08.06.2007

Auch Schiffe stinken

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Auch Schiffe stinken

Die Schifffahrt ist die umweltfreundlichste Sparte der Transportindustrie. Das gilt zumal für den Frachtverkehr auf langen Strecken. Schiffe sind weitaus energieeffizienter als Lkws und Eisenbahnen, vom Lufttransport ganz zu schweigen. Pro Tonne Fracht wird beim Seetransport ein Hundertstel der Kohlendioxid-Emissionen freigesetzt, die für Luftfracht anfallen.

Die steigende Bedeutung des Seetransports für den Welthandel – nicht zuletzt wegen der „Containerisierung“ des Frachtverkehrs – ist also eine begrüßenswerte Entwicklung. Das heißt aber nicht, dass die Seeschifffahrt eine saubere Sache ist. Das lernen wir jedes Mal, wenn ein Öltanker havariert. Weniger bekannt ist, dass die Emissionen, die von Schiffen in die Atmosphäre gelangen, erheblich zur Luftverschmutzung und zum anthropogenen Klimawandel beitragen: Der Schiffsverkehr ist für etwa 7 Prozent der CO2-Emissionen des Verkehrssektors verantwortlich, das entspricht etwa 2 Prozent der globalen CO2-Emissionen, heißt es in einem Bericht des Umweltbeirats der Bundesregierung: „Darüber hinaus entfallen ca. 7 Prozent aller Emissionen von Schwefeldioxid (SO2) und 11 bis 12 Prozent aller Emissionen von Stickoxiden (NOx) auf die Schifffahrt.“1

Wegen des rapiden Wachstums des Seehandels (um rund 8 Prozent pro Jahr) werden die Schiffsemissionen immer weiter ansteigen. Umso erstaunlicher ist es, dass sie bislang in den Diskussionen über den Klimawandel kaum erörtert wurden und im Emissionshandel nach dem Kioto-Protokoll überhaupt keine Rolle spielen.

Hauptquelle der Luftverschmutzung sind die Schiffsmotoren, in der Regel langsam laufende Zweitaktdiesel. Dieser Motorentyp läuft mit Schweröl, das in den Raffinerien als Restprodukt der Benzinherstellung anfällt. Damit stellen Schiffe im Grunde „Verbrennungsanlagen für die Abfälle der petrochemischen Industrie“ dar, wie es Detlef Matthiessen, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein, ausdrückt. Deshalb ist Schiffsdiesel mit 10 Eurocent pro Liter auch extrem billig.

Mit der Verbrennung gelangen neben dem Klimakiller CO2 vor allem überproportionale Mengen von SO2 in die Luft, da das Schweröl bis zu 5 Prozent Schwefelrückstände enthält. Ebenso schädlich sind Stickoxide, die zur Ozon- und Smogbildung beitragen. Nach einer Studie der University of Delaware emittierte die globale Frachtschifffahrt 2003 genauso viele Stickoxide wie die gesamten USA.

Dass diese Schadstoffe in der Klimadebatte bislang übersehen wurden, liegt auch daran, dass man Emissionen von Schiffen nur schwer erfassen kann. Das Hauptproblem ist jedoch, dass Schiffe als „Umweltsünder“ kaum zu erwischen sind, weil sie sich großenteils auf hoher See, also außerhalb nationaler Zuständigkeiten bewegen. Kontrollen und Sanktionen sind deshalb nur durch die Behörden der Häfen möglich, in denen die Schiffe anlegen.2 Diese Behörden haben auch ein erhöhtes Interesse an „sauberen Schiffen“, weil deren schädliche Emissionen in Hafenregionen besonders hoch konzentriert sind. In manchen Hafenstädten machen sie drei Viertel der Gesamtbelastung durch Stick- und Schwefeloxide aus.

Es ist kein Zufall, dass eine der ersten Initiativen für umweltfreundlichere Schiffsmotoren von der Hafenstadt Hamburg ausging. Hier hatte der rot-grüne Senat 2001 das Programm „Green Shipping“ beschlossen: Umweltfreundliche Schiffe sollten weniger Liegegebühren bezahlen als Luftverpester. Das Programm wurde vom nachfolgenden CDU-FDP-Senat wieder abgeschafft.

Jetzt kommt das Thema zwei Ebenen höher auf die Tagesordnung. Die EU-Kommission bereitet ein Programm vor, das dazu beitragen soll, die Emissionen von Fracht- und Passagierschiffen weltweit einzudämmen. EU-Umweltkommissar Stavros Dimas will den Emissionshandel, der im Verkehrsbereich bislang auf die Luftfahrt beschränkt ist, auf den kommerziellen Schiffsverkehr ausdehnen. Demnach sollen alle Schiffe künftig CO2-Zertifikate vorweisen, wenn sie einen Hafen innerhalb der EU anlaufen. Überschreiten sie bestimmte Grenzwerte, muss die Reederei Emissionsrechte zukaufen. Die Regelung soll 2012 in Kraft treten und könnte später auf SO2- und NOx-Emissionen ausgeweitet werden.

Ob solche Regeln auch jenseits des EU-Bereichs durchsetzbar sind, ist allerdings völlig offen. Der Verband deutscher Reeder hat bereits darauf hingewiesen, dass Länder wie Japan, China oder die USA die Union wegen eines solchen klimapolitischen Alleingangs vor der WTO verklagen könnten.

Auch deshalb wäre es geboten, radikalere Lösungen anzustreben, die bei den Antriebssystem ansetzen müssten. Schiffsmotoren sind kaum noch zu optimieren und werden aus Kostengründen weiter auf Schweröl laufen. Andererseits herrschen nirgends günstigere Windverhältnisse als auf hoher See. Es ist also sehr plausibel, die Windenergie auch für die Handelsschifffahrt zu nutzen. Detlef Matthiessen erinnert daran, dass japanische Frachter während der Ölpreiskrise der 1970er-Jahre mit einem Segelhilfsantrieb bis zu 40 Prozent Treibstoffkosten einsparen konnten. Er verweist auf den Flettner-Rotor als eine Erfindung, die seitliche Winde als Ergänzungsantrieb nutzt. Die Kieler Lindenauwerft will 2008 ein Rotorschiff fertigstellen, das die Seetüchtigkeit eines „clean ship“ mit optimiertem Windantrieb demonstrieren soll.

Niels Kadritzke

Fußnoten:

1 Siehe: „Nutzungsentgelte“, Politikpapier 2 des WBGU: www.wbgu.de. 2 Eine Kontrolle durch die Staaten, in denen die Schiffe registriert sind, ist unrealistisch, da die Billigflaggenländer dies sicher nicht gewährleisten können.

Le Monde diplomatique vom 08.06.2007, von Niels Kadritzke