Die anatolischen Tiger kommen
Die Erfolgsstory türkischer Unternehmer in Afrika von Alain Vicky
Die türkischen Unternehmer richten ihren Blick wieder nach Afrika. Der Präsident des türkischen Unternehmer- und Industriellenverbands Tuskon ist begeistert: „Das Interesse an einem Zugang zum afrikanischen Markt hat stark zugenommen. Jeden Tag erhalten wir dutzende Nachfragen zu Informationen über diesen Kontinent“.1
Der 2005 gegründete Verband zählt mittlerweile 29 000 Mitglieder. Im Gegensatz zu der bekannteren Unternehmervereinigung Tüsiad repräsentiert Tuskon hauptsächlich kleine und mittelständische Unternehmen, doch rund 100 der Tuskon-Mitglieder gehören mittlerweile zu den 500 größten türkischen Unternehmen. Präsident Rizanur Meral erklärt die Attraktivität von Tuskon damit, dass sich der Verband vor allem um die „Entwicklung von Geschäftsaktivitäten“ bemüht: „In Anatolien verfügen wir über eine solide Produktionsstruktur, die von der haci babalar [der älteren Generation der Mekka-Pilger] aufgebaut wurde und die jetzt die kravatli ogullari [die ‚Söhne mit Krawatte‘] weiterentwickeln wollen.“
Tuskon ist das neue Aushängeschild der Unternehmer in der Türkei. Das Land mit einer Bevölkerungszahl von 75 Millionen ist mittlerweile auf Platz 17 der größten Volkswirtschaften vorgerückt.2 Und was den Außenhandel betrifft, bringen es die 20 größten Wirtschaftsmetropolen des Landes heute auf einen Exportumsatz von jeweils einer Milliarde US-Dollar pro Jahr oder mehr. Zu diesen Metropolen zählen inzwischen – neben der seit jeher dominierenden Wirtschaftsregion Istanbul – vor allem die Großstädte Zentralanatoliens wie Kayseri, Konya, Gaziantep.
Seit 1998 ist die Türkei zurück auf der großen Bühne der Weltwirtschaft. Damals unternahm es Ismail Cem, der Außenminister der konservativen Regierung von Mesut Yilmaz, die „internationale Ausrichtung der Türkei neu zu definieren, um den Status des reinen Westalliierten zu überwinden und die Rolle eines aktiven und konstruktiven globalen Akteurs einzunehmen“. Nach Ansicht des Ökonomen Mehmet Özkan und des Politologen Birol Akgün3 war diese Neuausrichtung „zum Teil“ eine Reaktion auf die Entscheidung des Europäischen Rats von 1997, den Antrag der Türkei auf den Beitritt zur EU abzulehnen.4 Mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von über 5 Prozent bot der „schwarze Kontinent“ für Ankara neue außenwirtschaftliche Perspektiven. Doch logistische Probleme und Spannungen innerhalb der damaligen Regierungskoalition verhinderten die sofortige Realisierung der Afrika-Pläne im Rahmen dieser Neuorientierung.
Erste Schritte in dieser Richtung unternahm dann seit 2002 die AKP-Regierung. Treibende Kraft war von Anfang an der Politikwissenschaftler und außenpolitische Berater von AKP-Chef Erdogan, Ahmet Davutoglu, der 2009 zum Außenminister befördert wurde. 2005 wurde für die türkische Außenpolitik das „Afrikanische Jahr“ ausgerufen. Recep Tayyip Erdogan reiste als erster türkischer Ministerpräsident nach Afrika, besuchte Pretoria und Addis Abeba, den Sitz der Afrikanischen Union. 2007 folgte eine weitere Initiative: Die Türkei organisierte eine Ministerkonferenz der ärmsten Länder (Least Developed Countries, LDC), zu denen 33 afrikanische Staaten gehören. Aus diesem Anlass bewilligte Ankara Entwicklungsgelder in Höhe von 20 Millionen US-Dollar für den Zeitraum bis 2011.
„Made in Turkey“ gilt in Afrika mehr als „Made in China“
2008 war ein weiteres Jahr der türkisch-afrikanischen Annäherung. Im August fand in Istanbul das erste Gipfeltreffen der türkisch-afrikanischen Kooperation statt, an dem 42 afrikanische Staaten teilnahmen. Im Oktober erlangte die Türkei mit Unterstützung von 51 der 52 afrikanischen Staaten einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Und im Dezember wurde an der Universität Ankara ein Institut für angewandte Afrikaforschung gegründet.
Die schwächelnde europäische Wirtschaft und die 2008 ausgebrochene globale Finanzkrise waren für die neue Generation türkischer Unternehmer, die „anatolischen Tiger“, eine große Chance, das von der türkischen Diplomatie eröffnete Terrain zu nutzen. Nachdem sie schon im lange im Mittleren Osten und Zentralasien aktiv waren, begannen sie nun sich auch in Subsahara-Afrika zu engagieren.
Dazu bemerkt Sedat Laciner vom Thinktank Usak in Ankara: „Im Gegensatz zur Elite des Industriellenverband Tüsiad, die vor allem mit dem Westen Geschäfte macht und das Risiko meidet, haben die Tuskon-Unternehmer in Afrika eine neues Betätigungsfeld gefunden.“ Ähnlich betont Ihsan Daghi, der AKP-nahe Chefredakteur der Zeitschrift Inside Turkey und Dozent am Institut für internationale Beziehungen der Technischen Universität Ankara, man könne die neue Politik der türkischen Regierung in Afrika und anderen Weltgegenden nicht verstehen, „ohne die Aktivitäten dieses neuen privatwirtschaftlichen Sektors zu berücksichtigen“.
Die Erfolgsstorys dieses Sektors haben dazu beigetragen, die anfängliche Skepsis vieler türkischer Beobachter abzubauen. „Als die Türkei für 2005 das ‚Afrikanische Jahr‘ ankündigte, waren viele hohe Beamte, Diplomaten und die Presse skeptisch“, berichten Özkan und Akgün. „Die meisten dieser Leute sahen darin eine Verschwendung von Zeit, Energie und Humanressourcen. Die Einzigen, die an diese Initiative glaubten und sie unterstützten, waren die Unternehmerverbände und die AKP-Regierung selbst. Aber seit die ersten Erfolge sichtbar wurden, sind all die kritischen Stimmen verstummt.“
Die Entwicklung der diplomatischen und Handelsbeziehungen der Türkei mit dem afrikanischen Kontinent zeigt sich darin, dass Ankara innerhalb eines Jahrzehnts die Zahl seiner Botschaften in Afrika verdreifacht hat; heute sind es 27, und 15 davon wurden allein 2009 und 2010 eröffnet. Damit unterhält die Türkei genauso viele Vertretungen in Afrika wie Indien. Die Türkei hat Beobachterstatus bei der Afrikanischen Union, beteiligt sich an fünf UN-Friedensmissionen in Afrika5 , und vor der Küste Somalias kreuzen ein Dutzend türkischer Fregatten, die zu der internationalen Antipirateriemission gehören. Zudem gehört die Türkei zu den nichtafrikanischen Teilhabern an der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfEB)6 und strebt die Einrichtung einer Freihandelszone mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) an.7
Turkish Airlines, die achtgrößte Fluggesellschaft der Welt, fliegt mittlerweile 14 Städte und 12 Länder in Afrika an. Das Volumen des Handels zwischen der Türkei und den subsaharischen Ländern soll sich 2009 auf fast 20 Milliarden US-Dollar vergrößert und damit seit 2003 verdreifacht haben (Hauptpartner sind dabei Südafrika und Nigeria). Die türkischen Exporte in die Länder südlich der Sahara beliefen sich 2009 auf 10,2 Milliarden Dollar, das sind mehr als 10 Prozent der türkischen Gesamtausfuhren.
Diese Erfolge haben eine konkrete Basis: Produkte „Made in Turkey“ (wie Baumaterialien, Lebensmittel, Maschinen, Textilien, Bekleidung, medizinische Geräte, Informationstechnologie, Hygiene- und Reinigungsmittel) sind 20 bis 30 Prozent billiger als die entsprechenden EU-Produkte und haben bei den afrikanischen Konsumenten einen besseren Ruf als die aus China.
Aluminiumtöpfe und eine Brücke in Khartum
„Die Bauern des afrikanischen Kontinents erkennen auf den ersten Blick die Qualität unserer Produkte“ sagte Metin Demir, Generaldirektor bei Pancar Motors, vor einer Delegation von 40 Unternehmern aus der Demokratischen Republik Kongo (DRK), die im Mai 2008 aus Anlass der „Türkisch-Afrikanischen Handelsbrücke“nach Istanbul gekommen waren. Pancar Motors produziert seit mehr als 50 Jahren Traktoren und andere landwirtschaftliche Maschinen, und Demir konnte stolz erklären: „Wenn man sie zu pflegen weiß, halten unsere Motoren jahrelang.“
Die Chefs von Arzu Metal, Seref und Serdar Sayoglu, sind ebenfalls zufrieden. Ihre Firma produziert Kochtöpfe und Teeservice aus Aluminium, die bei den afrikanischen Kunden gut ankommen, „weil sie billiger sind als Küchenutensilien aus Edelstahl“.
Neben den großen türkischen Baufirmen, die mit riesigen Infrastrukturprojekte beauftragt sind – wie die Kaduna-Autobahn im Norden Nigerias und die Al-Mak-Nimr-Brücke in Khartum –, haben inzwischen über 400 kleine und mittelständische türkische Unternehmen in Afrika Fuß gefasst und im letzten Jahr mehr als 500 Millionen Dollar investiert. Während des Besuchs von Präsident Abdullah Gül in Kamerun im März 2010 meinte Toussaint Mboka Tongo, Präsident der Unternehmervereinigung Mecam: „Die Türkei kann den lokalen afrikanischen Kleinunternehmern, die ihre Rohstoffe weiterverarbeiten müssen, in vielen Dingen helfen.“
Ähnlich wie Peking mischt sich auch Ankara nicht in die inneren Angelegenheiten seiner afrikanischen Partnerländer ein. Das schließt jedoch offene Kritik an den Partnern nicht aus: Angeblich hat der türkische Ministerpräsident Erdogan beim Türkisch-Afrikanischen Gipfel 2008 den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir, der kurz zuvor vom Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) beschuldigt worden war, wegen der Situation in Darfur scharf kritisiert.
Allerdings hat die Türkei, die auch Mitglied der Arabischen Liga ist, in der Darfur-Frage nie von einem Völkermord gesprochen.9 Die Verbindungen zwischen den beiden Ländern sind eng, der Sudan gehörte 1820 bis 1855 zum Osmanischen Reich (siehe Kasten). Heute sind mehr als 80 türkische Firmen im Sudan niedergelassen. Für den sudanesischen Botschafter in Ankara, Omer Haidar Abu Zaid Idem, ist die Türkei auch deshalb so populär, weil sie sich für die Palästinenser einsetzt, wie die Unterstützung der „Gaza-Flottille“ im September 2010 gezeigt habe. Zudem habe sich Ankara, an der Seite Brasiliens, 2010 gegen die neuen Iran-Sanktionen des UN-Sicherheitsrats gestellt.
Die Hinwendung der Türkei zu Afrika blieb international natürlich nicht unbemerkt. Ankaras „neo-osmanische“ Ambitionen im Nahen Osten werden sehr genau beobachtet. Manche Experten sehen auch einen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Expansion und der Ausbreitung des Islam. So hat etwa die staatliche türkische Religionsbehörde Diyanet 2010 ein hochrangiges Treffen mit muslimischen Würdenträgern aus Afrika organisiert, und im selben Jahr wurden 300 afrikanische Studenten zum Theologiestudium in der Türkei eingeladen.10
In die Schusslinie geriet dabei vor allem die Organisation für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (IHH), eine der Mitorganisatorinnen der „Gaza-Hilfsflottille“ von 2010. Die IHH ist seit Mitte der 1990er Jahre in Afrika engagiert. Heute arbeitet sie in 41 Ländern, derzeit betreibt sie eine große Kampagne für die operative Behandlung von am grauen Star erkrankten Menschen, und das unter dem Motto: „Lasst die Türken 100 000 Afrikanern die Augen öffnen, damit 100 000 Afrikaner zusammen mit der Türkei sehen können.“ Die Verantwortlichen der IHH betonen: „Wir gehen zu denen, um die sich niemand kümmert.“
Beunruhigend ist auch die Verbindung zwischen den streng religiösen und nationalistischen Unternehmern von Tuskon und der Fethullah-Gülen-Bewegung.11 Deren Gründer ist ein islamischer Prediger und Religionsphilosoph, der angesichts der Mobilisierung sehr vieler Anhänger von den Zeitschriften Foreign Policy und Prospect zum „einflussreichsten Denker der Welt“ im Jahr 2008 erklärt wurde.
Die Schule des globalen Imam
Das Gülen-Imperium umfasst Medienorgane, Stiftungen und humanitäre Organisationen. In neun afrikanischen Staaten werden insgesamt 13 000 Kinder und Erwachsene in den Schulen des „globalen Imam“ unterrichtet, die einen hervorragenden Ruf genießen. Dabei werden sie häufig von türkischen Geschäftsleuten unterstützt, die von den Netzwerken dieser Bildungsinstitutionen profitieren. Die Lehrer und Mitarbeiter dieser Schulen machen sich intensiv mit der lokalen Sprache und Kultur vertraut, um sich rasch in der Gesellschaft zu verankern.
Im März reiste eine große Tuskon-Delegation mit dem türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül nach Ghana und Gabun. Wie Tuskon-Präsident Meral erklärte, hat die Türkei in Gabun keine Botschaft: „Aber es gibt dort an einer Schule vier Gülen-Lehrer, über die wir Zugang zu wichtigen Informationen hatten und Kontakte zu lokalen Unternehmern knüpfen konnten.“
Gülen selbst, der seit 1999 im selbst gewählten Exil in den USA lebt, sorgt immer wieder für Skandale. Osman Nuri Gündes, ein früherer hochrangiger Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes, hat unlängst behauptet, Gülens Bewegung habe in den 1990er Jahren in Zentralasien als CIA-Tarnorganisation fungiert.
Im März 2010 wurden die zwei prominenten türkischen Journalisten Nedim Sener und Ahmet Sik in Istanbul verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen „Aufstachelung zum Hass“ vor und ließ auch gleich ihr noch unveröffentlichtes Buchmanuskript beschlagnahmen. Darin wollen die Autoren ihre These begründen, der türkische Staatsapparat werde mit Duldung der AKP von Gülen-Anhängern unterwandert.
Manche Kritiker sehen in der „Neo-Nurcu-Bewegung“12 , deren Adepten sich als eine „Alternativelite innerhalb der türkischen Gesellschaft“ sehen, die Anfänge einer Art Weltverschwörung. „Sie kontrollieren die Medien“, schreibt die US-amerikanische Journalistin Suzy Hansen. „Sie sind reich. Sie halten zusammen. Und sie helfen ausschließlich ihren eigenen Leuten.“13
Diese Kritik kann der katholische Erzbischof von Pretoria, George Francis Daniel, nicht teilen: „Die Philosophie und die Aktivitäten von Fethullah Gülen, die ich während eines Besuchs in der Türkei kennengelernt habe, machten auf uns einen tiefen Eindruck. Wir mussten den Islam nicht suchen, der Islam hat uns gefunden.“14 Schon 1886 hatte die muslimische Gemeinschaft Südafrikas das Osmanischen Reich um die Entsendung von Imamen gebeten. Heute werden in dem Land – das mittlerweile der wichtigste afrikanische Handelspartner Ankaras ist – in fünf „türkischen“ Schulen an die 3 000 Schüler mit den Lehren Gülens vertraut gemacht.
Gleichwohl ist es verfehlt, den religiösen Aspekt der türkischen Expansion zu übertreiben. Die türkische Entwicklungshilfeorganisation Tika ist auch in zahlreichen afrikanischen Ländern mit geringem muslimischen Bevölkerungsanteil (Äthiopien, Madagaskar, Ruanda) aktiv. Özkan und Akgün betonen, die türkische Auffassung des Islam sei nicht nur mit den westlichen Werten vereinbar, sie könne vielmehr sogar verändernd auf den radikaleren Islam anderer, ebenfalls in Afrika investierender Länder einwirken.
Die aktuellen Umbrüche in der muslimisch-arabischen Welt bedeuten zwar eine Schwächung der Positionen Ankaras, etwa in Libyen, wo 25 000 türkische Arbeiter evakuiert wurden. Aber letzten Endes könnte dies für die Türkei auch die Chance bieten, ihre Präsenz südlich der Sahara auszubauen.
Historische Bande
Bis in die 1990er Jahre hatte der afrikanische Kontinent für die Türken zwei völlig unterschiedliche Gesichter: Das ferne subsaharische Afrika sowie die Länder Nordafrikas – Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien und Marokko –, mit denen man aufgrund ihrer osmanischen Vergangenheit ein besonderes Verhältnis pflegte.
Bereits 1575 schloss Sultan Murad III. einen Verteidigungspakt mit dem Reich Kanem-Bornu (im Norden des heutigen Nigeria und im Tschad), das man sogar mit Waffen und Militärberatern unterstützte. In diesem Herrschaftsbereich der Haussa konnten die Briten erst 1900 Fuß fassen, nachdem das Gebiet zuvor von Usman dan Fodio in einem Dschihad erobert worden war.
In den letzten Jahren haben die AKP-nahen Medien die kleine „afrotürkische“ Gemeinschaft wiederentdeckt, die vor allem im Großraum Izmir lebt.1 Es handelt sich um Nachfahren der Afrikaner, die osmanische Händler aus dem südlichen Sudan und dessen ostafrikanischem Hinterland in Kenia und Uganda verschleppt hatten. Seit dem 16. Jahrhundert waren auf diese Weise zehntausende afrikanische Sklaven in die Kyrenaika und nach Ägypten gelangt und später über die Transsahara-Karawanenrouten und die osmanischen Handelskontore am Roten Meer bis nach Istanbul.2
Wie der britische Historiker Murray Gordon darstellt, bremste die britische Außenpolitik, die auf die Erhaltung des Osmanischen Reichs abzielte, lange Zeit die Initiativen gegen die Sklaverei. Doch die Offensive der britischen „Gesellschaft zur Abschaffung der Sklaverei“ nötigte den Sultan Mitte des 19. Jahrhunderts, auf die afrikanischen „Ebenholzmärkte“ zu verzichten. Aber erst als mit dem Verbot der Sklaverei durch die osmanische Regierung von 1899 die Nachfrage versiegte, „kam der Sklavenhandel tatsächlich zum Erliegen“.
Auch wegen der „Entdeckung“ ihrer schwarzen Bürger beginnen die Türken dieses dunkle und lange verdrängte Kapitel ihrer Geschichte aufzuarbeiten. Das gilt auch für die Rivalität mit den britischen und portugiesischen Kolonialreichen im Indischen Ozean.
Das Bild des afrikanischen Kontinents in der Türkei wird auch durch die vielen afrikanischen Fußballspieler in den türkischen Klubs beeinflusst, die bis vor kurzem Argentinier und Brasilianer bevorzugten. Nach den Nigerianern Uche Okechukwu und Jay-Jay Okocha und dem Ghanaer Stephen Appiah hat der Istanbuler Spitzenklub Fenerbahce jetzt die Senegalesen Mamadou Niang und Issiar Dia und den Nigerianer Joseph Yobo verpflichtet.
Und schließlich spielt auch die Musik eine wichtige Rolle: Die Songalben der bekanntesten afrotürkischen Sängerin, der inzwischen verstorbenen Esmeray, wurden in Istanbul inzwischen zu einem großen Erfolg.