11.12.2014

Die falschen Verbrechen

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Die falschen Verbrechen

In den USA müssen Whistleblower ins Gefängnis, nicht aber die Täter, deren Taten sie enthüllen von Tom Engelhardt

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Auch Mächtige können tief fallen. James Cartwright, pensionierter Vize-Generalstabschef der USA, wanderte für 13 Monate hinter Gitter. Cartwright war einer der Mitbegründer der ersten Cyberforce-Abteilung innerhalb des Strategischen Kommandos der USA (US-Stratcom), dem er von 2004 bis 2007 vorstand. Als solcher war er maßgeblich am ersten Cyberwar der Geschichte beteiligt: am Einsatz des Stuxnet-Virus gegen das iranische Atomprogramm.

2013 kam das US-Justiz-Ministerium1 nach längeren Ermittlungen zu dem Schluss, dass Cartwright den New-York-Times-Journalisten David Sanger mit Informationen über die Entwicklung des Computervirus versorgt habe. Aufgrund dieses Materials hatte die Zeitung im Juni 2012 die Existenz von Stuxnet und damit die US-Cyberwar-Attacke gegen den Iran enthüllt. Die Regierung sah darin eine schwere Gefährdung der nationalen Sicherheit. Im April 2014 wurde Cartwright von einem Bezirksrichter vernommen. Der hielt ihm eine schwerwiegende „Straftat“ vor und befand, der General habe seinen „moralischen Kompass“ verloren. Auf diese schockierende Weise endete die Karriere eines Mannes, der die zweithöchste Stufe der Macht im Pentagon erklommen hatte und als „Obamas Lieblingsgeneral“ galt (so jedenfalls der Starjournalist Bob Woodward).

Hätten Sie diese Geschichte geglaubt? Es stimmt zwar, dass das Justizministerium gegen Cartwright ermittelt, um herauszufinden, ob der General womöglich Informationen über den Stuxnet-Virus an die New York Times weitergegeben hat. Doch mehr ist bisher nicht passiert. Den Rest habe ich mir nur ausgedacht. In Wirklichkeit geht Cartwright wie gewohnt seinen vielfältigen Verpflichtungen nach. Er hält unter anderem den Harold-Brown-Lehrstuhl für Verteidigungspolitische Studien am Center for Strategic and International Studies der Georgetown University in Washington, D. C., er berät den Fernsehsender ABC, und er sitzt im Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns Raytheon. Bis dato musste er nur eine einzige Strafe hinnehmen: Er hat nicht mehr wie früher unbegrenzten Zugang zu allen Informationen.

Auch die oben zitierten Worte des Bezirksrichters sind zwar gefallen, sie beziehen sich jedoch auf einen anderen Fall: Stephen E. Kim, der als Experte für das nordkoreanische Atomwaffenprogramm im US-Außenministerium tätig war, hat im Februar 2014 zugegeben, dass er dem Reporter James Rosen von Fox News im Juni 2009 geheime „Informationen zur nationalen Verteidigung“ weitergegeben hat. Kim wurde dafür zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt. Es ist durchaus denkbar, dass auch Cartwright noch irgendwann verurteilt wird. Dann wäre er in Obamas Amtszeit der erste ranghohe Geheimnisträger, der wegen eines „Staatsverbrechens“ ins Gefängnis wandert.

Wie immer der Fall Cartwright ausgeht, er illustriert einen einzigartigen Sachverhalt. Es gibt nur ein Vergehen, für das ein Mitglied des US-Sicherheitsapparats angeklagt werden kann: die Weitergabe von Informationen, die diesen Apparat in ein schlechtes Licht rücken würden beziehungsweise die amerikanische Öffentlichkeit etwas mehr darüber aufklärten, was ihre Regierung so alles macht.

Wenn diese Geschichte nicht im Washington des Jahres 2014, sondern in George Orwells Roman „1984“ spielen würde, müsste am Eingang zum Ministerium der Wahrheit – neben „Krieg ist Frieden“, „Freiheit ist Sklaverei“ und „Nichtwissen ist Stärke“ – ein vierter Satz stehen: „Wissen ist ein Verbrechen“.

Vom Ausgang der Causa Cartwright einmal abgesehen genießen die Mitarbeiter der US-amerikanischen „Staatssicherheit“ so etwas wie einen „postlegalen“ Status. Auch wenn sie noch so scheußliche Verbrechen begangen haben, können sie sicher sein, dass sie dafür nicht belangt werden. Die Liste womöglich schwerer Straftaten, für die niemand vor Gericht gestellt wurde, ist lang und wurde noch nirgends vollständig dokumentiert. Machen wir also den Anfang mit der Aufzählung von sieben eindeutigen Verbrechen und Rechtsverstößen, für die nie jemand zur Rechenschaft gezogen wurde.

Entführungen: Nach 9/11 hat sich die CIA auf Kidnapping im großen Stil verlegt. Sie hat überall auf der Welt, in den Metropolen wie auf dem Land, mindestens 136 und womöglich noch viel mehr „des Terrorismus Verdächtige“ (darunter auch vollkommen unschuldige Leute) entführt. Dabei konnte sie häufig die Hilfe der örtlichen Polizei oder befreundeter Geheimdienste in Anspruch nehmen. Auf diese Weise sind insgesamt 54 Staaten zu Komplizen der CIA geworden. Die Gefangenen verschwanden entweder in dem weltumspannenden Netz von Geheimgefängnissen (auch „black sites“ genannt), das die Bush-Regierung aufgezogen hatte, und wurden dort verhört und misshandelt. Einige wurden aber auch direkt an Folterregime wie Ägypten und Usbekistan „weitergereicht“.

Kein Einziger der US-Bürger, die an diesen illegalen Aktionen beteiligt waren, kam jemals vor Gericht. Und in keinem Fall hat sich die Regierung bei einem Entführten entschuldigt – von einer Entschädigung ganz zu schweigen –, nicht einmal bei Opfern, die sich später als völlig unverdächtig herausstellten. Nur in Italien wurde im Juni 2009 eine 24-köpfige CIA-Einsatzgruppe wegen Entführung angeklagt und verurteilt – in Abwesenheit, denn da hatten sich die Agenten schon abgesetzt.

Folter und andere Misshandlungen: Die Verhörtechniker der CIA wurden von den Rechtsexperten des US-Justizministeriums und ihren notorischen „Folter-Memoranden“ ermächtigt, „die Handschuhe abzulegen“, wenn sie die Offshore-Häftlinge in Guantánamo und anderswo mit ihren „erweiterten Verhörtechniken“ zu Aussagen zwingen wollten. Dazu gehörte auch Waterboarding, das in den USA schon seit Langem unter dem Namen „Wasserfolter“ praktiziert worden war. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit hatte Präsident Obama diese Praktiken abgelehnt, sich aber geweigert, juristische Schritte gegen die Täter einzuleiten. Nicht ein einziger CIA-Agent und auch kein einziger privater „Subunternehmer“, der in die Folterpraktiken involviert war, wurde jemals unter Anklage und schon gar nicht vor Gericht gestellt. Ähnliche Nachsicht erfuhren das Justizministerium und andere Organe der Bush-Regierung.

Es gibt jedoch eine Ausnahme. Ein einziges Mitglied des nationalen Sicherheitsapparats landete wegen des CIA-Folterprogramms im Gefängnis. Der ehemalige CIA-Agent John Kiriakou war zwar kein Folterer, aber er brachte die Obama-Regierung in Verlegenheit, als er die CIA-Praktiken publik machte. Der Whistleblower Kiriakou wurde zu 30 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er einem Reporter den Decknamen eines Agenten gesteckt hatte.

Seit im April 2014 einige Details aus dem 6 300 Seiten umfassenden Report des Senatsausschusses für Geheimdienstangelegenheiten durchgesickert sind, wissen wir, dass CIA-Beamte ganz offensichtlich Verhörmethoden angewendet haben, die weder vom Justizministerium noch von ihren Vorgesetzten abgesegnet waren.2 Mit anderen Worten: Die Fahnder haben sogar gegen die Standards der Folter-Memoranden verstoßen. Sie begingen also selbst nach den Maßstäben der Bush-Regierung illegale Handlungen. Sind daraufhin die Staatsanwälte tätig geworden? Keineswegs: Die einzigen Ermittlungen, die sich bis heute am Horizont abzeichnen, zielen allein auf die Klärung der Frage, wer die Passagen aus dem noch unveröffentlichten Senatsreport an den Medienkonzern McClutchy News weitergegeben hat.

Vernichtung von Beweismitteln: Die vorsätzliche Vernichtung von Beweismitteln in der Absicht, die Verfolgung einer mutmaßlich kriminellen Handlung zu behindern, ist natürlich selbst eine Straftat. Eine solche Straftat hat ganz ohne Zweifel Jose Rodriguez jr., Chef der CIA-Abteilung für geheime Operationen, begangen. Er hat 92 Videobänder zerstört, auf denen das wiederholte Waterboarding der beiden Terrorverdächtigen Chalid Scheich Mohammed und Abu Subaida dokumentiert war – entgegen der ausdrücklichen Anweisung, die Bänder „als Teil einer offiziellen Untersuchung“ aufzubewahren. Das Justizministerium hat den Fall untersucht, aber im November 2010 entschieden, dass keine Anklage erhoben wird.3 Rodriguez selbst hat sich in seinem Buch „Hard Measures“ mit dem Argument gerechtfertigt, er habe nicht abwarten wollen, bis „die Bürokratie in Washington eine Entscheidung trifft, die das Leben von Amerikanern schützt“. In seinen Gastkommentaren für die Washington Post verteidigt er heute noch die Verhörpraktiken, die er durch die Vernichtung der Beweismittel verschleiert hat.4

Aufbau eines illegalen Gefängnissystems: Wie heute allgemein bekannt, ist in der Ära George W. Bush auf Betreiben allerhöchster Stellen ein globales Netz extralegaler Gefängnisse entstanden. In diesen Black Sites blieben die Folterungen und andere Formen der Misshandlung von Gefangenen unbemerkt und ungestört. Vor allem aber hatte das System den Vorteil, dass mutmaßliche Terroristen nicht dem Rechtssystem der USA unterstanden, dass ihre Behandlung also nicht den Grenzen oder der Kontrolle durch Gesetze und Gerichte unterworfen waren. Das Ganze war per Definition außerlegal, wenn nicht illegal.

6 000 Dollar Gehaltsabzug für die Tötung eines Gefangenen

Tötung von Gefangenen: Wenn Gefangene in Gewahrsam der CIA (in Offshore-Gefängnissen wie Guantánamo oder in „gepachteten“ Gefängnissen von Folterstaaten) zu Tode kamen – als Folge der von CIA-Experten angeordneten „Behandlung“ –, wurde dies nicht als Verbrechen gewertet. Nur in zwei Fällen hat das US-Justizministerium die Todesumstände untersucht,5 ohne dass es zu einer Anklage gekommen wäre. Im ersten Fall soll ein CIA-Agent nach einem Bericht der Washington Post im November 2002 afghanische Wachmänner angewiesen haben, den Gefangenen Gul Rahman „auszuziehen und ihn auf dem Betonboden seiner Zelle anzuketten“. Am nächsten Morgen wurde der Gefangene tot aufgefunden. „Als Todesursache wurde Unterkühlung angegeben. Rahman wurde in einem anonymen Grab bestattet.“

Nur in einem einzigen Fall verurteilte ein Gericht einen Verhörexperten der U.S. Army für die Tötung eines irakischen Generals, weil er diesen mit dem Kopf voraus in einen Schlafsack gesteckt hatte. Das Strafmaß für den Täter: 6 000 Dollar Gehaltsabzug, eine formelle Rüge und 60 Tage „Ausgangssperre“ (wobei der Gang zur Arbeit und in die Kirche erlaubt war).

Attentate: Verdeckte Mordanschläge waren früher die große Ausnahme und wurden stets so organisiert, dass der Präsident jede Verantwortung abstreiten konnte. Heute gehört das Morden im Weißen Haus und in der CIA-Zentrale zum täglichen Geschäft. Und die Rolle des Präsidenten als oberster Attentäter – der die Todesopfer im Wortsinne auswählt – wird fast schon propagandistisch als politischer Vorteil dargestellt. Die tödlichen Drohneneinsätze in Pakistan, Jemen und Somalia sind zwar offiziell geheim und werden von einer Zivilbehörde betrieben (mit heimlicher Unterstützung durch die US-Luftwaffe), doch in den Medien wird ganz offen über sie berichtet, und die Mittäter sind anscheinend auch noch stolz darauf.

So hat CIA-Direktor Leon Panetta 2009 die Drohnenangriffe in Pakistan selbstbewusst als „the only game in town“ bezeichnet. Das Beste an dieser Strategie ist freilich, dass die Anschläge als „legal“ gelten. So steht es zumindest in einem 50-Seiten-Gutachten, das das Weiße Haus beim Justizministerium bestellt hat. Und das der Öffentlichkeit bis heute vorenthalten wird.

Diesen Luftangriffen auf präzise Ziele in fernen Gegenden, in die es kaum einmal einen Reporter verschlägt, fielen bis heute tausende Menschen zum Opfer, darunter auch viele Kinder. Da die Aktionen von einer zivilen Behörde durchgeführt werden, gelten sie nicht als „Kriegshandlungen“. Nach internationalem Recht wären sie ganz sicher als illegal und womöglich als Kriegsverbrechen einzustufen, meint unter anderem Christof Heyns, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen gegen außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen.

Meineid vor dem Kongress: Wenn jemand bei einer öffentlichen Kongressanhörung lügt, handelt es sich natürlich um einen Meineid. Auf besonders unverfrorene Weise hat das James Clapper getan, der bis heute das Amt des nationalen Geheimdienstdirektors (DNI) bekleidet. Als Clapper am 12. März 2013 im Senatsausschuss für Geheimdienstangelegenheiten von Senator Ron Wyden gefragt wurde, ob die NSA „irgendwelche Daten über Millionen oder hunderte Millionen von Amerikanern gesammelt habe“, lautete seine Antwort: „Nein, Sir. Nicht willentlich. Es gibt Fälle, wo sie vielleicht unabsichtlich gesammelt wurden, aber nicht willentlich.“ Das war eine glatte Lüge, wie sich später auf Grund der Enthüllungen von Edward Snowden herausstellen sollte. Die Lüge des DNI wiegt umso schwerer, als Senator Wyden seine Frage einen Tag vorher schriftlich eingereicht hatte.

Clapper hat sich später entschuldigt, er habe auf die „am wenigsten unwahre“ Weise geantwortet. Diese Aussage käme einem Geständnis gleich – für den Fall, dass ihm irgendjemand eine kriminelle Handlung vorwerfen würde. Aber der Kongress hat nichts unternommen. Und Clapper hat noch immer die Schlüsselposition des nationalen Geheimdienstdirektors inne, natürlich mit „Unterstützung“ seines Präsidenten.

Diese Liste von sieben Delikten enthält noch nicht einmal die Überwachung von US-Bürgern ohne richterliche Ermächtigung, für die ebenfalls jemand vor Gericht gestellt werden müsste. Und ebenso wenig die Betrügereien privater Söldnerfirmen und Baukonzerne, die der Regierung lukrative Subaufträge in Kriegsgebieten verdanken und dafür den staatlichen Zahlmeister übervorteilt oder betrogen haben.

Selbst relativ geringfügige Vergehen von unteren Chargen der Geheimdienstbürokratie werden in der Regel nicht verfolgt. Das gilt etwa für NSA-Mitarbeiter, die das Überwachungssystem zu privaten Zwecken missbrauchen (Stichwort: „Cyberstalking“). Die NSA behauptet, man habe zumindest einen Angestellten disziplinarisch belangt, doch zur Anklage ist es in keinem einzigen Fall gekommen.

Eine seltene Ausnahme ist der Skandal um das Gefängnis Abu Ghraib. In diesem Fall wurden einige der niedrigeren Dienstgrade vor Gericht gestellt und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Doch kein einziges Mitglied der U.S. Army mit einem höheren Dienstgrad als Colonel (Oberst) musste sich jemals wegen dieser schändlichen und systematischen Folter- und Missbrauchspraktiken vor Gericht verantworten.

Ziehen wir ein Fazit: Selbst die eindeutigsten Rechtsverstöße, die der Sicherheitsstaat zu verantworten hat, fallen offenbar in eine Kategorie, die man – in Anlehnung an die systemrelevanten Großbanken, die als „too big to fail“ nicht bankrottgehen dürfen –, mit dem Etikett „too big to jail“ belegen könnte. Das einzige Verbrechen, bei dem die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen am Ende stets zu einem Prozess führen, ist die Enthüllung von Informationen, die in den Augen des Sicherheitsstaats einen hohen Stellenwert besitzen. Nur dann dringt die Obama-Regierung kompromisslos auf eine Strafverfolgung.

Obwohl in solchen Fällen stets behauptet wird, die nationale Sicherheit sei gefährdet, haben die meisten Whistleblower und Informanten kaum etwas enthüllt, was den offiziellen Feinden Washingtons nützen könnte. Denn was Stephen Kim dem Fox-News-Journalisten über das nordkoreanische Atomprogramm erzählt hat, war für die Nordkoreaner schwerlich etwas Neues. Und auch die Iraner haben natürlich bereits gewusst, was General Cartwright der New York Times über die Urheber des Stuxnet-Virus enthüllt haben soll.

Andererseits nutzen diejenigen, die an der Macht sind, das „Leaking“ von Informationen häufig ganz selbstverständlich zu eigenen Zwecken. In Washington ist das gezielte „Durchstechen“ fast schon ein Sport, der immer dann praktiziert wird, wenn Regierungsleute dies als nützlich empfinden. Und zwar selbst dann, wenn es sich dabei um ein „geheimes“ Programm wie den Drohneneinsatz der CIA in Pakistan handelt. Dabei ist eines noch nicht ganz klar: Begeht jemand, der eine Information zum mutmaßlichen Vorteil der Regierung durchsickern lässt, eine Straftat oder nicht?

Damit sind wir wieder beim Fall des General Cartwright. Wenn es für den Sicherheitsstaat tatsächlich nur ein Vergehen gibt, das nach Ansicht unserer Regierung eine Gefängnisstrafe verdient, dann frage ich mich, wie das dann definiert wird. Mit anderen Worten: Ist die Weitergabe von Informationen nur dann ein Vergehen, wenn sie im falschen Hirn landen?

Es gibt nur einen Menschen aus dem Kreis der Mächtigen und Prominenten, den dasselbe Schicksal wie die anderen Whistleblower ereilen könnte. Und das ist General Cartwright. Man kann den Fall verschieden sehen, aber Cartwrights Hauptproblem besteht darin, ein Insider zu sein, der zugleich ein Außenseiter ist. Unter seinen Kollegen galt er als „einsamer Wolf“, der sich privat mit dem Präsidenten traf, und zwar hinter dem Rücken und zum offensichtlichen Verdruss des Verteidigungsministers und des Vorsitzenden des Generalstabs. Cartwright scheint im Pentagon nur wenige Freunde zu haben, und die wichtigsten republikanischen Senatoren sind ihm nicht wohlgesonnen. Deshalb könnte ihn der Sicherheitsstaat womöglich doch noch opfern. Das einzige Delikt im heutigen Washington ist, zu viel zu wissen. Das ist die neue Realität im 21. Jahrhundert.

Fußnoten: 1 Das Department of Justice der US-Regierung übt zugleich die Funktion der Generalstaatsanwaltschaft aus, weshalb der Justizminister den Titel U.S Attorney General trägt. Mit Justizministerium ist im Folgenden stets die oberste Anklagebehörde gemeint. 2 Siehe unter: www.mcclatchydc.com/2014/04/11/224085/cias-use-of-harsh-interrogation.html. 3 Ein hoher CIA-Vertreter verteidigte Rodriguez damals mit dem Argument, die Aufregung über die Beweisvernichtung sei „nichts im Vergleich mit der Aufregung, die eine Veröffentlichung der Bänder ausgelöst hätte“, siehe Washington Post, 15. April 2010. 4 Vgl. etwa Rodriguez’ Kommentar „I ran the CIA interrogation program. No matter what the Senate report says, I know it worked“, Washington Post, 4. April 2014. 5 Im einen Fall war das Opfer in der „Salzgrube“ nahe Kabul umgekommen, im anderen Fall im Abu-Ghraib-Gefängnis bei Bagdad.

Aus dem Englischen von Niels Kadritzke

Tom Engelhardt ist Journalist und veröffentlicht seine Texte unter anderem auf seiner Website: tomdispatch.com. © Tom Engelhardt; für die deutsche Übersetzung Le Monde diplomatique, Berlin

Le Monde diplomatique vom 11.12.2014, von Tom Engelhardt