15.10.1999

Aufstieg in der Krise

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Aufstieg in der Krise

ISAAC JOSHUA liefert mit seinem Buch über die Weltwirtschaftskrise von 1929 in mehrfacher Hinsicht einen aufschlussreichen und originellen Beitrag. Der kürzlich veröffentlichte Band bietet eine glänzend strukturierte, kritische Analyse unterschiedlicher theoretischer Ansätze, die sich mit der Entstehung der Krise auseinandersetzen.

Der Autor bringt zum einen die regulationistische Interpretation ins Wanken – indem er nachweist, dass ein Rückstand der Gehälter zwar in der Industrie, nicht aber in der Gesamtwirtschaft zu beobachten war, so dass damals von Unterkonsum keine Rede sein konnte. Die dazu symmetrische Annahme einer Überinvestition ist Joshua zufolge ebenfalls abzulehnen.

Hoch interessant ist vor allem die von Joshua geäußerte These, die Krise von 1929 sei eine Krise des amerikanischen Aufstiegs gewesen. Im innenpolitischen Bereich wurde endgültig eine „Barriere“ niedergerissen, indem eine ständig wachsende Zahl von Gehaltsempfängern den bisher verbreiteten Typus des Einzelunternehmers schnell und brutal ablöste. Was die außenpolitische Relevanz betrifft, so muss man berücksichtigen, dass die Krise sehr ernst war und – wie vielfach gezeigt – auf zahlreiche Länder übergriff. Auf dieser außenpolitischen Ebene wird einsichtig, dass die USA sich plötzlich gezwungen sahen, die Funktionen einer Großmacht zu übernehmen. Joshua stützt seine These auf äußerst umfangreiche Materialien, die er sehr klar und überzeugend aufbereitet.

MICHEL HUSSON

Fußnote: 1 Isaac Joshua, „La crise de 1929 et l'emergence americaine“, Paris (PUF) 1999, 311 Seiten, 149 FF.

Le Monde diplomatique vom 15.10.1999, von MICHEL HUSSON