Verordnete Versöhnung
Die algerische Regierung will einen Schlussstrich ziehen unter ein Jahrzehnt der Gewalt – sie hat sich die Amnestie der Täter und den Maulkorb für die Angehörigen der Opfer per Referendum absegnen lassen von Lahouari Addi
Der mörderische Konflikt zwischen dem algerischen Militär und den Islamisten ist beendet. Zwar gibt es im Landesinnern hin und wieder noch immer Anschläge, doch die Armee ist Sieger geblieben, nachdem sie alle Mittel eingesetzt hat, um ihre Gegner zu vernichten.
Am 29. September 2005 wurde in Algerien das Referendum über die „Charta für den Frieden und die nationale Aussöhnung“ abgehalten, mit dem die Regierung einen Schlussstrich unter dieses Kapitel ziehen wollte. Zur Umsetzung des Aussöhnungsplans, der mit großer Mehrheit angenommenen wurde, sollen die Erlasse vom 28. Februar 2006 beitragen. Sie regeln zum einen die finanzielle Entschädigung von Angehörigen der Opfer auf beiden Seiten und bieten zum anderen eine Amnestie für Angehörige der Sicherheitskräfte, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, und für Mitglieder bewaffneter Gruppen, die an Terrorakten beteiligt waren.
Diese Erlasse sind die abschließende Antwort des Regimes auf die Forderungen nach Wahrheit und Gerechtigkeit, die von den Familien der Verschwundenen wie von Menschenrechtsorganisationen erhoben werden. Doch die während des zehnjährigen Bürgerkriegs verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind nicht durch juristische Spiegelfechterei oder eine Volksabstimmung aus der Welt zu schaffen. Bereits am 1. März stellten amnesty international, Human Rights Watch, das International Center for Transitional Justice (ICTJ) und die Fédération internationale des ligues de droits de l’homme (FIDH) in einer gemeinsamen Erklärung fest: „Ein Referendum wie das vom 29. September 2005 darf nicht dazu dienen, dass eine Regierung sich durch nationale Gesetzgebung internationalen Verpflichtungen entzieht.“ Nach Meinung dieser Organisationen verletzen die Regelungen zur „nationalen Aussöhnung“ in mehreren Punkten internationale Abkommen, die Algerien unterzeichnet hat.
Die Algerische Menschenrechtsliga (LADDH) formulierte es am 7. März noch schärfer: „Verbrechen gegen die Menschlichkeit […] verjähren nicht und können auch nicht durch Amnestie oder Beendigung der Verfahren getilgt werden. […] Die staatlichen Verfügungen zum Abschluss der Fälle sind also null und nichtig, soweit sie mit der Verfassung und mit universellen Rechtsgütern unvereinbar sind, die auch in Algerien gelten und einklagbar sind.“
Mit juristischen Mitteln will das Regime auch die vielen Initiativen der Familien der Verschwundenen zum Schweigen bringen: Sie gelten seit dem 28. Februar als aufgelöst. Der einschlägige Paragraf verbietet bei Strafe „alle schriftlichen Erklärungen oder anderen Einlassungen, die die Wunden der nationalen Tragödie nutzen oder instrumentalisieren, um den Staat zu schwächen, seine Institutionen anzugreifen und die Ehre seiner Vertreter zu verletzen […] oder dem internationalen Ansehen Algeriens zu schaden“.
Die Öffentlichkeit reagierte auf die neuen Bestimmungen eher indifferent. Doch gesprächsweise kann man sehr unterschiedliche Meinungen hören. Viele Algerier wollen die Kriegsgräuel endlich vergessen, andere meinen, das Leid der Opfer und ihrer Familien dürfe nicht unter den Teppich gekehrt werden und lasse sich nicht mit Geld kompensieren. In den staatlich kontrollierten Medien ist natürlich nur der Wunsch nach Vergessen zu hören. Nur einzelne Kommentatoren unabhängiger Tageszeitungen äußern Zweifel am Kurs der Regierung. In El Watan gab Adlène Mehdi auf dezente Weise zu bedenken, dass Paragraf 46 des Erlasses vom 28. Februar mit Artikel 36 der Verfassung, der die Meinungsfreiheit garantiert, nicht zu vereinbaren sei.1
Wäre Algerien ein Rechtsstaat, müsste der Verfassungsrat die neuen Verordnungen für null und nichtig erklären, und die Organisationen der Angehörigen von Verschwundenen hätten weiterhin das Recht, zu protestieren.
Die Generäle an der Spitze des algerischen Geheimdienstes DRS fürchten die Menschenrechtsorganisationen und den Druck, den sie über internationale Institutionen ausüben können. Darum wollen sie Nachforschungen über die Verbrechen in den diversen Folterzentren von vornherein erschweren. Der gewöhnlich gut informierte Informationsdienst Nord-Sud/Risques internationaux berichtet, dass der DRS seit Februar 2006 vor allem aus dem berüchtigten Centre territorial de recherche et d’investigation in Blida seine Leute abziehe. Gerade diese Einrichtung hatten alle NGOs in den Jahren des „schmutzigen Krieges“ als Zentrum für Folter und außergerichtliche Hinrichtungen bezeichnet. Nach Aussagen des desertierten Geheimdienstlers Abdelkader Tigha war in Blida auch die Entführung der sieben französischen Trappistenmönche von Tibéhirine im März 1996 geplant worden.
Nord-Sud verweist darauf, dass die neuen Bestimmungen nur Algeriern, nicht aber Ausländern untersagen, gerichtlich gegen Geheimdienstmitarbeiter vorzugehen. Angehörige von Pater Christophe Lebreton, einem der ermordeten Mönche, hatten bereits Ende 2003 in Paris Strafanzeige erstattet. Das im Februar 2004 aufgenommene Ermittlungsverfahren könnte also zum Verhör von Offizieren führen, die in Blida Dienst taten.
Ein Prozess würde die offizielle Version einiger der zwischen 1994 und 1997 verübten Massaker in Frage stellen und die NGOs in der Forderung nach einem UN-Sondertribunal (wie für Exjugoslawien und Ruanda) bestärken.2 Nicht zuletzt um das zu verhindern, setzt Algerien auf seine Rolle als privileged partner der USA im Kampf gegen den Terrorismus. Auch die Beziehungen zu Russland werden ausgebaut. Kürzlich hat das Regime für 3,7 Milliarden Dollar russische Militärflugzeuge gekauft. Und mit Frankreich wird ein Freundschaftsvertrag vorbereitet, der auch einige inoffizielle Absprachen enthalten wird.
Der Kampf gegen die Islamisten hat die Armee geschwächt, weil sie ihren Rückhalt in der Bevölkerung eingebüßt hat. Seit 14 Jahren wird keine einzige Militärparade mehr veranstaltet, Soldaten zeigen sich im Urlaub nicht mehr in Uniform. Der bewaffnete Islamismus ist zwar besiegt, aber der islamische Neofundamentalismus hat an Einfluss gewonnen.3 In den Städten verbreitet sich ein bigotter Islamismus, der schon an der Kleidung und am Verhalten vieler Jugendlicher zu erkennen ist. Er ist freilich weniger aggressiv als zu Beginn der 1990er-Jahre und geht heute mit einer allgegenwärtigen „Basarmentalität“ einher: Noch in der kleinsten Gasse wird gehandelt, was der Markt hergibt, von Damenunterwäsche bis zum neuesten Handymodell. Und die Staatsführung spricht längst nicht mehr von Sozialismus oder sozialer Gerechtigkeit. Heute ist Wirtschaftsliberalismus oder vielmehr Merkantilismus angesagt. Das ganze Land denkt nur noch ans Geschäft.
In Oran hat sich ein ganzes Stadtviertel in einen Suk unter freiem Himmel verwandelt. Die Massen drängen sich auf Straßen und Bürgersteigen, man kann Produkte jeder Art kaufen, vorwiegend Importware aus Südostasien. Im trabendo, in der Schattenwirtschaft, finden tausende von Jugendlichen ein Auskommen.
Auch die Islamisten haben die Zeichen der Zeit erkannt und sich aufs Business verlegt. Gern verweisen sie darauf, dass auch der Prophet ein Kaufmann gewesen sei und seinen Anhängern geraten habe, alle erlaubten Mittel der Bereicherung zu nutzen.4
Vor allem Jugendlichen bieten solche Geschäfte, ob legal oder illegal, einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit. Die liegt nach Angaben der Regierung bei 13 Prozent, wird aber von Louisa Hanoune, einer Abgeordneten der Arbeiterpartei, auf 30 Prozent beziffert. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und des Weltwährungsfonds (IWF) lag sie 2000 bei 29,5, 2003 bei 23,7 und 2004 bei 17,7 Prozent.
Die Staatsführung ermutigt Jugendliche zur Selbstständigkeit und hält die Banken an, Geschäftsideen von Unternehmern unter 30 bei der Kreditvergabe zu bevorzugen. Eine durchdachte Wirtschaftspolitik ist das nicht: Zumeist dient das Geld dazu, eine Pizzeria oder ein Internetcafé aufzumachen.
Die Politikverdrossenheit nimmt zu. Die Algerier jammern über die Teuerung und die Gewalt in den Städten, glauben inzwischen aber längst nicht mehr, dass Wahlen oder ein bewaffneter Kampf etwas daran ändern würden. „Man kann alles kaufen, nur kann man es nicht bezahlen“, meint ein pensionierter Beamter: „Ich kann froh sein, dass zwei meiner Kinder gute Geschäfte machen und mir helfen, über die Runden zu kommen.“
Der miserable Wechselkurs des Dinar (1 Euro entspricht etwa 100 Dinar) bedeutet vor allem für Leute mit festem Einkommen (Arbeiter, Angestellte und Beamte) einen drastischen Kaufkraftverlust. Ein Gymnasiallehrer verdient umgerechnet 160 Euro im Monat, ein Universitätsprofessor 500 Euro – wenn er noch nebenbei unterrichtet.
Kein Wunder, dass neue, autonome Gewerkschaften entstanden sind. Die Einheitsgewerkschaft UGTA gilt seit langem als Instrument der Staatsführung. Die neuen Verbände fordern die Anhebung der Löhne auf das Niveau der Nachbarländer Tunesien und Marokko.
„Es kann doch nicht angehen, dass ein Lehrer in Marokko fünfmal so viel verdient wie ein Lehrer in Algerien, obwohl das algerische Bruttosozialprodukt das Zehnfache des marokkanischen beträgt“, meint ein Vertreter der Lehrergewerkschaft CNES, die trotz ihrer Stärke nicht offiziell anerkannt ist. „Wir werden harte Verhandlungen führen, schon weil vielen unserer Mitglieder das Gehalt nicht mal bis zur Hälfte des Monats reicht. Ich spreche gar nicht von Büchern, die sind längst zum Luxus geworden. Wir brauchen Gehaltserhöhungen, damit wir zu essen haben und unsere Kinder versorgen können.“
Banken als Zahlstellen der öffentlichen Hand
Die algerische Regierung hat Verständnis für diese Forderungen, fürchtet aber, dass jedes Nachgeben auch die anderen Beamten begehrlich machen würde. Andererseits muss sie die Polizei und andere Sicherheitskräfte bei Laune halten. Deren Gehälter sollen durch eine Sonderregelung erhöht werden, die für andere Staatsdiener nicht gilt. Danach würde ein Polizist mehr verdienen als ein Krankenhausarzt oder ein Universitätsprofessor.
Ali Laskri, Vorsitzender des Front des forces socialistes (FFS), findet deutliche Worte: „Das Regime versucht jetzt, seine Gegner nicht nur durch Gewaltmaßnahmen auszuschalten, sondern auch durch einen Haufen politischer Marionetten. Doch die Gehaltsforderungen sind für sie wirklich eine Bedrohung. An der sozialen Front droht eine Explosion. Immer wieder fragen uns Gewerkschaftsaktivisten um Rat. An ihren Klagen lässt sich ablesen, wie weit die Verarmung der Mittelschicht, etwa der Lehrer, schon fortgeschritten ist.“
Von 1988 bis 2000 war die Kaufkraft des Dinar rapide erodiert. Das erlaubte es der Regierung jedoch, den Staatshaushalt auf Kosten der ohnehin verarmten Bevölkerung zu sanieren.
Mit dem Anstieg der Ölpreise entstand eine neue Schicht von Geschäftemachern, deren Einnahmen vor allem aus zwei Quellen stammten: aus dem Import von Waren aus Südostasien und aus der Spekulation mit Grundstücken in Stadtrandgebieten, die vom Staat spottbillig erworben und zu Wucherpreisen weiterverkauft wurden.
Diese neue Schicht, die über gute Verbindungen zu den geheimen Zirkeln der Macht verfügt, hatte auch begriffen, dass die algerischen Banken lediglich als „Zahlstellen der öffentlichen Hand“ fungieren.5 Von ihnen konnte man sich mit staatlichem Segen das nötige Kapital beschaffen. Die auf diese Weise entstandenen enormen Privatvermögen flossen anschließend zu einem guten Teil auf Konten in Europa.
Am 15. Januar 2006 erschien die Wirtschaftszeitung El Watan – Economie mit der Schlagzeile „Öffentliche Gelder – die Anarchie!“. Obwohl das Blatt wie alle Medien angehalten ist, nur über Symptome zu berichten und über die Ursachen zu schweigen, fand der Leitartikler Akli Rezouali deutliche Worte: „Unterschlagungen, Misswirtschaft, unsinnige öffentliche Ausgaben – seit Jahren leidet unsere Volkswirtschaft unter diesen Missständen. Die staatlichen Stellen verwalten das öffentliche Geld, das ja ein gemeinschaftliches Gut ist, auf völlig undurchsichtige Weise.“
Die neuen Milliardäre wurden mit dem anhaltenden Ölboom immer gieriger. Und sie hatten den Staatsbediensteten in Polizei, Geheimdienst oder den Kommunalverwaltungen einiges zu bieten – bestochen wird schließlich in Euro, nicht in Dinar.6
Unter den Neureichen gibt es auch etliche Islamisten, deren „apolitische“ Haltung dem Regime sehr gelegen kommt. Ein Journalist aus Oran erläutert: „Inzwischen sind diese Milliardäre ein bedeutender Machtfaktor. Sie haben entscheidenden Einfluss auf die staatliche Verwaltung. Das bekam zum Beispiel der frühere Wali (Präfekt) von Oran, Abdelkader Zoukh, zu spüren, als er sich mit einem dieser Männer anlegte. Im August 2005 wurde er ins Landesinnere versetzt.“
In der Stadt hält man immer noch große Stücke auf den ehemaligen Leiter der Stadtverwaltung. „Er hat versucht, hier aufzuräumen, und die Straßen und Bürgersteige instand setzen lassen“, meint ein Taxifahrer. „Aber Bouteflika und die Mafia in seiner Umgebung halten nichts von ehrlichen Beamten. Dennoch haben wir ihn zweimal gewählt, in Oran bekam er besonders viele Stimmen, aber am Ende waren wir die Dummen: Bouteflika hat sich den Bodenspekulanten gebeugt und den einzigen Wali strafversetzt, mit dem wir hier je einverstanden waren.“
Als der Staatspräsident im November 2005 überraschend erkrankte und mit Verdacht auf Magenkrebs in ein Pariser Krankenhaus eingeliefert wurde, musste sich die Militärführung etwas einfallen lassen. Zum ersten Mal seit 1998 hielten die Generäle eine geheime Sitzung ab, um über einen Nachfolger zu beraten.7
Der Geheimdienst als neues Machtzentrum
Eine marokkanische Zeitung berichtete, die aussichtsreichsten Kandidaten seien General Mohamed Médiène (genannt Tewfik) und sein Stellvertreter, General Smain Lamari.8 Wenn das stimmt, würde dies heißen, dass der Generalstab an Einfluss verloren hat – zugunsten des Geheimdienstes DRS, der eigentlich nur eine Unterabteilung des Militärs ist. Im Zuge der Professionalisierung des Generalstabs, die sich viele jüngere, nach der Revolution rekrutierte Generäle wünschen, zeichnet sich eine „Entpolitisierung“ des Generalstabs ab. Profitieren würde davon der Geheimdienst, der zum politischen Machtzentrum in Armee und Staatsführung aufsteigen würde.
Ali Yahya-Abdennour, Mitbegründer und bis 2005 auch Präsident der Menschenrechtsliga LADDH, glaubt, dass der Geheimdienst nie mächtiger war als während der zweiten Amtszeit von Präsident Bouteflika: „Inzwischen wagen weder Bouteflika noch die Generäle, sich gegen den DRS zu stellen. Sechs oder sieben Minister, darunter der Ministerpräsident, sind DRS-Leute. In jedem Ministerium gibt es einen Oberst, der den Minister und seine Mitarbeiter überwacht. Der Staatspräsident hat keine Kontrolle über dieses System, das die staatlichen Institutionen lähmt und entmachtet. An der Spitze des Staates steht nicht mehr Bouteflika, sondern General Médiène. Bei den jungen Leuten in Algier heißt Bouteflika inzwischen der Taiwan-Präsident – in Anspielung auf die gefälschten Markenprodukte aus Südostasien. Eine solche Fälschung ist in ihren Augen auch der Staatspräsident.“
Manche Beobachter halten die Nachfolgefrage für noch nicht entschieden, doch der Geheimdienst habe sich für Lakhdar Brahimi entschieden, den ehemaligen Außenminister und UN-Sonderbeauftragten in Afghanistan und Irak. An der Spitze des DRS fürchtet man tatsächlich, die Anschuldigungen der NGOs könnten zu Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor internationalen Gerichten führen.9 Doch Brahimi findet nicht ungeteilte Zustimmung. Einige Leute, die sich in der Personalszene auskennen, halten andere für besser geeignet, Algerien in einen Rechtsstaat zu überführen.
In diesem Zusammenhang taucht häufig der Name Mouloud Hamrouche auf. Der war von 1989 bis 1991 algerischer Ministerpräsident und setzte damals eine Reihe politischer und wirtschaftlicher Reformen durch. Hamrouche ist überzeugt, dass es ein „neues Bewusstsein“ gibt, aus dem ein neues Zutrauen in die staatlichen Institutionen entsteht: „Das Land verfügt über große Ressourcen, gut ausgebildete Fachkräfte und eine dynamische Jugend – was uns fehlt, ist ein klares Programm, vor allem der Aufbau eines Rechtsstaats, damit der Ruf der staatlichen Autorität wiederhergestellt und die Würde jedes einzelnen Bürgers garantiert wird.“
Was die nationale Versöhnung und die Forderungen nach Wahrheit und Gerechtigkeit angeht, hält sich Hamrouche bedeckt: „Unsere nationale Tragödie hat tausende Familien ins Unglück gestürzt, nicht nur unter der Zivilbevölkerung, sondern auch bei den Sicherheitskräften. Ich glaube, dass wir die Zukunft so gestalten müssen, dass sich eine solche Tragödie nie wiederholt. Was geschehen ist, hat auch bei der Armee Spuren hinterlassen. Man darf nicht meinen, das Leid der Familien, die von diesem Drama betroffen wurden, habe sie unberührt gelassen.“
Hocine Zahouane, seit November 2005 Präsident der Menschenrechtsliga LADDH, drückt sich weniger vorsichtig aus: „Die Ursachen dieses blutigen Konflikts bestehen weiter. Hier muss man ansetzen, um zu verhindern, dass solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die tausende von Familien ins Unglück gestürzt und unser Land in Misskredit gebracht haben, sich nicht wiederholen. Wir brauchen eine wirklich unabhängige Justiz, die Verfahren gegen die Leute einleitet, die für das Foltern und das Verschwinden von Menschen verantwortlich sind – auch wenn der Präsident dann einige Täter amnestieren wird. Nur so wird sich der algerische Staat international wie im eigenen Land wieder Achtung verschaffen können.“