09.07.1999

Die Zauberlehrlinge der Agrarindustrie

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Die Zauberlehrlinge der Agrarindustrie

ZU den großen Ängsten am Ende des Jahrtausends gesellt sich ein Schrecken, mit dem man nicht gerechnet hatte: Er geht von unseren Nahrungsmitteln aus. Vom Rinderwahn zum Dioxinhuhn, nicht zu vergessen die Hormone im Rindfleisch, das genmanipulierte Soja, die Verwendung von Tiermehl als Vieh- und Fischfutter, Fremdkörper in Mineralwasser und Coca-Cola – die Liste der verseuchten Konsumgüter wird immer länger. Ein Beweggrund ist all diesen Skandalen gemein: das Profitdenken der großen Nahrungsmittelkozerne die aus der Landwirtschaft einen Industriezweig zu machen versuchen, in dem für die Bauern kein Platz mehr ist. Die französische Regierung, die zunächst die Einführung genetisch veränderter Maissorten erlaubt hatte und damit den großen Saatgutherstellern entgegengekommen war, scheint sich nun eines Besseren zu besinnen und fordert – erfolglos –, vorerst keine weiteren transgenen Produkte in Europa zuzulassen.

Von FRANÇOIS DUFOUR *

Die Krise der belgischen Agrarindustrie, die mit der Entdeckung dioxinverseuchter Hühner einsetzte, stellt die völlige Ausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auf die Erfordernisse der Globalisierung in Frage.

Als die britische Agrarlobby in der Thatcher-Ära der achtziger Jahre eine Liberalisierung des Rindfleischmarkts durchsetzte, um die Produktionskosten mit allen Mitteln zu senken, rechnete sie nicht mit den verheerenden Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier, die ihre Entscheidungen nach sich ziehen sollten. Bereits 1996 weckte der Skandal um die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE), genannt Rinderwahnsinn, Zweifel an gewissen landwirtschaftlichen Praktiken. In Mißkredit geriet dadurch freilich die Bauernschaft, obwohl sie selbst nur Opfer bestimmter Futtermittelhersteller und der mit ihnen verbündeten Abdecker sind.

Die Verantwortung für diese Situation tragen aber nicht die Briten allein, sondern auch die EU-Behörden aufgrund der von ihnen verfolgten gemeinsamen Agrarpolitik. Dabei hat es an warnenden Stimmen nicht gefehlt: Bereits am 4. April 1996 rief die Confédération Paysanne1 die Behörden in Paris und Brüssel auf, zum Schutz der öffentlichen Gesundheit die Verfütterung von Tiermehl generell zu verbieten. Aus Paris kam damals die Antwort, die Kennzeichnung „Französisches Rindfleisch“ und lückenlose Herkunftsnachweise böten hinreichende Garantien. Ob das ein Ausdruck von Naivität war oder von Heuchelei, sei dahingestellt.

Daß die Verwendung von Tiermehl in der Schweine- und Geflügelzucht weiterhin erlaubt war, öffnete undurchsichtigen Handelspraktiken und Schiebereien Tür und Tor. Schon wenige Monate später, Anfang 1997, brach in den Niederlanden die Schweinepest aus, die eine ganze Branche ruinierte. Millionen Schweine mußten notgeschlachtet werden. Die Kosten in Höhe von rund 1 Milliarde Ecu (2 Milliarden D-Mark) trugen zur Hälfte die europäischen Steuerzahler.

Durch Ad-hoc-Maßnahmen ist diesen Problemen nicht beizukommen, denn sie sind Ausdruck einer grundsätzlichen Entscheidung: Mit Hilfe der gemeinsamen Agrarpolitik soll ein Modell der rentabilitätsorientierten Landwirtschaft verfolgt werden, das allein der Agrarindustrie Vorteile bringt, namentlich den transnationalen Herstellern von Futtermitteln, Antibiotika und Wachstumsbeschleunigern.

Die Kosten für Antibiotika belaufen sich nach amtlichen Angaben in einem Zuchtbetrieb mit bis zu hundert Tieren auf etwa 120 Mark je Sau. Bei Massentierhaltung auf engem Raum steigen die Ausgaben jedoch auf über 300 Mark. Es geht hier also nicht mehr darum, das Tier zu pflegen, sondern darum, künstliche Gewichtszunahmen zu erzielen. Dabei haben die Mikrobiologen seit langem nachgewiesen, daß die industrielle Tiermast durch die Konzentration der Tiere auf engem Raum auch die Verbreitung der Krankheitserreger verstärkt.

In Frankreich sind die in der Geflügelzucht häufig auftretenden Salmonellen für 80 Prozent aller Lebensmittelvergiftungen verantwortlich. Durch den übermäßigen Konsum von Antibiotika werden die Bakterien immer resistenter, was sich bei der Behandlung von Infektionskrankheiten nachteilig bemerkbar macht. Der mit unabhängigen Experten besetzte Wissenschaftliche Veterinärausschuß der EU hat dazu einen Bericht vorgelegt, in dem er mit diplomatischer Zurückhaltung eine Begrenzung der „unangemessenen Verwendung von Antibiotika“ fordert. Doch Brüssel hat sich bisher taub gestellt. Schließlich werden auf diesem Teilmarkt für pharmazeutische Produkte weltweit 250 Milliarden Dollar umgesetzt. Immerhin soll am 20. Juli in Brüssel eine internationale Konferenz zu diesen Fragen stattfinden.

Die Verwendung von Tiermehl als proteinhaltiger Futterzusatz ist in der Tiermast nichts Neues, auch wenn sie erst jetzt ins Kreuzfeuer der Kritik gerät. Der Erfolg der industriellen Massentierhaltung, ihr Siegeszug auf den Weltmärkten, beruhte auf der Verfügbarkeit einer nicht versiegenden Futtermittelquelle: den Schlachtabfällen.2 Die großen Tiermehlhersteller, die ihre Kosten niedrig und die Gewinne hoch halten wollen, weigerten sich systematisch, dem öffentlichen Gebot der Transparenz (lückenloser Herkunftsnachweis) nachzukommen und die Masttierhalter über die Merkmale und die Zusammensetzung ihrer Produkte zu informieren.

Im Juli 1996 hat die Confédération Paysanne in der BSE-Affäre3 die erste Anzeige gegen Unbekannt erstattet, aber die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Die französischen und europäischen Behörden, die mit Regelungen – auch gesetzgeberischen – oft so schnell bei der Hand sind, lassen sich bei ihrer Anwendung und Durchsetzung reichlich Zeit.

Der Griff nach dem Saatgut

TROTZ aller beschwichtigenden Erklärungen seitens der Regierungen zeigen sowohl der Skandal mit dioxinverseuchtem4 Fleisch – der hochgradig krebserregende Stoff wurde in verschiedenen Futtermitteln in erheblicher Konzentration nachgewiesen – als auch der noch immer aktuelle BSE-Skandal erneut, wie nachlässig oder sogar verständnisinnig sich die staatlichen Behörden gegenüber den Finanzmächten verhalten. Während die „Lebensmittelängste“ der Bevölkerung zunehmen, stellen diese Skandale für die Geflügel-, Schweine- und Rinderzüchter eine schwere Bedrohung dar: Die betroffenen Tierbestände müssen vernichtet werden, die Preise werden sinken, und die Lebensmittelindustrie wird die Produktionsverträge mit den von ihnen abhängigen Züchtern eigenmächtig ändern. Und nach dem Dioxin drohen weitere Gefahren, etwa durch die Durchsetzung des Bodens mit Schwermetallen, durch die Ausbringung von Klärschlamm oder durch die Vermarktung von gentechnisch veränderten Tieren und Pflanzen, deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt noch niemand abschätzen kann.

Bisher haben die EU-Instanzen dem Druck der pharmazeutischen Unternehmen standgehalten und die Zulassung von Hormonen zur Wachstumsförderung sowie zur Steigerung der Milchproduktion von Kühen verweigert. Es ist jedoch bekannt, daß in Europa illegal mit solchen Hormonen gehandelt wird, wobei Belgien als Drehscheibe dient. Und die Vereinigten Staaten, die ihr hormonbelastetes Rindfleisch unter allen Umständen in die EU exportieren wollen, konnten bei der Welthandelsorganisation schon wichtige Fortschritte für ihr Anliegen erzielen, zumal die WTO sich einen Dreck um die Belange der öffentlichen Gesundheit schert.5 So müssen die Europäer ihre bisherige Weigerung, hormonbelastetes US-Rindfleisch hineinzulassen, mit erhöhten amerikanischen und kanadischen Importzöllen (202 bzw. 51 Millionen Dollar) auf bestimmte EU-Ausfuhrprodukte bezahlen. Die EU-Kommission hat gegen solche Sanktionen grundsätzlich nicht das Geringste einzuwenden und nörgelt nur wegen der Höhe der Zölle. Dabei könnte sie sich durchaus auf das Vorsorgeprinzip berufen, das im Abkommen über hygienische und pflanzenhygienische Maßnahmen, 1994 infolge der Uruguay-Runde des allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt) unterzeichnet, ausdrücklich vorgesehen ist. Doch dazu ist sie nicht bereit, weil Washington diesen Schritt angeblich als Provokation auffassen würde.6

Wie auf der Konferenz im kolumbianischen Cartagena7 im Februar dieses Jahres deutlich wurde, bahnt sich zwischen den Ländern, in denen gentechnisch veränderte Nutzpflanzen angebaut und in den Handel gebracht werden (Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, China, Vereinigte Staaten, Mexiko) und den EU- Ländern ein weiterer Konflikt größeren Ausmaßes an, da in der EU seit 1994 nur neun gentechnisch veränderte Pflanzenarten angebaut und eingeführt werden dürfen. Allein der Druck seitens der europäischen Verbraucher und Bürgerbewegungen hat die Kommission und die meisten EU-Regierungen bisher daran gehindert, die Vermarktung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) vollends zu liberalisieren und den Agrarkonzernen – Novartis, Monsanto, DuPont, Agrevo, Pioneer usw. – damit ein weiteres Mittel zur privaten Aneignung der Saatgut- und Pflanzenressourcen an die Hand zu geben.

Im Ackerbau verwenden die Bauern seit jeher einen Teil ihrer eigenen Ernte als Saatgut. Sie sind es, die unsere Kulturpflanzen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umweltbedingungen in jahrtausendelanger Arbeit herangezüchtet haben. Heute jedoch entwickeln die großen Saatgutunternehmen hybride Sorten, die allein den Leistungserfordernissen einer ertragsorientierten Landwirtschaft entsprechen. Diese Hybridsorten sind zur Wiederaussaat ungeeignet, während Selbstbefruchter wie Weizen, Gerste und Raps zu 50 Prozent wiederverwendet werden. Die Saatguthersteller haben natürlich kein Interesse daran, daß die Bauern ihre eigene Ernte aussäen können, und versuchen ihnen darum einzureden, mit gentechnisch veränderten Sorten ließen sich größere Gewinnspannen erzielen.

Diese Argumentation ist ein Täuschungsmanöver. Zum einen wird damit der falsche Eindruck erweckt, allein die ertragsintensive Landwirtschaft mit ihrem hohen Eintrag an Pestiziden und Fungiziden aller Art könne die Bedürfnisse des Menschen befriedigen – was schon deshalb nicht stimmt, weil zahlreiche Bauern nach anderen Prinzipien wirtschaften, die ebenso wettbewerbsfähig sind (vor allem der biologische Landbau) und darüber hinaus die Belange der Natur und der Verbraucher berücksichtigen. Und zweitens handelt es sich im Wortsinn um ökonomische Bauernfängerei, denn wer den multinationalen Unternehmen die Kontrolle über das Saatgut überläßt, akzeptiert die zunehmende Einbindung der Bauern in den genetisch-industriellen Komplex.8

Die Risiken für Gesundheit und Umwelt, die der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen mit sich bringt, sind Gegenstand erbitterter wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Nach neuesten Erkenntnissen scheint äußerste Vorsicht geboten. So hat eine Reihe von Studien gezeigt, welch verheerende Auswirkungen der von Monsanto, Novartis und Pioneer produzierte transgene Bt-Mais auf den Schmetterlingsbestand haben könnte – doch die Zauberlehrlinge der Regierungen Deutschlands, Spaniens und Frankreichs haben diesen Mais für die Vermarktung freigegeben.9 Die Forderung Frankreichs, als Konsequenz aus der Dioxin- Affäre die Verwendung von Tiermehl zu untersagen, hat bei den EU-Landwirtschaftsministern keine Mehrheit gefunden – schließlich stellt sich die Frage, welche alternativen Eiweißquellen für die Tiermast in Frage kommen.

Europa kann seinen Bedarf an eiweißund ölhaltigen Pflanzen nicht decken, weil es sich traurigerweise für den Anbau von Getreide entschieden hat, das auf dem Weltmarkt zu Niedrigstpreisen gehandelt wird. Die Selbstversorgungsrate bei Gerste, Sonnenblumen und Soja lag im Handelsjahr 1996/97 bei nur 22 Prozent.10 Und das hat seinen Grund. Während der Gatt-Verhandlungen 1993 gab Europa den Forderungen Washingtons nach, akzeptierte eine Beschränkung der Anbaufläche von Ölpflanzen auf 5,482 Millionen Hektar und eröffnete dem amerikanischen Agrobusiness damit die Möglichkeit, seine Soja-Ölkuchen und Fleischersatzprodukte auf Getreidebasis in unbegrenzter Menge auf den europäischen Markt zu werfen und dort keinerlei Einfuhrzölle zu entrichten. Wenn die Verwendung von Tiermehl verboten würde, müßten sich die EU-Länder folglich an die Vereinigten Staaten und Lateinamerika wenden, um sich ersatzweise mit proteinhaltigen Erzeugnissen zu versorgen – an Länder also, in denen auf Millionen Hektar gentechnisch veränderte Sorten angebaut werden.

Nach Angaben von Experten wachsen in den Vereinigten Staaten auf 40 Prozent der Soja- und auf 20 Prozent der Maisanbauflächen transgene Sorten, und die multinationalen Unternehmen weigern sich, die Gen-Pflanzen gesondert zu verarbeiten und zu vermarkten. Mit anderen Worten: Da die Produkte nicht eindeutig gekennzeichnet sind, sehen sich Verbraucher wie Bauern dem Agrobusiness gleichermaßen ausgeliefert – ihnen bleibt kaum eine andere Wahl als die zwischen der Pest des Tiermehls und der Cholera der gentechnisch veränderten Organismen.

Die Forderung Griechenlands, die Zulassung neuer Gen-Pflanzen in Europa solle gestoppt werden, ist von Frankreich am 24. Juni unterstützt worden. Außerdem fordern zahlreiche Initiativen und Organisationen, darunter France Nature Environnement, Greenpeace und Attac, unter Berufung auf das Vorsorgeprinzip ein Moratorium für den Anbau und die Vermarktung gentechnisch veränderter Pflanzen.

Ein Großteil der Landwirte ist sowohl technologisch als auch wirtschaftlich und finanziell von den Großunternehmen des Agrobusiness abhängig und hat kaum Handlungsspielraum. Die Industrie hat die Bauern fest im Griff: Sie gibt die Normen vor, nach denen diese Rohstoffe zu Niedrigstpreisen produzieren, und entledigt sich ihrer, sobald sie als Versuchskaninchen agrarindustrieller Experimente nicht mehr rentabel sind.

Der Hunger in der Welt ist kein technisches Problem, das sich mit den neuen Gentechnologien lösen ließe. Der einzige Ausweg lautet „Souveränität des Nahrungsmittelsektors“.11 Das bedeutet, die Entwicklungsländer haben das Recht, sich gegen unlautere Importe und das Preis-, Sozial- und Ökodumping der reichen Länder zu schützen, was eine Stärkung und größere politische Selbständigkeit der Entwicklungsländer mit sich bringt. Ziel ist eine Neuorientierung auf eine Landwirtschaft, die die soziale, territoriale und ökologische Dimension in den Mittelpunkt ihrer Entwicklungsstrategie rückt. Wir müssen weg vom derzeitigen Agrarmodell, in dem die Armen sich den Bauch mit minderwertiger Nahrung vollstopfen müssen, die eine Handvoll reicher Bauern produziert, während die Reichen Qualitätsprodukte zu sich nehmen, die von armen Bauern erzeugt werden.

Wenn die EU-Kommission die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in den Dienst der „Exportorientierung der europäischen Landwirtschaft“ stellt, so setzt sie dabei zwei völlig unterschiedliche Teilmärkte gleich: den Markt für Basisprodukte (Milchpulver, Getreide, weißes Fleisch, billige Stücke roten Fleischs) und den Markt der weiterverarbeiteten Produkte mit hoher Wertschöpfung. Der Weltmarkt für Basisprodukte wird durch die Agrarüberschüsse der Großproduzenten (EU, Kanada, Vereinigte Staaten) bestückt. Das Preisniveau auf diesem Markt ist äußerst niedrig und wird es auch auf Dauer bleiben, wenn man dem jüngsten Bericht der Weltbank Glauben schenken darf: Der Preis von einem Liter Milch liegt zwischen 0,22 und 0,29 Mark, ein Kilogramm Schweinefleisch kostet zwischen 0,44 und 0,67 Mark, ein Kilogramm Kalbfleisch 1,30 Mark. Wer zu solch niedrigen Preisen produzieren will, muß sämtliche Hindernisse im Bereich der Hormongaben, der genmanipulierten Organismen, der Verwendung von Tiermehl und des Umweltschutzes beiseite räumen und alle Beschränkungen aufheben – mit dem Resultat, daß die Größe der landwirtschaftlichen Betriebe ins Gigantische wächst, eine Minderheit sich allen Ackerboden aneignet und sämtliche staatlichen Beihilfen von einigen Agromanagern monopolisiert werden.

Der Markt für verarbeitete und hochwertige Produkte gehorcht grundsätzlich anderen Regeln. Die Bauern arbeiten zwar auch hier produktivitätsorientiert, treten aber nicht in unmittelbare Konkurrenz zueinander. Die Erzeugung unterliegt im allgemeinen strengen qualitativen und quantitativen Beschränkungen und wendet sich an einen spezifischen Kundenkreis. Sie wird in festgelegten geographischen Regionen durchgeführt und bedient sich spezifischer Fertigkeiten. Ferner trägt sie durch hohe Wertschöpfung zur Stärkung lokaler Wirtschaftsstrukturen bei. Diese Art von Landwirtschaft ist die einzige Alternative zu einem Entwicklungstypus, der auf der ungehinderten Globalisierung der Austauschverhältnisse basiert. Rinderwahnsinn und Dioxinhühner sind wahrscheinlich nur der Auftakt der Katastrophe, wenn nicht ein breites Bündnis aus Bauern, Verbrauchern und Bürgerbewegungen entsteht, das sich der Diktatur der Märkte und also den allmächtigen Konzernen der Agrar- und Chemieindustrie widersetzt.

dt. Bodo Schulze

* Landwirt, Sprecher der französischen Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne.

Fußnoten: 1 Anm. d. Red.: Die Confédération Paysanne ist nach der Fédération Nationale des Syndicats d'Exploitants Agricoles (FNSEA) die mitgliederstärkste französische Bauerngewerkschaft. Sie setzt sich für eine bäuerliche Landwirtschaft ein und bekämpft die Mißstände des Produktivismus. Ihre Monatszeitschrift Campagnes solidaires ist unter der Adresse 104, rue Robespierre, 93170 Bagnolet zu beziehen. Webseite: www.confederationpaysanne.fr. 2 Zu den Inhaltsstoffen der Tiermehle und den Methoden der Schlachtunternehmen siehe den vertraulichen Bericht der Direction nationale des enquêtes et de la répression des fraudes (DNERF), den die Zeitschrift Le Canard enchainé, in ihrer Ausgabe vom 9. Juni 1999 veröffentlicht hat. 3 Dazu Bertrand Hervieu, „Abstimmung mit dem Einkaufswagen“, Le Monde diplomatique, Mai 1996. 4 Dioxine sind beständige organische Schadstoffe, die vom französischen Krebsforschungszentrum Centre international de recherche sur le cancer (CIRC) als „Stoffe, die beim Menschen nachweislich Krebs erzeugen“, eingestuft worden sind. Sie fallen bei verschiedenen industriellen Fertigungsverfahren als Nebenprodukte an, so zum Beispiel in Gießereien, beim Bleichen des Papierbreis, bei der Herstellung bestimmter Herbizide und Pestizide und vor allem bei der – stets unvollständigen – Müllverbrennung. Die Bezeichnung „Dioxin“ bezieht sich auf eine Familie von über vierhundert organischen Verbindungen, die mit dem giftigsten unter ihnen, dem TCDD, verwandt sind. 5 Seit 1989 ist die Verwendung von Wachstumshormonen in der Europäischen Union wegen der gesundheitlichen Risiken für den Menschen verboten. Die Vereinigten Staaten und Kanada haben 1997 bei der WTO einen Schiedsspruch erwirkt, der diese „Verletzung der Regeln des Welthandels“ verurteilt (das EU-Einfuhrverbot trifft 10000 Tonnen Importfleisch aus einem Gesamtimportvolumen von 450000 Tonnen). Am 12. Juli dieses Jahres hat ein WTO-Sonderschiedsgericht über die Höhe der Kompensationszahlungen zu befinden, die die EU den beiden Klägern schuldet. 6 Vgl. Le Monde, 30. April 1999. 7 Auf der am 14. Februar dieses Jahres eröffneten Konferenz im kolumbianischen Cartagena sollte das so genannte „Biosafety Protocol“ verabschiedet werden, das Mindeststandards und Grenzen für den Einsatz der Gentechnik festlegt. Die von den Vereinigten Staaten angeführte „Miami-Gruppe“ lehnte die Unterzeichnung ab, so daß die Angelegenheit auf die WTO übertragen wurde. (Le Monde, 26. Februar 1999) 8 Dazu Jean-Pierre Berlan und Richard C. Lewontin, „Angriff auf das Leben“, Le Monde diplomatique, Dezember 1998. 9 Nach Laborversuchen an der Universität Cornell, die am 20. Mai in der Zeitschrift Nature veröffentlicht und von Forschern der Universität Iowa bestätigt wurden, trat bei 44 Prozent der Raupen des Monarchfalters nach Verabreichung von Gänsedistel-Blättern, die mit Pollen von Bt-Mais bestäubt waren, innerhalb von 48 Stunden der Tod ein. Greenpeace konnte in Zusammenarbeit mit einem Entomologen der Universität Exeter zeigen, daß dieser Bt-Mais für über einhundert Insektenarten – darunter das Pfauenauge, der Schwalbenschwanz und der Admiral – verheerende Konsequenzen haben könnte. Siehe www.greenpeace.org. 10 Dazu Jacques Loyat und Yves Petit, „La Politique agricole commune“, Paris (La Documentation française) 1999. 11 Dazu Edgar Pisani, „Pour que le monde nourisse le monde“, Le Monde diplomatique, April 1995.

Le Monde diplomatique vom 09.07.1999, von FRANÇOIS DUFOUR