Banken und Gangster
Jean-Noäl Cuénod ist ein passionierter Enthüllungsjournalist, der mit benediktinischer Geduld noch den verschlungensten Pfaden im Bankendschungel folgt. In seinem Buch „Echec aux juges. L'affaire Crédit lyonnais-Sasea“ (Paris, Éditions du Rocher 1999) geht es um den Fall Florio Fiorini, der durch Korruption in weniger als fünf Jahren in insgesamt 35 Ländern ein aus 443 Gesellschaften bestehendes Banken-, Handels-, Industrie- und Dienstleistungsimperium geschaffen hatte, das auf ineinander verwobenen Holdings und völlig undurchsichtigen Finanztransaktionen basierte.
Kein Abenteurer kommt weit ohne die entsprechenden Geschäftsbanken – in diesem Fall war es der Crédit lyonnais, der Fiorini oftmals ohne reale Garantien Kredite von Milliarden französischer Franc gewährte. Cuénod beschreibt in seinem Buch die Ohnmacht der (französischen und schweizerischen) Richter. Fiorini wurde am 20. Oktober 1992 in Genf wegen gefälschter Urkunden, Export von verdorbenem Fleisch nach Gabun und einer Litanei weiterer Delikte verhaftet, und am 30. Oktober wurde der Konkurs angemeldet: er belief sich auf 16 Milliarden Franc, eine der größten Pleiten aller Zeiten. Nach dreijähriger Untersuchung des Falls, die Berge von Akten produzierte, dauerte der Prozess im Juni 1995 ganze 48 Stunden. Fiorini wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt und kam bereits im Oktober des selben Jahres frei. Er lebt heute in einer Villa in der Toskana. Den Schaden haben vor allem die französischen Steuerzahler.
Der Zufall will es, daß Jean-Yves Haberer vom Crédit lyonnais ausgerechnet zeitgleich mit Cuénods Buch ein Plädoyer pro domo veröffentlicht („Cinq ans de Crédit lyonnais“, Paris, Editions Ramsay 1999), in dem er alles abstreitet, seine patriotische Gesinnung kundtut und seine Unschuld, unter anderem auch im Fall Fiorini, beteuert. Ein hanebüchenes Dokument.
JEAN ZIEGLER