16.05.1997

Undank ist der Welt Lohn

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Undank ist der Welt Lohn

WIE waren sie doch so tüchtig und zuverlässig, diese Tabakpflanzer aus Carolina und Kentucky. Und so nützlich für die medienträchtigen Pläne von Philip Morris und RJR Nabisco: kleine Landwirte, denen der Ruin droht, wenn der Kongreß ein Gesetz zum Schutz der Gesundheit – oder eine Zigarettensteuer – verabschieden würde; die nach Washington gekommen sind, um den gewählten Politikern Dampf zu machen und ihrem Recht auf Leben und Arbeit in ihrem Land lautstark Nachdruck zu verleihen.

Entschlossen, tatkräftig, aufrecht. Gäbe es eine bessere Kulisse für das andere Recht, das wahre und einzige: das Recht der Tabakmultis, millionenfaches Krebsleiden zu verursachen und ausgezeichnete Geschäfte zu machen?

Sicher, auf seiten der Kleinen, Namenlosen und Unbedeutenden war es um die Geschäfte deutlich schlechter bestellt: Seit 1982 ist der Preis für das Pfund Tabak (1,80 Dollar) nicht gestiegen, der für landwirtschaftliche Geräte dagegen schon. Ja, das Leben ist härter geworden. Und die Wut im Bauch immer größer, auf einen Bundesstaat, den diese Mittelklasse-Umweltschützer mit ihrer übertriebenen Sorge um die öffentliche Gesundheit vergiftet haben. Wenigstens wußte man, daß man auf die Solidarität der Produzenten rechnen kann. Alle zusammen, die kleinen und die großen vereint, wenn es darauf ankommt...

Wie waren sie doch naiv, die Tabakpflanzer aus Carolina und Kentucky! Denn Philip Morris hat kurzerhand umdisponiert und verlagert künftig nach Afrika, Asien und Lateinamerika: Da unten kostet ein Farmer nur halb soviel. Der in Argentinien tätige amerikanische Multi, internationalistisch auf Teufel komm raus, hilft sogar einer „Kooperative“, ihre Produktion in die Vereinigten Staaten zu verkaufen.

Der demokratische Abgeordnete von Kentucky, Scott Baesler, beschwert sich: „Die können ganz gut ohne uns. Die besorgen sich den Tabak, den sie haben wollen, einfach im Ausland.“1 Und ein Pflanzer aus der Gegend erinnert sich: „Wenn man bedenkt, daß sie uns gerufen haben, damit wir für sie die Kohlen aus dem Feuer holen“; und jedes oder fast jedes Jahr in der Bundeshauptstadt glühende Parolen schwingen. Nostalgie: Beim letzten Mal schwenkten die Demonstranten das Transparent: „1 Dollar Steuern = 388000 Arbeitslose“. Die Steuer wurde nicht beschlossen. Die Arbeitsplätze gingen trotzdem verloren.

S. H.

dt. Christian Hansen

Fußnote: 1 ABC News, 28. Februar 1997.

Le Monde diplomatique vom 16.05.1997, von S. H.