10.11.2006

Was sucht China im Mittleren Osten?

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Was sucht China im Mittleren Osten?

von Jochen Steinhilber

Während große Teile des Globus für die chinesische Diplomatie bis vor zwei Jahrzehnten noch weitgehend Terra incognita waren, muss sich Peking heute – auf der Suche nach Absatzmärkten, Investoren, Rohstoffen und Energie – auch in Regionen engagieren, an denen ihr strategisches Interesse traditionell gering war. Dies gilt neben Lateinamerika und Afrika vor allem für den Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika.

Seit Mitte der 1990er-Jahre hat Peking seine ökonomischen und politischen Aktivitäten in der Region erheblich verstärkt. Dabei ergibt sich allerdings ein Dilemma: Einerseits will man – durch langfristige Lieferverträge für Erdöl und Erdgas und den Einstieg chinesischer Energieunternehmen – stabilen Zugang zu den Ressourcen im Mittleren Osten erlangen, andererseits will man sich gegenüber den Krisen und Akteuren der Region politisch möglichst neutral und defensiv verhalten.

Dieser Balanceakt wird nicht lange durchzuhalten sein. Chinas wachsende energiepolitische Abhängigkeit wird das Land immer stärker in die Konflikte einer notorisch instabilen Region hineinziehen, in der es bislang keinen nennenswerten Einfluss ausübt.

Pekings Engagement im Nahen Osten steht ganz im Zeichen des inneren ökonomischen Transformationsprozesses. Um die wirtschaftliche Dynamik unter Dampf zu halten, die letztlich auch das Überleben der „ruling party“ sichert, muss die rasant steigende Energienachfrage befriedigt werden. Mit knapp zwei Dritteln wird Kohle im chinesischen Energiemix auch künftig die Hauptrolle spielen. Doch der Anteil von Erdöl und Erdgas wird erheblich steigen, weil das Transportaufkommen und der private Konsum zunehmen, während zugleich die Kohlenutzung an ökologische Grenzen stößt. Schon heute ist China hinter den USA der zweitgrößte Erdölkonsument (siehe den obigen Artikel).

Dabei hat sich Chinas Abhängigkeit von Ölimporten in den letzten zehn Jahren dramatisch verschärft. Während 1995 lediglich 7,6 Prozent des Rohöls aus dem Ausland kamen, stiegen die Importe 2004 auf 40 Prozent und müssen 2030, so die Prognose der Internationalen Energiebehörde, rund 80 Prozent des Rohölbedarfs decken.1 Hauptlieferanten sind schon heute die Länder des Nahen und Mittleren Ostens und Nordafrikas, vor allem Saudi-Arabien, Iran und Oman, die zusammen für rund 40 Prozent der chinesischen Ölimporte aufkommen. Und in den nächsten Jahren wird die Förderleistung der Region aufgrund der großen Reserven und der geringen Förderkosten weiter ansteigen. China wird dann rund 70 Prozent seiner Ölimporte aus der Region beziehen und vom steten Ölfluss aus den Ländern am Golf noch wesentlich abhängiger sein als die USA oder Europa.

Mittels seiner staatlichen Energieunternehmen betreibt Peking in der Region eine Strategie nach der Formel „two imports and one export“. Mit den Importen sind zum einen die langfristigen Lieferverträge für Erdöl und Erdgas gemeint, die chinesische Konzerne mit Staaten wie Saudi-Arabien, Iran, Oman, Sudan, Jemen, Libyen, Kuwait, Katar und Algerien abschließen. Zum anderen werden kapitalkräftige und oft auch technologisch überlegene Energiekonzerne der Region (vor allem Saudi Aramco) ermutigt, in den chinesischen Downstreamsektor und vor allem in Raffinerien zu investieren. Die beiden Importelemente der Strategie werden ergänzt durch den chinesischen Kapitalexport in Form einer direkten Beteiligung chinesischer Firmen an der Erschließung von Öl- und Gasfeldern wie auch an der Ölförderung.2

Trotz der Rivalitäten zwischen den regionalen Akteuren gelang es dabei, Liefer- und Beteiligungsabkommen mit einer Vielzahl von Ländern abzuschließen. Doch als Spätstarter auf dem umkämpften Ölmarkt muss China versuchen, seine schwache Position zu kompensieren, indem es auch riskantere und marginalere Ölquellen anzapft. Viele der direkten Beteiligungsprojekte sind bislang nicht umgesetzt, wirtschaftlich fraglich und aufgrund des politischen Umfelds durchaus unsicher.3

Zudem ist China nicht der einzige neue Akteur in der Konkurrenz um die knappen Ressourcen der Region. Zwar wird es als zuverlässiger Importeur geschätzt, doch vor allem die Golfstaaten versuchen ihre Abnehmerstruktur weiter zu diversifizieren und setzen bei ihrer „Look East“-Strategie auch auf Chinas regionale Rivalen Japan, Indien und Südkorea. Auch deshalb wurde die ökonomische und politische Flankierung der chinesischen Öldiplomatie immer wichtiger.

In den letzten Jahren hat es Peking verstanden, im Mittleren Osten auch jenseits des Energiesektors eine Rolle zu spielen: als Handelspartner, Investor, Technologielieferant, Kreditgeber und Entwicklungshelfer. Neben den milliardenschweren Öl- und Gasverträge verblassen zwar die chinesischen Aktivitäten in anderen Wirtschaftsbereichen. Doch im Baugewerbe und bei Infrastrukturprojekten sind chinesische Firmen wichtige Investoren, etwa beim Ausbau von Stromnetzen und Untergrundbahnen im Iran. Und während in den 1980er-Jahren chinesische Produkte am Persischen Golf höchstens in Form von Plastikfliegenklatschen und Mittelstreckenraketen des Typs „Seidenwurm“ willkommen waren, werden heute aus China auch elektronische Produkte, Industriemaschinen und verarbeitete Nahrungsmittel importiert.

Pragmatische Politik statt „Grand Design“

Die neue Seidenstraße bleibt allerdings für die meisten Länder der Region eine Einbahnstraße. Denn auf den chinesischen Märkten konnten sie bisher nicht Fuß fassen, wenn man von den petrochemischen Produkten Saudi-Arabiens und der Militärtechnologie Israels absieht. Jedoch schätzt man etwa im Sudan und in Algerien die neue Rolle Chinas als „alternativer Währungsfonds“, der politische Vorzugskredite vergibt, ohne eine „Schocktherapie“ nach dem Muster von Weltbank oder Weltwährungsfonds vorzuschreiben.

Während die arabischen Länder und der Iran ihr Interesse an einer engeren politischen Zusammenarbeit mit China nicht verhehlen – und gegen eine zweite globale Führungsmacht als ausgleichendem Faktor nichts einzuwenden hätten –, hat Peking im Mittleren Osten politisch weniger ambitionierte Ziele, die sich offenbar nicht an einem „Grand Design“ orientieren. Man betreibt vielmehr eine pragmatische Politik, die in erster Linie die ökonomische Modernisierung des Landes im Auge hat. Doch die Situation in der weiteren Region macht es für China immer schwieriger, die politischen Klippen zu umsteuern, die Krisenherde wie der Sudan, der Irak oder der Iran darstellen.

Chinas opportunistische Ölstrategie wird besonders im Sudan deutlich, der sich in jüngster Zeit zum wichtigsten Standort der chinesischen Energieversorger entwickelt hat. 2004 gingen 64 Prozent der sudanischen Öllieferungen nach China, das heute zugleich Sudans wichtigster Ölpartner ist. Und zugleich sein wichtigster Schutzpatron auf internationaler Ebene: Das drohende chinesische Veto im Sicherheitsrat hat verhindert, dass die UN ihre „weichen“ Sanktionen vom März 2005 verschärft haben. Als Gegenleistung für diese diplomatische Rückendeckung leistete Khartum eine Bestandsgarantie für die chinesischen Ölkonzessionen.

Während China im Sudan lange Zeit im Schatten der Weltpolitik agieren konnte, bewegt es sich im Iran auf einem Terrain, das fest auf der US-amerikanischen „Achse des Bösen“ verortet ist. Im Vergleich zu anderen Ländern der Region bietet der Iran für die chinesischen Interessen zumindest kurzfristig mehrere Vorteile: Die „Paria“-Situation, die fehlende Konkurrenz von US-Konzernen und generell der Antagonismus zwischen Teheran und Washington schafft Bedingungen, die Pekings Ideal von einer exklusiven strategischen Ölbeziehung sehr nahe kommen. Seit 2000 wurden zwischen chinesischen Firmen und dem Iran viele Vereinbarungen abgeschlossen. Davon blieben einige zwar bloße Absichtserklärungen, doch seit Anfang 2006 hat die Kooperation wieder Fahrt aufgenommen. Im März wurde der Vertrag über ein seit 2004 diskutiertes 100-Milliarden-Dollar-Energiepaket unterzeichnet, das für die nächsten 25 Jahre den Import von jährlich 10 Millionen Tonnen Flüssiggas und 45 Millionen Barrel Öl vorsieht. Dabei lässt der Zeitpunkt vermuten, dass beide Länder mit Blick auf die Reaktion des UN-Sicherheitsrats auf das iranische Atomprogramm den Preis für Sanktionen erhöhen möchten.

In der Iranfrage bleibt Peking nur die die Wahl zwischen mehreren ungünstigen Szenarien. Deshalb übt man sich in politischer Zurückhaltung. Die Rechnung geht bislang auf, weil sich Moskau zum exponierten Gegenspieler Washingtons und zur Schlüsselmacht bei der Lösung des Konflikts entwickelt hat. Sollten jedoch im Sicherheitsrat weitreichende Sanktionen gegen den Iran zur Debatte stehen, wäre China wohl kaum bereit, seine Interessen gegenüber den USA für den Iran zu opfern.

Andererseits zeigen die jüngsten Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel, wie sehr auch die USA auf eine Kooperation mit China angewiesen sind. Ohne Gegenleistung wird Peking deshalb Sanktionen gegen den Iran kaum passieren lassen. Die USA (und Europa) haben freilich für eine chinesische Enthaltung im UN-Sicherheitsrat nur wenig anzubieten. Im handelspolitisch-strategischen Bereich müsste das Angebot in der Größenordnung des Nukleardeals liegen, den die USA gerade mit Indien abgeschlossen haben. Doch da dieses Abkommen dem Kongress auch als Schachzug zur Eindämmung Chinas verkauft wurde, ist eine ähnliche sino-amerikanische Übereinkunft kaum wahrscheinlich.

Was die Energiepolitik betrifft, könnte die Öffnung der irakischen Ölfelder für chinesische Konzerne einen Anreiz bieten. Angesichts der Situation im Irak ist es jedoch fraglich, ob dies für China besonders attraktiv ist, zumal sich Peking auf den Ölfeldern um Kirkuk bereits aktiv ins Spiel gebracht hat.

Vor der Intervention im Irak war China einer der größten Rohöleinkäufer im Rahmen des Oil-for-Food-Programms der UNO. 1997 unterschrieb ein chinesisches Konsortium mit Bagdad ein Abkommen, das für die Zeit nach den UN-Sanktionen eine Förderlizenz für die Hälfte des Al-Ahdab-Feldes vorsah. Allerdings hat Washington diesen Vertrag nach dem Ende des Irakfeldzugs suspendiert.

Auf einen generellen Zugriff auf die zweitgrößten Ölreserven der Welt kann China bisher allerdings nur hoffen, keinesfalls aber sicher setzen. Auch deshalb sind die 40 Prozent der irakischen Ölreserven, die in den kurdischen Gebieten liegen, für China besonders interessant. Die neue irakische Verfassung gestattet es den lokalen Behörden, neue Ölfelder selbstständig zu erschließen. Ganz entgegen der allgemeinen Haltung Pekings, das separatistische Bewegungen scharf verurteilt und im eigenen Land entschieden bekämpft, versucht Peking seit einigen Monaten, enge Kontakte zu den kurdischen Parteien und Autoritäten im Irak zu entwickeln. Dabei geht China keinesfalls so weit, einen unabhängigen Kurdenstaat zu unterstützen, der die Region noch weiter destabilisieren würde und auf die separatistischen Bewegungen im eigenen Land (Uiguren und Tibeter) ausstrahlen könnte. Hinter der Forderung nach einem föderalen Irak verbirgt sich jedoch die Hoffnung, an Bagdad vorbei und ohne den Segen Washingtons einen Stützpunkt zu gewinnen. Ein autonomer Nordirak in einem schwachen Gesamtstaat würde den Interessen Chinas am ehesten entsprechen.

Dass die Pekinger Führung den Ruf hat, gegen Regimewechsel und Interventionen einzutreten, kommt ihr bei der Pflege seiner bilateralen Beziehungen mit den arabischen Staaten und dem Iran also durchaus zugute. Doch gegenüber der US-Politik im Mittleren Osten spielt sie eher die Rolle des Trittbrettfahrers als die des Spielverderbers. Die ordnungspolitische Funktion der USA, insbesondere bei der Sicherung der wichtigsten Seefahrtsstraßen, dient auch den chinesischen Interessen. Und so lotet Peking zwar von Land zu Land den politischen Spielraum aus, den es für die Sicherung der Energieressourcen braucht, vermeidet es aber, sich in heiklen Fragen zu isolieren oder gar offen gegen die USA zu stellen.

Das zeigt sich auch in den interessanten Beziehungen zwischen Peking und Tel Aviv. Eine nicht sehr bekannte Facette der chinesischen Nahostpolitik ist die militärtechnologische Kooperation mit Israel. Nachdem man die strikt proarabische Haltung aufgegeben hat, hofft man, via Israel an die begehrte westliche Militärtechnologie heranzukommen.

Umgekehrt ist China für die israelische Hightech-Militärindustrie ein wichtiger Absatzmarkt. Israel war immer wieder bereit, neben kleineren Waffensystemen auch hochwertige Technologie nach Fernost zu verschiffen: Antiradardrohnen vom Typ „Harpy“, Luft-Luft-Raketen, ja sogar US-Technologien für Kampfjet-Antriebe und vermutlich auch Patriotraketen.

Washington ist dieser schwunghafte Handel schon lange ein Dorn im Auge, hat er doch China geholfen, ein militärisches Übergewicht gegenüber Taiwan zu erlangen. Weil dies die Interessen der USA in der Pazifikregion gefährdet, hat Washington die beiden letzten Waffengeschäfte4 gestoppt und Israel 2005 die rote Karte gezeigt. Sollte jedoch die EU demnächst ihr Waffenembargo gegen China aufheben, wird die israelische Rüstungsindustrie darauf drängen, den Handel mit Peking wieder aufzunehmen.

Betrachtet man die gesamte chinesischen Nahostpolitik, ist eine islamisch-konfuzianische Allianz, wie sie etwa Huntington prophezeit hat, nichts als eine Schimäre. Für die ökonomische Entwicklung Chinas hat das Verhältnis zu Washington eine überragende Bedeutung, denn die USA sind der wichtigste Investor und zugleich der größte Exportmarkt.

Dies und die sicherheitspolitische Situation, etwa mit Blick auf die Taiwanfrage, lassen Peking im Nahen Osten eher auf Kooperation als auf Konfrontation setzen. Dass China heute, trotz immer wieder auftauchender Spekulationen (zuletzt über Lieferungen von Anti-Schiffsraketen an den Iran), Waffen-für-Öl-Geschäfte nicht gezielt als Anreiz einsetzt und auch im Waffenhandel der Region keine Rolle mehr spielt, erklärt sich vor allem aus den sensiblen Beziehungen zu den USA.

Allerdings fragt man sich in Peking, ob das derzeit gute sino-amerikanische Verhältnis langfristig Bestand haben wird oder nur im Zeichen des „Kampfs gegen den Terror“ funktioniert, den Peking für seinen Kampf gegen die inneren Minderheiten ausnutzt.5 Angesichts dieser Unwägbarkeiten und der geschwächten Position der USA im Mittleren Osten versucht China, die US-Vorherrschaft zumindest zu begrenzen – ohne ihr offen entgegenzutreten – und eigene politische Pfade anzulegen.

Peking setzt verstärkt auf multilaterale Kooperation

In diesem Sinne engagiert sich Peking stärker in den Vereinten Nationen, zum Beispiel mit seinem Beitrags zum Libanoneinsatz. Demselben Ziel dient aber auch die Ausdehnung von regionalen Einflusssphären. So hat man etwa Teheran einen Beobachterstatus in der Shanghai Cooperation Organization geboten, multilaterale Foren wie des China-Arab Cooperation Forum gegründet und die bilateralen Beziehungen zu den wichtigsten Ländern wie Saudi-Arabien ausgebaut.

Für Washington dürfte deshalb eine aggressivere Politik gegenüber China – oder gar ein „Containment“ im Stil des Kalten Krieges, von dem in manchem Club rund um den Capitol Hill geraunt wird – wenig Erfolg versprechend sein. Trotz der in gewohnt robuster Diktion vorgetragenen Warnungen vor einem unvermeidlichen Showdown zwischen China und den USA6 ist die kooperative Einbindung Chinas die bessere Option, und zwar sowohl mit Blick auf die Energieproblematik als auch im Sinne einer politischen Lösung für die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten.

Kurzfristig wird diese Perspektive nur schwierig umzusetzen sein, auf mittlere Sicht jedoch besteht Hoffnung. Noch verfolgt Peking seine traditionelle Doktrin, die auf bilaterale Beziehungen zu den potenziellen Energieversorgern und auf größtmögliche Unabhängigkeit vom internationalen Ölmarkt setzt. Denn dieser ist nicht nur von westlichen Konzernen beherrscht, sondern zeigt sich auch gegenüber dem Newcomer China nicht eben großzügig.7

Ein Reihe von Maßnahmen könnten helfen, das Misstrauen abzubauen. Dazu gehören gemeinsame Energieforen, die eindeutige Garantie der USA für offene Seerouten, ein offener Wettbewerb bei der Ausschreibung der Öllizenzen im Irak, aber auch die Förderung von chinesisch-europäisch-amerikanischen Joint Ventures im Energiesektor. Dies wären wichtige Signale zu einem Zeitpunkt, da man sich in China zunehmend fragt, ob die bisherige energiepolitische Strategie, auf exklusive Lieferverträge statt auf den Markt zu setzen, tatsächlich zu mehr Versorgungssicherheit führt.

Auch der Versuch Pekings, sich als Everybody’s Darling zu geben, stößt im Nahen und Mittleren Osten an seine Grenzen: Zu sehr ist die Ressourcenfrage mit den regionalen Konflikten und dem Verhältnis zu den USA verknüpft. Durch ein stärkeres Engagement in multilateralen Initiativen könnte China seine politische Passivität schrittweise überwinden. Zumal sich mit Indien auch bereits ein weiterer Akteur in der Region tummelt, der für die USA ein viel plausiblerer Partner wäre und der Chinas Position in der Region empfindlich schwächen könnte.

Die Möglichkeiten einer aktiven politischen Rolle Pekings sind freilich begrenzt. Doch die grundsätzliche Unterstützung der „Roadmap“ eröffnet zumindest die Chance, das Quartett aus UN, USA, EU und Russland zu einem Quintett zu erweitern. Für den Fall, dass der blockierte „Middle East Peace Process“ wieder in Gang kommt, könnte China zumindest an multilateralen Arbeitsgruppen zur regionalen ökonomischen Entwicklung und zur Rüstungskontrolle beteiligt werden. Angesichts der Rolle Chinas auf dem Energiesektor und im Nahen und Mittleren Osten spricht jedenfalls vieles dafür, Peking stärker in die Verantwortung für die Lösung der Probleme der Region einzubinden.

Fußnoten:

1 International Energy Agency: World Energy Outlook, Paris 2004. 2 Erica S. Downs, „China’s Quest for Energy“, Santa Monica (Rand) 2003. 3  Das gilt etwa für Ölvorkommen im Dschungel von Myanmar oder für ein heikles Tiefseeprojekt mit dem Iran im Süden des Kaspischen Meers, wo die Grenzziehung zu Aserbaidschan umstritten ist. 4 Das betrifft ein Frühwarnsystem à la Awacs und die Modernisierung der Harpy-Systeme. 5 Für seine Unterstützung des „Kriegs gegen den Terror“ erreichte China von den USA die Einstufung des East Turkestan Islamic Movement als terroristische Vereinigung, was das harte Vorgehen Pekings gegen die Uiguren erleichtert. 6 John J. Mearsheimer, „Better to be Godzilla than Bambi“, in: Foreign Policy, Issue 146, 2005. 7 Das hat sich insbesondere am Fall Unocal gezeigt. © Le Monde diplomatique, Berlin Jochen Steinhilber arbeitet im Referat Entwicklungspolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, zuletzt publizierte er: „Öl für China: Pekings Strategien der Energiesicherung in Nahost und Nordafrika“, in: Internationale Politik und Gesellschaft, Heft 4, 2006.

Le Monde diplomatique vom 10.11.2006, von Jochen Steinhilber