Soldaten gegen Ebola
Die Ebola-Epidemie offenbart wieder einmal die globale Ungerechtigkeit zwischen armen und reichen Ländern. Nach Edwin Fuller Torrey vom Stanley Medical Research Institute (SMRI) gehören die drei am stärksten von der tödlichen Seuche betroffenen Staaten – Liberia, Sierra Leone und Guinea – weltweit zu den Ländern mit der schlechtesten Ausstattung an medizinischem Personal. Nach Fullers Schätzungen gab es vor dem Ausbruch der Epidemie in Liberia, das insgesamt 4,5 Millionen Einwohner hat, nur 120 Ärzte. Zugleich arbeiteten in den USA 56 in Liberia ausgebildete Allgemeinärzte. Zählt man diejenigen hinzu, deren Examen nicht anerkannt wurden und die als Pfleger arbeiten oder beruflich umgesattelt haben, kommt man auf eine Gesamtzahl liberianischer Mediziner in den USA, die zwei Drittel der Ärzte in ganz Liberia entspricht.1
Mitte der 1960er Jahre öffneten die USA ihre Grenzen für Gesundheitspersonal aus den armen Ländern, um den einheimischen Ärztemangel in Regionen auszugleichen, die für New Yorker Medizinstudenten nicht attraktiv genug waren. Doch wer ersetzt heute, nach fünfzig Jahren Braindrain, die fehlenden Fachkräfte in Liberia?
Im Oktober schickte sich Washington an, 4 000 Reservisten nach Westafrika zu schicken, um dem medizinischen Personal beim Kampf gegen die Epidemie zu helfen. Bei ihrem Fronteinsatz in Afrika werden die US-Soldaten auf Gruppen von Ärzten treffen, die ebenfalls eingeflogen wurden, und zwar aus Kuba. Dort hat man unter Aufsicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehrere hundert Ärzte und Krankenschwestern für den Kampf gegen Ebola ausgebildet. Ein Teil ist bereits in Sierra Leone im Einsatz.
Diese Solidaritätsaktion, die für Kuba selbstverständlich ist, findet auf einmal die Bewunderung der New York Times: „Eine arme, von der Welt weitgehend isolierte Insel“ bereite sich darauf vor, „eine entscheidende Rolle im Kampf der Nationen gegen das Virus zu spielen“. In dem Leitartikel heißt es, die Welt müsse anerkennen, dass die Arbeit der kubanischen Ärzte allen hilft.2 Und die US-Regierung wird aufgefordert, die diplomatischen Beziehungen mit Kuba wieder aufzunehmen, das Embargo aufzuheben und auf die Ratschläge von Fidel Castro zu hören, der eine Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Seuche vorschlägt.
Etwas gequält würdigte sogar US-Außenminister John Kerry, dass Kuba, „ein Land von kaum 11 Millionen Einwohnern, 165 medizinische Fachkräfte geschickt hat und noch 300 weitere entsenden will“. Dabei vergisst er freilich zu erwähnen, dass sein Ministerium seit 2006 das Programm „Passierschein für kubanisches Gesundheitspersonal“ finanziert. Es dient dazu, kubanische Ärzte und medizinische Fachkräfte abzuwerben.
Pierre Rimbert