11.09.1998

Hunger, Handel und Wandel in Nord-Korea

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Hunger, Handel und Wandel in Nord-Korea

Der jüngste nordkoreanische Raketentest und Japans harsche Reaktion darauf belegen, wie gespannt die Lage in diesem Teil Asiens ist. Das Regime von Pjöngjang droht damit, sein Atomprogramm wiederaufzugreifen, die Hungersnot verheert die Lage, doch aus dem Zentrum der Macht dringen kaum Informationen nach außen. Die Äußerungen des Überläufers Hwang Jang Yop, der im Februar 1997 in der südkoreanischen Botschaft in Peking Asyl suchte, gewähren hingegen einen Blick hinter die Fassade des Regimes. Hwang Jang Yop äußerte sich im Gespräch mit Selig S. Harrison erstmals gegenüber einem westlichen Journalisten.

Von SELIG S. HARRISON *

Als Hwang Jang Yop in der nordkoreanischen Arbeiterpartei noch das Amt des Sekretärs für internationale Angelegenheiten bekleidete, hatte ich dreimal Gelegenheit, mit ihm zu sprechen: 1987, 1992 und 1994. Er zeigte sich bei diesen Zusammenkünften stets als offener Gesprächspartner – ein erfrischender Kontrast zur eintönigen Propaganda, die der Besucher gewöhnlich von offizieller Seite zu hören bekommt – und erörterte mit mir überraschenderweise lieber die neuesten Entwicklungen im westlichen Geistesleben, als auf meine Fragen zur nordkoreanischen Politik einzugehen. Als man mir 1995 ein weiteres Gespräch verweigerte, vermutete ich, daß er gegenüber den Militärs und den jüngeren Parteiführern um Kim Jong Il, die nach dem Tod von (Hwangs langzeitigem Mentor) Kim Il Sung das Staatsruder übernommen hatten, ins Hintertreffen geraten war.

Nachdem Hwang Anfang 1997 nach Süd-Korea übergelaufen war, wurde sein Aufenthaltsort streng geheim gehalten. Agenten der CIA und des japanischen Geheimdienstes waren die einzigen Ausländer, die ihn besuchen durften.

Hwang Jang Yop ist schmal, doch äußerst lebendig für seine sechsundsechzig Jahre. Es ist, als habe er sich nicht verändert seit unserem letzten Treffen.1 Nein, sagt er, Nord-Korea ist keineswegs kurz vor dem Zusammenbruch2 , „denn das Militär ist allmächtig, und Kim Jong Il hat das Militär völlig unter Kontrolle“; natürlich gibt es in Nord-Korea wirtschaftliche Probleme, „doch es existiert eine solide politische Einheit“. Noch nie, so sagt Hwang Jang Yop, habe er von einer bevorstehenden Invasion Nord-Koreas nach Süd-Korea gesprochen. „Es muß nicht notwendig Krieg geben, doch sie sind gerüstet dafür, und möglicherweise sind sie eines Tages dazu gezwungen, dann nämlich, wenn Kim Jong Il seine Agrarreform nicht durchbekommt und wenn die Nahrungsmittelhilfe ausbleibt.“

Nach Hwangs Auskunft ist der 56jährige Generalsekretär der Partei, Kim Jong Il, nicht so unbeständig und ausschweifend, wie ihn die westlichen Medien vielfach darstellen. „Er ist klug, aber er lebt wahnhaft abgeschottet von der Welt. Das einzige Ziel dieses arroganten und starrköpfigen Präsidenten ist der Machterhalt, den er gerissen und manipulierend verfolgt. Jede Entscheidung wird nach der Maßgabe getroffen, ob sie ihm persönlich nützt oder schadet.“ Kim Il Sung, der Vater von Kim Jong Il, „war zwar ebenfalls ein Diktator, aber er hat andere Meinungen eingeholt und war flexibel in seinen Entscheidungen. Alles in allem habe ich ihn geachtet. Das Problem ist nur, daß er seinen Sohn verzogen hat, indem er ihm schon in relativ jungen Jahren die Tagesgeschäfte des Landes anvertraute.“ Nun will Kim Jong Il „auf niemanden mehr hören, ist darüber hinaus oft unentschlossen und ändert seine Meinung je nach Laune“. Kim Jong Il verehrte seinen Vater, und Spekulationen, er habe ihn vergiftet, sind laut Hwang Jang Yop lächerlich.

Warum lehnt Kim Jong Il es im Gegensatz zu seinem Vater ab, Ausländer zu empfangen? „Er lebt sehr zurückgezogen und betrachtet die Ausübung repräsentativer Funktionen als zeitraubend und ermüdend. Anders als sein Vater ist er kein zoon politikon – seine Philosophie ist, andere nicht allzuviel über sich wissen zu lassen. Er liebt das Geheimnisumwobene.

Wie Hwang ausführt, sieht zwar auch Kim Jong Il dringenden „Reformbedarf, aber er fürchtet, durch Zugeständnisse eine Büchse der Pandora zu öffnen. Wenn er sicher wäre, trotz Reformen seine Machtstellung zu behalten, würde er diesen Weg einschlagen. Vergessen Sie nicht, daß in Nord-Korea weit Schlimmeres geschah als in China oder Vietnam. Pol Pots Massaker sind nichts, verglichen mit den Säuberungsaktionen in Nord-Korea, und Kim Jong Il befürchtet, daß dies ans Licht kommt, wenn er einer Öffnung des Landes zustimmt. Über Teilreformen wird er nicht hinausgehen. Aber durch halbherzige Maßnahmen wird man die Probleme Nordkoreas mit der Lebensmittelversorgung und der Industrieproduktion nicht in den Griff bekommen.“

Ohne Versammlung keine Reformen

BEISPIELHAFT für Kim Jong Ils zögerliche Haltung in bezug auf Auslandskontakte ist seine Reaktion auf Pläne des nordkoreanischen Außenministeriums, den Vereinigten Staaten als ersten Schritt zum Aufbau gegenseitiger diplomatischer Beziehungen die Eröffnung eines Verbindungsbüros in Pjöngjang zu gestatten. Bei einer Zusammenkunft im Oktober 1996, erinnert sich Hwang, an der außer Kim Jong Il und Außenminister Kim Yong Nam auch der Sekretär der Arbeiterpartei, Kim Yong Sun, teilnahm, meinte der nordkoreanische Staatspräsident: „Sollen sie ihr Büro doch in Rajin Songbong aufmachen!“ (Rajin Songbong ist eine abgeschottete Freihandelszone, die Nord-Korea weitab von der Hauptstadt im Nordosten des Landes eingerichtet hat.)

Offiziell hat Nord-Korea wiederholt sein Einverständnis zu einem Verbindungsbüro erklärt, sobald die Vereinigten Staaten die Wirtschaftssanktionen gegen Nord-Korea aufheben (wie Artikel 2 des gemeinsamen Abkommens von 1994 festlegte). Der darin getroffenen Verpflichtung zur Einfrierung des Nuklearprogramms ist Nord-Korea bereits nachgekommen. Doch Hwang ist gegen die Aufhebung der Sanktionen „und alles, was den Bestand des Regimes verlängern könnte“.

Auf die Frage nach reformwilligen Politikern in Pjöngjang meinte er, daß „die Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium Reformen befürworten, vor allem diejenigen, die Außenkontakte unterhalten. Auch unter den höheren Funktionären gibt es Reformwillige, doch die meisten sind Speichellecker und Jasager. Keiner von ihnen ist für wirkliche Reformen, das heißt keiner will das Ende der Kim-Diktatur, und niemand will wirkliche Marktwirtschaft und Demokratie.“ Als wirkliche Reformkräfte könnten nur die Sekretäre der Arbeiterpartei gelten. „Einige von ihnen sehen durchaus die Notwendigkeit von Reformen, aber bislang wollte niemand dafür seinen Posten riskieren. Da unter diesem Regime und in dieser Partei die Menschen ohnehin keine Versammlungen abhalten können, kann von einer Reformbewegung, sei sie radikaler oder gemäßigter Natur, keine Rede sein, allenfalls gibt es Einzelpersonen.“

Was die Streitkräfte anbelangt, so „besteht die Kommandospitze ausschließlich aus Marionetten“. Man könne sich vorstellen, daß „einige Divisionskommandeure unruhig werden, wenn sich die Lebensmittelprobleme fortsetzen und die Moral sinkt“. Doch bevor sich die Situation so weit verschlechtert, werde sich Kim Jong Il auf der Suche nach Hilfe an China wenden, und dann gerate Nord- Korea in den Einflußbereich Pekings. In den vergangenen Jahren „haben die Chinesen wiederholt versucht, Nord-Korea an sich zu binden. Bisher hat Kim ihnen die kalte Schulter gezeigt und sie sogar offen kritisiert. Aber wenn sich die Lage verschlechtert, wird er klein beigeben.“

Obgleich Hwang einen Zusammenbruch für unwahrscheinlich hält, macht er aus seiner Hoffnung darauf keinen Hehl. Deshalb sollten die Vereinigten Staaten auch „keinerlei Wirtschaftshilfe“ leisten – mit Ausnahme von Lebensmittellieferungen, die „umfassend aufgestockt werden sollten, um die Not der Bevölkerung zu lindern und der Möglichkeit vorzubauen, daß der ,Große General‘ in Anbetracht der ausweglosen Lage einen Krieg vom Zaun bricht“. Alle internationalen Hilfsgüter sollten über Süd-Korea nach Nord-Korea gelangen, drängt Hwang. Akzeptiert Pjöngjang die Hilfe, würde dies den Einfluß Seouls auf Nord-Korea stärken; lehnt Pjöngjang ab, so würden die Menschen in Nord-Korea es erfahren und sich von Kim Jong Il distanzieren.3

Hwang kritisiert die Bereitschaft der Vereinigten Staaten, jährlich 500000 Tonnen Schweröl zu liefern, als Gegenleistung für Nordkoreas Versprechen, sein Atomprogramm einzufrieren. „Es war richtig, die Krise nicht in einen Krieg münden zu lassen, aber was das Potential des nordkoreanischen Nuklearprogramms angeht, haben die Vereinigten Staaten sich täuschen lassen.“ Nord-Korea habe nicht über die technischen und finanziellen Mittel zur Fertigstellung der damals im Bau befindlichen 50- und 200-Megawatt-Reaktoren verfügt, die den USA soviel Kopfzerbrechen bereitet hatten. Hingegen wisse er nach wie vor nicht, wieviel Plutonium der 5-Megawatt-Reaktor von Yongbjong produziert haben könnte, bevor der Betrieb nach der Unterzeichnung des Abkommens mit den USA eingestellt wurde, „aber wir alle in der Parteispitze waren fest davon überzeugt, daß wir über Nuklearwaffen verfügen“.

Bei unseren früheren Zusammenkünften in Pjöngjang wirkte Hwang stets entspannt, und sein Auftreten war selbstsicher; bei unserem Gespräch in Seoul dagegen hatte er häufig einen verlorenen, ängstlichen Blick. Er ist ein Überläufer und sitzt somit zwischen allen Stühlen. Die Brücken zu seiner Familie und seinen langjährigen Kollegen in Pjöngjang hat er abgebrochen, und nun stellt er fest: „Seit meiner Ankunft hier habe ich das Gefühl, daß man meinen Äußerungen, vor allem was die Hungersnot im Norden anbelangt, keinen Glauben schenkt. Ich würde mir wünschen, daß meine Ansichten in der Politik Südkoreas und der Vereinigten Staaten Niederschlag fänden, aber da gibt es große Schwierigkeiten. Ich habe gelernt, daß die südkoreanische Politik sehr kompliziert ist.“

Unmittelbar nach Hwangs Ankunft in Seoul beschränkte die damalige Regierung von Kim Young Sam seine Kontakte auf die Hardliner unter den Intellektuellen, die den Sturz des Systems von Pjöngjang wünschen. Die neue Regierung unter Kim Dae Jung favorisiert hingegen eine Politik der „weichen Landung“ und sucht dem Norden zu vermitteln, daß der Süden nicht den Zusammenbruch und die anschließende Einverleibung Nordkoreas anstrebe.

Die Gefahr einer Polarisierung zwischen einem mit den USA verbündeten Süden und einem nach China orientierten Norden Koreas, wie Hwang sie skizziert, ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen. Doch gerade die von Hwang befürworteten harten Wirtschaftssanktionen der USA würden die Polarisierungsgefahr erhöhen, da diese Sanktionen einem Zusammenbruch Nordkoreas Vorschub leisten. Auch wenn derzeit ein Zusammenbruch äußerst unwahrscheinlich ist, würde er doch ernste Gefahren bergen: Massenflucht und bürgerkriegsähnliche Verhältnisse im Norden könnten zu militärischen Zusammenstößen mit Süd-Korea führen, in die auch die 37000 in Süd-Korea stationierten US-Soldaten hineingezogen werden könnten.

Aufgrund meiner eigenen Besuche in Nord-Korea – der letzte war Anfang Mai dieses Jahres – bin ich optimistischer als Hwang, was die Aussichten auf einen Wandel im Norden anbelangt. An den Landstraßen blüht der private Handel mit Landwirtschaftsprodukten, ohne daß die Behörden eingreifen würden. Mehr als einhundert Vertreter von humanitären und anderen Hilfsorganisationen erhielten von der Regierung die Erlaubnis, im Land zu leben und die Verteilung der Lebensmittelhilfe in 170 der 210 Bezirke zu überwachen. Um die Selbstversorgung mit Lebensmitteln wiederherzustellen, hat Korea in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) einen gemeinsamen Plan erarbeitet, der am 29. Mai in Genf vorgestellt wurde. Er sieht vor, die Düngemittelfabriken instandzusetzen, die Bewässerungspumpen zu reparieren, die während der Überschwemmungskatastrophe beschädigt worden waren, und großflächig den Versuch zu starten, zwei Ernten im Jahr einzufahren. Das nordkoreanische Landwirtschaftsministerium wurde angewiesen, den UNDP-Experten alle nötigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen – ein deutlicher Bruch mit der Abschottungspolitik der Vergangenheit.

Raketenexporte und Wirtschaftssanktionen

DIE Vereinigten Staaten sollten lieber dem Rat des südkoreanischen Staatspräsidenten Kim Dae Jung folgen und alle im Zuge des Handels- und Wirtschaftskrieges beschlossenen Wirtschaftssanktionen aufheben – ausgenommen alle Güter, welche die militärische Stärke beeinflussen. Die Regierung von Pjöngjang hat deutlich gemacht, daß sie als Gegenleistung bereit ist, ihre bisherigen Raketenexporte nach Pakistan, Syrien und in den Iran einzuschränken. Wie mir der nordkoreanische Außenminister Kim Yong Nam bei unserer Unterredung im Mai dieses Jahres mitteilte, könnte sich Pjöngjang gezwungen sehen, einige oder alle Nuklearanlagen wieder in Betrieb zu nehmen, falls die Vereinigten Staaten Artikel 2 des Nuklerabkommens nicht einhalten und die Sanktionen in den kommenden Monaten nicht abbauen.

Als eines der wichtigsten Zugeständnisse Nordkoreas sieht das Nuklearabkommen vor, daß sämtliche nuklearen Brennstoffe, die vor der Vertragsunterzeichnung hergestellt wurden, unter der Aufsicht von US-Technikern in Stahlbehälter eingeschlossen und auf dem Seeweg außer Landes gebracht werden, um sicherzugehen, daß sie nicht in waffenfähiges Plutonium umgewandelt werden. Pjöngjang hat diese Zusage bisher eingehalten, doch Außenminister Kim Yong Nam teilte mir mit, daß Korea am 19. April die Einschweißaktion vorerst ausgesetzt habe. Obwohl von den insgesamt 8000 Brennstäben, die noch im Kühlwasserbecken von Yongbyon lagern, nur noch 200 darauf warten, in Spezialbehälter eingeschlossen zu werden, machte Nord-Korea mit dieser symbolischen Handlung deutlich, daß es den Abtransport der Brennelemente durchaus verhindern kann, wenn die Vereinigten Staaten das gemeinsam unterzeichnete Abkommen nicht einhalten.

Neben der Aufhebung der Sanktionen fordert Nord-Korea von den Vereinigten Staaten, die monatliche Lieferung von 44000 Tonnen Schweröl aufrechtzuerhalten, die ebenfalls Teil des Vertrags ist. Die Vereinigten Staaten haben sich darin verpflichtet, jährlich 500000 Tonnen Schweröl zu liefern, die teils von den USA, teils von anderen Ländern, darunter insbesondere Japan, finanziert werden. Da sich die Freigabe der Gelder jedoch immer schwieriger gestaltet, ist unklar, wie Washington die 200000 Tonnen finanzieren will, die bis zum 1. Oktober fällig werden.

Um ihrer Unzufriedenheit mit der Haltung der Vereinigten Staaten Ausdruck zu verleihen, wies die Regierung in Pjöngjang kürzlich darauf hin, daß das Atomabkommen ihr das Recht einräumt, im 5- Megawatt-Reaktor und in der Wiederaufbereitungsanlage von Yongbyon unter der Aufsicht der Internationalen Atomenergie-Behörde (AIEA) „Wartungsarbeiten“ durchzuführen. Dazu muß sie aber die Siegel aufbrechen, die nach dem Abkommen an den beiden Atomanlagen angebracht worden sind. Obwohl dies keine Verletzung des Abkommens darstellt, bleibt festzuhalten, daß sich Pjöngjang damit erstmals auf dieses Recht berief.

In mehreren Briefen an das US-State- Departement sowie bei einer Unterredung im August in New York drohte Nord- Korea, die restlichen 200 Brennstäbe wiederaufzubereiten, wenn die Vereinigten Staaten nicht „deutliche und ernsthafte“ Anstrengungen unternehmen, ihren vertraglichen Zusagen nachzukommen. Die US-Regierung wird auf diese Drohung wahrscheinlich mit einer begrenzten Erleichterung der Sanktionen reagieren, doch solange nicht sämtliche Handels- und Investitionsbeschränkungen auf nichtstrategische Güter aufgehoben werden, blickt das Abkommen mit Nord-Korea einer ungewissen Zukunft entgegen.

Die Wirtschaftsbarrieren aus der Zeit des Kalten Krieges untergraben die Position der Reformkräfte in Pjöngjang. Die US-Wirtschaftssanktionen schrecken dabei nicht nur amerikanische Investoren ab, sondern auch Unternehmen aus anderen Ländern, die in der Freihandelszone von Rajin-Songbong und den geplanten Sonderwirtschaftszonen von Nampo und Wonsan investieren würden. Investoren aus Süd-Korea, Japan und Taiwan sowie chinesische Geschäftsleute aus anderen südostasiatischen Ländern haben billige qualifizierte Arbeitskräfte erspäht, insbesondere im Textilsektor. Aber solange ihnen der Exportmarkt USA aufgrund der amerikanischen Wirtschaftssanktionen verschlossen bleibt, halten sie sich mit Investitionen zurück.

Nur wirtschaftlicher Wandel kann bewirken, daß in Nord-Korea eine Demokratisierung in Gang kommt und die Beziehungen zwischen Seoul und Pjöngjang auftauen. Die neueren Entwicklungen in Irland haben gezeigt, daß die Wirtschaft fähig ist, auch scheinbar heillos verfahrene Situationen in Bewegung zu bringen, und diese Lektion läßt sich sicher auch auf Korea übertragen.

dt. Bodo Schulze

* Mitglied der Twentieth Century Foundation in Washington und Leiter eines Forschungszentrums über die US-amerikanische Korea-Politik.

Fußnoten: 1 Das Gespräch fand an einem geheimen Ort statt und war an strenge Auflagen gebunden. Mitarbeiter des südkoreanischen Geheimdienstes waren nicht anwesend – aber da sie Ort und Zeit festlegten, ist davon auszugehen, daß das Gespräch abgehört wurde. Hwang Jang Yop hat sich ausbedungen, daß die von ihm später aus dem Aufnahmeprotokoll gestrichenen Passagen nicht veröffentlicht würden und ebenso die Namen der genannten Reformpolitiker nicht an die Öffentlichkeit gelangen. 2 Vgl. Selig S. Harrison, „Letzte Ausfahrt Marktreform“, Le Monde diplomatique, Februar 1997; und Jacques Decornoy, „Delicate fin de guerre dans la péninsule de Corée“, Le Monde diplomatique, Januar 1994. 3 Vgl. Claude Leblanc, „Premier dialogue dans la Corée divisée“, Le Monde diplomatique, Januar 1992.

Le Monde diplomatique vom 11.09.1998, von SELIG S. HARRISON