09.04.2010

Der Preis der Bombe

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Der Preis der Bombe

Sagt ein Richter, Anwalt oder Polizeibeamter zu einem Beschuldigten: „Das kommt Sie teuer zu stehen“, dann ist natürlich nicht von einem Kaufpreis die Rede, sondern von einem negativen Wert (dem Freiheitsentzug), den das Gesetz für ein Verbrechen oder Vergehen vorsieht. Hier ist der Wert der Freiheit gemeint, die bekanntlich unbezahlbar ist. Atomwaffen sollen das Überleben eines Staates sichern – dass das viel Geld kostet, gilt als ein akzeptabler Preis für ein unendlich wertvolles Gut. Genau diese Behauptung widerlegt Ben Cramer in seiner kleinen Abhandlung „Nuclear Weapons: At What Cost?“.1

Atomwaffen verursachen Kosten, die in Euro und Cent kaum zu beziffern sind: physische und moralische, auch politische und soziale Folgen, denen positive und negative Werte zugemessen werden können, die man also auch gegeneinander abwägen kann. Cramer macht eine Schadensliste auf: Umweltschäden, Beschädigung der Demokratie, Schädigung der körperlichen (und geistigen) Gesundheit der Bürger, Beeinträchtigung der internationalen Zusammenarbeit – und nicht zuletzt die Gefährdung unserer Grundwerte.

Mit Blick auf die aktuelle Krisenlage muss der Sinn der nuklearen Arsenale, die noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen, auch unter strategischen Gesichtspunkten neu bewertet werden. Seit dem Ende der Sowjetunion hat die Friedenssicherung durch „Abschreckung“ ihren Sinn verloren. Die Rüstungsspirale mag tatsächlich zur Verhinderung eines Dritten Weltkriegs beigetragen haben, aber heute bedrohen die Nuklearwaffen auf groteske und tragische Weise die schwächsten Staaten: Von einem „Gleichgewicht des Schreckens“ kann nicht mehr die Rede sein.

Grotesk ist dieses Szenario, weil ein Atomangriff auch unabsehbare Folgen für die Umwelt hätte – jeder noch so präzis geführte Atomschlag erzeugt eine radioaktive Wolke, deren Ausbreitung kaum kalkulierbar ist. Die Tragik besteht darin, dass inzwischen auch wieder der „Erstschlag“ mit diesen Waffen erwogen wird. Allein die Einsatzbereitschaft der weltweit stationierten Atomwaffen sicherzustellen, kostete die USA in den Jahren 2007 und 2008 145 Millionen Dollar pro Tag, in Russland wurden dafür 18 Millionen aufgebracht, in China 12,4, in Frankreich 12,3, in Indien 8,4 und in Israel 4,2 Millionen. Das alles spricht gegen diese Waffengattung, meint Cramer. Die Kosten einer Abrüstung wären in der Gesamtbilanz hingegen unerheblich. Alain Joxe

Fußnoten: 1 Ben Cramer, „Nuclear Weapons: At What Cost?“, Genf (Bureau international de la paix) 2009.

Le Monde diplomatique vom 09.04.2010, von Alain Joxe