13.06.1997

Gute Zeiten für Nashörner und Investoren

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Gute Zeiten für Nashörner und Investoren

BIRMA gilt gewöhnlich als der größte Opium- und Heroinproduzent der Welt. Seine militärische Führung, die in diese Geschäfte verwickelt ist, regiert im Lande mit eiserner Faust. Am 20. Mai dieses Jahres begann erneut eine Verhaftungswelle gegen die Anhänger von Aung San Suu Kyi, der führenden Oppositionellen des Landes. Trotz der weltweiten Kritik, begleitet von einem US-amerikanischen Investitionsverbot gegen Birma, das zur selben Zeit in Kraft trat, wird Birma ab Ende Juli dem Asean-Bündnis beitreten – nicht zuletzt um den Einfluß Chinas zurückzudrängen.

Von ANDRÉ und LOUIS BOUCAUD *

Die Generäle der in Birma herrschenden Militärjunta können frohlocken. Trotz aller Vorbehalte der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union hat das Regime in Rangun es geschafft, ab Ende Juli in die Organisation südostasiatischer Staaten (Asean) aufgenommen zu werden.1 Die birmesische Drogendiktatur, die schon vielfach von internationalen Organisationen gerügt und verurteilt wurde, kann sich auf diese Weise mit einem Mäntelchen der Legitimität drapieren.2

Nachdem ihr bereits Vertreter der Wirtschaft und der Regierungen von Singapur und Malaysia grünes Licht gegeben hatten, hat im Februar 1997 auch der indonesische Präsident Suharto während eines Treffens mit General Than Shwe dem in Rangun regierenden State Law and Order Restauration Council (SLORC – Staatsrat zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung) seine Unterstützung zugesagt. Entscheidend war jedoch, daß Thailand seine Vorbehalte fallenließ und damit den birmesischen Militärs das Tor zur Asean aufstieß. Immerhin hatte Präsident Clinton noch im November 1996 bei seinem Abstecher nach Bangkok harte Vorwürfe an die Adresse Birmas gerichtet. Gerügt hatte er dabei vor allem die Rolle des Drogenhandels im politischen und wirtschaftlichen Geschehen des Landes und die Weigerung der Militärs, ihre Zusage einer Rückkehr zur Demokratie einzulösen.

Seit dem Wahlsieg von Chaovalit Yongchaiyut im November 1996 hatte sich ein solcher Kurswechsel in Thailand abgezeichnet. Acht Jahre zuvor war Yongchaiyut, damals noch als Chef der Armee, mit einer hochrangigen Delegation nach Rangun gekommen, um Gespräche mit dem führenden General der birmesischen Diktatur aufzunehmen. Die beiden Männer kannten sich noch aus ihrer gemeinsamen Zeit an der US-amerikanischen Militärakademie West Point. Im Verlauf seines Besuchs setzte sich Chaovalit energisch für eine Politik konstruktiver Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern ein.

Damals suchten die birmesischen Generäle verzweifelt nach einem Hebel, um ihre politische Isolierung zu durchbrechen, und nach neuen Devisenquellen, um die katastrophale Finanzsituation ihres Landes zu verbessern. Sie beschlossen eine wirtschaftliche Öffnungspolitik und begannen mit dem Ausverkauf von Naturschätzen, die bis dahin relativ unangetastet geblieben waren. Die Kritik an den brutalen Methoden des Regimes in Rangun sowie die traditionellen Vorbehalte gegen den Erbfeind Birma wurden in Bangkok schon bald vom Opportunismus der thailändischen Geschäftswelt erstickt.

Um seine politischen Ziele zu erreichen, mußte Chaovalit sich eine enorme Kriegskasse zulegen, deren Grundstock das birmesische Teakholz bilden sollte. Nachdem er sich die ersten Konzessionen gesichert hatte, reisten seine ausnahmslos militärischen Abgesandten immer öfter zu Missionen nach Rangun. Heute ist der Name des thailändischen Regierungschefs mehr oder weniger eng mit den Konzernen verbunden, die maßgeblich an der Ausbeutung der Teakholzwälder entlang der birmesisch-thailändischen Grenze beteiligt sind. Die bedeutendsten unter den mit Chaovalit, seiner Frau Phankruea und seinem Schwager Preecha Nawawong assoziierten Firmen sind die Sirin Technology, Union Par Co, die Chaophraya & Irrawaddy und die Silom Complex – deren Wert insgesamt auf 840 Millionen Mark geschätzt wird. Damit hat sich der ehemalige Chef der thailändischen Armee von den Generälen des birmesischen SLORC- Regimes in gewisser Weise abhängig gemacht. Und obwohl sich die Beziehungen zwischen Thailand und dem SLORC inzwischen verschlechtert haben, ist Chaovalit nach wie vor geschäftlich in Birma engagiert.

Separat verhandeln oder getrennt vertreiben?

IN dem Maße, wie sich Birmas Regime in den letzten Jahren konsolidieren konnte – insbesondere dank seiner Siege über aufständische ethnische Minderheiten –, schlug es auch eine härtere Tonart gegenüber der Regierung in Bangkok an, der es vorgeworfen hatte, die birmesischen Rebellen zu unterstützen. Mittlerweile ist die birmesische Armee fast über die gesamte Länge der Grenze stationiert, die zwischen dem Unionsstaat Shan3 und Thailand verläuft. Ihr Ziel ist es, die gesamte Grenzregion zurückzuerobern. Nachdem sie zunächst die Rebellen der Karen National Union (KNU) zum Rückzug ins Inland gezwungen hatte, startete die Armee im Februar 1997 eine erneute Offensive.

In den Reihen des SLORC wurden hinsichtlich der ethnischen Minderheit der Karen (oder Kayin) zwei entgegengesetzte Strategien vertreten. Der Geheimdienstchef, General Khin Nyunt, trat für Separatverhandlungen ein – eine Methode, die er bereits gegenüber den anderen Minderheiten erfolgreich angewendet hatte; General Maung Aye, der Chef der Armee, plädierte für die militärische Liquidierung der Aufständischen und konnte sich mit seiner Auffassung durchsetzen. Vor dem Angriff der Truppen von General Maung Aye flohen Tausende karenische Zivilisten nach Thailand, wo zuvor schon rund 100000 von ihnen Zuflucht gefunden hatten.

Damit stehen sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten Thailänder und Birmesen direkt gegenüber, also ohne die Pufferzone einer von aufständischen ethnischen Gruppen bewohnten Grenzregion auf birmesischer Seite. Und Rangun hat seine Politik gegenüber Bangkok entschieden verhärtet. Kürzlich wurde in Offizierskreisen sogar erwogen, das unter thailändische Kontrolle geratene „birmesische Territorium“ mit Gewalt zurückzuerobern. Diese martialischen Reden wurden nicht dementiert und ihre Urheber auch nicht gemaßregelt.

Die thailändische Führung hat allen Grund, die Drohgebärden des Nachbarn ernst zu nehmen, wenn sie auch alle Grenzzwischenfälle heruntergespielt hat. Birmesische Truppen und mit ihr verbündete abtrünnige Karen-Kämpfer sind wiederholt auf thailändisches Gebiet vorgedrungen, wo sie ungestraft die Flüchtlingslager plündern konnten. Die Regierung in Bangkok hofft, daß ihre Unterstützung des Asean-Beitritts beim birmesischen Regime eine Mäßigung gegenüber Thailand bewirken kann und hofft in dieser Hinsicht auch auf die Unterstützung durch die Asean-Partnerländer.

Die Entscheidung der Asean, Birma in sein Bündnissystem zu integrieren, zielt auch gegen den wachsenden Einfluß Chinas. Da die politische Achse Peking- Rangun ständig an Gewicht gewinnt, schwenkt die birmesische Militärjunta zunehmend auf den Kurs der chinesischen Führung ein. So hat der Vorsitzende des SLORC, General Than Shwe, während einer Chinareise Ende 1996 erklärt, daß man Taiwan als integralen Bestandteil der Volksrepublik betrachte. Und Peking hat den Birmesen gerade zu äußerst rentablen Konditionen Waffen verkauft. Als Gegengeschäft überließ man chinesischen Unternehmen weitreichende Nutzungsrechte für die Teakholzwälder in den Unionsstaaten Shan und Kachin, und der Lin-Po- Konzern darf sogar in der Grenzregion Karen-ni-(oder Kayah-)Staat tätig werden, aus der die Mehrzahl der thailändischen Gesellschaften seit 1993 vertrieben wurde. Nach einer Weltbank-Studie werden in Birma jährlich 600000 Hektar abgeholzt. Bis zum Jahr 2000 wird sich die Waldfläche von 32 auf 25 Millionen Hektar reduziert haben.

Auf seiner Chinareise Ende 1996 unterzeichnete General Maung Aye die Vereinbarung über den Bau einer Brücke über den Fluß Saluen bei Ta Saang. Damit ließe sich die alte Straßenverbindung zwischen Mong Pan und Mong Ton im Unionsstaat Shan nach Chiang Mai in Thailand wiederherstellen. Die Chinesen sind an einer Vielzahl weiterer Verkehrsprojekte beteiligt, die weitere strategische und wirtschaftliche Verbindungen zwischen der chinesischen Provinz Yunnan und Zentralbirma schaffen sollen.

Gegenüber der Kritik des Westens an den Menschenrechtsverletzungen in Birma hat Singapurs Außenminister Shanmugam Jayakamar die Haltung der Asean mit dem Satz gerechtfertigt, in Asien würde „man erst heiraten und dann hoffen, daß sich die Frau der ehelichen Gemeinschaft fügt“. Die Mitgift der zukünftigen Braut könnte jedoch noch einige Probleme bringen. Denn Birma gilt als der größte Opium- und Heroinproduzent der Welt, und seine militärische Führung ist unmittelbar in den Drogenhandel verstrickt. Das Regime ist dafür berüchtigt, mit ausgesprochen brutalen Mitteln gegen seine eigene Bevölkerung vorzugehen, ganz gleich, ob es sich um Birmanen oder um die ethnischen Minderheiten handelt. Es hat die Korruption zu einem regelrechten Wirtschaftssystem ausgebaut, in dem ausländische Investoren und Geschäftemacher aufs engste zusammenarbeiten.4

Während in Singapur und Malaysia auf den Besitz von Heroin die Todesstrafe steht, pflegen Geschäftsleute beider Länder durchaus enge Beziehungen zu den Drogenbaronen aus Birma. Deren mächtigster Vertreter, Lo Hsian Han, ist über den Myanmar Fund direkt mit dem sino- malaysischen Industriemagnaten Robert Kuok assoziiert. Lo Hsian Han ist über diesen Fonds am Traders Hotel in Rangun beteiligt, das Kuok gehört, der wiederum Anteile an der Firma Asia World hält, die Lo Hsian Han gehört. Am gleichen Investitionsfonds ist auch Halpin Ho beteiligt, ein sino-birmesischer Geschäftsmann, der in Thailand einer auf Immobilien und Edelsteine spezialisierten Unternehmensgruppe vorsteht und mit Khun Sa, dem ehemaligen „Opiumkönig“ des Goldenen Dreiecks, sowie der Investitionsgesellschaft GIC (Government of Singapore Investment Corporation) in Verbindung stehen soll. Als diese Nachricht im Oktober 1996 von australischen Journalisten publiziert wurde, sorgte sie nicht nur in Singapur für einigen Wirbel. Auch der Sohn von Lo Hsian Han, Stephen Law, geriet in Verdacht, in den Drogenhandel verwickelt zu sein, weshalb ihm die US-amerikanischen Behörden ein Einreisevisum verweigert haben.

Die zuständigen US-Stellen verweisen immer häufiger auf das Einsickern von Drogengeldern in die birmesische Waren- und Finanzwirtschaft. Und auch Außenministerin Madeleine Albright macht dafür unverblümt die Verbindung zwischen Lo Hsian Han und den Führern der birmesischen Diktatur verantwortlich. Los Familie soll zu 15 Prozent an den ausländischen Investitionen beteiligt sein, was ein bezeichnendes Licht auf diese Investitionen wirft. Problematisch ist auch die Beteiligung einiger multinationaler Konzerne insbesondere am Erdölgeschäft. So sind etwa die US-amerikanische Firma Unocal und die französische Total mit der staatlichen birmesischen Gesellschaft Myanmar Oil & Gaz Enterprise (MOGE) assoziiert, die zu 15 Prozent an der Off- shore-Ölförderung von Yadana, im Golf von Martaban im Süden Birmas, beteiligt ist. Die MOGE steht unter Verdacht, daß sie vom SLORC als Deckfirma benutzt wird, über die vor allem Drogengelder gewaschen werden.5 Auf diese Anschuldigung hin hat der Verband der US-amerikanischen Erdölindustrie die Unocal zu einer Stellungnahme aufgefordert. Und Aktionäre des Unternehmens haben eine Resolution vorgelegt, die eine Untersuchung über die mögliche Verstrickung der MOGE in Geldwäschegeschäfte fordert. Als der Vorstand von Unocal diese Resolution zu blockieren versuchte, wurde er von der amerikanischen Börsenkontrollkommission Security Exchange Commission (SEC) daran gehindert.6

Nachdem Khun Sa sich im Januar 1996 den Regierungstruppen ergeben hatte, schienen die birmesischen Generäle einen entscheidenden Sieg im Kampf gegen die Drogen errungen zu haben. Ein Jahr danach sieht die Sache ganz anders aus. Das amerikanische Außenministerium schätzt die Mohnanbauflächen heute auf 164000 Hektar, mit einem Ertrag von jährlich rund 2560 Tonnen Roh-Opium. Oppositionelle Shan und Birmaner, die Anfang 1997 von einer Reise in den Norden Birmas zurückkehrten, bestätigen diesen Umfang der Anbauflächen in den mittlerweile von der Regierung kontrollierten Gebieten der Unionsstaaten Shan und Kachin.

Im ehemaligen Herrschaftsbereich von Khun Sa entlang der thailändischen Grenze, das heute von den Truppen der birmesischen Armee besetzt ist, haben die Heroinküchen wieder Einzug gehalten. Sie werden von Chinesen kontrolliert, ehemaligen Offizieren der MTA (Mong Tai Army) von Khun Sa. Diese langjährigen Vertrauten des alten Drogenkönigs betreiben ihre Geschäfte in geheimer Absprache mit den örtlichen birmesischen Militärs, unter anderem mit Brigadegeneral Chit Maung, dem Kommandanten von Ho Mong. Rein formal bestehen natürlich keine Verbindungen zwischen den Betreibern der Heroinküchen und Khun Sa. Doch dieser verfügt über örtliche Stützpunkte in Form von seriösen Unternehmen (im Transport-, Holz- und Baugewerbe), die unter der direkten Aufsicht seines Sohnes Sam Heung stehen und zugleich als legale Fassade für die Abwicklung seiner weitgespannten Drogengeschäfte dienen.

Trügerische Ruhe und brutale Ordnung

DIE Militärjunta scheint das Land mittels verschärfter Repression fest im Griff zu haben, doch es mehren sich die Anzeichen für eine Zunahme der gesellschaftlichen Spannungen. Die Studentenunruhen im Dezember 1996 haben die Junta um so mehr beunruhigt, als der Geheimdienst sie nicht vorausgesehen hatte. Der SLORC glaubte die Opposition ausgeschaltet, nachdem er Frau Aung San Suu Kyi erneut unter Hausarrest gestellt und Hunderte ihrer Anhänger verhaftet hatte (ganz zu schweigen von den vertuschten Morden und Entführungen). Aber alle diese Maßnahmen konnten die Menschen nicht mundtot machen und die Führerin der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) nicht zum Einrenken bewegt. Mitten in dem vom SLORC verkündeten Jahr des Tourismus flackern immer wieder einzelne Revolten auf.

Das diktatorische Regime verfolgt das Ziel, ausländischen Investoren das Bild eines Landes zu vermitteln, in dem Ruhe und Ordnung herrschen. Dies ist einer der Gründe für die brutale Offensive gegen die Karen und ihre bewaffnete Bewegung KNU. Man möchte den Direktoren von Unocal und Total demonstrieren, daß ihre Gaspipeline ungefährdet ist; da die Gaspipeline aus Yadana durch das Tenasserim- Gebiet führt, will die Regierung die dort ansässigen Karen vertreiben — wofür ihnen ein harmlos wirkendes Projekt gerade recht kommt: Die Umwandlung des Tenasserim-Gebiets in einen riesigen Naturschutzpark für Nashörner.

Der Süden Birmas ist allerdings nicht die einzige betroffene Region. Die Khun- Sa-Truppe hatte keineswegs vollständig kapituliert. Einige Shan-Verbände, die nicht die Waffen niedergelegt haben, stehen unter dem Kommando von Major Yord Serk und bilden heute eine kleine, 2500 bis 3000 Mann starke Armee, die Shan United Revolutionary Army. Ohne die birmesische Armee ernsthaft belästigen zu können, führt sie einen erbitterten Kleinkrieg und hält den Geist des Shan- Widerstands unter der einheimischen Bevölkerung wach. Um jegliche materielle Unterstützung der Rebellen durch die Bevölkerung zu unterbinden, zerstört die Armee Hunderte von Dörfern und zwingt die Bewohner, in Umsiedlungsgebiete auszuweichen. Eine in der Region tätige NGO, die Shan Human Right Foundation, berichtet von 100000 Flüchtlingen, die aus dem Inland in Regionen deportiert worden seien, wo es für sie keine Überlebensbasis gibt. Weitere 10000 Flüchtlinge sollen ziellos umherirren und versuchen, in kleinen Gruppen über die thailändische Grenze zu gelangen. Dort erwartet sie jedoch nicht unbedingt ein besseres Los. Die Männer werden zur leichten Beute von Unternehmern, die sie skrupellos als illegale Arbeitskräfte auf ihren Baustellen ausbeuten; Frauen und Mädchen werden häufig zur Prostitution gezwungen.

Im Unionsstaat Kachin hat der SLORC die nach dem Waffenstillstandsabkommen mit den Kachin-Rebellen gegebenen Versprechungen, die Region zu entwickeln, bis heute nicht gehalten. Auch die Drogenproduktion ist wieder sprunghaft angestiegen. Das Geschäft mit Glücksspiel, Prostitution und Heroin floriert unbeanstandet unter den Augen der Obrigkeit. Schätzungsweise 4 Prozent der Bevölkerung sind rauschgiftsüchtig, was gewiß auch mit der verheerenden politischen und sozialen Situation des Landes zu tun hat.

Nach dem vertraulichen Bericht einer Abteilung der Vereinten Nationen sind 60 bis 70 Prozent der Heroinabhängigen (bzw. 450000 bis 500000 Menschen) in Birma mit dem Aids-Virus infiziert. Der SLORC dagegen geht von lediglich 15000 Infizierten aus. Tourismusminister General Kyaw Ba hat den NGOs bewußte Desinformation vorgeworfen, womit das Ansehen des Regimes herabgesetzt werden solle. Die abgelegenen und aufgrund der birmesischen Militärpräsenz schwer zugänglichen Grenzregionen lassen eine direkte Überprüfung der Zahlen nicht zu.

Im übrigen Land fungiert eine Massenorganisation, die Union Solidarity Development Association (USDA) als Transmissionsriemen für den SLORC. Die USDA soll die Bevölkerung erfassen und „spontane“ Beifallskundgebungen für das Regime organisieren, aber auch Unruhen provozieren, die die Opposition in Mißkredit bringen sollen. So wurde etwa Frau Aung San Suu Kyi im November 1996 während einer von Mitgliedern der USDA initiierten Kundgebung attackiert.7 Am 3. Februar 1997 beschuldigte sie Verkehrsminister Oberst Win Sein, die Anhänger der USDA zu ihrer Ermordung aufgerufen zu haben. Aber weder Angriffe noch Einschüchterungsversuche werden die Friedensnobelpreisträgerin von ihrem Kampf abbringen können.

dt. Christian Hansen

* Autoren von „Burma‘s Golden Triangle. On the Trail of Opium Warlords“, Hongkong (ASIA 2000) 1992.

Fußnoten: 1 Die Mitgliedstaaten der Asean sind Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam und Brunei. 2 Mitte April wurde von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedet, in der erneut die Besorgnis über Menschenrechtsverletzungen in Birma – über willkürliche Masssenhinrichtungen, Folter, dubiose Todesfälle in Gefängnissen und Kinderzwangsarbeit – zum Ausdruck gebracht werden. International Herald Tribune, Paris, 23. April 1997. 3 Die von ethnischen Minderheiten bewohnten Unionsstaaten Kachin, Shan, Karen-ni und Karen bilden von Norden nach Süden entlang der birmanisch- thailändischen Grenze eine Kette von Territorien, die seit Jahren einen bewaffneten Widerstand gegen das Regime in Rangun führen. 4 Vgl. die Artikel von André und Louis Boucaud, „La dictature Birmane sur la voie capitaliste“ und „Victoire totale des généraux birmans“, Le Monde diplomatique, Mai 1995 und Mai 1996, sowie den Artikel von Renaldo Gassi, „Le viol permanent du peuple birman“, Le Monde diplomatique, Dezember 1995. 5 Vgl. den Bericht „La Birmanie, Total et les droits de l'homme: dissection d'un chantier“, veröffentlicht von der Internationalen Liga für Menschenrechte (FIDH), Paris, Sonderheft, Nr. 224 (Oktober 1996). 6 Siehe Los Angeles Times vom 17. April 1997. 7 Vgl. „Aung San Su Kyi: la voix du défi. Conversations avec Alan Clements“, Paris (Stock) 1996.

Le Monde diplomatique vom 13.06.1997, von ANDRÉ BOUCAUD und LOUIS BOUCAUD