Irak – Chronik eines Staatszerfalls
von Peter Harling
Der Aufstieg einer dschihadistischen sunnitischen Kraft im Nordwesten des Irak ist eine spektakuläre Entwicklung – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber sie zeigt auch, welch üble Posse die Regierung in Bagdad lange aufzuführen pflegte: Jedes Mal, wenn der terroristische Bösewicht, der im Irak sozusagen ständig im Schrank sitzt, auf die Bühne sprang, tat Ministerpräsident Nuri al-Maliki überrascht. Dann schrie er Zeter und Mordio und rief seine Freunde zu Hilfe, die den Übeltäter wieder aus dem Haus schaffen sollten. Dabei war er es selbst gewesen, der den Dschihadisten die Tür geöffnet und sie stark gemacht hat. Seine Freunde wussten das auch, vorneweg die Iraner. Weil diese aber wiederum ein eigenes Interesse bei diesem Spiel verfolgten, haben sie stets mitgemacht, während sich für ihren Mann Maliki mit dem Terror eine willkommene Möglichkeit bot, die eigenen Fehler zu verschleiern.
Den sunnitischen Dschihadisten, die unter dem Namen Islamischer Staat im Irak und in (Groß-)Syrien, abgekürzt Isis,1 operieren, ist es im Juni 2014 gelungen, mit Mossul die (je nach der zitierten Statistik) zweit- oder drittgrößte Stadt des Irak fast kampflos einzunehmen. In dem Tempo, in dem sich der irakische Sicherheitsapparat auflöste, fielen weitere Städte in dieser vorwiegend von Sunniten bewohnten Region. Die irakische Armee ließ viel Gerät zurück, darunter von den USA gelieferte Militärfahrzeuge, zudem machten die Dschihadisten zahlreiche Gefangene, die meist willkürlich inhaftiert wurden, und auch sonst reiche Beute: zum Beispiel fast eine halbe Milliarde US-Dollar, die sich in einer Außenstelle der irakischen Zentralbank fanden. Inzwischen haben sich weniger radikale bewaffnete Gruppen Isis angeschlossen, die einen – vermutlich übertrieben – großen Anteil an deren Erfolg für sich reklamieren. Unter den Einwohnern, die nicht geflohen sind, feiern einige den Vormarsch von Isis als „Befreiung“, als „Aufstand“ oder sogar als „Revolution“.
Die Kurden nutzten die Gelegenheit auf ihre Weise, indem sie die für sie wichtige Stadt Kirkuk einnahmen. Sie machten der irakischen Regierung schon seit mehreren Jahren die Kontrolle über die Region Kirkuk streitig, die an ethnisch begründeten Spannungen ebenso reich ist wie an Ölvorkommen (über Kirkuk und Kurdistan siehe den Artikel von Allan Kaval auf Seite 6).
Der Dschihadist im Wandschrank
Dieser zweite Konfliktherd machte jedoch kaum Schlagzeilen, weil die Welt nur auf die Offensive der Dschihadisten starrte. Und die war offenbar nicht aufzuhalten. Ministerpräsident Maliki, aber auch seine Verbündeten und Rivalen aus dem schiitischen Lager, die US-Administration und ein Großteil der Medien artikulierten sehr klar die Angst, dass die Isis-Kämpfer die schiitischen Heiligtümer in Samara erobern und zerstören könnten, was einen neuen konfessionellen Krieg auslösen würde. Oder dass sie sogar die Hauptstadt erobern und in weiten Teilen des Irak und Syriens ein großes Kalifat errichten werden.
Als Maliki zur Generalmobilmachung aufrief, richtete er sich aber nur an sein eigenes Lager. Diesem Aufruf folgten unverzüglich konfessionelle Milizen, die er selbst gefördert oder toleriert hat, und mehrere schiitische Führer. Auch der Iran schickte Leute, die die paramilitärischen Kontingente organisieren und später vermutlich auch im Kampf aktiv unterstützen sollen. Die USA entsandten zwei Flugzeugträger in die Konfliktregion, obwohl Barack Obama seit 2011 versucht, die US-Präsenz endgültig zu beenden.
Die wichtigsten Fragen, die das Debakel im Irak aufwirft, bleiben jedoch vorerst unbeantwortet. Wie konnte der aufgeblähte irakische Militär- und Sicherheitsapparat – mit einer Million Bewaffneter bei einer Bevölkerung von rund 25 Millionen einer der größten der Welt – beim Vorrücken der Dschihadisten derart auseinanderfallen?
Wie ist die Popularität der Isis zu erklären, wo doch deren Vorgänger vom Typ al-Qaida etwa in Mossul noch in fürchterlicher Erinnerung sind, seit sie 2007 bei ihrem Versuch, die Stadt unter ihre Herrschaft zu bringen, Bewohner wahllos auf offener Straße massakriert haben. Warum zeigten sich die lokalen sunnitischen Notabeln, etwa die mit Maliki verbündete Familie Nujeifi, unfähig, auch nur die geringste Unterstützung zu mobilisieren, um den Vormarsch der Isis-Kämpfer aufzuhalten? Und vor allem: Wie sieht die Bilanz des Ministerpräsidenten aus, der bis vor Kurzem noch eine dritte Amtszeit anstrebte, nachdem er sich durch die Parlamentswahl vom 30. April bestätigt sehen konnte?
Obwohl Nuri al-Maliki zunächst nur eine Figur aus der zweiten Reihe der kleinen islamistisch-schiitischen Daa-wa-Partei war, fiel ihm im Mai 2006 das Amt des Ministerpräsidenten zu. Er galt als der ideale Kompromisskandidat, weil er niemanden gefährlich zu werden schien. Damals tobte der Bürgerkrieg zwischen bewaffneten sunnitischen Formationen und schiitischen Milizen. All diese Gruppen waren zwar aus der gleichen Widerstandsbewegung gegen die US-Besatzung hervorgegangen, aber durch ein wachsendes Gefühl der gegenseitigen Verfolgung zunehmend zerstritten. Als Regierungschef unterstützte Maliki das Vorgehen der schiitischen Milizen und setzte sie als Hilfskräfte im Kampf gegen die bewaffneten sunnitischen Gruppen ein.
Malikis Image und Strategie änderten sich grundlegend, als ihm Washington 2008 die Mittel lieferte, um aus einer rein konfessionellen Logik auszubrechen. Die USA förderten einerseits den Aufbau von sunnitischen Milizen für den Kampf gegen al-Qaida, die von der Regierung kooptiert wurden, und unterstützten andererseits den Versuch, die schiitischen Milizen, die sich zusehends verselbstständigt hatten, wieder unter die Kontrolle der Regierung zu bringen. Obwohl Maliki tatsächlich nur eine kleine Rolle gespielt hatte, konnte er sich den Nimbus eines Staatsmanns verschaffen, der die Logik des Bürgerkriegs überwinden wollte, um das Land wieder zu stabilisieren.
Mit der Zeit begann sich der Regierungschef jedoch mit der Rolle des Retters zu identifizieren und einen Personenkult zu entwickeln, der sich stark an die Bildsymbolik des Saddam-Regimes anlehnte. Diese Parallelen schienen seine schiitischen Anhänger aber nicht zu stören. Unter Berufung auf die Leiden, die sie unter dem früheren Regime zu ertragen hatten, oder auf die angebliche „Unregierbarkeit“ des irakischen Volks setzten sie jetzt alle Hoffnungen auf einen Führer, der zwar dem alten Tyrannen ähnelte, diesmal jedoch ihrer eigenen Konfession angehörte.
Maliki machte den „Kampf gegen den Terrorismus“ alsbald zu seinem Hauptargument, mit dem er eine ganze Reihe von Zielen gleichzeitig verfolgen konnte. So konnte er immer mehr Macht auf sich vereinen und seine Kontrolle über den riesigen, von den US-Besatzern hinterlassenen Sicherheitsapparat ausweiten, den er für seine politischen Ziele instrumentalisierte.
Seit Dezember 2010 war Nuri al-Maliki nicht nur Ministerpräsident und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, sondern auch Verteidigungs- und Innenminister. Die Angst vor einem Machtvakuum vereitelte jeden Versuch, ihn zu ersetzen, und sicherte ihm die nötige Unterstützung vonseiten der USA und des Irans. Obama wollte seit seiner Wahl zum US-Präsidenten 2008 die US-Truppen möglichst schnell aus dem Irak abziehen; und Teheran schätzte Maliki als einen Mann, der sich an der Spitze des irakischen Staats halten konnte und zugleich garantierte, dass das Nachbarland niemals gegen die Interessen des Irans agieren würde.
Maliki ist keineswegs der Einzige, dessen politisches Programm sich auf den „Kampf gegen den Terrorismus“ reduzierte. Fast alle seine arabischen Amtskollegen haben diesen Vorwand benutzt, um schlimmste Übergriffe zu rechtfertigen. Das galt schon für Hafis al-Assad, den Vater des heutigen syrischen Präsidenten; oder für die algerischen Generäle in den 1990er Jahren; oder für Muammar al-Gaddafi in Libyen und für Zine El Abidine Ben Ali in Tunesien. Auch der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh baute bis zu seinem Sturz 2012 auf ein System des Machterhalts, das sich unter anderem auf die Bedrohung durch die al-Qaida berief.
Starker Maliki, schwaches Bagdad
Angesichts der Wut, der Frustration und der vielfältigen Hoffnungen, die im Frühjahr 2011 im sogenannten Arabischen Frühling zum Ausdruck kamen, beschworen fast alle betroffenen Regime den „Kampf gegen den Terror“.
Doch der irakische Ministerpräsident machte von dem Terrorismus-Argument viel maßloser Gebrauch als alle seine Amtskollegen, womit er die Sunniten bewusst und systematisch vor den Kopf stieß und zugleich den irakischen Staat unterhöhlte. Diese destruktive Politik war umso unverständlicher, als sich Maliki in einer vergleichsweise starken Position befand. Im Gegensatz zu Baschar al-Assad, der ab 2011 eine ähnliche Politik betrieb, allerdings unter dem Druck einer breiten, von ausländischen Akteuren unterstützten Aufstandsbewegung, die offen zum Sturz seines Regimes aufrief.
Obwohl Maliki solchem Druck nicht ausgesetzt war, entschied er sich, die tribal organisierten sunnitischen Milizen zu marginalisieren oder sogar aufzulösen und stattdessen einen Sicherheitsapparat aufzubauen, der zunehmend konfessionell geprägt und korruptionsanfällig war. Jede Opposition vonseiten der Sunniten wurde als „Terrorismus“ denunziert, was zu Festnahmen, willkürlichen Verhaftungen und zahllosen anderen Übergriffen führte.
Neben der schmerzlichen Erinnerung an die Niederlage im jüngsten Bürgerkrieg trieben die irakischen Sunniten sehr widersprüchliche Gefühle um: Wut über ihre Behandlung durch die Regierung, Ermutigung durch die Aufstände in den Nachbarländern und Entsetzen über die desaströse Militarisierung der Opposition in Syrien. Ab 2012 versuchten sie, ihren Verdruss in organisierter, aber friedlicher Form zu artikulieren. Die ersten Demonstrationen endeten mit permanenten Sitzblockaden auf den großen Plätzen der sunnitischen Städte. Hauptforderung war eine Neujustierung des Staats, um den Sunniten einen angemessenen Platz einzuräumen.
Doch Maliki stellte sich taub. Und als es wieder vermehrt zu Bombenanschlägen kam, sah er darin kein Warnzeichen, sondern eine weitere Rechtfertigung für seinen verbissenen Kurs. Mit der Zeit bekam die Option der Gewaltanwendung, die in sunnitischen Kreisen eher abschreckend gewirkt hatte, auch jenseits der radikalsten Randgruppen weitere Anhänger.
Gleichzeitig entschied sich Maliki, im syrischen Konflikt die Partei Assads zu ergreifen, obwohl sich hier das auf seine alawitische Komponente reduzierte Regime und eine sunnitische Opposition gegenüberstanden. Er wies jede Kritik an der Repression des syrischen Regimes zurück, obwohl diese immer abscheulichere Formen annahm und Assad alle Vermittlungsangebote Malikis ablehnte. Er öffnete die Grenzen nach Syrien für die Schiiten, die als Freiwillige – im Rahmen der von Teheran gesteuerten Unterstützungspolitik – für das Assad-Regime kämpfen wollten.
Diese Dschihadisten, die einer religiösen Vision vom nahenden Weltende anhängen, konnten problemlos über den Flughafen Bagdad oder auf der Straße nach Syrien einreisen, also unter den sonst so wachsamen Augen der staatlichen Sicherheitsorgane. Und auch innerhalb des Irak konnten diese Leute ihre religiöse Hasspropaganda verbreiten, auf den Straßen demonstrieren und eigene Milizen organisieren.
Derselbe Mann, der behauptete, den Bürgerkrieg beendet zu haben, war also offenbar eifrig bemüht, die Akteure des alten Konflikts erneut zu mobilisieren. Und was sagten die mächtigen Botschaften der USA und des Iran dazu? Zumindest bis zur Mossul-Krise waren ihre Positionen merkwürdig ähnlich: Beide sicherten der irakischen Regierung ihre bedingungslose Unterstützung zu. Dabei häuften sich die Anzeichen für eine nahende Katastrophe. Schon beim Wiederauftauchen der bewaffneten sunnitischen Gruppen und der schiitischen Milizen hätten die Alarmglocken schrillen müssen.
In der Erosion der staatlichen Strukturen hat sich das Katastrophenszenario, das sich im Irak derzeit entfaltet, seit Langem angekündigt. Die Professionalität und der Zusammenhalt des Sicherheitsapparats litten in dem Maße, in dem Maliki Polizei und Militär politisierte und Korruption auf dem Niveau einer Bananenrepublik tolerierte. Die Sicherheitsorgane verkamen zum Instrument der klientelistischen Verteilungspolitik, und ihre Mitglieder demonstrierten ihre Loyalität zum Regime in einer fast schon absurd hohen Wahlbeteiligung bei den letzten Wahlen, die zum Sieg Malikis beigetragen hat.
Der Regierungschef schränkte die Rolle des Parlaments ein, umgab sich nur noch mit einer Clique aus Profiteuren, brach leichtfertig gegebene Versprechen und beraubte sich dadurch jeglichen politischen Spielraums. Auch das gleichgeschaltete Rechtssystem bot keinen glaubwürdigen Ausweg aus der Krise.
Ein ähnliches Bild liefert die Wirtschaftspolitik: Weil die Regierung nur auf die systematische Plünderung des Ölreichtums setzte, wurden andere Entwicklungsprojekte gar nicht erst geschaffen. Anders gesagt: Das Maliki-System beharrte auf einer Überlebensstrategie, die das institutionelle Fundament eines ohnehin fragilen Staats weiter aushöhlte.
Von dieser Entwicklung profitierten eine ganze Reihe Akteure, und zwar sowohl Malikis innenpolitische Bündnispartner, die ihr Stück vom Kuchen abbekamen, als auch seine Rivalen, die auf lange Sicht mit einer Schwächung ihres Gegners rechnen konnten. Der Iran wie die schiitischen Milizen wie die kurdische Regionalregierung konnten nur profitieren, wenn Bagdad so zerbrechlich und beeinflussbar wie möglich blieb. Die USA dagegen glänzten durch Abwesenheit: Ihre Abzugs-„Strategie“ beschränkte sich im Grunde darauf, die Augen vor allem zu verschließen, was ihren Abgang verlangsamen könnte, und ansonsten die Daumen zu drücken.
Das paradoxe Resultat: Maliki scheiterte in dem Maße, in dem er sich als unfähiger Sektierer entpuppte – aber umso mehr konnte er auch seine Position festigen. Noch Ende 2012 schienen seine Aussichten auf eine Wiederwahl begrenzt. Die Frustration war vor allem in schiitischen Kreisen spürbar: Das Land war zwar relativ stabil, aber es schien auch nichts voranzugehen. Ein Jahr später begann eine neue Welle der Gewalt mit durchschnittlich etwa 1 000 Toten im Monat, wie in den schwarzen Jahren 2006 und 2007. Damit aber stieg die Popularität des starken Mannes Maliki wieder steil an. Selbst nach der Einnahme von Mossul durch die Isis ist sein unvermeidlich scheinender Abtritt keineswegs sicher: Die Schiiten stehen geschlossen hinter ihm, der Iran bekundet seine Loyalität, und selbst extrem skeptische Akteure haben Angst vor einem Machtvakuum.
Diese Krise wirft etliche Fragen auf, aber es wäre falsch, sich auf die offensichtlichsten Schlussfolgerungen zu beschränken: die Verantwortung der USA für das ganze Debakel, die Figur Maliki, in der sich das ganze Problem personifiziert, und die Gefahr des „Terrorismus“. Übersehen wird dabei ein ganz zentraler Punkt: die Art der Machtausübung und das Wesen der Institutionen.
Letztlich ist die Person des Ministerpräsidenten zweitrangig; entscheidend ist das gesamte Umfeld, das ihm seine Politik nicht nur ermöglicht, sondern ihn dafür auch noch belohnt hat. Als Nuri al-Maliki im März 2014 eine große internationale Konferenz über den „Kampf gegen den Terrorismus“ organisierte, war auch die UNO groß vertreten und beklatschte das Spektakel.
Die hier beschriebenen Missstände sind überdies eine Plage, die die ganze Region betrifft. Je mehr Erfolg Assad mit seiner Strategie des Verderbens in Syrien hat, desto mehr erscheint er als Teil der Lösung statt als Teil des Problems. General Abdel-Fattah al-Sisi, der seit Juni offiziell Ägypten regiert, sieht die Welt durch die Augen eines Militärgeheimdienstlers. Aber seine Wahl und die notorische Angst vor dem Machtvakuum haben zur Folge, dass ihm die ganze Welt eine Blankovollmacht ausstellt. Auch in Bahrain hat die Herrscherfamilie keinerlei demokratische Zugeständnisse gemacht – ohne irgendwelche Sanktionen fürchten zu müssen.
Die beschriebene Art der Machtausübung bedeutet auch, dass jeder Anspruch, auf der Ebene des Nationalstaats zu regieren, hinfällig wird. Die Regime versuchen nicht einmal mehr die Gräben innerhalb ihrer Gesellschaften zu überwinden, sei es mittels einer Ideologie, sei es durch Entwicklung, sei es mit Repression. Stattdessen machen sie sich die vorhandenen Konfliktlinien zunutze oder verschärfen sie noch, um auf Konfrontation zu setzen. Wenn sich dann ein Segment ihrer Gesellschaften radikalisiert, gewinnen sie an Rückhalt in einem anderen Segment. Das erspart die Mühe, ein konstruktives politisches Programm zu entwickeln. Kurzum: Die Angst vor dem, was nach ihnen kommen könnte, hält sie an der Macht.
Diese Regime schwächen also den nationalen Charakter der staatlichen Institutionen, die sie ihrer Autonomie berauben, damit sie selbst umso unentbehrlicher werden. Und dieses Programm verkaufen sie dann im Ausland, und zwar im Namen des „Kriegs gegen den Terror“. Und unter Verweis auf „demokratische“ Wahlen, die auf dem hysterischen Votum eines Teils der Bevölkerung wie auf dem fatalen Wahlboykott des anderen Teils beruhen.
Am Beispiel Irak kann man sehen, wohin eine solche Art der Machtausübung letztendlich führt. Bleibt nur die Frage, warum man sich zum Teufel auf dieses Spiel einlassen sollte.
Peter Harling ist Programmdirektor für den Irak, Syrien und den Libanon bei der International Crisis Group (ICG).