17.04.1998

Ein Blick aus Bagdad auf die Krise am Golf

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Ein Blick aus Bagdad auf die Krise am Golf

WIE im Vertrag zwischen UN-Generalsekretär Kofi Annan und Präsident Saddam Hussein vereinbart, haben die Experten der UN-Sonderkommission (Unscom) zur Vernichtung der irakischen Massenvernichtungsmittel Ende März ihre Arbeit wiederaufgenommen. An den Inspektionen der Präsidentenanlagen ist auch diplomatisches Personal beteiligt. Je schneller die Untersuchungen über das vorhandene irakische Waffenarsenal abgeschlossen sind, desto schneller werden die Sanktionen aufgehoben werden. Es sei denn, Washington findet einen neuen Vorwand, um die Krise wieder hochzuspielen.

Von unserem Korrespondenten AMNON KAPELIUK *

Bagdad, Mitte Februar 1998. Die Auseinandersetzungen um die Inspektion der Präsidentenpaläste durch die Experten der UN-Sonderkommission für die Abrüstung des Irak (Unscom) sind in vollem Gange. Noch steht nicht fest, ob UN-Generalsekretär Kofi Annan in die irakische Hauptstadt reisen wird, aber ein irakischer Beamter glaubt mir bereits versichern zu können: „Es wird keinen Krieg geben. Wir werden den Amerikanern nicht den gewünschten Vorwand liefern, erneut über uns herzufallen. Sie wollen die furchtbaren Bombardierungen von 1991 wiederholen, und wie damals spielen sie mit offenen Karten: Sie haben eine gewaltige Streitmacht nahe unserer Grenzen zusammengezogen und sogar den Zeitpunkt für die Eröffnung der Feindseligkeiten bestimmt. Dabei haben sie – zynischerweise – auf die Sportbegeisterung Rücksicht genommen: Vor dem Ende der Olympischen Winterspiele in Nagano [am 22. Februar 1998] soll es zu keinen Kampfhandlungen kommen.“

Aber warum hat der Irak dann die Arbeit der Unscom behindert und den USA einen Anlaß zur abermaligen Niederwerfung des Irak geliefert? Mein Gesprächspartner, ein Mann mit Universitätsabschluß und Saddam-Hussein-Schnurrbart, weiß eine Antwort: „Das war das beste Mittel (womöglich sogar das einzige), alle Welt darauf aufmerksam zu machen, welch unerträgliches Leid diese völlig neuartigen Sanktionsmaßnahmen über uns gebracht haben.“ Die Sanktionen sind seit sieben Jahren in Kraft, für das Land sind sie eine schwere Last: Die gesamte Bevölkerung verarmt, leidet an Unterernährung und Krankheiten, die Kindersterblichkeit nimmt zu, weil es an den nötigsten Medikamenten fehlt. Und das in einem Land, das zuvor ein relativ gut ausgebautes Gesundheitssystem hatte. Heute gibt es nicht einmal mehr genug Chlor, um das Trinkwasser zu desinfizieren.

Offenbar ging es Präsident Saddam Hussein darum, die internationale Gemeinschaft dazu zu bringen, diese die Infrastruktur zerstörenden Sanktionen aufzuheben. Die USA weigern sich allerdings noch immer, einen Zeitpunkt für die Beendigung der Maßnahmen zu nennen. Sie haben sogar mit ihrem Veto den Abschluß der Untersuchung über Nuklearwaffen und Langstreckenraketen verhindert, den die Unscom schon unzweideutig angesagt hatte.

„Die Sanktionen nehmen uns die Luft zum Atmen“ – diese Aussage bekommt man im Irak tagtäglich und überall zu hören. Wer in Bagdad ankommt, ist über das Elend der vier Millionen Einwohner entsetzt. Und im Rest des Landes, das etwa zwanzig Millionen Einwohner hat, sieht es eher noch schlimmer aus. Der Irak ist reich an Menschen, an fruchtbaren Anbaugebieten und an Wasser. Bis zum Beginn des Embargos war das Land der zweitgrößte Erdölexporteur der Welt, es besitzt über 11 Prozent der Weltölreserven.

Heute ist nur noch ein Produkt reichlich vorhanden, und auch dies nur, weil es zu einem symbolischen Preis abgegeben wird: Benzin. Eine Tankfüllung von 50 Litern kostet 50 Dinar – das sind nach dem offiziellen Kurs zehn amerikanische Cent, auf dem freien Währungsmarkt sogar nur drei. Doch der Kraftstoff, den man bekommt, hat nur 80 bis 85 Oktan, weil der Stoff, der normalerweise zur Qualitätsverbesserung eingesetzt wird, zu den dreihundert Produkten gehört, die auf der Importverbotsliste stehen. Das bedeutet einen schnelleren Verschleiß der Motoren. Und da es auch an Ersatzteilen fehlt, sind die meisten Autos in jämmerlichem Zustand, zumal der Import von Fahrzeugen ebenfalls Beschränkungen unterliegt.

Ein Vergleich drängt sich auf. In Bagdad fühlt man sich wie in Moskau zur Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion. Auch hier bieten Männer und Frauen in den Grünanlagen ihre wenigen Habseligkeiten wie Kleidung oder Haushaltsgegenstände zum Verkauf an. Ein Beamter im Informationsministerium etwa bezieht ein Monatsgehalt von 3500 Dinar, weniger als sieben Dollar nach offiziellem, 2,3 Dollar nach halbamtlichem Kurs. Der größte Geldschein, der im Umlauf ist, eine 250-Dinar-Note, hätte vor dem Krieg gereicht, um einen Gebrauchtwagen zu kaufen, heute kann man sich davon gerade mal ein Sandwich leisten. Es gibt zwar genügend Lebensmittel zu kaufen, aber für die Mehrheit der Bevölkerung sind sie unerschwinglich. Glücklicherweise verteilen die staatlichen Einrichtungen einige Grundnahrungsmittel zu lächerlichen Preisen an die Bevölkerung: monatlich pro Person neun Kilo Mehl, zweieinhalb Kilo Reis, zwei Kilo Zucker, einen Liter Speiseöl und 150 Gramm Tee, für jedes Kleinkind 2,7 Kilo Milchpulver. Auf dem freien Markt kosten diese Produkte allerdings das fünfzigfache.

Man wollte dem Irak einen äußerst harten Schlag versetzen, vielleicht sogar Präsident Saddam Hussein stürzen; man wollte den Arabern und dem Rest der Welt inklusive der Russen klarmachen, wer der Herr des Planeten ist; man wollte neue Waffen erproben, die seit 1991 entwickelt wurden; und nebenbei sollte auch von der Lewinsky-Affäre abgelenkt werden. Dies zu den Kriegszielen von Präsident Clinton.1 Aber der bewaffnete Konflikt fand nicht statt.

Doch wer hat nun gewonnen? In erster Linie die UNO und ihr Generalsekretär, obwohl er ja der Wunschkandidat der USA für diesen Posten war. Manche sind der Meinung, daß Kofi Annan für sein Geschick, zwischen den Führungen beider Seiten zu vermitteln, um dem Nahen Osten einen Waffengang mit katastrophalen Folgen zu ersparen, den Friedensnobelpreis verdient hätte. Und der Irak? Formell hat Saddam Hussein nachgegeben, denn er ist wieder an seinem Ausgangspunkt, ohne eine Zusage über das Ende der Sanktionen erhalten zu haben. In der von Tarik Asis und Kofi Annan unterzeichneten Vereinbarung wird betont, die Aufhebung der Sanktionen sei für den Irak von großer Bedeutung und der UN-Generalsekretär habe zugesichert, „dieses Problem den Mitgliedern des Sicherheitsrates vorzutragen“. Soweit scheint alles beim alten. Letztlich sind es jedoch die USA, die das Nachsehen haben: Nicht nur, daß sie ihren Militärschlag nicht ausführen konnten – die Krise und ihre Überwindung könnten auch dazu beigetragen haben, die Aufhebung der Sanktionen zu beschleunigen, die das Land an Euphrat und Tigris ruinieren.2 So jedenfalls sieht man es in Bagdad.

Tatsächlich war nach der Reise von Kofi Annan im Irak Erleichterung, in Washington hingegen Enttäuschung zu spüren. Die „Falken“ (etwa Außenministerin Madeleine Albright, der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats, Sandy Berger, oder Verteidigungsminister William Cohen) trösteten sich mit der Feststellung, die Gegenseite werde früher oder später wieder einen Fehler machen, und dann werde man ohne langes Zögern zuschlagen. Manche europäischen Beobachter in Bagdad vertreten dagegen die Ansicht, daß Präsident Clinton am Ende der Krise einen relativ neuen politischen Ansatz versucht habe: Am 18. Februar – es war der Tag, als Madeleine Albright in Ohio erleben mußte, wie man sie vor laufenden Kameras ausbuhte (und das am Vorabend der Reise von Kofi Annan) – soll der marokkanische König Hassan II. im Auftrag von Clinton mit Saddam Hussein telefoniert haben: Eingeweihte, die den Inhalt des Gesprächs kennen, versichern, der Ton sei keinesfalls offensiv gewesen.

In jedem Fall wird es für Washington nun nicht mehr so einfach sein, seine Truppen ohne Rückendeckung durch die UNO einzusetzen. Sowohl in der Vereinbarung, die von Asis und Annan unterzeichnet wurde, als auch in der Resolution des Sicherheitsrats wird dies abgelehnt – wobei allerdings richtig ist, daß die USA einen anderen Standpunkt vertreten.

Wir schreiben nicht mehr das Jahr 1991. Damals gab es eine antiirakische Koalition von dreißig Staaten, zu denen die meisten arabischen Länder gehörten, und die irakische Führung war weitgehend isoliert. Diesmal stieß die Idee eines amerikanischen Militärschlags fast in der gesamten Welt auf Ablehnung. Die USA sahen sich in der Minderheit, ihre Position wurde nur von den angelsächsischen Ländern und einigen ehemaligen Ostblockstaaten gestützt – darunter ein Land, das katholischer ist als der Papst und bereit war, Truppen zu entsenden: Polen, der jüngste Nato-Kandidat.

Die Haltung Frankreichs fand in Bagdad viel Beifall. Staatspräsident Chirac gilt nach wie vor als „Freund des irakischen Volkes“, wie es ein Regierungsvertreter ausdrückt, der hinzufügt: „Was wäre gewesen, wenn François Mitterrand noch Präsident wäre?“ Während der Krise war die französische Botschaft das Zentrum vielfältiger diplomatischer Aktivitäten. Bertrand Dufourcq, Generaldirektor des Außenministeriums, und Jean-Claude Cousserand, Abteilungsleiter für Nordafrika und den Mittleren Osten, überbrachten Präsident Saddam Hussein wiederholt Botschaften von Chirac mit der Aufforderung, den UN-Resolutionen bezüglich der Unscom-Inspektionen uneingeschränkt Folge zu leisten.

Russische Interessen

AUCH Moskau hatte entscheidenden Anteil an der Entschärfung der Krise. Im November 1997, als die Spannungen bereits zunahmen, konnte der russische Außenminister die amerikanischen Raketenangriffe verhindern, indem er Saddam Hussein überzeugen konnte, den Unscom-Inspektoren die Fortführung ihrer Arbeit zu erlauben. Jewgenij Primakow schaltete sich auch im Januar und Februar wieder ein, um die Eskalation zu stoppen – und zwar so energisch, daß Madeleine Albright zu ihm sagte: „Wir können auch ohne Unterstützung aus Moskau Druck auf den Irak ausüben.“ Primakow erwiderte: „Und wir werden unsere diplomatischen Bemühungen um die Verhinderung eines Krieges auch ohne Ihre Zustimmung fortsetzen.“

Ende Januar 1998 schickte Boris Jelzin einen seiner bewährten Diplomaten in den Irak: Wiktor Possowaljuk, Stellvertretender Außenminister und Ressortleiter für den Nahen Osten, sollte Saddam Hussein klarmachen, daß er nicht in die Falle gehen dürfe. Possowaljuk verfolgte seine Mission wochenlang mit großem Nachdruck, immer wieder war er auf den Titelseiten der Zeitungen gemeinsam mit dem irakischen Präsidenten zu sehen.

Auf dem Höhepunkt der Krise hat der russische Präsident bekanntlich die Warnung nach Washington geschickt, ein Angriff auf Bagdad könnte den Auftakt zu „einem dritten Weltkrieg“ bedeuten. Eine solche Drohung hatte es seit Ende des Kalten Krieges nicht gegeben, doch als die USA versuchten, die Bedeutung der Erklärung herunterzuspielen, wiederholte Jelzin sie noch zwei Male.

In Moskau, wo man die Erweiterung der Nato bis an die Grenzen Rußlands noch keineswegs geschluckt hat, entschloß man sich, die Golfkrise als eine Angelegenheit zu sehen, die „vitale Interessen“ des Landes berührt. Es folgten diplomatische Aktivitäten Rußlands auf allen Ebenen. Erstmals seit vielen Jahren gab es (am 17. Februar) sogar eine gemeinsame Erklärung aus Moskau und Peking, in der eine diplomatische Lösung des Konflikts gefordert wurde.

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt hat der irakische Präsident auf die Unterstützung aus Moskau gesetzt. 1991 wurden seine Hoffnungen enttäuscht: Damals lag die Sowjetunion in den letzten Zügen, Präsident Gorbatschow und sein Außenminister Schewardnadse begnügten sich damit, auf die Linie von Präsident Bush und Außenminister Baker einzuschwenken.

Ganz anders 1998: Jetzt trägt die russische Diplomatie die Handschrift von Außenminister Jewgenij Primakow, einem Mann, der sich im Nahen Osten sehr gut auskennt, der alle diplomatischen Vollmachten besitzt und sich voll dafür einsetzt, seinem Land in der internationalen Politik wieder eine machtvolle Rolle zu verschaffen. Rußland ist zwar nicht mehr die zweite „Großmacht“, aber es hat an Gewicht gewonnen: Im Verein mit Frankreich konnte die russische Diplomatie den Irak dazu bringen, jene Entscheidungen zu treffen, die es der UNO ermöglichten, den USA den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das war die Voraussetzung für den Erfolg von Kofi Annan.

Die Russische Föderation verfolgt mit ihrer Unterstützung des Irak – wie Frankreich auch – durchaus wirtschaftliche Interessen. Bagdad schuldet Rußland nämlich sieben Milliarden Dollar, und auch die Verträge über Öllieferungen, die mit den russischen Konsortien Gasprom und Lukoil abgeschlossen wurden, können erst erfüllt werden, wenn das Embargo aufgehoben ist. Außerdem verhandeln sie über die Sanierung der irakischen Eisenbahnlinien, die völlig veraltet und seit 1991 teilweise stillgelegt sind.

Wie dem auch sei, die Russen haben in dieser Krise gezeigt, daß man sie politisch ernst nehmen muß. Im übrigen haben sie Washington auch darauf hingewiesen, daß eine Bombardierung mutmaßlicher Lager biologischer und chemischer Waffen mit dem Risiko verbunden ist, die Zivilbevölkerung zu verseuchen – nicht nur im Irak, sondern auch in den Nachbarländern.

Eine Embargopolitik, ob sie sich nun gegen den Irak oder Kuba richtet, soll nach den Vorstellungen der amerikanischen Führung vor allem eines bewirken: die Bevölkerung gegen die politischen Machthaber aufbringen und damit den Boden für einen Machtwechsel bereiten. Aber die Iraker haben trotz aller Leiden, die ihnen durch die internationalen Sanktionen entstanden, nicht so reagiert, wie man sich das in Washington vorgestellt hatte. Ein Händler auf der Saadun-Straße in Bagdad meint: „Wir hatten Krieg, doch der ist längst vorbei. Warum wird unser Volk immer wieder und ohne Ende gequält? Die Amerikaner sind nicht nur grausam, sondern auch dumm, wenn sie uns durch diese unmenschliche Behandlung dazu bringen wollen, das Regime zu stürzen. Im übrigen wollen sie den Irak in drei kleine, schwache und abhängige Staaten aufteilen – aber wir brauchen eine starke Führung, die das Land aus der schwersten Krise in seiner neueren Geschichte herausführt.“

Ähnlich lauten die Einschätzungen westlicher Diplomaten vor Ort: Die Stellung des Regimes wurde durch die Sanktionen nicht geschwächt, der Haß gegen die Amerikaner hat sich noch verstärkt. Das ist unüberhörbar, wenn man mit den Menschen in der Hauptstadt redet, auch wenn diese Empörung vom Regime zweifellos benutzt und gelenkt wird.

Was die Iraker besonders leid sind, ist die permanente Doppelzüngigkeit der Amerikaner. Immer wieder wird darauf verwiesen, daß Washington zwar vom Irak die strenge Einhaltung jeder Bestimmung der UNO-Resolutionen fordert, zugleich aber alle Machenschaften Israels deckt. So kann Israel fortwährend ganz ungeniert nicht nur UNO-Resolutionen, sondern auch die Genfer Konvention und die Menschenrechte verletzen.

Aus irakischer Sicht spielte Israel während der gesamten Krise im Januar und Februar 1998 allerdings nur eine Nebenrolle. Es wird angemerkt, daß die Amerikaner als erste auf die Möglichkeit hinwiesen, der Irak könne Scud-Raketen auf den jüdischen Staat abfeuern, die mit chemischen oder biologischen Kampfstoffen bestückt seien. Auf die Frage, ob der Irak im Falle eines amerikanischen Angriffs einen Vergeltungsschlag gegen Israel ausführen werde, erklärte Tarik Asis in einem Interview mit CNN: „Wir haben weder die Absicht noch den Plan, irgendein Land anzugreifen, es sei denn, wir werden von einem anderen Land angegriffen, und unsere Gegenschläge werden ausschließlich auf irakischem Territorium geführt.“

Die plötzliche Panik in Israel sah man in Bagdad als Versuch des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu, von der Palästinafrage abzulenken. Für andere Beobachter zeugt die Angst der Israelis von der Einsicht in die Verwundbarkeit ihres Landes – woraus man eigentlich den Schluß ziehen müßte, daß die „Maginotlinien“ im Zeitalter von Langstreckenraketen ihren Sinn verloren haben und daß nur der Frieden den schlimmsten Fall abwenden kann.

Tatsächlich wurde in keinem der seriösen Krisenszenarien unterstellt, daß der Irak im Falle eines Krieges Massenvernichtungswaffen gegen Israel einsetzen würde. Die 39 Raketen, die 1991 in Israel einschlugen, sollten das antiirakische Bündnis sprengen, das sowohl arabische Staaten als auch, de facto, Israel umfaßte. Doch selbst damals benutzte Saddam Hussein seine Raketen nicht als Trägerwaffe, er wußte sehr genau. wo die Grenzen lagen, die er nicht überschreiten durfte. Das gilt erst recht 1998: Warum sollte er den Zerfall der internationalen Koalition riskieren, die sich diesmal gegen das Eingreifen der USA zusammengefunden hat? Überdies weiß man im Irak – aus westlichen Zeitungsberichten –, daß Israel für diesen Fall mit dem Einsatz seiner Neutronenbombe droht. Und daß die Aufhebung der Sanktionen dann auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben wäre. Diejenigen Israelis, die in der Angst vor einem irakischen Raketenangriff lebten, waren also Opfer einer politischen Manipulation. Mitten in der ganzen Aufregung haben eine Reihe jüdischer Intellektueller, die Anfang der fünfziger Jahre nach Israel eingewandert waren, ein Hilfskomitee für die Kinder im Irak gegründet. Das zumindest ist eine Nachricht, die Anlaß zur Hoffnung gibt.

dt. Edgar Peinelt

* Journalist in Jerusalem, Autor des Buches „Rabin - ein politischer Mord. Nationalismus und rechte Gewalt in Israel“, aus dem Franz. von Miriam Magall, Heidelberg (Palmyra) 1997.

Fußnoten: 1 Siehe zu diesem Thema das „Dossier Irak“, Le Monde diplomatique, März 1998. 2 Paul-Marie de la Gorce, „Washington gegen Bagdad – die nächste Runde“, Le Monde diplomatique, Dezember 1997.

Le Monde diplomatique vom 17.04.1998, von AMNON KAPELIUK