Wenn das Fernsehen demnächst virtuelle Spiele kreiert
Von JACQUES BLOCISZEWSKI *
DIE Geschichte der Fußballweltmeisterschaft 1998 im Fernsehen beginnt mit einer nichtssagenden Zahl: 37 Milliarden Fernsehzuschauer! Diese ständig zitierte Zahl, der statistische Schätzwert für die absolut gerechnete Einschaltquote bei der diesjährigen WM, drückt aber auch aus, wozu der Fußball geworden ist: zu einem riesigen Werbeträger, einem virtuellen Event.
Verglichen mit dieser surrealistischen Statistik (wo gibt es schließlich 37,5 Milliarden Menschen?) nimmt sich die Zahl der Zuschauer, die der Veranstaltung in den französischen Stadien persönlich beiwohnen werden, geradezu lächerlich gering aus: 2,5 Millionen! Doch sie sind es, die gemeinsam mit den Spielern diese Weltmeisterschaft bestreiten werden.
Was vom Sportmarketing und auch national als das Ereignis dieses ausklingenden Jahrhunderts betrachtet wird, ist Teil einer Entwicklung, die sich in den letzten Jahren unter dem geballten Einfluß von Geld, Werbung und technologischem Fortschritt beschleunigt hat. Durch diese Entwicklung vergrößert sich der Graben zwischen dem realen Sport (den Aktiven, den Zuschauern vor Ort) und dem Sport im Fernsehen. Der Fußball – unverzichtbare Größe des audiovisuellen Bereichs, insbesondere des aufkommenden Pay-TV – ist vom Fernsehen abhängig; eine Abhängigkeit, die seine obersten Repräsentanten auf den Plan ruft.
So besteht für Sepp Blatter, den Generalsekretär des internationalen Fußballverbands (Fifa), „die Gefahr, daß die kommerziellen Partner versuchen, an die Stelle der Verbände oder Vereine zu treten“. Und der Einfluß des Fernsehens ist seiner Ansicht nach „eine Gefahr, der gegenüber man wachsam sein muß“1 .
Der französische Pay-TV-Sender Canal +, der sich einen eigenen typischen Übertragungsstil angeeignet hat, dabei aber immer noch offen für US-amerikanische Neuerungen ist, hat die Art und Weise, Fußball zu filmen, um eine inzwischen schon von anderen kopierte kreative Note bereichert, die dem Sportfernsehen der fünfziger und sechziger Jahre fehlte. Der Fußball wurde damals zumeist „von oben“ gezeigt, mit drei Kameras, geringeren technischen Mitteln und ohne viel Phantasie. Dieser recht nüchterne Stil hatte jedoch mehrere Vorzüge: Er entsprach dem Blick des Zuschauers im Stadion, der seinen festen Platz hatte, und war insofern konsequent, als er die zahllosen Perspektivwechsel vermied, die das High- Tech-Fernsehen am Ende dieses Jahrhunderts charakterisieren.
Auf den meisten Kanälen ist die Präsenz der Werbung und des Sponsoring vor und bei den Begegnungen (Logos, Bandenwerbung, Werbespots, Spielertrikots, Werbetafeln und sogar Rasenwerbung!) immer massiver geworden. Der Sport verschwindet hinter dem Medium – einem von Einschaltquoten besessenen Medium. Der andere bestimmende Faktor neben der Werbung ist der systematische Einsatz technologischer Neuerungen: Zeitlupe, Nah- und Detailaufnahmen, eingeblendete Statistiken usw. Bei der Übertragung wichtiger Spiele ist man in vierzig Jahren von drei zu zwanzig Kameras übergegangen, filmt nun alles aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln und löst die Spiele in eine Myriade von Einzelszenen auf. Die französischen Fernsehsender sind auf diesem Gebiet oft Vorreiter und überschlagen sich in bildtechnischer Waghalsigkeit, zu der sich die meist traditionelleren ausländischen Sender nicht versteigen würden.
Doch dies ist ein zweischneidiges Schwert. Aufgezogen wie ein Fernsehthriller, wird das Sportereignis in solcher Übertragung zum Handlungsstrang ohne Kontinuität, zur Ansammlung von oft brillanten Bildern, die die Wirklichkeit nur noch verzerrt abbilden. Diese Art der Inszenierung gibt dem Spektakel und den Emotionen den Vorzug, auf Kosten der Kohärenz unserer Wahrnehmung. Der Sport und die Spitzensportler werden so zum Rohstoff einer fiktiven Realität, die vom Fernsehauge permanent rekonstruiert wird. Man ertappt sich nach einem Tor im Prinzenparkstadion, daß man auf die Zeitlupe wartet, die aber ausbleibt! Unser Blick hat eine Sehhilfe bekommen ...
Man weiß ja, was CNN aus der Welt macht, indem es sie überdramatisiert und aus nächster Nähe zeigt – das beste Mittel, uns zu blenden und uns jeder Möglichkeit der kritischen Analyse zu berauben. Und mit den Live-Kameras im Internet wird die Sache auch nicht besser!2
Der Sport als Medienspektakel paßt sich diesem Perspektivwechsel an. Auch hier wird so getan, als würden wir näher an das Reale herangebracht, während man uns doch immer weiter von ihm entfernt. Das gilt für die Zeitlupe, die das Geschehen unendlich seziert und die sportliche Bewegung ans Messer liefert: Kein Athlet in der wirklichen Welt bewegt sich in Zeitlupe! Das gilt für die Nahaufnahmen, die uns die Gesichter der Spieler, der Trainer und ihre Blicke zeigen, in denen sich vermeintlich die „Emotionen“ spiegeln; und dann die Werbeaufdrucke auf den Trikots ... All dies beraubt uns des Gesamtüberblicks und des kontinuierlichen Erlebnisses des Geschehens, durch die allein wir die strategischen und taktischen Aspekte eines Spiels verstehen könnten. Die tragbaren Kameras, die Hi-Fi- Mikrofone an den Seitenlinien und in den Umkleideräumen verwandeln uns in Leser der Regenbogenpresse und Voyeure, ohne daß wir dafür das Spiel, seinen Sinn und seine Schönheit besser begreifen lernten. Der Fernsehzuschauer soll ein privilegierter Zuschauer sein, hört man immer. Aber soll sein Privileg und sein Recht nicht darin bestehen, einen Gesamtüberblick über das Spiel zu behalten, ohne durch eine Unmenge von Details erschlagen zu werden?
Sport im Fernsehen ist eine Spielwiese des technologischen Fortschritts; an ihm läßt sich ablesen, wie die weitere Entwicklung des Fernsehens verlaufen wird. Die durch die digitale Technik revolutionierte Möglichkeit, Bilder zu speichern und beliebig zu reproduzieren, löst eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf eine Art Seziertrieb aus: Das vom Fernsehen übertragene Fußballspiel verwandelt sich mit jeder Zeitlupe mehr in eine Art zwanghaftes, pseudoästhetisierendes Wiederkäuen (ein Tor wird mitunter bis zu sechsmal hintereinander wiederholt) und zugleich in eine fast kriminalistische Suche nach Fehlern des Schiedsrichters oder der Spieler. Das Bild wird bis zum letzten Pixel durchsiebt, als wollte man ihm irgendwelche letzten Geheimnisse entlocken. An den digitalen Schnittplätzen des Fernsehens zerfällt ein unterhaltsames Fußballspiel in zusammenhangloses Stückwerk. Der Druck der Werbeindustrie und die von der eigenen Macht berauschte Bildregie nehmen dem Ereignis seine Identität und seine Zeitlichkeit.
Paradoxerweise gibt es in dieser „Echtzeit“-Epoche im Fernsehen keine wirklichen Direktübertragungen sportlicher Ereignisse mehr, sondern nur noch einen ständigen Wechsel zwischen Direktübertragung und ganz leichter Zeitverschiebung. Unaufhörlich durchbrechen Zeitlupen die Kontinuität des Spiels, und jene Aktionen, die unterdessen bereits im Gange sind, werden von ihnen überlagert.
So übertrug der amerikanische Sender NBC die Olympischen Spiele von Atlanta in einer manipulierten Form von Direktübertragung und „Konserve“; er zeigte zahlreiche Wettbewerbe nur in Aufzeichnung (ohne dies während der Sendung zu erwähnen), um die Live-Bilder zusammenschneiden und die amerikanischen Champions und die Werbespots zugleich in Szene setzen zu können.3
Es war nur eine Frage der Zeit, wann auch die virtuelle Werbung im Sport erscheinen würde. Das bekannteste System ist Epsis vom Lagardère-Konzern, das seinen ersten kommerziellen Einsatz 1995 beim spanischen Radrennen Vuelta feierte. „Epsis ist eine Software zur Bildbearbeitung und Einfügung von Informationen aus synthetischen Bildern, die in erster Linie für die Bewerbung sportlicher Ereignisse gedacht ist. Durch sie läßt sich die Vermarktung des für Werbung verfügbaren Raums an bestimmten Stellen optimieren, indem man sie auf das jeweilige Land zuschneidet, wo das Ereignis ausgestrahlt wird.“4 So werden die deutschen Zuschauer bald nicht mehr dieselben Bilder von einem Spiel sehen wie die französischen, denn die Werbung wird anders sein, und die Werbetafeln, die wir „sehen“, wird es nicht wirklich geben. Vor einigen Jahren rief diese Neuerung heftige Diskussionen hervor. Inzwischen, 1998, ist Geld geflossen, keiner sagt mehr etwas, und überall werden Verträge unterzeichnet oder vorbereitet.
Die große offizielle Einführung der virtuellen Werbung im französischen Fernsehen (TF 1 und France 2) wurde wegen Meinungsverschiedenheiten über Rechtsansprüche verschoben, keineswegs jedoch, um ethischen oder psychosozialen Bedenken Rechnung zu tragen. Mehr noch: Es wurde erwogen, „virtuelle Zuschauer“ zu bemühen, um leere Tribünenplätze zu kaschieren, nur weil eingeladene VIPs möglicherweise ihr Wohnzimmer oder das Stadioncafé dem Spiel vorziehen. Wir hätten dann auf der Mattscheibe das reale Publikum bei den Spielen gar nicht mehr erkennen können!5 Bezeichnend ist, daß nicht im mindesten danach gefragt wird, ob solche Verfahren den Realitätsbegriff und unser (ohnehin schon sehr relatives) Vertrauen in das, was wir sehen, gefährden. Es zählt nur der Profit.
Gerade die Frage der virtuellen Werbung ist entscheidend. Wenn wir akzeptieren, daß derartige Systeme allgemeine Verbreitung finden, dann werden alle Manipulationen möglich sein, und zweifellos nicht nur im Sport! Es wird dann nicht mehr um das ohnehin schon erhebliche Problem gehen, ob ein Ereignis wirklichkeitsgetreu gefilmt worden ist, sondern man wird ständig zu entwirren haben, was von den Bildern real gefilmt wurde und was nur in digitalen Speichern existiert – eine schier unlösbare Aufgabe!
Dieses Thema berührt auch das Kino (bei Filmen wie „Forrest Gump“) oder Fernsehsendungen, in denen wahres und falsches, reales und virtuelles vermischt wird. Der Soziologe Michel Souchon sagt: „Die breite Masse ist gar nicht so leicht zu manipulieren, wie man immer meint.“6 Gleichwohl betrifft die virtuelle Werbung keine Science-fiction- oder Varieté-Sendungen, sondern die Übertragung von Ereignissen, denen man einen Anspruch auf „Realität“ zuspricht. Gesteht man das Einfügen virtueller Bilder zu, so akzeptiert man, daß alle Bilder – auch solche in Nachrichtensendungen – gefälscht werden können. Dies führt zu einem ebenso gravierenden Problem wie das der ins Unterbewußtsein dringenden Bilder.
Michel Souchon fügt hinzu: „Ich frage mich manchmal, ob die Gefahr für die Zukunft nicht eher in einem allgemeinen Verlust des Vertrauens in die ,Wahrheit' der Bilder liegt als in einer allzu großen Leichtgläubigkeit.“ Alles, was dieses Mißtrauen vergrößert, entfernt uns von einem genaueren Verständnis der Welt. Der Sport aber droht zum privilegierten Terrain solcher täuschenden Erfahrungen zu werden.
Der offiziell mit der Ausstrahlung der Weltmeisterschaft betraute französische Sender TVRS 98 hat das Konzept seiner Fernsehübertragung präsentiert. Es ist relativ gemäßigt, um möglichst viele Länder zufriedenzustellen. Siebzehn Kameras pro Spiel, extra langsame Zeitlupen, Datenbanken und die Absicht, Leerzeiten „anzureichern“ (das Fernsehen erträgt die Leere nicht), sind dennoch mit von der Partie.
Der digitale Homunculus
ES wird allerdings weder virtuelle Werbung noch der Fernsehbeweis zum Einsatz kommen. Trotz des unbestreitbaren Widerstands der Fußballverbände bedeutet dies allenfalls ein Unentschieden. Der eher bescheidene technologische Aufwand wird den Fußball in seiner Entwicklung zu einem gigantischen Videospiel nicht aufhalten. Alles, was mit Fußball in irgendeiner Form zusammenhängt – Fernsehen, Toto, Computer- bzw. Videospiele, politische und finanzielle Interessen, Merchandising – wächst exponentiell, und die Omnipräsenz der Sportberichterstattung (das „Sportgeschwätz“, sagt Umberto Eco) füllt mehr schlecht als recht die Leerstellen unserer Zeit.
Die Wirklichkeit des Spielfelds ist nicht gänzlich ihrer Wurzeln beraubt und kanalisiert nach wie vor massive wirtschaftliche und nationale Interessen. Aber diese Wirklichkeit ist von der Fernsehlogik durchdrungen und ihr immer stärker unterworfen: Stadien, die „für“ das Fernsehen gebaut werden, riesige Bildschirme, die den Zuschauern neben dem direkten gleichzeitig auch den televisuellen Blick bieten, Spielregeln, die an Fernsehen und Werbung angepaßt werden (so wurde etwa die Halbzeit beim Rugby verlängert), Schiedsrichter, die das Ende der Werbeeinblendung abwarten, bevor sie das Spiel wieder anpfeifen, usw.
Eine weiterer deutlicher Beleg für die Verschmelzung von Fußball und Fernsehen: Nach dem AC Mailand, mit Silvio Berlusconi an der Spitze, hat nun auch Paris Saint-Germain einen Medienmanager als Präsidenten (Charles Biétry, der Nachfolger von Michel Denisot), und Manchester United bekommt im Herbst seinen eigenen Fernsehkanal.
Das Publikum aus Fleisch und Blut wird langsam unbequem für das Fernsehen. Die Sender haben noch keine Möglichkeit gefunden, auf die Zuschauer in den Stadien und die von ihnen ausgehende Stimmung zu verzichten. Auf der „Sportel“ in Monaco (einer jährlichen Messe für Sport und Fernsehen) haben alle nennenswerten Neuheiten mit virtual reality zu tun! Dort war beispielsweise Software zu entdecken, mit der sich virtuelle Werbung nicht mehr nur in Werbeflächen integrieren läßt, die außerhalb der (virtuellen) Spielfläche verbleiben, sie kann vielmehr in den Raum des Sportgeschehens selbst eingeschrieben werden – wie ein Epsis- Video demonstriert, in dem man stolz eine Mineralwasserflaschen-Animation vorführt, die in ein Basketballfeld kopiert ist und deutlicher zu sehen ist als die Spieler! Die Orad-Software „Virtual Replay“, die von mehreren Fernsehsendern bei der WM 1998 verwendet werden soll, bietet virtuelle Zeitlupen: Gleich nach dem Spielgeschehen kann man diese digitaltechnisch erzeugten Bilder sehen. Anfangs hatte das Fernsehen in die Direktübertragungen Aufzeichnungen eingespielt, mittlerweile geht es dazu über, Realität mit Virtualität zu vermischen.
Zu der schier unwiderstehlichen Versuchung, das Menschliche zu robotisieren, alles Körperliche und Reale zu eliminieren, gesellt sich die Machtphantasie der Allgegenwärtigkeit. Für manche ist es das Nonplusultra, Sport in Multiplexschaltung zu erleben, was – wie etwa bei CanalSatellite – durch interaktive Bildauswahl möglich geworden ist. Um kein Tor zu verpassen, kann man sich auch von einem Spiel zum anderen zappen, da es ein Signal gibt, das jeden Treffer anzeigt, der in einem anderen Stadion (in einem anderen virtuellen Raum) gefallen ist, und diesen dann in Zeitlupe sehen. Die Fernbedienung rückt hier in die Nähe des Joysticks beim Videospiel. Diese Möglichkeiten haben allerdings auch ihre Nachteile7 .
Darüber hinaus bietet CanalSatellite dem Fernsehzuschauer, der ein Formel-1- Rennen verfolgen will, sieben verschiedene Blickwinkel und Kanäle. Der Betrachter kann sich aussuchen, was er sehen will: Standbilder, Zeitlupen, Bilder von der Bordkamera eines Wagens usw. Damit entsteht die bis dato unbekannte Rolle des Zuschauerregisseurs, die der des Videospielers gleicht. Die Kohärenz jedoch, die der Überblick des professionellen Fernsehregisseurs dem Ganzen verleiht, geht in die Brüche.8 Hat diese Besessenheit, die Dinge aus allen Perspektiven zu sehen, nicht etwas Absurdes?
Die Sportler, die aus nächster Nähe, an der Seitenlinie und in den Umkleideräumen gefilmt werden, die ständig Interviews geben müssen, deren Körper und Bilder in technologischen Experimenten zerstückelt werden, sie sind für das Fernsehen nur noch ein „emotionales Reservoir“, wie es Christian Quidet, Moderator der Podiumsdiskussion „Darf das Fernsehen alles?“ auf der Sportel 1997, so elegant ausdrückte. Dieses Reservoir bekommt nun durch die virtuellen Bilder Konkurrenz, die auf den Markt drängen.
Werden die auf die Rolle als Rohmaterial oder Modellvorlagen für ihre eigenen Klone reduzierten Sportler rebellieren? Andrew Jennings behauptet im Londoner Economist, die Sportler „werden letztlich den Sendern ihr Gesetz aufzwingen“, denn „die wirklichen Inhaber des Monopols sind nicht die Fernsehsender, sondern die Mannschaften“9 . Ob das so stimmt?
Der Fernsehzuschauer von morgen läuft eindeutig Gefahr, sich als Gefangener in einem Niemandsland wiederzufinden, in dem er nicht mehr Zuschauer sein kann, ohne auch Handelnder zu sein. Was hat dieser hybride Zustand, was hat – allgemeiner – diese Welt zwischen Realität, Unterhaltung und elektronischer Simulation zu bedeuten?10
Umberto Eco meint, „wenn die Olympischen Spiele nicht wirklich stattfänden, sondern nur Tag für Tag und Stunde für Stunde in fiktiven Bildern erzählt würden, würde sich im internationalen Sportsystem nichts ändern.“ Für ihn „gibt es den Sport als solchen nicht mehr, oder er existiert nur noch aus wirtschaftlichen Gründen, denn es ist leichter, einen Athleten laufen zu lassen, als einen Film mit Schauspielern zu drehen, die so tun, als liefen sie“11 .
Michel Souchon zitiert eine Erzählung von Jorge Luis Borges und Adolfo Bioy Casares12 . Sie handelt von dem Besuch des Helden, Bustos Domecq, beim Präsidenten eines Fußballclubs. Dort erfährt er, daß die Spiele in den Fernsehstudios produziert werden: „(...) nicht nur der Fußball, sondern auch alle anderen Sportarten [sind] eine Form des Dramas“ geworden. – „Also passiert in der Welt überhaupt nichts?“ fragt Bustos Domecq. „Sehr wenig“, antwortet der Präsident.
dt. Sabine Scheidemann
* Projektleiter zur Erforschung Neuer Technologien, Präsident der Rencontres Internationales de Lure.