Die neue Seidenstraße führt an Rußland vorbei
ALS „Seidenstraße des 21. Jahrhunderts“ wird jener „eurasische Korridor“ bezeichnet, den die Europäische Union mit Unterstützung der Vereinigten Staaten am südlichen Rand der Russischen Föderation einrichten will. Geplant ist ein Netz von Straßen und Eisenbahnlinien, von Pipelines und Häfen, ebenso ein Luftkorridor: Offiziell geht es darum, die neuen unabhängigen Staaten der Region aus der territorialen Isolierung zu befreien, wobei allerdings die Bemühungen vor allem darauf gerichtet sind, ihre Öffung zur Welt durch Verkehrswege zu sichern, die weder durch Rußland noch durch den Iran führen. Statt dessen ist der Türkei die Schlüsselrolle in der Region zugedacht. Und im Kampf um die Ausbeutung der Ressourcen sind alle Tricks erlaubt ...
■ Von JEAN RADVANYI *
Sieben Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion wird erkennbar, daß sich in den geopolitischen Konstellationen Eurasiens ein tiefgreifender Wandel vollzieht. Ein Blick auf die Karte zeigt, welche gewaltigen Anstrengungen unternommen werden, um die Verkehrswege den neuen Verhältnissen anzupassen, die durch die Unabhängigkeit ehemaliger Sowjetrepubliken entstanden sind.
Diese Projekte betreffen zunächst Rußland selbst, das sich auf ein reduziertes Territorium einstellen muß, zugleich aber versucht, seine Funktion als Brücke zwischen Asien und Europa aufrechtzuerhalten. Andere Vorhaben zielen allerdings darauf ab, die Monopolstellung zu brechen, die Rußland de facto im Hinblick auf die Exportverbindungen vieler ehemals sowjetischer Republiken noch innehat. So soll die Via Baltika, ein europäisches Projekt, die drei baltischen Staaten mit Polen und Finnland verbinden, ohne durch Rußland (Kaliningrad und Sankt Petersburg) oder Weißrußland zu führen.
Um weit mehr geht es in der Region südlich von Rußland. Dort sind nicht nur acht unabhängige Staaten – sieben davon Enklaven1 – entstanden, sondern man hat zugleich die Erdölvorkommen im Kaspischen Meer „wiederentdeckt“.2 Es zeigt sich rasch, daß hinter den technischen Diskussionen über die Vor- und Nachteile von Streckenführungen und Transportmitteln (Straße, Eisenbahn, Pipeline ...) Überlegungen unmittelbar politischer und strategischer Art stehen. Man spricht bereits von einer neuen Runde des „Großen Spiels“, um die Anziehungskraft deutlich zu machen, die dieses Gebiet (Zentralasien, das Kaspische Meer, der Kaukasus), das lange Zeit als exklusiv russische Einflußsphäre galt, auf die multinationalen Konzerne bzw. die westlichen Staaten ausübt.
Alles begann 1990/91, als die Europäer Lebensmittel-Hilfslieferungen in die krisengeschüttelten Sowjetrepubliken des Kaukasus und Zentralasiens schicken wollten und dabei feststellen mußten, daß es an Transportwegen fehlte: Man war angewiesen auf die notorisch unzuverlässige russische Infrastruktur. So startete die Europäische Union 1993 das sogenannte Traceca-Programm (Transport Corridor Europe-Caucasus-Asia). Es soll den acht Staaten eine zuverlässige Alternative zu den bestehenden großen Exportrouten bieten, die allesamt in russischer Hand sind. Später wurden auch die Ukraine und die Mongolei in das Projekt eingebunden. Traceca bezieht sich nur auf das klassische Transportnetz (Häfen, Straßen, Eisenbahnlinien), wird jedoch ergänzt durch zwei weitere Programme. Das eine (Inogate) ist ein ambitionierter Plan für den Bau von Pipelines, das andere (Southern Ring Air Route) hat die Schaffung eines Luftkorridors zum Ziel. Aus der Gesamtheit dieser Maßnahmen ergäbe sich ein echter „eurasischer Korridor“.
Die USA gehörten zwar nicht zu den Initiatoren dieser Programme, ließen ihnen jedoch rasch Unterstützung zuteil werden: Sie halfen beim Anschub der Projekte und beteiligten sich an den Ausschreibungen, wobei sie ihre Vorbehalte, was den Mangel an Demokratie in einigen dieser Staaten betrifft, wie nebenbei vergaßen. Um die Attraktivität des Gesamtprogramms zu erhöhen, setzte man es Ende 1996 in Bezug zu einem alten Mythos und taufte es „Die Seidenstraße des 21. Jahrhunderts“, obgleich die historische Seidenstraße nie so weit nördlich verlief.
Das ursprüngliche Ziel der westlichen Mächte war klar umrissen: Die acht neuen unabhängigen Staaten sollten sich konsolidieren und damit einen Handlungsspielraum gewinnen, der es ihnen erlauben würde, ihre Wirtschaftspartner frei zu wählen und sich dem Weltmarkt wirklich zu öffnen. Die Wiederöffnung einiger Grenzübergänge in Richtung Süden konnte dabei nur von begrenzter Wirkung sein, schließlich führen die Handelswege hier in Regionen, die ihrerseits umkämpft sind oder für größere Geschäfte kaum in Frage kommen (die nordchinesische Region Xinjiang, Afghanistan, der Nordiran, die östliche Türkei). Aus westlicher Sicht hat deshalb die transkaukasische Achse einen doppelten Vorzug: Zum einen ermöglicht sie es, Rußland und den Iran zu umgehen, zum anderen dürfte sie die Drehscheibenfunktion des wichtigsten US-amerikanischen Partners in der Region, nämlich der Türkei, stärken.
Als 1994/95 die Umsetzungsphase des Traceca-Programms beginnt, ist der Transkaukasus praktisch von Rußland abgeschnitten: Die beiden wichtigsten Verkehrswege sind blockiert, der eine durch den Abchasien-Konflikt, der andere durch den Krieg in Tschetschenien; Armenien ist zweifach, von Aserbaidschan und der Türkei, mit einer Blockade belegt; und die Verbindung zwischen Aserbaidschan und der Türkei ist durch den Konflikt um Berg-Karabach unterbrochen.
Gemeinsame Wirkung dieser Blockaden und ökonomischen Krisen ist der Zusammenbruch des Nord-Süd-Handels; und Rußland erkennt, daß seine Rolle als wichtigster Partner der drei Transkaukasusstaaten auf dem Spiel steht. Selbstverständlich versuchen die Europäer und Amerikaner die Situation auszunutzen, um eine grundlegende Neubestimmung der geopolitischen Kräfteverhältnisse zu erreichen. Nicht ohne Zynismus erklärt Zbignew Brzezinski, früherer Berater von Präsident Carter, es sei zu Rußlands eigenem Besten, wenn es geschwächt werde: Indem man die Souveränität der neuen unabhängigen Staaten stärke und den multinationalen Konzernen Zugriff auf ihre natürlichen Ressourcen gewähre, beschleunige man den Prozeß, der Moskau zwingen werde, seine neoimperialistische Haltung endgültig aufzugeben und sich zu einem verantwortungsbewußten Partner zu wandeln. Erst dann könne Rußland mit Fug und Recht seine – regionale – Rolle auf der weltpolitischen Bühne spielen.
Obwohl durch die Rezession im eigenen Land und durch die Machtkämpfe im Kreml geschwächt, versucht Rußland zu reagieren. Zum einen betreiben die großen russischen Erdölunternehmen überall dort, wo man gewillt ist, sie aufzunehmen, ihre Beteiligung an den Konsortien zur Prospektion weiterer Lagerstätten, zum anderen bemüht sich Moskau, eigene Lösungen für den Transport anzubieten. So wird die Absicht, die Pipeline Baku- Noworossijsk von 1997 an wieder in Betrieb zu nehmen, zu einem maßgeblichen Faktor bei der Beendigung des Tschetschenien-Kriegs und führt zu Verhandlungen mit Grosny, an deren Ende ein finanzielles Abkommen über den Transport von Rohöl durch die Autonome Republik stehen soll. Und als am 12. November 1997 in Baku das erste Öl aus der Förderung jenes Konsortiums (AIOC) fließt, in dem sich Aserbaidschan mit westlichen Ländern verbunden hat, erklären die russischen Minister Boris Nemzow (damals verantwortlich für die Umstrukturierung der staatlichen Energiewirtschaft) und Sergej Kirijenko (damals Energieminister) laut und vernehmlich, der Transport durch Rußland sei und bleibe die wirtschaftlich günstigere Lösung.
Um der Idee eines einzigen „eurasischen Korridors“ entgegenzuwirken, knüpft Rußland überdies Kontakte in einem größeren geographischen Rahmen. So ist nicht nur die Pipeline Nordkasachstan-Noworossijsk wieder in Betrieb genommen worden, man führt auch Verhandlungen mit Ankara über eine deutliche Erhöhung der russischen Erdgaslieferungen (geplant ist eine Leitung, die entweder auf dem Grund des Schwarzen Meeres verlegt würde und Rußland direkt mit der Türkei verbände oder über georgisches bzw. armenisches Territorium führen würde). Mit Griechenland erörtert Moskau die Idee einer Pipeline über den Balkan – wodurch sich der Bosporus umgehen ließe. Außerdem läßt man mehrere Projekte wieder aufleben, die Erdöllieferungen über den Iran ermöglichen sollen, um auf diese Weise das Ostufer des Kaspischen Meeres einzubinden. Schließlich möchte Moskau auch außerhalb des Erdölsektors seine Funktion als Brücke zwischen Europa und Asien erneut stärken, indem es die Schienenverbindungen mit China ausbaut beziehungsweise die Transsibirische Eisenbahn wieder attraktiv macht.
Es gibt jedoch zwei Handicaps, die diese Umstrukturierungen erschweren. Das eine ist ökonomischer Natur: Es mangelt Rußland an Geld. Das Land ist bei praktisch allen Projekten auf ausländische – häufig westliche – Partner angewiesen, und im übrigen erreichen die russischen Transportunternehmen, wie das Beispiel der Handelsflotte zeigt, längst nicht den technischen Standard der großen internationalen Gesellschaften.
Die Konkurrenz ist jedoch mittlerweile überaus hart. Um das russische Monopol auf den Transport kasachischen Öls zu brechen, haben die Vereinigten Staaten den Bau einer Pipeline durch das Kaspische Meer vorgeschlagen, die zur kaukasischen Achse führen würde. Zugleich gaben 1997 Gasprom, Total und die malaiische Gesellschaft Petronas bekannt, daß sie ein Abkommen über die Ausbeutung eines iranischen Erdgasfelds abgeschlossen hätten, dessen Ertrag zum Teil in die Türkei geliefert werden könne.
Obwohl die Vereinigten Staaten diesem Abkommen kritisch gegenüberstehen, da es die 1996 gegen den Iran verhängten Sanktionen unterläuft (siehe Seiten 18 und 19), zögern sie, Rußland und Frankreich offen zu kritisieren. Malaysia jedoch konnten sie anscheinend dazu bringen, von dem Projekt zurückzutreten: Man winkte mit verlockenden Krediten und bot dem asiatischen Staat überdies an, sich an einem Projekt in Turkmenistan zu beteiligen. Dessen Präsident Saparmurad Nijasow wiederum war (nach den Staatschefs von Aserbaidschan, Georgien, Kirgisien und Kasachstan) im April 1998 in Washington eingeladen. Dahinter steckte die Absicht, ihn für den kaukasischen Korridor zu gewinnen und ihn zu bewegen, die mit dem Iran und mit Rußland geschlossenen Verträge zu mißachten.
Im übrigen gilt die iranische Variante unter finanziellen Aspekten als die günstigste, und deshalb ist sie längst nicht mehr tabu. Die amerikanische Öllobby verfolgt und kommentiert äußerst aufmerksam die Veränderungen im Iran, und während der Diskussionen im Kongreß zum „Silk Road Strategy Act“ – einem Gesetzestext, der die US-amerikanische Strategie in der gesamten Region präzisieren soll – wurde der Boykott des Regimes in Teheran kritisiert und vorgeschlagen, die Sanktionen zumindest dann zu lockern, wenn bei Projekten neben dem Iran Verbündete der USA, wie die Türkei, beteiligt seien.
Hätte eine solche Kehrtwende nicht auch ihre Vorteile? Schließlich wäre die Streckenführung über den Iran die kürzeste Verbindung zum türkischen Hafen von Ceyhan am Mittelmeer, und durch die Beteiligung amerikanischer Unternehmen ließe sich gewiß verhindern, daß es zu einer – von den USA befürchteten – Annäherung zwischen Rußland, dem Iran und Armenien kommt, das sich seit der Blockade von Berg-Karabach besonders guter Kontakte zu Teheran erfreut.
Der Kampf um die Transportwege und die Auseinandersetzung um die Ausbeutung der Bodenschätze sind eng verknüpft. Und alle Mittel sind erlaubt: Verunsicherung von Partnern, Kredite als Kampfmittel, Preisdumping, gegenseitiges Überbieten bei den Projekten, wobei nicht immer klar wird, was ernst gemeint und was nur Bluff ist, usw.
Das zweite Handicap, mit dem Rußland fertigwerden muß, ist zweifellos viel ernster, denn es betrifft Moskaus gesamte Strategie in dieser Region seit 1991. Über Jahre hin hat sich der Kreml offensichtlich auf seine angestammte Vorherrschaft in der Region verlassen und das Ausmaß der Veränderungen falsch eingeschätzt. Ob es um bilaterale Beziehungen ging oder um das Kräfteverhältnis innerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), die russische Politik bestand in einer ungeschickten Mischung von Drohungen und Versprechungen.
Moskau gerät ins Abseits
IM wirtschaftlichen Bereich setzte die russische Regierung nur zu oft die Preise und Quoten für den Warentransit als Druckmittel gegen die zentralasiatischen Staaten ein, während sich zahlreiche Branchen der russischen Industrie aus den südlichen ehemaligen Sowjetrepubliken zurückzogen, um mit westlichen Partnern zu kooperieren, von denen man sich zweifellos mehr versprach. Mitunter setzte Rußland gar auf Destabilisierung: Man vergleiche nur den Verlauf der energiepolitischen Verhandlungen mit Aserbaidschan und Georgien mit den Phasen der kriegerischen Auseinandersetzungen und den sonstigen politischen Wechselfällen im Transkaukasus. Und wenn Gasprom immer wieder vorschlägt, bestimmten Kunden wie der Republik Moldau oder der Ukraine die Schulden zu erlassen, sofern sie in strategischen Bereichen Aktiva abtreten (Gaspipelines oder Firmen, die Rüstungsgüter herstellen), so wird dies als Angriff auf die Souveränität dieser Länder aufgefaßt.
Rußland hat die Tragweite der Veränderungen zu spät begriffen: einige Staaten sind schon seit 1995/96 wieder auf Wachstumskurs. Sie haben gelernt, wie man sich die Hilfe des Westens sichert, und sie sind fest entschlossen, sich dies zunutze zu machen, um ihre Unabhängigkeit zu festigen und das einstige Machtzentrum zu zwingen, ein neues Verhältnis mit ihnen auszuhandeln. Ihre Politik strebt keine gemeinsame supranationale Struktur mit Moskau an; der Unionsvertrag zwischen Rußland und Weißrußland wirkt eher abschreckend denn als Vorbild.
Der Diskussionsrahmen, den das Traceca-Programm bietet (zu dem als bedeutender Bestandteil eine Preis- und Zollintegration gehört, die eine Art Freihandelszone vorwegnehmen soll), und die Erdölabkommen, die unterzeichnet wurden, haben dazu beigetragen, daß die Verstimmungen gegenüber Moskau politischen Ausdruck fanden. Waren die Staatschefs anfänglich nur zusammengekommen, um Vereinbarungen über Erdöllieferungen von Zentralasien bis zur Republik Moldau auszuhandeln, die es ermöglichen sollten, das Quasimonopol Moskaus in diesem wichtigen Sektor zu brechen, so sprachen sie schon bald nicht mehr nur von Fragen des technischen Vorgehens. War es zunächst darum gegangen, wie man Breschen schlagen könne, um aus der Isolation herauszukommen, so unterhielt man sich nun darüber, wie man sich von Rußland abkoppeln könne.
Im Oktober 1997 schließlich gründen am Rande der Tagungen des Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vier Länder eine informelle Union namens GUAM, benannt nach den Initialen der Unterzeichnerstaaten: Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Moldau. Die vier haben sich nicht zufällig zusammengefunden, sind sie doch alle mit Abspaltungsbewegungen konfrontiert, bei denen Rußland seine Finger im Spiel hat: in Abchasien und Südossetien, auf der Krim, in Berg-Karabach und in Transnistrien.
Auf dem Gipfel der GUS im Oktober 1997 in der moldauischen Hauptstadt Chisinau fordert dieser Oppositionsbund mit Nachdruck eine grundlegende Neugestaltung der GUS-Strukturen, die als uneffektiv, ja überflüssig bezeichnet werden. Diese Protestbewegung erlebt im Januar 1998 einen neuen Höhepunkt, als bei einem Gipfeltreffen der zentralasiatischen Staatschefs nicht nur über die Zukunft der Region sowie der GUS gesprochen wird, sondern auch Transportprojekte erörtert werden, die es ermöglichen würden, Rußland zu umgehen.
In Moskau sind die Reaktionen gespalten. Die einen sprechen von einer westlichen Verschwörung und verweisen darauf, daß diese Kritik just zu dem Zeitpunkt vorgebracht werde, da in der Ukraine und in Kasachstan Nato-Manöver durchgeführt würden und außerdem offizielle US- amerikanische Kreise ihre Skepsis darüber äußerten, ob überhaupt irgendeine Form von wirtschaftlicher Integration mit Rußland als Zentrum von Interesse sein könne. Andere dagegen betonen die Notwendigkeit, die Krise zu nutzen, um die Beziehungen zwischen den zwölf GUS- Staaten von Grund auf neu zu gestalten, sie auf eine tragfähige Basis zu stellen, bei der die Souveränität aller Staaten voll und ganz respektiert wird und die ökonomischen Beziehungen den Vorrang haben.
Noch gibt es viele unsichere Faktoren, und es ist nicht gewiß, wie dieses „Große Spiel“ ausgehen wird. Doch die Arbeiten von Traceca haben begonnen, und niemand zweifelt mehr daran, daß in Zukunft unterschiedliche Transportwege existieren werden. Auch wenn die meisten Projekte reine Absichtserklärungen bleiben dürften, so haben die diversen Seilschaften und anderen Clans, die in der Mehrzahl dieser Länder den Energie- und den Exportsektor kontrollieren, bereits ihre Gewinne eingefahren – die Mehrheit der Bevölkerung allerdings ist bislang noch leer ausgegangen.
Zahlreiche Beobachter sehen hierin den großen Unsicherheitsfaktor, der alle Pläne und Berechnungen über den Haufen werfen könnte: Die sozialen Spannungen nehmen weiter zu, und in Staaten, in denen jeder lokale Konflikt sich zu ethnischen oder regionalen Auseinandersetzungen ausweiten kann, tragen die wirtschaftlichen und politischen Kräfte, die am „Großen Spiel“ beteiligt sind, mehr denn je eine hohe Verantwortung.
dt. Eveline Passet
* Professor am Institut national des langues et civilisations orientales (Inalco) und Direktor des Observatoire des Etats postsoviétiques.