, unsere Region auf diese Art und Weise zu behandeln.“6
Howards Haltung, die daheim von den einflussreichen konservativen Thinktanks, wie dem Institute of Public Affairs und dem Center for Independant Studies, und der aggressiven Stimmungsmache in Rupert Murdochs Presseimperium gestützt wurde, sorgte gewissermaßen für eine Neuauflage der der Politik der Vorwärtsverteidigung aus den 1970er-Jahren, die ausschließlich auf das „bandwagoning“ (Mitläufertum) mit den USA gesetzt hatte. Heute könnte man sich allerdings fragen, ob die Howard-Ära nicht nur eine Fußnote der Geschichte und die antiterroristische Hysterie nicht vielmehr imitiert als echt war.
Die Geografie bestimmt in hohem Maße die Politik, und keine „Präemptivdoktrin“ vermag das geostrategische Paradoxon zu lösen, in dem sich Canberra gefangen sieht. Auch wenn Australien im südpazifischen Raum – der vor allem kleine Inselstaaten umfasst, die Anschluss an die Entwicklung suchen – ökonomisch, kulturell und politisch die Supermacht bleibt, spielt es im Nordpazifik, den Mächte wie China, Japan, die USA oder Russland dominieren, bestenfalls eine Statistenrolle.
Das vordringlichste Interesse Canberras müsste also darin liegen, an den Aufbruch vor über 40 Jahren anzuknüpfen und eine eigenständigere Außenpolitik zu entwickeln, die geschickter als bisher die gewachsene Machtbalance in Asien berücksichtigt: Der australische Außenhandel findet zu 60 Prozent mit Asien statt, und schon 2007 wurde China noch vor Japan wichtigster Wirtschaftspartner Australiens.
Endlich Mitglied im Ostasiengipfel
Ob mit oder ohne Atlantismus, die Zukunft Australiens wird von diesen asiatischen Realitäten bestimmt. Selbst John Howard hatte das begriffen. Als erster australischer Regierungschef nahm er 2004 an einer Asean-Tagung teil, um die Grundlagen für ein Freihandelsabkommen zu schaffen. Im selben Jahr ließ er Peking über seinen Außenminister Alexander Downer ausrichten, und das war ganz schön heikel angesichts der Abkommen mit Washington,7 dass sich Australien im Falle eines Konflikts mit Taiwan nicht „automatisch“ betroffen fühle. 2005 wurde Australien nach vielen Diskussionen und trotz der Ablehnung mancher Länder wie Malaysia Mitglied im neuen Ostasiengipfel East Asia Summit (EAS), einer aus der Asean hervorgegangenen erweiterten Staatenrunde, die auch Japan, China und Südkorea einschließt.
Diese neue Asienstrategie unterstützt auch Kevin Rudd, mit dem wichtigen Unterschied, dass seine wesentlich sachlichere außenpolitische Diktion von einer multilateral orientierten Politikauffassung geprägt ist. Während Howard die Klimaerwärmung einfach leugnete, unterzeichnete Rudd endlich das Kioto-Protokoll, und zwar symbolträchtig am 3. Dezember 2007, dem Tag seiner Amtseinführung. Der Premierminister ließ auch die 2 000 australischen Soldaten aus dem Irak abziehen und bekam dafür Applaus von den muslimischen Nachbarstaaten Malaysia und Indonesien. Im Jahr 2008 wurden außerdem die Einschränkungen für die Einwanderung aus Asien gelockert; im Februar desselben Jahres entschuldigte sich Rudd feierlich im Namen Australiens für die historischen Vergehen an den Aborigines. All diese Entscheidungen wurden in Asien unterschiedslos begrüßt.
Auch die Beziehungen zu China zeugen augenscheinlich vom Willen zu Normalisierung und einem gegenseitigen Verständnis. Premierminister Rudd, ein ehemaliger Diplomat, ist der einzige westliche Regierungschef, der fließend Mandarin spricht – für seine Gespräche mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao benötigt er keinen Übersetzer. Ein weiteres bedeutendes Zeichen: Von dem sogenannten quadrilateralen Dialog, der während der Bush-Ära erfunden wurde, um Indien, Japan, die USA und Australien in einer antichinesischen Front zu vereinen (was natürlich nicht laut ausgesprochen werden durfte), ist heute nicht mehr die Rede.
Langfristig verfolgt Canberra ein doppeltes Ziel: Das Bündnis mit den USA soll in seinen Grundzügen zwar fortbestehen, aber in abgemilderter Form. Denn Australien strebt dafür eine stärkere Beteiligung an den sich gerade erneuernden Regionalforen an. Das kühle Verhältnis zu den asiatischen Nachbarn unter Howards Regierung entsprach der US-amerikanischen „Vernachlässigung“ der Pazifikregion unter der Bush-Administration. Heute ergänzen sich Obamas außenpolitischer Kurs und Rudds Vorstellungen. Ihr übereinstimmendes Fazit lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Der asiatisch-pazifische Raum bestimmt die geopolitische Machtbalance im 21. Jahrhundert.
Um ihren Einfluss in der Region zu wahren, müssen sich die USA noch stärker Asien zuwenden und damit den Forderungen einiger ihrer Bündnispartner nachkommen – wie Singapur oder die Philippinen, die sich dem allmählichen Erstarken Chinas gegenübersehen. Australien bietet sich an, diese Neuausrichtung zu unterstützen, und kann dafür auf wichtige Argumente verweisen. Die staatliche australische Hilfs- und Entwicklungsorganisation AusAid unterstützt die Region schon seit langem mit Programmen, die über mehrere Jahre angelegt sind, wie dem „Greater Mekong Subregion“-Plan, der von 2007 bis 2011 Projekte zur Infrastruktur, Bildung und Wasserwirtschaft in Kambodscha, Vietnam oder Laos finanziert.8
Dieser Ausgleich ist jedoch mit Bedacht anzugehen. Einige der jüngsten australischen Initiativen konkurrieren nämlich mit multilateralen Organisationen in Asien, die immer besser funktionieren. Zu Australiens jüngster Initiative gehört zum Beispiel die „Asia Pacific Community 2020“, die Kevin Rudd erstmals im Juni 2008 bei einer Rede vor der Asia Society in Sydney vorstellte. Im Weißbuch des Verteidigungsministeriums vom Mai 20099 taucht sie erneut auf: Bis zum Jahr 2020 soll nach Rudds Plan die regionale Gemeinschaft im asiatisch-pazifischen Raum für die folgenden großen Themen gemeinsame Konzepte entwickeln: Freihandel, Terrorbekämpfung, Zusammenarbeit in Sicherheits- und energiepolitischen Fragen sowie bei Naturkatastrophen und Epidemien.
Das Ziel bleibt relativ vage, und bislang hat sich noch kein regionaler Partner dieser Initiative angeschlossen. Außerdem könnte sie dem von Malaysia ins Leben gerufenen Ostasiengipfel (EAS) in die Quere kommen, zumal Malaysia es Australien bis heute übelnimmt, dieses Projekt so lange ignoriert zu haben. Doch die Schwierigkeiten, die mit der Neuausrichtung der australischen Außenpolitik zusammenhängen, reichen viel weiter als die bilateralen Querelen mit einigen leicht verletzbaren Partnern.
Aus der Perspektive der asiatischen Staaten kann man dieses geopolitische Ufo, ein im Pazifik zurückgelassenes „Stückchen Westen“ namens Australien, auf zweierlei Weise betrachten: Einerseits ist klar, dass manche Länder Australien brauchen, und sei es nur als Gegengewicht zur Vormachtstellung Chinas: Dazu gehören die Philippinen, Taiwan und Vietnam (die alle ihre Beziehungen zu Canberra vertiefen). Andererseits kritisieren manche Nachbarstaaten wie Papua-Neuguinea gern den moralisierenden Interventionismus der „Aussies“.
Natürliche Partner und kritische Nachbarn
Indonesien, das Canberra seine dominierende Rolle in Osttimor immer noch nicht verziehen hat, aber Bündnispartner braucht, steht in der Mitte. Doch es ist sehr wahrscheinlich, dass keines dieser Länder, ob natürlicher Bündnispartner oder kritischer Nachbar, die Vision vom „asiatischen Australien“ für mehr als bloße Rhetorik hält. Selbst wenn sie heute vom Diplomaten Kevin Rudd anstelle des Raubeins John Howard vorgebracht wird.
Es stellt sich die Frage, ob diese Länder tatsächlich Unrecht haben, wenn sie nicht an „Australasien“ glauben. Das aktuelle Weißbuch des Verteidigungsministeriums beharrt jedenfalls wie all die Jahrgänge zuvor darauf, dass das Anzus-Sicherheitsabkommen zwischen Australien, Neuseeland und den USA von 1951 der Grundstein für die nationale Sicherheitspolitik10 ist – und nicht eine multilaterale regionale Einbindung: „Die Regierung ist überzeugt davon, dass die strategische Stabilität in der Region am besten durch eine fortbestehende Präsenz der USA und ihr Netz von Bündnispartnern wie Japan, die Republik Korea, Indien und Australien garantiert wird.“ Dieser ungeschminkten Darstellung der US-amerikanischen Allianzen in Fernost wird in demselben Dokument die rasante Aufrüstung großer Teile Ostasiens, vor allem Chinas, gegenübergestellt.
So fiel das Treffen Kevin Rudds mit dem neuen chinesischen Generalstabschef, General Chen Bingde, im Oktober 2009 zwar zur beiderseitigen diplomatischen Zufriedenheit aus. Dabei kam allerdings ein für Australien immens wichtiges Thema gar nicht zur Sprache: Chinas Aufrüstung, in die jährlich schätzungsweise mehr als 60 Milliarden Dollar investiert werden und die Canberra bisher immer als „intransparent“ bezeichnet hat. Auch das australische Weißbuch hält an dieser Einschätzung fest: „… Tempo, Ausmaß und Struktur der militärischen Modernisierung könnten Chinas Nachbarstaaten beunruhigen, wenn es keine Begründungen dafür gibt.“
Hinzu kommt Chinas „aggressive“ Handelspolitik, über die sich inzwischen auch die australische Wirtschaft beklagt. Nach der Öffnung im Bergbau und Energiesektor in den letzten Jahren trifft die Regierung jetzt Maßnahmen zum Schutz von Rohstoffvorkommen (vor allem der begehrten Erze) und lässt die chinesischen Investitionen in dieser Branche genau beobachten. Die folgende Entscheidung ist nur die jüngste Episode in einer Reihe von Unstimmigkeiten, die zwischen Peking und dem angloaustralischen Bergbaugiganten Rio Tinto herrschen: Im vergangenen Jahr hat Rio Tinto eine Erhöhung der Beteiligung des chinesischen Aluminiumherstellers Chinalco von 9 auf 20 Prozent endgültig abgelehnt.
Abgesehen von einer klügeren Regionalpolitik will die Regierung Rudd das Netz der US-amerikanischen Bündnisse zum „containment“ (Eindämmung) Chinas in keiner Weise schwächen. Natürlich unterstützt Rudd auch Obamas Vorschläge, die Nukleararsenale weltweit zu verringern, und akzeptiert gleichfalls die Empfehlung der Internationalen Kommission zur atomaren Nichtverbreitung und Abrüstung (ICNND). Danach sollen die USA bis zum Jahre 2025 nicht mehr als 500 Atomsprengköpfe besitzen und auf die Erstschlagsdoktrin verzichten.
Doch Rudd scheint in der Strategiediskussion in seinem Land, die von den konservativen Thinktanks dominiert wird, auf eher einsamem Posten zu stehen. Im Dezember 2009 schrieb Andrew Shearer, einflussreicher Leitartikler und Forschungsdirektor am Lowy Institute, im Traditionsblatt The Australian (das auch von der Murdoch-Gruppe herausgegeben wird): „Heute wird es immer wichtiger, von US-amerikanischer Seite am Prinzip der atomaren Abschreckung festzuhalten, gerade weil Asien und China sich daranmachen, ihren Rückstand auf konventionellem Gebiet auszugleichen. Dies muss eine Priorität der Obama-Administration bleiben.“
Aus Washingtons Perspektive sollte Australien mehr denn je als südliches Bollwerk der Linie Canberra–Jakarta–Manila–Taipeh–Tokio bestehen bleiben, um Chinas ehrgeizige Vorstöße auf die Weltmeere zu beobachten.11 Diese Verbindung soll noch stärkeren Zusammenhalt gewinnen. An der früher eher informellen Beziehung zwischen Tokio und Canberra wurde schon gearbeitet: Im März 2007 unterzeichneten der ehemalige japanische Premierminister Shinzo Abe und John Howard die „Gemeinsame Erklärung zur Sicherheitszusammenarbeit“, und Ende 2008 trafen sich die Verteidigungs- und Außenminister beider Länder, um eine bilaterale Vereinbarung zur Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen (Memorandum on Defence Cooperation) abzuschließen: Jährliche gemeinsame Manöver in den Bereichen Terrorismusabwehr, Katastrophenhilfe, Friedenssicherung und maritime Sicherheit sollen echte Partnerstrukturen zwischen den japanischen „Selbstverteidigungsstreitkräften“ und der australischen Armee schaffen; dazu gehört ausdrücklich auch die Zusammenarbeit mit den US-amerikanischen Streitkräften des pazifischen Regionalkommandos (USPACOM).
Im Anschluss an den Lombok-Vertrag – ein im Jahr 2008 von Jakarta und Canberra ratifiziertes bilaterales Sicherheitsabkommen – unterzeichneten der australische Generalstabschef und sein indonesischer Amtskollege im Januar 2009 ebenfalls eine „Gemeinsame Erklärung zur Sicherheitszusammenarbeit“. Über dieser Erneuerung der Bündnisse zwischen den zentralen „Bausteinen“ der US-amerikanischen Allianz im asiatisch-pazifischen Raum, die viel Aufmerksamkeit hervorgerufen hat, geriet die Vorgeschichte der regionalen Militärzusammenarbeit der Australian Defense Force (ADF) nahezu in Vergessenheit (siehe Kasten).
Wie auch immer die Reden der Rudd-Administration lauten mögen, in Wahrheit kann man sich darauf verlassen, dass sich der australische Sicherheitskonsens nicht ändern wird. Natürlich werden die Diskussionen über den australischen Beitrag zum Afghanistan-Einsatz immer schärfer, und der neue Verteidigungsminister John Faulkner hat offiziell erklärt, er hoffe auf einen möglichst schnellen Rückzug seiner 1 500 Soldaten. Aber das ist sowieso nur eine Frage der Zeit, und da der US-amerikanische Rückzug schon geplant ist, würde der australische auch kein Aufsehen mehr erregen.
Canberra und Washington oder die Unzertrennlichen? Am 13. Februar 2010 fasste der konservative Leitartikler Greg Sheridan vom Australian das Dilemma folgendermaßen zusammen: „Nur die Vereinigten Staaten können den Sicherheitsrahmen bieten, der Stabilität in Asien geschaffen und die Sicherheit Australiens in den letzten Jahrzehnten garantiert hat. Keine andere Macht ist dazu in der Lage, weder der Größe nach noch politisch oder moralisch, und China kommt sowieso nicht in Frage.“12
Tatsächlich, und das offenbart sich sowohl in der Kritik der radikalen Linken13 als auch im Selbstlob der konservativen Opposition, hat die australische Labor-Partei außer einer im Grunde genommen nur schwachen kulturellen und diplomatischen Neuausrichtung in Asien keinerlei Visionen von einer alternativen Sicherheitspolitik.
Aus dem Französischen von Sabine Jainski
Olivier Zajec ist Berater der Compagnie Européenne d’Intelligence Stratégique (CEIS), einer privaten Consultingfirma mit Sitz in Paris und Brüssel.