Die Hungerkatastrophe
SEIT Mitte der sechziger Jahre haben die Behörden in Nordkorea keinerlei Wirtschaftsstatistik veröffentlicht, weshalb es sehr schwierig ist, das Ausmaß der aktuellen Hungersnot einzuschätzen. Die vorliegenden Analysen und Berechnungen wurden alle im Ausland erstellt, was erklärt, weshalb die Schätzungen so weit auseinander liegen. Aus Pjöngjang, das bislang nur eine einzige offizielle Zahl bekanntgegeben hat, und zwar zu dem Zeitpunkt, als die Nahrungsmittelhilfe dringlich wurde, heißt es, dass während der schlimmsten Jahre, von 1995 bis 1998, 250 000 Menschen gestorben seien. Andere Quellen geben an, daß die Zahl der Toten bei mehr als 3 Millionen gelegen habe.1
Laut einer gemeinsamen Untersuchung vom Welternährungsprogramm (World Food Program), der Unicef und der Europäischen Union, die 1998 durchgeführt wurde, leidet die Mehrheit der nordkoreanischen Kinder an Unterernährung und dadurch bedingten Krankheiten; Angaben zur Gesamtbevölkerung fehlen zum Teil.2 Dank der anhaltenden internationalen Hilfeleistungen und auch dank besserer Ernteaussichten für dieses Jahr scheint sich die Lage bei der Nahrungsmittelversorgung etwas zu bessern, bleibt aber noch weit von der Selbstversorgung entfernt. Statistiken aus Südkorea geben an, dass das nordkoreanische Bruttoinlandsprodukt in den letzten neun Jahren stetig um durchschnittlich 5 Prozent im Jahr gesunken ist. Nachdem neuerdings erwartet wird, dass sich der Produktionsrückgang verlangsamt, äußern manche Analytiker inzwischen einen vorsichtigen Optimismus. 1998 habe die Abschwächung nämlich bei „nur“ 1,1 Prozent gelegen.3 Allerdings bestätigen alle Untersuchungen zur Industrie, zum Transportwesen und zur Landwirtschaft, dass die gesamten wirtschaftlichen Aktivitäten künftig davon abhängen, inwieweit die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist.
I. M. S.