Auslaufmodell Apartheid wird zum Exportschlager
DIE weißen südafrikanischen Farmer, die vom Rad der Geschichte ins politische Abseits gestellt wurden, haben in der letzten Zeit in Mosambik und Angola ein neues Betätigungsfeld entdeckt. Mit Unterstützung internationaler Organisationen bewirtschaften sie große Ländereien und gefährden so das Überleben der regionalen Gemeinschaften.
Von MICHEL CHOSSUDOVSKY *
Die rechtsextreme weiße südafrikanische Organisation „Freiheitsfront“ plant einen „Nahrungsmittelkorridor“ von Angola bis Mosambik. Auf diese Weise will das südafrikanische Agrobusiness, mit Unterstützung der Südafrikanischen Landwirtschaftsentwicklungskammer (Sacada), mittels massiver Investitionen in Landwirtschaftsunternehmen, Nahrungsmittelindustrie und Ökotourismus seinen Einfluß auf die Nachbarländer verstärken. Ziel ist es, auch außerhalb der Grenzen Südafrikas von Weißen betriebene Landwirtschaftsunternehmen zu installieren. Denn es geht bei diesem „Nahrungsmittelkorridor“ keineswegs um die Bedürfnisse der in der Region ansässigen Bevölkerung – im Gegenteil verlieren die Bauern ihr Land, und aus kleinen Grundbesitzern werden Pächter oder Landarbeiter, die im Lohn der burischen Großgrundbesitzer stehen.
Anführer dieser „Freiheitsfront“ ist General Constand Viljoen: Zu Zeiten der Apartheid hatte sich der damalige Armeebefehlshaber durch Morde an Antiapartheid-Aktivisten hervorgetan und war der Verantwortliche der Geheimgesellschaft Stratcom, die in Attentate und Folter ebenso wie in den Vertrieb extremistischer Propaganda verwickelt war.1 Im Vergleich zu der rechtsradikalen „Afrikaaner Weerstandsbeweging“ (AWS) eines Eugène Terreblanche wirkt die Freiheitsfront gemäßigt, doch sie ist eine rassistische, dem Gedanken eines Burenstaates verpflichtete Bewegung.2 Paradoxerweise genießt die gemeinsame Initiative der Sacada und der Freiheitsfront auch die politische Unterstützung des ANC und insbesondere von Präsident Nelson Mandela. Mandela hat Matthews Phosa, den Premierminister der Provinz Mpulanga (Ost- Transvaal), einen der mächtigsten schwarzen Geschäftsleute der Provinz, in den Verwaltungsrat der Sacada entsandt, wo er die Einflußnahme weißer Unternehmensinteressen auf die Nachbarländer dirigiert.3
General Viljoen hat in den Diskussionen mit dem südafrikanischen Präsidenten versichert, daß „die Ansiedlung von Buren-Farmern die Wirtschaft in den Nachbarländern stimulieren, die Bevölkerung der Region mit Nahrungsmitteln und Arbeitsplätzen versorgen und somit die illegale Einwanderung nach Südafrika eindämmen“4 könne. Entsprechend für das Projekt eingenommen, hat Präsident Mandela die anderen afrikanischen Länder aufgefordert, „die Einwanderer als eine Art Entwicklungshilfe zu betrachten“5 . Pretoria verhandelt bereits mit mehreren Ländern – bisher haben sich zwölf Staaten an die Sacada gewandt und Interesse an den weißen südafrikanischen Farmern bekundet.6
Doch es steht zu erwarten, daß der „Nahrungsmittelkorridor“ das derzeitige Landwirtschaftssystem aus dem Gleichgewicht bringt. Das südafrikanische Agrobusiness wird sich Millionen Hektar vom besten Grund und Boden aneignen und sich zudem der ökonomischen und sozialen Infrastrukturen der Gastländer bemächtigen. So werden die Buren die großen Landwirtschaftsunternehmen leiten, während die Menschen aus der Region zu „permanenten Landarbeitskräften“ oder gar zu Saisonarbeitern degradiert werden. Kurz gesagt: es wäre der Todesstoß für die Subsistenzwirtschaft sowie die regionale kommerzielle Landwirtschaft mit ihrem intakten regionalen Markt; die in dieser Region bereits endemischen Hungersnöte dürften damit fortgeschrieben werden.
Die Sacada plant Investitionen in Zaire, Sambia und Angola, außerdem ein „Pilotprojekt in Mosambik“7 . Im Mai 1996 haben die beiden Präsidenten von Mosambik und Südafrika, Joaquim Chissano und Nelson Mandela, ein Regierungsabkommen unterzeichnet, das dem südafrikanischen Agrobusiness Investitionen in mindestens sechs Provinzen Mosambiks gestattet, mit Konzessionen für insgesamt acht Millionen Hektar. „Mosambik braucht unsere technische Kompetenz und unser Geld. Wir haben dafür die geeigneten Fachkräfte“, erklärte ein südafrikanischer Verantwortlicher. „Wir suchen uns lieber wenig besiedelte Gebiete. (...) Für die Buren ist der Boden genauso heilig wie Gott und die Bibel.“ Die kleinen Landbesitzer und Bauern, die nur das Lebensnotwendige produzieren und im allgemeinen keine Besitzurkunden vorlegen können, werden von ihrem Land verjagt oder auf weniger fruchtbaren Boden abgedrängt.8
Für ganze 0,15 Dollar pro Hektar gingen die besten Landstriche der mosambikanischen Provinz Niassa an die Burenfarmer: Das ist geschenkt. Mit Hilfe einer Art Joint-venture, dem Mosagrius-Projekt, gelang es der Sacada auch, sich im fruchtbaren Luganda-Tal anzusiedeln. Noch zwei weitere Uferregionen haben die Buren ins Auge gefaßt: die Ufer des Sambesi und des Limpopo, desgleichen das Straßen- und Eisenbahnnetz zwischen der Hauptstadt der Provinz Niassa, Licinga, und dem Hafen Nagala – eine Eisenbahnlinie, die erst kürzlich mit französischen Entwicklungshilfegeldern von einem französischen Unternehmen modernisiert wurde.
1996 wurden in einem ersten Schritt zur Umsetzung des südafrikanisch-mosambikanischen Abkommens Konzessionen zur Niederlassung von 500 südafrikanischen weißen Farmern an die Sacada abgetreten.9 Die Verwaltung der neuen Burenländereien wird voll in die ihrer Unternehmen in Südafrika integriert, die weiße Direktoren und Vorarbeiter, aber auch schwarze Hilfskräfte, Traktorfahrer und Techniker nach Mosambik schicken werden. „Jeder Burenfarmer wird mit seinem Arbeitsteam herkommen“, um die lokale Bevölkerung zu kontrollieren und anzuleiten, versichert der Verbindungsmann der südafrikanischen Botschaft in Maputo. Doch nur wenige weiße Siedler werden selbst in den Konzessionsgebieten in Niassa leben.
Das Projekt der Sacada sieht vor, die auf dem künftigen Konzessionsgebiet lebende lokale Bevölkerung in „ländlichen townships“ zusammenzufassen, wie man sie aus der Zeit der Apartheid kannte. „Wir werden am Straßenrand in der Nähe der (weißen) Farmen Dörfer errichten, von wo aus die künftigen Landarbeiter einen kurzen Arbeitsweg haben. Es wird ein Minimum an Infrastruktur errichtet und jedem Haushalt ein kleines Feld zur Subsistenzwirtschaft zugeteilt.“10 So werden die ehemaligen Bauern rasch zu „permanenten Landarbeitskräften“, falls ihnen nicht ein Recht auf Grundbesitz innerhalb oder am Rande der Konzessionsgebiete zugesprochen wird. Dieses System, das den Buren seit dem 19. Jahrhundert ans Herz gewachsen ist, gesteht den Schwarzafrikanern ein Stück Land im Tausch gegen Zwangsarbeit zu. Obwohl dieses System in Südafrika seit 1960 verboten ist, existiert es nach wie vor in Ost-Transvaal und in KwaZulu/Natal.11 .
Öko-Tourismus zu saftigen Preisen
DIE großen südafrikanischen Banken, die Weltbank und die Europäische Union unterstützen das Vorhaben. Der „Nahrungsmittelkorridor“ ist Teil der Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds. Die Investitionen der Buren im Landwirtschaftsbereich sind an die von der Weltbank gesponserte Landreform gekoppelt. Die Geldgeber sehen die Enteignung der Bauern sogar als Voraussetzung für die vom Club de Paris gewährte Neuterminierung der Schuldenrückzahlung. Willie Jordan, der Sekretär der Sacada, erklärt: „Die Sacada hat beschlossen, sich an die Politik der Weltbank und des Währungsfonds anzulehnen; sie versteht sich als internationale Entwicklungsorganisation“, die bilaterale Verträge abschließen und „Entwicklungshilfeprogramme im Ausland“ durchführen kann.12
Die internationale Gemeinschaft hat (spät) den Kampf des ANC gegen die Apartheid unterstützt, doch jetzt leistet sie den rassistischen Entwicklungsorganisationen der Buren finanzielle Unterstützung. Anders gesagt: die westlichen Geberländer tragen zur Ausweitung des Apartheidsystems auf die Nachbarländer Südafrikas bei. So hat die EU die Sacada im Rahmen südafrikanischer Programme für Wiederaufbau und Entwicklung unterstützt. Ein Verantwortlicher in Brüssel bezeichnet diese Programme als „die beste Neuigkeit für den afrikanischen Kontinent seit dreißig Jahren“13 .
Ein Großteil des mosambikanischen Ufers des Niassasees – davon 160 Kilometer durch das Riftal, von Meponda bis Metangula, und im Norden bis hin zur tansanischen Grenze – gehört zu einem Projekt „Tourismus und ergänzende, ökologisch sinnvolle Aktivitäten“14, das die Fischerei- und Aquakulturzonen den Burenfarmern zuteilt, zum Schaden der örtlichen Fischer. Zudem erhalten die Buren das Recht, das 20000 Hektar große Reservat „Niassa Game“ an der Grenze zu Tansania auszubeuten – im Namen eines „ökologisch sinnvollen Tourismus“.
Der texanische Magnat James Ulysses Blanchard III hat sich in ein bedeutenderes Unternehmen gestürzt. Während des mosambikanischen Bürgerkriegs hatte er die Rebellenbewegung Renamo finanziert, die damals vom Apartheidregime unterstützt und von der südafrikanischen Armee ausgebildet wurde. Das hat die Frelimo-Regierung nicht daran gehindert, ihm eine große Konzession einschließlich des Elefantenreservats von Maputo und im Süden die Halbinsel Machangula zu überlassen. Der Texaner will dort einen Freizeitpark, den „Indian Ocean Dream Park“ errichten, mit Hotel am See, Luxussuiten für 600 bis 800 Dollar pro Nacht und einem Spielkasino. Selbstverständlich werden die in diesem Gebiet lebenden Mosambikaner enteignet. „Wir werden ihnen sagen: Ihr lebt jetzt in einem Nationalpark. Ihr könnt, wenn ihr wollt, eure Dörfer einzäunen, oder zusehen, wie die wilden Tiere über eure Hauptstraße spazieren“, erklärt John Parrot, der Direktor des Nationalparks, in aller Seelenruhe.
Mittelfristig könnte diese Entwicklung dazu führen, daß das Staatsgebiet in einzelne Konzessionsgebiete zerfällt. In Mosambik entsteht derzeit ein autonomes Gebiet, ein wahrer Staat im Staate, in der Provinz Niassa. Das von den Buren kontrollierte Projekt Mosagrius, auf das weder die Regierung des Landes noch regionale Stellen Einfluß haben, ist die einzige anerkannte und kompetente Autorität in Bodenrechtsfragen. Es ist außerdem eine Freihandelszone, in der die Menschen – gemeint sind die Buren – ebenso wie Waren und Kapital, frei zirkulieren können. Jegliche Investition ist „zoll- und steuerfrei“. Falls derartige Konzessionen ausländischen Investoren in verschiedenen Landesteilen zugestanden werden, wird das nationale Territorium bald nur noch aus „Korridoren“ bestehen. Und das wäre – so will es scheinen – der Beginn einer neuen Kolonialära.
dt. Christiane Kayser
* Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Universität in Ottawa.