Gefährliche Spiele
IST es Teil eines US-amerikanischen „Komplotts“, daß der jordanische König Hussein einige Tage vor seinem Tod seinen Bruder Hassan als Kronprinz abgesetzt und seinen Sohn, Prinz Abdallah, zum Thronfolger ernannt hat? In mehreren amerikanischen Zeitungen wurde die Behauptung aufgestellt, die Clinton-Administration habe die Absetzung von Prinz Hassan beeinflußt. Niemand leugnet natürlich, daß auch andere Faktoren – wie die Rivalitäten innerhalb der königlichen Familie oder der Druck des Geheimdienstes – eine Rolle gespielt haben (vgl. den Artikel von Lamis Andoni). Wie dem auch sei: Das Weiße Haus, das Jordanien als Dreh- und Angelpunkt seiner Strategie in der ganzen Region betrachtet – sowohl im israelisch-arabischen Streit als auch im Konflikt mit dem Irak –, hat sich sicherlich nicht aus dem Drama herausgehalten, das sich Ende Januar in Amman abspielte.
David Wurmser, Nahost-Experte in der konservativen Stiftung American Enterprise Institute in Washington, schreibt im Wall Street Journal: „Der 5. Januar scheint ein Wendepunkt gewesen zu sein. Einige Tage zuvor hatte König Hussein vehement und umgehend Gerüchte dementiert, wonach er die Absetzung seines Bruders als Thronfolger beabsichtige. Nach dem 5. Januar und dem Treffen zwischen Hussein und Clinton jedoch änderte sich der Tonfall. Schon am 6. Januar erschienen in der arabischen Presse genaue Berichte, in denen nicht nur zu lesen war, daß der König seine Ansichten geändert habe, sondern in denen auch die Umstände beschrieben waren, die zu diesem Meinungsumschwung geführt haben sollen.“1
Wie Wurmser weiter ausführt, hatten sich die verantwortlichen amerikanischen Politiker seit dem Sommer 1998, als sich die beunruhigende Nachricht vom Gesundheitszustand des Königs verbreitete, Sorgen um die Nachfolge gemacht. Prinz Hassan, von dem man sagt, er sein den Palästinensern – die in Jordanien die Mehrheit der Bevölkerung stellen – feindlich gesinnt, aber gleichzeitig zu einem Bündnis mit den Muslimbrüdern (Islamische Aktionsfront, IAF) bereit, soll in Washington als Gefahr für die „Stabilität des Königshauses“ angesehen worden sein.
Ein Verantwortlicher des amerikanischen Sicherheitsausschusses habe König Hussein daraufhin vor Weihnachten an seinem Krankenbett besucht, um ihn über die Befürchtungen seiner Regierung in Kenntnis zu setzen. Doch erst bei einem Treffen zwischen dem König und Präsident Clinton am 5. Januar 1999, an dem sich auch der einflußreiche jordanische Geheimdienstchef, General Sami al-Batichi, beteiligte, sei Hussein überzeugt worden. Bei dem versuchten Staatsstreich der CIA 1996 gegen Saddam Hussein soll der General, so erinnert der Autor, einer der wichtigsten jordanischen Organisatoren gewesen sein. Doch dieser Versuch war damals in einem Fiasko geendet.
Ist die amerikanische Entscheidung gegen Hassan und für Abdallah gerechtfertigt? Aus Sicht Wurmsers eindeutig nicht. Prinz Hassan war für die Leiden der Palästinenser empfänglich, auch wenn er der PLO und Jassir Arafat feindlich gegenüberstand. Und er ist für seine Gegnerschaft zu Saddam Hussein bekannt. Somit wäre er der geeignete Mann gewesen, den für Jordanien notwendigen Übergang zu bewerkstelligen. Die vorgefallenen Ereignisse, insbesondere die Art und Weise der Absetzung Hassans, öffnen im Gegenteil „in Amman gefährlichen Spielen Tür und Tor“ und könnten „zum Zusammenbruch Jordaniens in der Form, wie wir es kennen“, führen.
EIN anderer Journalist, der einflußreiche Leitartikler der Washington Post Jim Hoagland2 , schreibt, König Hussein habe während der siebziger Jahre auf der Gehaltsliste des CIA gestanden (“on the CIA payroll“). Er habe nicht davor zurückgeschreckt, sich in den achtziger Jahren mit dem syrischen Präsidenten Hafis al-Assad und während des Golfkrieges mit dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein zu verbünden. Jim Hoagland merkt auch an, es herrsche der „berechtigte oder unberechtigte“ Eindruck vor, daß die Clinton-Administration „und eben die CIA“ am Sturz Hassans beteiligt waren. „Die überstürzte Reise von Außenministerin Madeleine Albright nach Amman zur Absegnung des Wechsels hat diesen Eindruck bedauerlicherweise nur bestärkt.“
Auf jeden Fall wird die Unterstützung der USA für den neuen König Abdallah wohl nicht abflauen, wie die Anwesenheit von Präsident Clinton beim Begräbnis Husseins vermuten läßt. Der Präsident hat den Kongreß im übrigen aufgefordert, rasch die im Wye- Plantation-Abkommen von Oktober 1998 vorgesehene außerordentliche Finanzhilfe von 300 Millionen Dollar für Jordanien zu beschließen, die zu den 225 Millionen Dollar hinzukommen, die das Land jedes Jahr an Unterstützung erhält. Wird das genügen, um einen friedlichen Übergang zu gewährleisten?