11.03.2011

Einstürzende Denkgebäude

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Einstürzende Denkgebäude

von Alain Gresh

Mehrere Wochen lang wurde das große muslimische Land durch Streiks und Proteste erschüttert. Eine tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Krise, die Plünderung des Staates durch die Familie des Präsidenten und ein denkbar autoritäres System haben einen der wichtigsten Stützpfeiler der US-Politik in der Region zersetzt. Dann ließ Washington seinen alten Verbündeten fallen. Die US-Außenministerin forderte den Diktator auf, „den Weg für einen demokratischen Übergang frei zu machen“.

Die Rede ist hier nicht von Ägypten im Februar 2011, sondern von Indonesien im Mai 1998. Die Außenministerin hießt nicht Hillary Clinton, sondern Madeleine Albright. Abtreten musste damals der indonesische Diktator Suharto, der 1965 mit Hilfe der CIA an die Macht gekommen war, nachdem er eine halbe Million Kommunisten – oder wen er dafür hielt – hatte massakrieren lassen. Mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der Sowjetunion hatte Indonesien seine Funktion als Vorposten im antikommunistischen Kampf verloren. Für Washington war es nun günstiger, einen Prozess der Demokratisierung zu fördern und im Sinne der eigenen Interessen zu beeinflussen. Zudem wollte Präsident Clinton der internationalen Öffentlichkeit demonstrieren, dass die USA auf eine offenere Außenpolitik setzt.

Dieser Politikwechsel war ein kluger Schachzug. Indonesien hielt an seinen engen Beziehungen zu Washington fest, auch wenn es als aktives Mitglied der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) zum Beispiel in der iranischen Nuklearfrage eine eigenständige Politik betreibt.

Was kann man aus diesem Beispiel lernen? Erstens, dass keine Diktatur ewig Bestand hat. Und zweitens, dass interne Veränderungen die Außenpolitik zwar beeinflussen, es aber von den Umständen abhängt, wie stark dieser Einfluss ist. Ägypten ist nicht Indonesien und der Nahe Osten nicht Südostasien.

Der Mythos von der Unfähigkeit zur Demokratie

In den Fluren des Élysée-Palasts und anderer westlicher Regierungszentralen war es normal, über die „arabische Straße“ Witze zu machen. Warum sollte man ernst nehmen, was die paar hundert Millionen Menschen dachten, von denen bestenfalls islamistische oder antiwestliche Sprüche zu erwarten waren? Wo man sich doch mit den Machthabern, die in ihren Ländern für Ruhe und Ordnung sorgten, so gut verstand und staatliche Repräsentanten und Großintellektuelle aus Europa von den Monarchen und Präsidenten der arabischen Welt mit der sprichwörtlichen orientalischen Gastfreundlichkeit empfangen wurden.1

Der Mythos von der Passivität der arabischen Völker, von ihrer Unfähigkeit zur Demokratie ist binnen weniger Wochen zerstoben. Die Aufstände von Tunesien, Ägypten und Libyen und die Protestbewegungen – von Algerien über Jemen und Bahrain bis zum nichtarabischen Iran – betreffen nicht nur die innere Entwicklung dieser Gesellschaften, sondern auch die politischen Machtverhältnisse in der Region. Zum ersten Mal seit den 1970er Jahren kann man die Region nicht geopolitisch analysieren, ohne die Bestrebungen der Völker mit zu berücksichtigen, die ihr Schicksal wieder selbst in die Hände nehmen wollen.

Das gilt zuallererst für Ägypten. Zwar ist es noch zu früh, um ein klares Bild der künftigen Außenpolitik Kairos zu gewinnen. Doch alle Beobachter sind sich darin einig, dass das Weiße Haus einen treuen Verbündeten und loyalen Freund verloren hat, der in den letzten 30 Jahren neben Israel der wichtigste Stützpfeiler der US-Strategie in der Region war. Mubarak hat zuletzt den politischen Feldzug gegen die „iranische Bedrohung“ angeführt und maßgeblich dazu beigetragen, die Illusion eines Friedensprozesses im Nahen Osten aufrechtzuerhalten, während Israel weiterhin Siedlungen baute. Er bedrängte zum einen die palästinensische Führung, die Verhandlungen fortzusetzen, und empfing zum andern regelmäßig israelische Abgesandte in Scharm al-Scheich, die einer nach dem anderen zu verstehen gaben, dass sie gar kein Friedensabkommen wünschten.

Zudem beteiligte sich Mubarak an der Blockade des Gazastreifens und war mit verantwortlich für das Scheitern aller Versöhnungsversuche zwischen Hamas und Fatah – wie des Mekka-Abkommens von 2007, das Saudi-Arabien, ein anderer „moderater“ Staat, vermittelt hatte. Während der Demonstrationen in diesem Winter trugen einige Demonstranten Schilder in hebräischer Sprache. Womit sie sagen wollten: Die einzige Sprache, die Mubarak verstehe, sei die der israelischen Regierung.

Der Oberste Rat der ägyptischen Streitkräfte, der im Moment in Kairo die Macht ausübt, hat Washington und Tel Aviv zugesichert, dass man sich an die eingegangenen internationalen Verpflichtungen halten werde – also auch an das Camp-David-Abkommen von 1978 und den Friedensvertrag mit Israel von 1979. Zwar ist wenig wahrscheinlich, dass sich das ägyptische Volk den Krieg zurückwünscht, aber andererseits dürfte klar sein, dass es diese Abkommen nicht als Elemente des Friedens und der regionalen Stabilität betrachtet. So schrieb etwa Steven A. Cook vom renommierten US-amerikanischen Thinktank Council on Foreign Relations: „Aus der Sicht vieler Ägypter hat diese Konstellation die Macht Kairos stark beschränkt und Israel und den USA die Freiheit verschafft, ihre Interessen unbehelligt durchzusetzen. Ohne einen Krieg mit Ägypten zu riskieren, baute Israel Siedlungen für hunderttausende Israelis im Westjordanland und im Gazastreifen, unternahm zwei Angriffskriege gegen den Libanon, erklärte Jerusalem zu seiner Hauptstadt und bombardierte den Irak und Syrien.“2

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hat das ägyptische Volk seine Solidarität mit Palästina und dem Libanon demonstriert. Während des Libanonkriegs 2006 hingen Bilder des Hisbollah-Führers Nasrallah in den Kairoer Geschäften, während das Regime gegen die schiitischen „Abenteurer“ wetterte. Die Ägypter, die für Pluralismus und Demokratie demonstrierten, hegen gewiss keine besondere Sympathie für den Iran, ein nichtarabisches schiitisches Land mit einem sich zunehmend repressiv zeigenden Regime, das als historischer Rivale gilt. Bei denselben Menschen ist jedoch die Weigerung Teherans, sich dem Diktat der USA zu beugen, durchaus populär.

Eine repräsentative Regierung in Kairo wird die Meinung der Ägypter in Zukunft stärker berücksichtigen müssen: Auf die Bemühungen Washingtons, ein (nichtoffizielles) Bündnis der „moderaten“ arabischen Länder und Israels gegen Teheran aufzubauen, wird Ägypten viel distanzierter reagieren. Der Handlungsspielraum Kairos hängt auch vom Zustand der Wirtschaft ab, die nach Jahren der „Liberalisierung“ am Boden ist. Das Land ist abhängig von den Militär- und Nahrungsmittelhilfen der USA und den Geldern der Europäischen Union. Eine ähnlich unabhängige Außenpolitik wie die Türkei wird Ägypten also kaum betreiben können, denn Ankara verdankt seinen Handlungsspielraum der Dynamik der türkischen Volkswirtschaft, deren BIP dreimal so hoch ist wie das Ägyptens (bei etwa derselben Einwohnerzahl).

Demokratie in Nahost ist nicht mehr exklusiv israelisch

Die Umwälzungen in Kairo lösen bei anderen, als „moderat“ geltenden Staaten Besorgnis aus, allen voran Saudi-Arabien, dessen König Abdullah sich bei US-Präsident Obama für die Rettung Mubaraks eingesetzt hat. All diese angeblich gemäßigten Länder haben Angst vor einer Schwächung des amerikanischen Einflusses in der Region. Dass es den USA gelungen ist, ein breites Bündnis gegen das iranische Atomprogramm zu organisieren und Sanktionen gegen Teheran durchzusetzen, konnte weder über ihr Scheitern im Irak noch über die verfahrene Situation in Afghanistan hinwegtäuschen – und auch nicht über die Ohnmacht gegenüber dem israelischen Siedlungsbau.

Der Rücktritt Mubaraks und zuvor, im Januar, das Ende der Regierung Saad Hariri im Libanon haben die Ängste bei den „moderaten“ Herrschern auf der arabischen Halbinsel verstärkt, die sich durch die rasche Ausbreitung der Demokratiebewegung von Jemen bis Bahrain bedroht fühlen müssen. Denn auch in der Golfregion fühlt sich die junge Generation durch die Ereignisse in Ägypten und Tunesien angesprochen. In der saudischen Tageszeitung al-Watan wurde die Regierung mit warnendem Unterton ermahnt, auf die Hoffnungen der Jugend einzugehen, „die sich für die Entwicklungspläne interessiert und deren Realisierung beobachtet, die deren Effektivität und Kosten im Auge hat und auch über Profiteure und Verlierer dieser Pläne informiert ist“. Das war eine deutliche Anspielung auf die Korruption, die zahlreiche saudische Projekte auffrisst. Allerdings hat sich Saudi-Arabien schon vor den Umwälzungen in Tunesien und Ägypten um eine unabhängigere Rolle in der Region bemüht, vor allem durch seine Annäherung an Syrien. Auch auf die versöhnlichen Avancen des neuen iranischen Außenministers Ali Akbar Salehi hat es überaus positiv reagiert.

Was Palästina betrifft, so hat die Autonomiebehörde mit Mubarak einen treuen Verbündeten verloren, der ihr für die Verhandlungen mit Israel den Rücken stärkte und gegen eine Versöhnung mit der Hamas war. Jetzt muss sich die Regierung in Ramallah auf die neuen Verhältnisse einstellen. Als Mitte Februar im UN-Sicherheitsrat über eine von den Palästinensern eingebrachte Resolution diskutiert wurde, die Israels Siedlungspolitik verurteilt, versuchte Präsident Obama in einem Telefongespräch Mahmud Abbas zu überreden, den Text zurückzuziehen. Doch Abbas widerstand dem enormen Druck und zeigte, dass er sich gegenüber dem mächtigen Paten in Washington nicht mehr so nachgiebig verhalten will.

Die ausweglose Lage könnte die palästinensische Jugend auch im Westjordanland dazu bringen, ihr Bedürfnis nach Freiheit und Würde offen zu artikulieren – wie sie es in Gaza schon getan hat. Sie könnte für den Kampf um Menschenrechte und Gleichheit friedlich auf die Straße gehen und gegen die Besatzung und für die Einheit aller palästinensischen Kräfte demonstrieren. Die israelische Armee jedenfalls hat nach einem Bericht der Jerusalem Post bereits begonnen, für diesen Fall eine schnelle Eingreiftruppe zu bilden.3

Die israelische Regierung, noch viel mehr beunruhigt als die arabischen Nachbarn, hat ihre unverbrüchliche Treue zu Mubarak deutlich gezeigt. Nach Daniel Levy, einem einflussreichen Mitarbeiter der New America Foundation, wirft diese Haltung ein ganz neues Licht auf die Standardbehauptung der Israelis, ihr Staat sei „die einzige Demokratie im Nahen Osten“. Dieser Satz drücke weniger die Angst vor der Isolation eines von Diktaturen umzingelten Landes aus, sondern ganz im Gegenteil den Wunsch, „allein“ zu bleiben.4 Nach Levy haben sich die verschiedenen Regierungen in Tel Aviv mit den autoritären prowestlichen Regimen deshalb vorzüglich arrangiert, weil sie sich über die Solidaritätsgefühle der arabischen Völker gegenüber den Palästinensern durchaus im Klaren waren. Derzeit ist die Führung in Israel durch die aktuellen Veränderungen wie gelähmt. Sie übertreibt absichtlich die Rolle der Islamisten, zieht Parallelen zur islamischen Revolution in Teheran 1979 und warnt immer wieder vor der „iranischen Bedrohung“, die von der Welt nicht verstanden werde. Verteidigungsminister Ehud Barak erklärte gar bei einem Besuch an der Nordgrenze Israels den Soldaten, sie könnten zu einem neuen Einmarsch in den Libanon befohlen werden.5

Wenn es stimmt, dass der Westen „verloren hat“, heißt dies dann umgekehrt, dass Damaskus und Teheran mitsamt ihren Verbündeten Hamas und Hisbollah profitiert haben? Zweifellos. Aber das hilft ihnen noch nicht aus ihrer Bedrängnis: Die Hamas ist im Gazastreifen eingepfercht, und sie ist geschwächt, weil einige ihrer führenden Mitglieder einer Anklage vor dem UN-Sondertribunal entgegensehen.6 Und die iranische Führung hat zwar die ägyptische Revolution begrüßt, aber gleichzeitig die Demonstranten im eigenen Land, die mit ähnlichen Forderungen auf die Straße gingen, erbarmungslos unterdrückt und damit eine Spirale der Repression in Gang gesetzt.

Die arabische Welt als Vorbild für die Europäer

Komplizierter ist die Situation in Syrien. Hier hält Präsident Baschar al-Assad zwei Trümpfe in der Hand: Seine Standhaftigkeit gegenüber Israel, die zweifellos populär ist; und die Angst der syrischen Bevölkerung, dass innere Unruhen zu einer Konfrontation der Religionsgruppen wie im Irak führen könnten. Doch das Land, das ein starkes Bevölkerungswachstum bewältigen muss, steuert im Zuge seines liberalen Wirtschaftsprogramms auf große ökonomische und soziale Probleme zu – zumal die jungen Syrer ähnlich wie die andern Araber nach Freiheit streben.

Um auf das Beispiel Indonesien zurückzukommen und die geschickte Art, wie Washington damals auf den Sturz des Diktators reagierte: Der wichtigste Unterschied zur aktuellen Lage im Nahen Osten ist die Palästinafrage, von der viele Beobachter fälschlicherweise annehmen, sie spiele für die Demonstranten eine sekundäre Rolle. In Kairo haben die Organisatoren der Proteste antiamerikanische und antiisraelische Spruchbänder verbannt, weil sie sich bewusst auf einen einzigen Gegner konzentrieren wollten: das Regime. Diese Entscheidung fanden alle richtig. Aber nach dem Sturz Mubaraks, während der gigantischen Siegesfeier in Kairo am 18. Februar war der laute Ruf nach der Befreiung Jerusalems wieder da.

Über mehrere Jahrzehnte konnten die USA Israel bedingungslos unterstützen, ohne dafür einen Preis zahlen zu müssen (abgesehen von ihrer Unbeliebtheit auf der „arabischen Straße“, die niemand ernst nahm). Die meisten arabischen Führer blieben ihre treuen Verbündeten. Diese Zeit geht nun zu Ende. Schon im März 2010 äußerte General Petraeus, der als Kommandeur des United States Central Command (Centcom) für den Nahen Osten zuständig ist, die bemerkenswerte Einsicht: „Die arabische Wut über die palästinensische Frage beeinträchtigt die Stärke und Tiefe unserer Partnerschaften mit Regierungen und Völkern in der Region und schwächt die Legitimation der gemäßigten Regime in der arabischen Welt.“7 Angesichts der neuen geopolitischen Lage wird die US-Administration fundamentale Entscheidungen treffen müssen. Die Frage ist, ob sie das will und ob sie es kann.

Diese Frage wäre auch an die Europäischen Union zu richten, die ebenfalls durch ihre enge Zusammenarbeit mit Ben Ali und Mubarak kompromittiert ist. Lange Zeit war die EU außerstande, eine auch nur minimale Distanz zu den Diktatoren zu wahren. Sie unterschrieb immer neue Abkommen mit einer israelischen Regierung, die sich allen Friedensbemühungen widersetzte, und befürwortete eine neoliberale Politik, die in den Ländern südlich des Mittelmeers die Armut ebenso verstärkte wie die massive Korruption.

Wird es die EU jetzt endlich wagen, die „arabische Straße“ ernst zu nehmen, die – zu aller Überraschung – nicht nur aus bärtigen Fanatikern und Burka tragenden Frauen besteht? Oder muss zuerst das geschehen, was der libanesische Intellektuelle Georges Corm fordert: dass die Zivilgesellschaft im Norden dem Beispiel der „arabischen Straße“ nacheifert und „ihre Proteste gegen die neoliberale Oligarchie verstärkt, die die europäischen Wirtschaften auspresst, nicht genug Arbeitsplätze schafft und jedes Jahr eine wachsende Zahl von Europäern ins soziale Prekariat abstürzen lässt“.8

Ein eigener Platz in einer multipolaren Welt

Innerhalb weniger Jahre hat sich die Welt zu einem polyzentrischen Machtsystem entwickelt, in dem alle großen Staaten, von Brasilien über Südafrika und Indien bis China, ihren Platz suchen. Und zwar weder gegen die Interessen des Westens noch im Dienste des Westens, sondern an seiner Seite, mit dem schlichten Ziel, die eigenen Interessen zu vertreten. Die Türkei etwa, Nato-Mitglied und Verbündeter der USA, spielt in der Region eine immer wichtigere Rolle, indem sie im Streit um das iranische Atomprogramm und in der Palästinafrage eine eigenständige Politik betreibt.9

Auch die arabischen Staaten versuchen an dieser weltweiten Entwicklung teilzuhaben. Graham Fuller, ehemaliger Station Chief der CIA in Kabul und Autor des Buchs „The Future of Political Islam“, plädiert dafür, dieses Bemühen ernst zu nehmen: „Die Völker der Region fordern nur, über ihr Leben und ihr Schicksal selbst bestimmen zu können. Aber das setzt voraus, dass die ständige äußere Einmischung durch die USA ein Ende findet. Diese Rezeptur ist zunächst eine harte Zumutung: Washington muss aus der Region verschwinden und diese Gesellschaften endlich in Ruhe lassen, damit die ständige politische Infantilisierung der Völker des Nahen Ostens ein Ende hat. Es muss Schluss sein mit unseren endlosen und obsessiven Bemühungen, auf der Basis einer kurzsichtigen Vision ‚amerikanischer Interessen‘ das politische Leben anderer Staaten bis ins Kleinste zu bestimmen.“10

„Weder Osten noch Westen“, skandierten die iranischen Demonstranten 1979. Damit bezeugten sie ihren Willen, sowohl den USA als auch der Sowjetunion entgegenzutreten. „Weder mit dem Westen noch gegen ihn“, könnten die Demonstranten der arabischen Welt heute rufen und damit ihren Willen zu Unabhängigkeit und Souveränität in einer multipolaren Welt bekunden. Die „arabische Straße“ wird den Westen an seiner Fähigkeit messen, die Prinzipien der Gerechtigkeit und des internationalen Rechts auf der ganzen Welt zu verteidigen, auch und vor allem in Palästina. Sie werden es aber nicht mehr hinnehmen, dass ihre eigene Regierung den Kampf gegen den Westen als Vorwand nutzt, um eine Diktatur zu errichten.

Fußnoten: 1 Von 1995 und 2001 verbrachten 400 französische Minister ihren Privaturlaub in Marokko. Siehe Pierre Vermeren, „Printemps arabe: pourquoi la France s’est aveuglée“, Libération, 17. Februar 2011. 2 Steven A. Cook, „The U.S.-Egyptian Breakup“, Foreign Affairs, 2. Februar 2011, www.foreignaffairs.com/articles/67347/steven-a-cook/the-us-egyptian-breakup. 3 Yaakov Katz, „IDF prepares over fears of Egypt-style W. Bank demos“, The Jerusalem Post, 18. Februar 2011. 4 Daniel Levy, „Israel’s option after Mubarak“, 13. Februar 2011, english.aljazeera.net. Levy war zur Zeit der Regierung Barak Mitinitiator der israelisch-palästinensischen „Genfer Initiative“, die 2003 ein neues Friedenskonzept vorlegte. 5 Haaretz, 15. Februar 2011. 6 Siehe Alain Gresh, „Kein kurzer Prozess im Libanon“, Le Monde diplomatique, Februar 2011. 7 Aussage Petraeus’ vor dem US-Senat: armed-services.senate.gov/statemnt/2010/03%20March/Petraeus%2003-16-10.pdf. 8 Georges Corm, „Quand la ‚rue arabe‘ sert de modèle au Nord“, Le Monde, 11. Februar 2011. 9 Siehe Wendy Kristianasen, „Die Türkei denkt sich neu“, Le Monde diplomatique, Februar 2010. 10 Graham Fuller, „Revolution in Egypt“, Christian Science Monitor, 4. Februar 2011.

Aus dem Französischen von Jakob Horst

Le Monde diplomatique vom 11.03.2011, von Alain Gresh