13.10.2006

Der saudische Freund

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Der saudische Freund

Jemen und Saudi-Arabien: Sie sind wie feindliche Brüder – einander ähnlich und doch verschieden. Zwischen der armen Republik und dem reichen Königreich herrscht ein riesiges Entwicklungsgefälle. Doch der Abstand zwischen den Nachbarländern beginnt dank Migration und Auslandsinvestitionen zu schrumpfen.

Vom Grenzkrieg des Jahres 1934, in dem der Jemen die Provinzen Asir und Nadschran verlor, bis zur aktuellen Zusammenarbeit in Sachen Sicherheit und Kampf gegen den Terrorismus waren die Beziehungen zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der arabischen Halbinsel von Rivalität bestimmt. Früher demonstrierte Saudi-Arabien seine Überlegenheit auch durch ständige Einmischung in die Innenpolitik des Nordjemen.

Nach der Revolution von 1962 unterstützten die Saudis die jemenitischen Royalisten, die Arabische Republik Jemen erkannten sie erst 1970 an. Aber auch danach versuchten sie im Nachbarland mitzuregieren. Einige nordjemenitische Stämme im Grenzgebiet erhielten großzügige saudische Spenden. Auch die Spannungen zwischen dem Nord- und dem Südjemen wurden von Riad ausgenutzt und zuweilen angeheizt. Die 1990 vollzogene Wiedervereinigung des Nachbarlandes wollte man unbedingt verhindern.

Als die Saudis nach dem Einmarsch des Irak in Kuwait – als Strafe für die proirakische Haltung der Regierung in Sanaa – 800 000 jemenitische Arbeitsemigranten auswiesen, brachten sie das Nachbarland wirtschaftlich und sozial in Bedrängnis. In dem 1994 ausgebrochenen Bürgerkrieg unterstützte Riad die Sezessionisten, obwohl die von den früheren Herrschern des sozialistischen Südens angeführt wurden.

Im Juni 2000 schien das Abkommen von Dschiddah ein neues Kapitel in den Beziehungen zu eröffnen. Es fixierte den Grenzverlauf zwischen den beiden Ländern und erledigte damit saudische Ansprüche aus den 1930er-Jahren (siehe die Hamza-Linie und die Philby-Linie auf der obigen Karte). Auf den saudischen Landkarten war die Grenze stets weiter südlich verlaufen als auf den jemenitischen Karten.1

Im Rahmen des Kampfs gegen den Terrorismus wurden die Beziehungen weiter verbessert. Beide Länder begannen Gefangene und Geheimdienstinformationen auszutauschen. Im Frühjahr 2005 fanden in der Provinz Hadramaut sogar gemeinsame Militärmanöver statt. Und die Saudis scheinen heute erstmals bereit, die Aufnahme des Jemen in den Golfkooperationsrat nicht grundsätzlich zu blockieren.

Doch bestimme Probleme blieben von diesem Klimawandel unberührt. Zwar konnten die meisten jemenitischen Arbeitsmigranten wieder nach Saudi-Arabien zurückkehren (heute arbeiten dort wieder genauso viel Jemeniten wie vor dem Kuwaitkrieg), aber ihre Situation ist schwierig geworden: Neue Gesetze zur „Saudisierung“ bestimmter Branchen (Goldhandel, Gemüseanbau) schränken den Arbeitsmarkt für Ausländer ein. Wenn Jemeniten im Nachbarland keine Arbeit mehr finden, bedeutet das beträchtliche Verluste für die Wirtschaft. Andererseits sind die Grenzen durchlässig geblieben, was einen regen illegalen Handel mit Waffen, Drogen und Menschen (vor allem Frauen und Kindern) begünstigt.

Nach den Anschlägen vom November 2003 in Riad, die 28 Menschenleben forderten, stellte sich heraus, dass Waffen und Sprengstoff der Terroristen aus dem Jemen stammten. Die saudische Führung beschloss daraufhin, einen Sicherheitswall entlang der Südgrenze zu errichten, was eine klare Verletzung des Abkommens von 2000 bedeutet. Obwohl diese Krise relativ zügig beigelegt wurde, dürfte die Grenzfrage auch künftig für Spannungen zwischen beiden Ländern sorgen.L. B.

Fußnote: 1 Zur komplexen Frage der saudisch-jemenitischen Grenzziehung siehe Richard Schofield, „Negotiating the Saudi-Yemeni international boundary“ ,unter: www.al-bab.com/bys/articles/schofield00.htm.

Le Monde diplomatique vom 13.10.2006, von L. B.