Südafrika 2010
Kap der bangen Hoffnung von Moeletsi Mbeki und Johann Rossouw
Am 11. Juni beginnt in Johannesburg die Fußballweltmeisterschaft. Gastgeber Südafrika hat vor, sich der Welt von seiner besten Seite zu zeigen. Doch das letzte Jahr vor dem großen Ereignis ist – selbst für südafrikanische Verhältnisse – ausgesprochen tumultuös verlaufen. Noch nie seit dem Ende der Apartheid-Ära 1994 hat es in den Städten so viele Proteste gegen die schlechte öffentliche Versorgung und die korrupten Lokalverwaltungen gegeben. Auch der Ton der politischen Auseinandersetzungen ist schärfer geworden.
Der brutale Mord an dem ultrarechten weißen Politiker Eugène Terre’Blanche am 3. April hat das alte Gespenst des Rassenkonflikts zu neuem Leben erweckt – und das, obwohl die Tat der beiden jungen schwarzen Landarbeiter, denen Terre’Blanche den Lohn verweigert hatte, nicht politisch motiviert war. Weiter aufgeheizt wurde die schon angespannte Atmosphäre durch Julius Malema, den 29-jährigen Chef der ANC-Jugendliga, der es mit seinen unverfroren populistischen Auftritten und den alten Kampfliedern („Bringt die Buren um, sie sind Vergewaltiger“) schaffte, zum populärsten Politiker des Landes zu werden.
Die Welt schätzte Südafrika bisher vor allem als das Land, in dem die Rassentrennung mit friedlichen Mitteln abgeschafft wurde. Für diese Politik der Aussöhnung hatte sich Nelson Mandela, Südafrikas erster schwarzer Präsident von 1994 bis 1999, stets eingesetzt. Er verkörpert geradezu das Ideal der jungen „Regenbogen-Nation“, deren gegenwärtige Lage aber nicht nur das Ausland verstört. Immer mehr Südafrikaner sind ernsthaft um die Zukunft ihres Landes besorgt. Das gilt besonders für die ältere weiße und die neuere schwarze Mittelschicht, denn in diesen Kreisen lebt und arbeitet man heute mit einer Selbstverständlichkeit zusammen, die früher undenkbar gewesen wäre.
Fraglos befindet sich Südafrika seit nunmehr 16 Jahren in einem kritischen Zustand. Es gibt einige Anzeichen dafür, dass das Land wie etliche schwarzafrikanische Länder nach dem Ende der Kolonialherrschaft in das altbekannte Muster aus Staatsversagen, Korruption und Armut verfallen könnte. Doch es gibt ebenso viel Anlass zur Hoffnung. Vielleicht wird Südafrika jetzt tatsächlich meistern, was im Grunde seit hundert Jahren seine große Herausforderung ist, nämlich ihren Pluralismus anzunehmen und sich von ethnischen Nationalismen zu befreien.
Südafrika ist in seiner Staatlichkeit, seiner Wirtschaft und Gesellschaftsordnung im Wesentlichen das Resultat aus europäischer Kolonisierung und verschiedenen Formen des Widerstands.
Zwei historische Schlüsseldaten sind die Jahre 1652 und 1806. Mitte des 17. Jahrhunderts landeten drei Schiffe der niederländischen Vereinigten Ostindien-Kompanie (VOC) unter dem Kommando von Jan van Riebeeck in der Tafelbucht. An diesem strategisch günstigen Ort in der Mitte der Reiseroute zwischen den Niederlanden und seinen Kolonien im Fernen Osten errichtete die VOC eine Versorgungsstation für ihre Schiffe. 1806 brachte Großbritannien die Kapkolonie, die heutigen Provinzen Northern, Western und Eastern Cape, sowie KwaZulu-Natal unter seine Kontrolle.
Diese historischen Marker prägen Südafrika bis heute. Nach wie vor erfüllt das Land eine wirtschaftliche Brückenfunktion zwischen dem Westen und dem aufsteigenden Osten. Hier begann man einst, den großen Bedarf an Arbeitern durch den Import schwarzer Sklaven zu decken, deren Nachkommen bis heute das Heer der billigen Arbeitskräfte stellen, ohne die Südafrikas Wirtschaft zusammenbrechen würde und deren ärmliche Lebensbedingungen für soziale Spannungen sorgen.
Die damals weltweit größte Seemacht Großbritannien hielt an dieser Praxis nicht nur fest, sie förderte sie auch maßgeblich. Zusätzlich zu dem strategischen Marineposten am Kap der Guten Hoffnung baute sie die Häfen von Durban und Richard’s Bay aus, der heute einer der größten Häfen der Welt ist. Doch es war vor allem der Einsatz billiger schwarzer Arbeitskräfte, von den Briten in ihre imperiale Strategie des Teilens und Herrschens integriert, der Südafrikas Wirtschaft maßgeblich geprägt hat. Als in den 1860er- und 1870er-Jahren Gold und Diamanten entdeckt wurden, hatte das eine erste große Industrialisierungswelle zur Folge. Billige Arbeitskräfte plus britisches Kapital plus britische Zivil- und Militärtechnik: Dieses lukrative Geschäftsmodell stellte sicher, dass Schwarze vom Miteigentum an modernen Produktionsmitteln fast vollständig und dauerhaft ausgeschlossen blieben.
Die britische Kolonialverwaltung diente insofern als Modell für den späteren südafrikanischen Staat, als eine kleine Minderheit dafür sorgte, dass die meisten Reichtümer Südafrikas nach Großbritannien „auswanderten“. Vier der fünf ältesten Universitäten von Südafrika – University of Capetown, Wits University in Johannesburg, University of KwaZulu-Natal in Durban und Rhodes University in Grahamstown – wurden für die angelsächsische weiße Minderheit im Land gegründet. Über diese Hochschulen und eine Reihe von Privatschulen in denselben Städten sicherte sich die weiße Minderheit ihre ökonomische, kulturelle und sprachliche Vorherrschaft. Das funktionierte ganz ähnlich wie die von Pierre Bourdieu und Jean-Claude Passeron in „Die Illusion der Chancengleichheit“ (1971) beschriebene Elitenbildung und -reproduktion an französischen Hochschulen.
Auf welche Weise das Land im Dienst einer Minderheit stand und seine Bodenschätze im wahrsten Sinne des Wortes enteignet wurden, spiegelt sich auch in der Verkehrs- und Kommunikationspolitik der britischen Kolonialherren wider: 1863 wurde die erste südafrikanische Eisenbahnlinie gebaut, und 1935 entstanden im Auftrag des britisch dominierten Staates Union of South Africa (Südafrikanische Union 1910–1961) 15 Bundesstraßen. Dieses Schienen- und Straßennetz erfüllte zwei Funktionen: Die weiße Mittel- und Oberschicht war mobil, und der Transport der Arbeitskräfte, Rohstoffe und Industriegüter zwischen den Produktionsorten und den Hauptwohngebieten der weißen Bevölkerung – bis heute sind das Kapstadt, Pretoria-Johannesburg, Durban-Pietermaritzburg, Port Elizabeth und Bloemfontein – wurde erleichtert. Darin spiegelt sich die gesellschaftliche Asymmetrie: Mehr Bewegungsfreiheit für die Weißen, mehr Belastung für die schwarzen Wanderarbeiter.
In der Presse (seit den 1820er-Jahren), im Radio (seit den 1920er-Jahren) und im Fernsehen (seit den 1970er-Jahren) dominierte bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die Weltsicht der weißen Mittelschicht. Von ihren Anfängen bis heute befanden sich die Medien entweder in den Händen großer Unternehmen oder des Staats. Als Foren echter demokratischer Meinungsbildung konnten sie kaum dienen.
Selbstverständlich nahmen die einheimischen Bevölkerungsgruppen Südafrikas diese Entwicklung nicht einfach hin. Der Widerstand der Buren und der afrikanischen Nationalisten formierte sich, als Großbritannien zwischen 1850 und 1900 versuchte, die europäische Moderne nach Südafrika zu exportieren. Dabei waren die ersten Nationalisten unter den gebildeten Schwarzen – wie später die meisten prominenten ANC-Mitglieder – in britischen Missionsschulen in der heutigen Provinz Eastern Cape ausgebildet worden. Für sie war das Englische die Sprache des Fortschritts – mit der Folge, dass die anderen afrikanischen Muttersprachen vernachlässigt wurden.
Erst der burische, dann der afrikanische Nationalismus
Der Ausschluss der Schwarzen von ökonomischem Besitz und der Verlust des kulturellen Gedächtnisses seit dem 19. Jahrhundert in Verbindung mit der Idealisierung des europäischen Lebensstils sind vielleicht die stichhaltigsten Erklärungen dafür, dass nach Einführung der Demokratie 1994 die ANC-Funktionäre und ihre schwarzen Unternehmerfreunde sich so ausschweifend in den Konsum stürzten und so kläglich daran scheiterten, die wirtschaftliche Produktion unter der schwarzen Bevölkerung in Gang zu bringen.
Auch für die burischen Nationalisten waren die Folgen der britischen Kolonialverwaltung weitreichend: Der Schulunterricht und vor allem die Predigten in den Kirchen der Kapkolonie sollten nur noch auf Englisch abgehalten werden. Das schürte unter gebildeten Buren und besonders unter ihren Geistlichen die Angst vor der kulturellen Assimilation. Als Reaktion auf den Anpassungsdruck gründete die holländisch-reformierte Kirche in den 1860er- und 1870er-Jahren die damalige Universität Stellenbosch und die ersten „christlich-nationalen“ Schulen. Aus diesen Institutionen ging später nicht nur die erste Generation nationalistisch gesinnter burischer Intellektueller hervor. Sie haben auch maßgeblich zur Bewahrung des kulturellen Gedächtnisses der Buren beigetragen.
Im Zweiten Burenkrieg von 1899 bis 1902 ging es im Wesentlichen um die britische Kontrolle über den Erzreichtum der burischen Südafrikanischen Republik (Afrikaans: Zuid-Afrikaanse Republiek, ZAR), ein Gebiet, das heute die Provinzen Gauteng, Mpumalanga, Limpopo und North-West umfasst. Den Briten wurde schnell klar, dass sie, um die wirtschaftliche Kontrolle in ihrer Kolonie zu behalten, die burische Bevölkerung in ihr Herrschaftssystem integrieren mussten. So kam es, dass die Buren und ihre Nachfahren, die heutigen Afrikaander, vom ökonomischen Besitz niemals ausgeschlossen und so gut etabliert waren, dass es ihnen auch nach 1994 gelang, ihre politische Entmachtung durch gute Bildungseinrichtungen, den leidenschaftlichen Einsatz für die eigene Kultur und wirtschaftliche Stärke zu kompensieren, auch wenn nach 1994 die Armut in dieser Bevölkerungsgruppe zugenommen hat – unter den 2,5 Millionen Afrikaandern sind etwa 300 000 als arm zu bezeichnen.
Nach der ersten demokratischen Wahl, bei der Nelson Mandela Präsident von Südafrika wurde, hatte das Land gute Aussichten auf einen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel. Mandelas Regierungsstil war vorbildlich, der allgemeine Wille zur Bewältigung der Probleme so groß wie nie zuvor und der öffentliche Dienst noch verhältnismäßig gut ausgestattet.
Doch der Mangel an qualifiziertem schwarzen Personal (ein Erbe der Apartheid), unternehmerische Unerfahrenheit und der vor allem unter den zurückgekehrten Exilanten verbreitete schwarze Rassismus gegen Weiße haben leider dazu geführt, dass sich in dem vom ANC regierten Einparteienstaat seit den späten 1990er-Jahren – bis zu Thabo Mbekis verfassungswidriger Entfernung aus dem Präsidentenamt im September 2007 – ein umfassendes System der Patronage durchgesetzt hat. Der Abstand zwischen Reich und Arm wurde immer größer, und gleichzeitig wurde der öffentliche Dienst mehr und mehr geschwächt. So war es zum Beispiel keine besonders nützliche Maßnahme, nach 1995 mehr als 120 000 weiße Beamte in die Frührente zu schicken.
Fast zehn Jahre lang investierte der Staat nichts in den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur. Die Folge ist eine chronisch mangelhafte Stromversorgung, ein kaum vorhandenes öffentliches Verkehrswesen, heruntergewirtschaftete öffentliche Krankenhäuser und – vielleicht am schlimmsten – heruntergekommene schwarze Schulen. Aufgrund ihrer traditionell engen Bindung an das Englische setzte die ANC-Elite ihre Kontrolle über den Staat auf Kosten der schwarzen Mehrheit durch. Seit dem Ende der Apartheid hat der ANC beispielsweise nichts für den Aufbau von Grundschulen mit muttersprachlichem Unterricht getan, obwohl das mit dem nötigen politischen Willen auf regionaler Ebene leicht durchführbar gewesen wäre. Denn in jeder der neu geschaffenen neun Provinzen existieren zwei oder drei zahlenmäßig starke Sprachgruppen.
Ende 2009 wurde deutlich, dass die beiden maßgeblichen Gruppen des Landes die Geduld mit dem ANC verlieren: die enttäuschten, arbeitslosen schwarzen Jugendlichen in den Townships – fast ein Drittel der Bevölkerung des Landes sind unter 15 Jahre alt und nur 5 Prozent sind über 65 – und die Großindustrie.
Südafrikas Firmen florierten von Mitte der 1970er- bis Mitte der 1990er-Jahre. Unternehmer und Manager spielten eine entscheidende Rolle beim Übergang von der Herrschaft des burischen Nationalismus zu jener des schwarzafrikanischen Nationalismus, der Demokratie, wenn man so will. In diesen zwei Jahrzehnten überredeten südafrikanische Wirtschaftsführer die damals regierende National Party mit Geduld und mithilfe aller möglichen Druckmittel zur Aufgabe ihrer weißen Vorherrschaft. Zugleich überzeugten sie auch die Anführer der schwarzen Widerstandsbewegung, besonders die United Democratic Front, den Congress of South African Trade Unions, den ANC und sogar die südafrikanische KP, an dem kapitalistischen System festzuhalten, das die Industriekapitäne gemeinsam mit der britischen Kolonialverwaltung zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschaffen hatten.
Unter dem Druck der Konzerne schwenkte die ANC-Regierung von einer Politik des sozialen Wandels auf eine unternehmerfreundliche Linie um und beschloss im Jahr 1996 die neoliberale sogenannte Gear-Strategie für Wachstum, Beschäftigung und Umverteilung (Growth, Employment and Redistribution)1 – ironischerweise gerade dann, als die großen südafrikanischen Firmen ihre Zentralen nach London zu verlegen und Kapital aus dem Land abzuziehen begannen.
Wirtschaft und Politik im diskreten Dialog
Hauptgrund für die Kapitalflucht war zum einen das fehlende Vertrauen in die Fähigkeit der alten ANC-Garde, ihre Nachfolger auf Linie zu bringen. Ein zweiter, vielleicht wichtigerer Grund war, dass einige einflussreiche Unternehmer nicht daran glaubten, dass die langfristige Überlebensstrategie des ANC – Konsum für die Elite und staatliche Wohlfahrt für die Massen – dem Land auch langfristig Stabilität bringen würde.
Die Befürchtung bestätigte sich, als Ende 2009 Julius Malema die politische Bühne betrat und seitdem unangefochten als Stimme der zornigen jungen Schwarzen gilt, die arbeitslos sind und nach Ansicht prominenter schwarzer Intellektueller und Unternehmer heute noch schlechter ausgebildet als zu Zeiten der Apartheid.
Dabei sind gerade die abgewanderten Unternehmen für die heutige Entwicklung mitverantwortlich. Anstatt zur Stabilisierung Südafrikas beizutragen und damit eigentlich auch zu ihrem eigenen Besten und dem ihrer Angestellten und Manager, haben sie genau das Gegenteil getan und der Politik zu verstehen gegeben, dass ihnen an ihren südafrikanischen Vermögenswerten nicht mehr viel gelegen sei. Einige Konzerne, etwa Billiton und Old Mutual, hatten da ihre besten Zeiten allerdings auch schon hinter sich.
Inzwischen beginnt sich das Blatt wieder zu wenden, und andere Stimmen gewinnen die Oberhand, wie die von Bobby Godsell, dem Vorsitzenden des einflussreichen Unternehmerverbands Business Leadership South Africa, der im Dezember 2009 verkündete, man werde in Zukunft nicht mehr nur einen diskreten Dialog mit der Regierung führen, sondern sich auch öffentlich und kritisch zur Bildung, Gesundheitsvorsorge und Energiefragen äußern. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf die Einsicht der südafrikanischen Industrie, dass weder die Verlegung der Firmenzentralen noch die „stille Diplomatie“ langfristig in ihrem Interesse sein können. Es besteht Grund zur Hoffnung, dass sich die südafrikanische Wirtschaft demnächst deutlicher zu ihrer zivilgesellschaftlichen Verantwortung bekennen wird. Am 30. April 2010 ließ sich Godsell jedenfalls von Präsident Zuma in das Nationale Planungskomitee (NPC) berufen.
Weiße Südafrikaner, insbesondere Afrikaander, engagieren sich in letzter Zeit vermehrt in Bürgerinitiativen gegen den Verfall des öffentlichen Sektors. Die Gewerkschaft Solidariteit, die schon 120 000 Mitglieder zählt, führt nicht nur Tarifverhandlungen, sondern kümmert sich auch um Berufsausbildungen und die Armutsbekämpfung. Ihr Bürgerrechtsableger Afriforum hat sich seit 1998 mit der Treatment Action Campaign für einen allgemeinen Zugang zu Aidstherapien großen Respekt erworben.
Außerdem wollen die Afrikaander, die einen großen Teil der 5,6 Millionen Steuerzahler im Land stellen, nicht länger tatenlos zusehen, wie aus einem unternehmerischen ein „nehmerischer“ Staat wird („tenderpreneurism“). Afrikaander in mehr als 280 ländlichen Gemeinden haben sich in den letzten zwei Jahren zum Nationalen Verband der Steuerzahler (NRU) zusammengeschlossen. Seitdem zahlen die Mitglieder ihre Gemeindesteuern in Fonds ein, statt sie dem Staat zu überweisen. So sind neben den öffentlichen gewissermaßen privat finanzierte Dienstleistungen entstanden, die aber der gesamten Kommune zugutekommen. Es heißt, dass es in diesen Gemeinden viel weniger gewalttätige Proteste der Schwarzen gibt als anderswo. Für den ANC ist dieser „Steuerboykott“ natürlich der reinste Albtraum, weil er ihr althergebrachtes Patronage- und Wohlfahrtssystem aus den Angeln hebt, das 14 Millionen Bedürftige versorgt.
Nach dem relativ großen Erfolg der Oppositionspartei Congress of the People (Cope) unter Führung ehemaliger prominenter ANC-Politiker bei den Wahlen im vergangenen Jahr mehren sich nun auch Hinweise, dass demnächst Parteienbündnisse jenseits von schwarzer oder weißer Politik zustande kommen könnten. Die Democratic Alliance, die Cope und andere, kleinere Parteien verhandeln seit einigen Monaten über gemeinsame Wahllisten für die Kommunalwahlen 2011. Falls dieses Bündnis zustande kommen sollte, bestünde eine echte Chance für eine Alternative zum ANC und dessen sklerotischem Missmanagement.
Wenn Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Parteien ihre Kräfte bündeln, wie schon bei der Abschaffung der Apartheid, gelingt es vielleicht auch, die hundertjährige Erfahrung der spaltenden Nationalismen zu überwinden. Doch dazu bedarf es einer langfristigen Vision für Wirtschaft und Gesellschaft und für die kulturelle und sprachliche Vielfalt des Landes. Außerdem muss die Verwaltung unbedingt reformiert werden – bevor der Zorn der leidenden schwarzen Mehrheit und die Frustration der Minderheiten im Land überhandnehmen.
Aus dem Englischen von Herwig Engelmann
Moeletsi Mbeki ist Unternehmer und politischer Kommentator. Johann Rossouw ist Philosoph und Autor von Büchern auf Afrikaans.
© Le Monde diplomatique, Berlin