16.04.1999

Die neue Regierung hat Angst vor dem Bruch

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Die neue Regierung hat Angst vor dem Bruch

SEIT über einem Jahr besteht im scherifischen Königreich Marokko eine politische Situation, die in der arabischen Welt höchst ungewöhnlich, wenn nicht einzigartig ist: Als Ergebnis der Parlamentswahlen vom Winter 1997 steht ein sozialistischer Ministerpräsident, Abderrahmane Youssoufi, an der Spitze einer Koalitionsregierung, in der, neben einigen Ministern, die von König Hassan II. ernannt wurden, die wichtigsten Kräfte der Linken vertreten sind. Die neue Regierungsmannschaft hat in dem Land, das nch wie vor von großer sozialer Ungleichheit geprägt ist, wichtige Reformen auf den Weg gebracht, und zwar auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet, aber auch hinsichtlich der Pressefreiheit und der Achtung der Menschenrechte.

Von ZAKYA DAOUD *

„Wir sind für die kommenden vierzig Jahre angetreten“, erklärte der marokkanische Arbeits- und Sozialminister Khalid Alioua als Sprecher seiner Regierung am 30. Juni 1998 in Paris. Wer in solchen Zeiträumen denkt, kann über die Bilanz eines Jahres natürlich locker hinweggehen und alle Kritik als kleinlich und mißgünstig abtun. Ministerpräsident Abderrahmane Youssoufi hat sich dennoch den im Medienzeitaler üblichen Riten unterworfen und Anfang Februar 1999 in der Kabinettsrunde eingeräumt, daß die Bürger ein Recht hätten, endlich konkrete Ergebnisse der Regierungsmaßnahmen zu sehen.

Lange hatte die Regierung Schonzeit, aber nun beginnt man allenthalben, ärgerlich zu werden und spitze Bemerkungen loszulassen. Dieser kritische Tonfall war etwa von Mohamed Lahbabi zu vernehmen, der als Mitglied des Politbüros der regierenden Union Socialiste des Forces Populaires (USFP) „die traurige und bittere Erfahrung der vergangenen zehn Monate“ beklagte und es als besonders bedauerlich hervorhob, daß nun die Diktate des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank buchstabengetreu umgesetzt würden – und zwar von jenen, die diesen Institutionen lange Zeit kritisch gegenübergestanden hatten.1

Die heftigste Kritik am Ministerpräsidenten kommt nicht von den „Vertretern des Widerstands gegen den Wandel“, wie die derzeitige Regierungsmannschaft sie nennt, sondern aus den Reihen seiner eigenen Partei und der Koalitionspartner. Nicht nur der Jugendverband der USFP nimmt eine kritische Haltung ein, sondern auch die der Partei verbundene Gewerkschaft CDT (Confédération Démocratique du Travail). Sie war für einige der Streiks (bei der Post, im Gesundheitswesen, bei den Banken, im Hafen von Casablanca) verantwortlich, die den ganzen Dezember 1998 über andauerten. Überdies haben die USFP-Abgeordneten in der zweiten Kammer des Parlaments zusammen mit der rechten Opposition gegen ein Gesetz über die Fortführung der Privatisierungen gestimmt. In der Partei formiert sich Widerstand, nicht zuletzt im Hinblick auf einen für Mai geplanten Parteikongreß.

Die Istiqlal-Partei (PI), die dem regierenden Koutla-Bündnis angehört, war die große Verliererin der jüngsten Wahlen.2 Nachdem sie ihre Parteistrukturen wie ihre politischen Kader erneuert und seitdem eine deutlich schärfere politische Linie eingeschlagen hat, verfolgt sie innerhalb der Regierung eine Taktik nach dem Motto: „Ein Schritt vorwärts, ein Schritt zurück.“

Auch dem Parti du Progrès et du Socialisme (PPS, Exkommunisten), der ebenfalls der Koalition angehört, geht es nicht schnell genug voran: „Den Wandel kann man nicht verordnen, man muß ihn praktizieren“, heißt es an die Adresse des Premiers. Und die Organisation de l'Action Populaire et Démocratique (OADP), Mitglied des Koutla-Blocks, aber nicht an der Regierung beteiligt, moniert den „mangelnden politischen Willen, die Dynamik des Wandels auf der Grundlage einer wirkungsvollen nationalen Übereinkunft in Gang zu bringen“.

Die Regierung hat sich nicht nur der parlamentarischen Guerilla der rechten Opposition zu erwehren, die das Zweikammersystem nutzt, um Gesetzesvorhaben zu blockieren3 ; sie muß sich inzwischen auch im politischen Alltagsgeschäft beweisen. Die Fernsehjournalisten streiken, weil die grundlegende Reform von Rundfunk und Fernsehen ausbleibt, und auch ihre Kollegen von den Printmedien sind auf den Barrikaden. Die Familien der „Verschwundenen“ wollen sich nicht mit der bloßen Auflistung von 56 Toten zufriedengeben und fordern Gerechtigkeit. Und den arbeitslosen Akademikern reichen die Anregungen nicht, wonach sie sich ihre Arbeitsplätze selbst schaffen sollen – sie gehen auf die Straße und erleben Polizeigewalt.4 Kurz: Die Zivilgesellschaft wird ungeduldig.5

Auch die Unternehmer tun ihr Mißfallen kund. Überdies rückt erneut die Saharafrage in den Vordergrund, nachdem das Referendum verschoben werden mußte, weil man sich nicht über die Kriterien der Wahlberechtigung einigen konnte. Dann sind da noch die Islamisten, die sich als die neue Oppositionskraft präsentieren. Und auch das Problem der illegalen Auswanderer existiert weiter: In der Meeresenge von Gibraltar ertranken 1998 115 Menschen, 15000 Marokkaner wurden im eigenen Lande und in Spanien festgenommen.

Der allgemeine Unmut löst immerhin ernsthafte Diskussionen aus. Innerhalb der USFP (und übrigens auch in der Regierung) ist die Linie von Finanzminister Fathallah Oualalou, sich strikt an die finanzpolitischen Auflagen zu halten, durchaus umstritten. Es gibt bereits Stimmen, die eine Ausweitung des Haushaltsdefizits fordern, um die Wirtschaft anzukurbeln und die gewaltigen sozialen Probleme zu lösen.

Die Gründe für die Zunahme der Streiks liegen in der bedrohlichen Situation vieler Unternehmen: Im Rahmen der Angleichung an die Weltmarktpreise wurden erst kürzlich die Einfuhrzölle um 25 Prozent gesenkt und die Märkte geöffnet. Ein Drittel des Staatshaushalts muß für den Schuldendienst aufgewendet werden, aber die Hälfte des Budgets verschlingt der Staatsapparat, wobei die Gehälter für die aufgeblähte Verwaltung den größten Posten ausmachen.7 Genau diese Kosten will die Regierung von 11,5 auf 9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts reduzieren, weshalb sie unablässig betont, daß „der Staat nicht die Pflicht hat, ein Recht auf Arbeit zu garantieren“8 . Den arbeitslosen Akademikern werden, neben der Selbständigkeit, Erleichterungen zur Gründung von Kooperativen und Umschulungen geboten, die allerdings deren Erwartungen nicht erfüllen.

Direkt nach der Amtsübernahme hatte Ministerpräsident Youssoufi ganz eindeutig ein offenes Ohr für die Wünsche der Unternehmer, indem er ihnen „Steuergeschenke“ anbot, wie die Kritiker es nannten. Diese Haltung zahlte sich jedoch aus: Ende Dezember 1998 flossen ausstehende Steuern in Höhe von 3,7 Milliarden Dirham (DH)9 in die Staatskasse, während man nur mit 2,5 Milliarden gerechnet hatte.

Wandel in Kontinuität?

DIE Regierung beklagt, daß die Arbeitgeber ihr Versprechen, im Gegenzug Arbeitsplätze zu schaffen, nicht eingehalten haben. Diese hinwiederum bemängeln, daß es mit der Justiz- und Verwaltungsreform nicht vorangehe. Dahinter stecken zwei ganz reale Probleme: Zum einen erwarten die Unternehmer, daß das neue Arbeitsrecht, das gerade ausgearbeitet wird, die Flexibilisierung der Arbeit legalisiert. Die Regierung ihrerseits setzt vor allem auf die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), um die großen Firmen unter Druck zu setzen. Sie erwartet zudem von den Unternehmen, die im Rahmen der Kompensationszahlungen für Güter des Grundbedarfs (von denen dreißig demnächst nicht mehr preisgebunden sein werden) Subventionen erhalten haben, daß sie rund 200 Millionen Dirham zurückzahlen; und sie beklagt sich gerne öffentlich über die Rückständigkeit des Unternehmerverbands.

Dabei können sich die Wirtschaftsdaten durchaus sehen lassen: Die öffentlichen Einnahmen sind um 6,2 Prozent gestiegen, die Beträge, die von Arbeitsemigranten nach Hause überwiesen werden, um 6,6 Prozent, die Einnahmen aus dem Tourismus um 14 Prozent. Der Export ist um 10 Prozent angestiegen, die Inlandsinvestitionen um 7,8 Prozent, die Börsengewinne um 20 Prozent. Auch wenn die Auslandsinvestitionen 1998 rückläufig waren (um 78 Prozent im ersten Halbjahr), so ist doch die wirtschaftliche und finanzielle Bonität des Landes nach wie vor ungefährdet: Marokko erhält die Note 5 auf der Risikobewertungsskala, es hat bereits 6 Milliarden Dollar an Schulden getilgt und Umschuldungsmaßnahmen eingeleitet10 , internationale Hilfen sind zugesichert und zum Teil bereits ausgezahlt. Obwohl der Handlungsspielraum nach wie vor knapp bemessen ist und die Ökonomie durch die Schattenwirtschaft beeinträchtigt wird, darf die Regierung immerhin mit einer Wachstumsrate von 6,7 Prozent rechnen und bei der Haushaltsplanung von leicht verbesserten Wirtschaftsdaten ausgehen. Ministerpräsident Youssoufi tritt darum seinen Kritikern immer wieder mit dem Verweis auf die Arbeit seiner Regierungsmannschaft entgegen.

Allerdings geht diese Arbeit nur sehr langsam voran, weil sie hauptsächlich juristische Änderungen erfordert. In dem Katalog von rund 650 sehr unterschiedlichen Maßnahmen und Gesetzentwürfen, die innerhalb der nächsten fünf Jahre verwirklicht werden sollen, sind nur ein Zehntel kurz- und mittelfristig umzusetzende Vorhaben. Dazu gehört etwa die Einführung eines Militär- oder Zivildienstes von zwölf Monaten für Männer und Frauen, eine Verordnung über Transparenz bei der Privatisierung der öffentlichen Betriebe, neue Zollbestimmungen, die Gewährleistung besserer Bedingungen im Strafvollzug und ein Gesetz über das geistige Eigentum. In manchen Bereichen gibt es bereits Fortschritte (etwa was die Neugestaltung des Investitionsrechts und die Vorschriften über die Steuereintreibung betrifft), in anderen geht es nur schleppend voran (zum Beispiel bei der Privatisierung von Eisenbahn und Post, der Reform des Bankwesens, den Regelungen für die Gründung von kleinen und mittleren Unternehmen, der Justizreform, der Neufassung des Strafgesetzbuches). Viele Vorhaben erfordern die Schaffung neuer Institutionen – etwa die Investitionsförderung, die Entwicklung der ländlichen Regionen, die Förderung von Wissenschaft und Forschung und der Aufbau von Arbeitsämtern. Für die wenigsten dieser Projekte gibt es allerdings genauere Zahlen oder Zeitangaben. Eine Ausnahme bildet das Beschäftigungsprogramm, das vom Arbeitsministerium vorgestellt wurde: Es hat eine Laufzeit von zwei Jahren und einen geschätzten Etat von 750 Millionen Dirham.11 Unter dem Druck der allgemeinen Unzufriedenheit hat die Regierung nun auch einige Pläne für praktische Maßnahmen aus der Schublade geholt: Krankenversicherung, Ausbau der Sozialversicherung, des Krankenversicherungs- und Rentensystems, was auf eine „soziale Umverteilung“ hinausläuft; der Bau von Sozialwohnungen wurde angekündigt.

Vor allem im Bereich der Sozialpolitik hat man von der Regierung neue Impulse erwartet. Schließlich bestehen extreme soziale Gegensätze: Die Hälfte aller Marokkaner sind Analphabeten, 10 Prozent leben in extremer Armut, und mehr als 30 Prozent an der Armutsgrenze. Inzwischen hat die (steigende) Arbeitslosigkeit in den Städten 19 Prozent erreicht; in den ländlichen Gebieten ist sie nur schwer zu schätzen.12 Es gibt nach wie vor skandalöse Einkommensunterschiede. Bildungs- und Gesundheitswesen haben insgesamt ein sehr niedriges Niveau.

Gerade in diesem letzten Bereich hatte die Regierung Youssoufi in ihrem ersten Jahr nur wenig vorzuweisen – ein paar neueingestellte Lehrer13 , Schulspeisung, Kampagnen gegen die Armut und die Gewalt gegen Frauen. Was die Menschenrechte angeht, so wurden einige zu Unrecht Verurteilte rehabilitiert und erhielten Entschädigungszahlungen, und einige Polizisten wurden wegen Mordes, Vergewaltigung oder Folter verurteilt. Doch all dies reichte nicht aus, um die Erwartungen zu erfüllen. Das versprochene Ausmisten des Staatsapparates beschränkte sich am Ende auf 61 disziplinarische Maßnahmen gegen Richter, neun Entlassungen und die Ankündigung, die Bezüge der Spitzenfunktionäre vorerst nicht zu erhöhen.

Ist das Ganze vielleicht eine Frage der Vorgehensweise? Daß die Regierung zu Kommunikation unfähig ist, hat sie schon selber zugegeben. Ahmed Lahlimi, Staatsminister ohne besonderen Geschäftsbereich, erklärte gegenüber Wirtschaftsjournalisten: „Die scheinbare Untätigkeit der Regierung ist in Wirklichkeit nur ein Kommunikationsdefizit.“ Ein Juraprofessor meint dazu: „Niemand begreift, was der Ministerpräsident meint, wenn er von seinem Pakt zur Verbesserung der Verwaltungsarbeit spricht.“

Das Problem der richtigen Vorgehensweise berührt aber auch einige grundlegende Fragen: Man ist nicht bereit, eine deutliche Wende zu vollziehen; wer einen Bruch verlangt, wird als Demagoge verunglimpft. Von Anfang an berief sich die Regierung auf das Konzept „Wandel in der Kontinuität“. Sie bemühte sich, die überhöhten Erwartungen zu dämpfen, vermied einen Konfrontationskurs und suchte den Weg der Kompromisse. „Man kann Widerstände nicht durch Verordnungen aus der Welt schaffen“, meinte Sozialminister Khalid Alioua. Doch die ständige Suche nach einvernehmlichen Lösungen führt dazu, daß man sich den Problemen nicht mehr stellt, sondern alle Hindernisse umgeht oder versucht, sie allmählich abzubauen. Das bringt der Regierung den Vorwurf ein, zu wenig Courage zu zeigen oder, schlimmer noch, gegenüber der Blockadepolitik der zweiten Kammer zu arglos zu agieren. Damit nicht genug: Die Minister lassen kaum eine Gelegenheit aus, ihren Amtsvorgängern, die sie vierzig Jahre lang geschmäht hatten, ihren Respekt zu bezeugen. Man könnte meinen, sie seien einfach in ihre Fußstapfen getreten und offenbar bereit, sich mit den Beharrungskräften des Systems abzufinden.

Die Bürger Marokkos wissen sehr wohl, wie eng die politischen und finanziellen Handlungsspielräume sind, und sie hegen keine übertriebenen Hoffnungen. Aber sie wollen wenigstens ein paar deutliche Signale sehen, symbolische Zeichen für einen neuen Kurs. Es geht nicht nur um die dringend gebotenen Maßnahmen des sozialen Ausgleichs, sondern um neue Prinzipien der Mitbestimmung, ein neues Verhältnis zum Staat, eine neue Auffassung von Staatsbürgerschaft. In diesem Zusammenhang ist auch die Ungeduld derjenigen sozialen Eliten zu verstehen, die bislang ausgeschlossen waren. Für sie bedeutete der Regierungswechsel einen Durchbruch, eine „Rückeroberung der Welt“ in jeder Hinsicht – sie hoffen auf die Beendigung eines langen inneren Exils.

Deshalb überrascht es nicht, daß nun alle von der Regierung eine Antwort auf die entscheidende Frage erwarten: Sieht sie sich in einer Übergangsphase, oder will sie einen echten Wandel bewirken? Zwei Minister haben sich bereits dazu ausgesprochen. Mohamed Yazghi, stellvertrender Generalsekretär der USFP und Minister für Wohnungsbau, meinte vor kurzem: „Wir befinden uns in einer Übergangsphase.“15 Und Abdallah Saaf, ein altgedienter Aktivist der PSD (einer Abspaltung der OADP), im Kabinett für das höhere Bildungswesen zuständig, hat geäußert: „Jetzt geht es darum, den Übergang zu einer Kultur des politischen Wechsels zu gewährleisten.“16

Aber reicht das aus, um eine neue Entwicklung in Gang zu bringen? Vorsichtig wie immer, hat Ministerpräsident Abderrahmane Youssoufi dazu Anfang Februar 1999 gesagt: „Man kann die Uhr nicht zurückdrehen.“

dt. Edgar Peinelt

* Journalistin und Schriftstellerin, zuletzt erschienen ist „Marocains des deux rives“, Paris (L'Atelier) 1997.

Fußnoten: 1 Lahbabi hat (am 22. Januar 1999 in Libération, der französischsprachigen Zeitung der USFP) auch von „einem ungeahnten und unbegreiflichen Niedergang“ gesprochen. Und der Soziologe Mohamed Guessous, Mitglied der USFP, erklärte (Libération vom 17. November 1998): „Ich möchte wenigstens im einen oder anderen Bereich Fortschritte sehen. Aber es geht nirgendwo vorwärts.“ 2 Über die Ergebnisse der Wahlen von 1997, die Positionen der verschiedenen Parteien und das Bündnis Koutla al-Demokratiyya informiert Maghreb Machrek in Heft Nr. 158. „Die ersten Schritte der Regierung Youssoufi“ sind Themenschwerpunkt in Heft Nr. 161. 3 Von 17 Gesetzesvorlagen wurden in der ersten Kammer 12, in der zweiten nur 6 angenommen – diese Kammer hat im Sommer 1998 sogar die Verabschiedung des Haushalts um zwei Monate verzögert. 4 Am 26. Oktober 1998 wurde eine verbotene Demonstration, an der sich 1200 Menschen beteiligt hatten, gewaltsam aufgelöst. Die Regierung hat die Übergriffe öffentlich bedauert. 5 Am 22. Januar 1999 wurde dem Ministerpräsidenten ein Memorandum übergeben, in dem rund hundert Vereinigungen eine Reform der Rechtsverordnungen von 1973 über die bürgerlichen Freiheiten und die Neufassung überholter und repressiver Bestimmungen forderten. Die Vereinigung „Alternatives“ setzt sich für eine Reihe von Liberalisierungsmaßnahmen ein und hat sogar den Vorschlag gemacht, die Regierungsmannschaft zu verkleinern. 6 Die Islamisten haben die Proteste gegen die amerikanischen Angriffe auf den Irak genutzt, um sich öffentlich und wirkungsvoll in Szene zu setzen. Angeblich ließen sich die Parteien des Koutla-Blocks von der Teilnahme an den Demonstrationen abbringen. „Sie haben sich hereinlegen lassen“, hieß es in den Zeitungen. 7 Von den insgesamt 771239 Staatsdienern sind 423664 Angestellte im öffentlichen Dienst (die Hälfte davon im Bildungsbereich), die übrigen bilden die Sicherheitskräfte: Polizei und Militär. 8 Khalid Alioua in Al Bayane vom Oktober 1998. 9 10 DH entsprechen 1,85 DM. 10 Es handelt sich um 4,2 Milliarden Franc, die man von Frankreich erhalten hat, und Umschuldungsverpflichtungen von 25 Millionen Pfund gegenüber Großbritannien. 11 Schaffung von 25000 Arbeitsplätzen, 12300 Umschulungsmaßnahmen, Hilfe bei der Gründung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Kooperativen, Steuervorteile für Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen. Mit zehn staatlichen Unternehmen sind Beschäftigungsabkommen geschlossen worden. 12 63 Prozent der ländlichen Bevölkerung haben keinen Trinkwasseranschluß, 87 Prozent keinen Strom, 93 Prozent sind nicht an das Abwassernetz angeschlossen. 67 Prozent können nicht lesen und schreiben, 54 Prozent der Jungen und 74 Prozent der Mädchen gehen nicht zur Schule (Angaben aus Vie économique, 15. Januar 1999). In manchen Städten, etwa in Marrakesch, ist die Armutsziffer extrem hoch. 13 Die Zahl der Schüler soll im Zeitraum 1998 bis 1999 um 6,5 Prozent gestiegen sein. In den ländlichen Gebieten sollen 20 Prozent der Jungen und 40 Prozent der Mädchen neu eingeschult worden sein. 14 Al Bayane, 8. Oktober 1998. 15 Al Bayane, 2. Februar 1999. 16 Libération (Casablanca), 2. Februar 1999.

Le Monde diplomatique vom 16.04.1999, von ZAKYA DAOUD