Westlich, weiß und wohlhabend
SICHTBAR, aber verletztlich“ – so beginnt der von Margaret Gallagher 1995 für die Unesco verfaßte Bericht über Frauen und Medien, ein einzigartiges und noch immer aktuelles Dokument.1 Wie zu erwarten, variiert die Medienpräsenz der Frauen beträchtlich zwischen Nord und Süd, zwischen unterschiedlichen Kulturen und politischen Systemen. Was Europa betrifft, sind Frauen in den osteuropäischen Ländern am stärksten vertreten – bis zu 50 Prozent in Estland und Litauen, während der Westen mit 35 Prozent das Schlußlicht bildet. In Asien fallen die Unterschiede zwischen den Ländern besonders ins Auge: 60 Prozent weibliche Reporter gibt es in Thailand, in Japan dagegen, wo der tägliche Konsum der Massenmedien bei fünf Stunden liegt (davon drei vor dem Fernseher) nur 8 Prozent.
Ein weiteres Zeichen der Diskriminierung: Die Themen, mit denen Journalistinnen sich befassen, beschränken sich im wesentlichen auf Alltag, Gesundheit, Kunst und Religion. In den Ressorts Wirtschaft, Sport und Politik sind Frauen so gut wie unsichtbar. In Angola befaßt sich keine einzige Journalistin mit dem Themenbereich Frieden und nationale Versöhnung, obwohl die Mehrheit der angolanischen Bevölkerung weiblich ist. Nicht nur die Teilhabe der Frauen an den Medien ist begrenzt und beschränkt, auch das Bild und die Rolle, die ihnen von den Medien zugewiesen werden, entsprechen nicht ihrem tatsächlichen Platz in der Gesellschaft. Das herrschende Modell ist die weltgewandte westliche Frau, weiß, wohlhabend und vorzugsweise angelsächsisch – es gibt sie überall, in Asien ebenso wie in Lateinamerika und der Karibik, „wo die ethnische und kulturelle Vielfalt alle Parameter sprengt“.2 Frauenzeitschriften sind allenthalben eine Fundgrube für abwertende Bilder. „Man hat die Frau aus der Küche geholt, um sie ins Schlafzimmer zu stecken.“
Das Publikum dieser Zeitschriften weiß ganz gut Bescheid. Aus den wenigen Untersuchungen darüber geht hervor, daß die Frauen mit ihrer Darstellung nicht zufrieden sind. In den Vereinigten Staaten sind sich die befragten jungen Frauen der widersprüchlichen Botschaften, die an sie herangetragen werden, durchaus bewußt: Einerseits zeigt man ihnen Frauen, die selbstbewußt, unabhängig und intelligent handeln, andererseits sind diese immer hübscher und dünner als in der Wirklichkeit und benehmen sich den traditionellen Stereotypen gemäß. Eher als junge Männer sagen junge Frauen von sich, sie wollten den angebotenen Modellen gleichen und bemühten sich auch darum. Das heißt, sie versuchen, Subjekt und Barbiepüppchen gleichzeitig zu sein. So tragen wohl die Medien als wesentliche Sozialisationsagenturen unserer Gesellschaft dazu bei, eine Art kultureller Schizophrenie zu produzieren.
CHANTAL PACTEAU