12.03.1999

Rückgabe des Bodens an ein enteignetes Volk

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Rückgabe des Bodens an ein enteignetes Volk

EINER der Grundpfeiler der Bodenpolitik zur Zeit der Apartheid war, daß „Afrikaner“ nicht über exklusive Besitztitel verfügen durften. Sie mußten sich mit unsicheren Teilrechten wie zeitlich befristeten Eigentumsverträgen begnügen. Der Boden verblieb im Besitz des Staates, der ihn in der Regel durch den Südafrikanischen Entwicklungsfonds verwaltete.

1991 nun wurde ein Gesetz erlassen, das alle auf der Rassenzugehörigkeit basierenden Bodengesetze sowie alle weiteren diskriminierenden Gesetze außer Kraft setzte. Der extrem armen ländlichen schwarzen Bevölkerung war es jedoch praktisch unmöglich, eine Farm zu erwerben. 1996 startete die Regierung daher eine Rückgabepolitik zugunsten der Opfer von Zwangsumsiedlungen, zugunsten von Landarbeitern und „Zwangsarbeitern“, zugunsten von Frauen und aller von jeher benachteiligten Gemeinschaften. In der ersten Phase zielte dieses Programm darauf ab, der seit 1913 von der weißen Regierung enteigneten Bevölkerung ihr Land zurückzugeben. Obwohl die Mehrheit der Antragsteller nichts als die Rückgabe ihres Besitzes anstrebt, kann über die angemessenste Art der Reparation verhandelt werden: Rückgabe des ehemaligen Grundbesitzes, Bereitstellung eines entsprechenden Grundstücks oder finanzielle Entschädigung.

Dieser Prozeß kommt nur schleppend voran, insbesondere wenn verschiedene Interessen kollidieren oder die Parteien über die Auslegung des Eigentumsrechts und über die Richtlinen, die den Verwendungszweck des Bodens definieren, unterschiedlicher Meinung sind. Der so hervorgerufene Stillstand der Verhandlungen ist unbefriedigend – für die klagende Partei wie für den bisherigen Eigentümer.

Das größte Problem stellen jedoch die „Rechte ohne Besitztitel“ dar, die nach Invasionen oder illegalen Besetzungen von Grundbesitz im städtischen oder ländlichen Bereich geltend gemacht werden. 1988 erkannte die Regierung diese Ansprüche als rechtmäßig an, denn das von der Apartheidregierung erlassene Gesetz, das den Schwarzen den Grundbesitz untersagte, hatte zu einer Knappheit an Grundstücken in jenen Gebieten geführt, in denen die Schwarzen wohnen durften. Daher war die Bevölkerung zur Errichtung illegaler Unterkünfte gezwungen.

In den Regionen, wo die Nutzung von Ländereien traditionell geregelt ist – etwa bei den gemeinschaftlichen Besitztiteln in KwaZulu/Natal – ist dieses Programm von ganz besonderem Interesse. Das Recht des Stammeshäuptlings, Land zuzuteilen, wird zwar nur noch vereinzelt praktiziert, stellt aber bis heute ein wirksames Instrument der politischen und sozialen Kontrolle über die Gemeinschaften dar. Dieses überlieferte System garantiert zudem einen gerechten und billigen Zugang zum Boden und gewährt der Landbevölkerung eine gewisse Sicherheit. Allerdings steht es im Widerspruch zum jetzigen demokratischen Gesetz der „Aufhebung der Rassendiskrimininierung“ und der gerechten Verteilung des Ackerbodens.

Die neue Gesetzgebung zielt darauf ab, die gegebenen Grundverhältnisse zu normalisieren und die Bodenrechte zu stabilisieren, indem sie den Eigentümern die bisher fehlende Sicherheit verschafft. Ursprünglich war vorgesehen, innerhalb von fünf Jahren 30 Prozent des Ackerlandes an die Ärmsten umzuverteilen. Budgetäre Engpässe machen die Einhaltung des Zeitplans jedoch unmöglich. Diese Landreform steht im Dienst der sozialen Gerechtigkeit und hat daher Symbolwirkung. Hier zeigt sich die Hoffnung einer Gesellschaft, die bemüht ist, das schwere Erbe der Apartheid in den Griff zu bekommen.

PASCAL MAIRE-AMIOT Universität Paris I-Sorbonne

Fußnoten: 1 Die Bodengesetze von 1913 und 1936 gestanden den Schwarzen 13 Prozent des kultivierbaren Landes zu. Vor der gesetzlichen Aufhebung der Apartheidpolitik besaßen 12,6 Prozent der Bevölkerung 87 Prozent des Ackerlandes. 2 Der für die Bodenreform vorgesehene Etat wurde im Jahr 1998 um 2,8 Prozent verringert, wodurch im Budgetjahr 1998/99 das für das Umverteilungsprogramm vorgesehene Budget um 15 Prozent gekürzt werden muß.

Le Monde diplomatique vom 12.03.1999, von PASCAL MAIRE-AMIOT