Süße Plackerei
Ecuador exportiert mehr Bananen als jedes andere Land der Welt. Auf den Plantagen des größten Produzenten sind die Arbeiter nahezu rechtlos von Philippe Revelli
Auf den fruchtbaren Böden am Fuße der ecuadorianischen Anden reiht sich beiderseits der Straße zwischen Santo Domingo und Machala eine Bananenplantage an die andere. Schilder mit den Namen der Haciendas – „Maria Elisa“, „La Julia“, „Norma Gisela“ – und die Buden der bewaffneten Wachposten markieren die Einfahrt. Von Zeit zu Zeit ein Kleinflugzeug, das, dicht über dem Boden fliegend, eine weiße Wolke aus Pestiziden hinter sich herzieht.
Mit einer durchschnittlichen Ausfuhrmenge von 4,3 Millionen Tonnen in den vergangenen fünf Jahren ist Ecuador das führende Bananenexportland (Weltmarktanteil: 25 Prozent). Die Bemühungen der USA, ein Freihandelsabkommen mit Ecuador auszuhandeln, haben dort zu Protesten und der Forderung nach einem Referendum über den Vertrag geführt. Vor allem die Kleinbauern fürchten um ihre Existenz. Im März musste die Regierung den Notstand ausrufen.
Auf den Bananenplantagen Ecuadors haben die Beschäftigten bereits die Folgen der Globalisierung in aller Härte zu spüren bekommen. Die Anbaufläche des Landes liegt bei 180 000 Hektar, 250 000 Ecuadorianer oder 14 Prozent der Erwerbsbevölkerung sind direkt oder indirekt mit Anbau und Export der Bananen beschäftigt. Im Unterschied zu den anderen Erzeugerländern von Dollarbananen1 , in denen die drei Bananen-Multis Dole, Chiquita und Del Monte eigene Plantagen besitzen, stammen die ecuadorianischen Früchte im Wesentlichen von rund 6 000 nationalen Erzeugern.
Dole, weltweit Nummer eins der Agrobranche, hat viele dieser Erzeuger unter Vertrag und zeichnet für ungefähr ein Viertel des ecuadorianischen Bananenexports verantwortlich.2 Mehr schafft nur das Unternehmen „Bananera Noboa“, das knapp die Hälfte der Landeserzeugung unter dem Markennamen „Bonita“ exportiert. Die Firma gehört Álvaro Noboa, einem der reichsten Männer Lateinamerikas, der bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober kandidieren wird. Für die kleinen und mittelständischen Erzeuger ist Bananera Noboa ein rotes Tuch: „Alles Banditen!“, meint Gustavo Pesantez, Präsident des Bananenerzeugerverbands von Los Rios (Aproban): „Sie wollen uns gerichtlich zwingen, unsere Erzeugnisse an sie zu verkaufen, und drohen, uns unsere Felder wegzunehmen.“
Enrique Feijoo, Eigentümer einer 30-Hektar-Plantage, berichtet: „Mein Vertrag mit Noboa sah für meine Früchte einen Kistenpreis von 3,20 Dollar vor. Tatsächlich erfolgte die Bezahlung durch eine Filiale der Banco del Litoral [die ebenfalls zur Noboa-Gruppe gehört], und zwar in bar. Aber die Bank wollte mir ohne Begründung 0,80 Dollar je Kiste abziehen, und Noboa konnte den Vertrag jederzeit kündigen. Jetzt will ich nicht mehr an die verkaufen, und deshalb ziehen sie gegen mich vor Gericht.“ Bananera Noboa wurde wiederholt wegen Steuerhinterziehung und handelsrechtlicher Verstöße verurteilt. Nicht alle Exporteure gehen so brutal vor wie die Firma des Staatspräsidenten in spe, aber alle widersetzen sie sich den staatlichen Regulierungsversuchen, speisen Erzeuger mit Niedrigpreisen ab und überlassen es ihnen, mit den sozialen Konflikten fertig zu werden, die angesichts der Elendslöhne und harten Arbeitsbedingungen auf den Bananenplantagen nicht ausbleiben können.
Auf der Hacienda Ipanema in der Provinz Los Rios ist es fast Mittag, für die Schnitter Zeit für eine Essenspause. Zwischen den Bananenstauden herrscht Treibhaushitze. „Der Arbeitstag dauert so lange, bis die Bestellung erledigt ist“, erklärt ein Landarbeiter, „und das heißt häufig länger als zwölf Stunden. Der Lohn? Er schwankt je nach Posten zwischen 30 und 70 Dollar in der Woche.3 Nein, Kleidung und Werkzeug stellt die Firma nicht. Und für die Fahrtkosten müssen wir auch selbst aufkommen.“
Ähnliche Verhältnisse herrschen auf den meisten Plantagen. Überstunden werden selten bezahlt, und nach Angaben der Nationalen Gewerkschaft der freien Arbeiter, Bauern und Indigenen der Agroindustrie Ecuadors (Fenacle) melden 90 Prozent der Unternehmen ihre Beschäftigten nicht bei der Sozialversicherung an, ziehen aber dennoch den Arbeitgeberanteil vom Lohn ab.
Willkürliche Bestrafungen wie Geldbußen und Entlassung sind gängige Münze. Oft treten Arbeitsvermittler zwischen Unternehmer und Beschäftigte. „Es kommt vor, dass man jeden Monat bei einer anderen Zeitarbeitsfirma angestellt ist und dabei für dieselbe Hacienda oder auf demselben Posten arbeitet“, berichtet ein Landarbeiter. „So umgeht der Arbeitgeber die Ansprüche, die aus längerer Betriebszugehörigkeit erwachsen.“
Auch dass die Arbeiter den Pflanzenschutzmitteln schutzlos ausgesetzt sind, gehört zur Normalität. Alfredo Rosalbal vom Kleinbetrieb El Zapote sagt: „Während meines ganzen Arbeitslebens habe ich es nur bei einem Unternehmen erlebt, dass die Arbeiter die Plantage während der Sprühaktionen aus der Luft verlassen durften.“
Nach einem 2002 veröffentlichten Bericht der humanitären Organisation Human Rights Watch4 machte der US-Kongress die Abschaffung der Kinderarbeit auf den Bananenplantagen zur Vorbedingung für Verhandlungen über das angestrebte Freihandelsabkommen. Doch Eduardo Ledesma, der Direktor des Verbands der Bananenexporteure von Ecuador (Aebe), fragt empört, ob die Arbeit von Minderjährigen über 15 Jahren durch die Gesetze des Landes etwa nicht erlaubt sei.5
Streiken für das geltende Recht
Auf der Hacienda Josefa kann man den „Extremisten“ von der Fenacle kaum vorwerfen, sie würden überzogene Forderungen stellen, verlangen sie doch nur, was arbeitsrechtlich vorgeschrieben ist: die Zahlung der Sozialabgaben und die Gewerkschaftsfreiheit. Als der Plantagenbesitzer auf Anraten eines Experten seines Abnehmers Dole zehn Arbeiter entließ, darunter vier Verantwortliche der neu gegründeten Gewerkschaftszelle, beschlossen die 85 Arbeiter zu streiken. Sie besetzten den Betrieb und hängten ihre Hängematten unter das Vordach der Halle, in der die Bananen für den Transport vorbereitet werden.
Knapp einen Monat dauerte die Besetzung, als am 11. Februar die Polizei eingriff, um die Streikenden hinauszuwerfen. Der Polizeieinsatz erfolgte ohne Rechtsgrundlage, nur um dem Eigentümer, der sich zu gegebener Zeit gewiss erkenntlich zeigen wird, einen Gefallen zu erweisen.6
Dieses Mal konnte eine Auseinandersetzung vermieden werden, weil die Arbeiter nachgaben, aber das ist nicht immer so. „Bei einem Konflikt 2002 in Los Alamas“, erinnert sich Fenacle-Vorsitzender Guillermo Touma, „ging die Polizei mit Unterstützung von 200 Pistoleros, die auf der Gehaltsliste von Noboa stehen, äußerst gewalttätig vor. Es gab einen Toten und mehrere Verletzte – einem musste ein Bein amputiert werden.“ Der Konflikt endete gleichwohl mit einigen Verbesserungen – die Haupterzeuger (Noboa, Dole, Reybanpac) zahlen für ihre Festangestellten seither Sozialabgaben. Und die Gewerkschaftsbewegung auf den Bananenplantagen ist wiedererstarkt: „Wir sind heute auf 22 Plantagen organisiert“, erklärt Guillermo Touma, „sieben davon haben eine offiziell registrierte Gewerkschaftssektion.“
Doch die Hexenjagd auf Gewerkschafter geht weiter, und der Einsatz von Zeitarbeitsfirmen wird ein immer beliebteres Kampfmittel. Nach ecuadorianischem Arbeitsrecht dürfen Gewerkschaftszellen nur in Unternehmen mit mindestens 30 Beschäftigten gegründet werden, und dieses Quorum wird wegen des Einsatzes mehrerer Zeitarbeitsfirmen eben nie erreicht. „Meist handelt es sich um Scheinfirmen“, präzisiert Touma, „die sich oft zu Dutzenden ein Büro und ein Telefon teilen, und wenn Sie dort anrufen, meldet sich ein Angestellter mit den Worten: ‚Bananera Noboa, was kann ich für Sie tun?‘ “7
Am 1. Januar dieses Jahres löste in der EU ein einheitlicher Zolltarif in Höhe von 178 Euro je Tonne Bananen aus Mittel- und Lateinamerika die bislang geltenden Importquoten ab. Die französischen Antilleninseln und die übrigen AKP-Staaten dürfen 775 000 Tonnen pro Jahr zollfrei in die EU exportieren. Maude Feral von der Nichtregierungsorganisation Peuple Solidaire meint: „Wahrscheinlich wird die neue EU-Regel zuallererst den Druck auf die Löhne verstärken. Da die Agro-Multis und Supermarktketten die Lebensbedingungen auf den Bananenplantagen entscheidend mitgestalten, müssen wir hier bei uns – in Europa wie in den Vereinigten Staaten – mehr Druck machen.“