Afrikanische Präsidenten als PR-Produkt
Von CHRISTOPHE CHAMPIN und THIERRY VINCENT *
FRANZÖSISCHE Öffentlichkeitsberater geben sich im frankophonen Afrika die Klinke in die Hand. Von Brazzaville bis Lomé nehmen immer mehr führende Politiker ihre Dienste in Anspruch, um ihr Image im Westen aufzupolieren. Natürlich geht es vor allem um das Bild in den westlichen Medien, die leicht zu manipulieren sind, weil sie sich nur sehr am Rande für den schwarzen Kontinent interessieren. Eine kleine Kaste von Spezialisten hat erheblichen Einfluss darauf, was man über Afrika erfährt. Objektivität ist dabei nicht gefragt.
„Vorher habe ich Teller und Stoffe verkauft, jetzt verkaufe ich afrikanische Präsidenten, die Verkaufstätigkeit als solche bleibt dieselbe.“ Der Public-Relations-Berater François Blanchard versteht nicht, was an diesem Satz, den er am 30. November 1998 in Radio France Internationale (RFI) äußerte, schockierend sein soll. Blanchard betreut gerade in Lomé (Togo) einen prominenten Reporter des Figaro, dem er wie üblich die Reise- und Aufenthaltskosten bezahlt hat. „Ich habe eine Gruppe von sieben befreundeten Journalisten an der Hand, die ich nach Lomé, Brazzaville oder Abidjan mitnehme“, erläutert er. „Sie wissen, dass ich dafür meine Gründe habe. Das darf nicht nur in eine Richtung funktionieren. Wir müssen auf unsere Journalistenfreunde zugehen und ihnen ab und zu einen Leckerbissen anbieten, damit sie gut essen und gut schreiben können.“
Der Leckerbissen, der den Figaro-Journalisten lockt, ist ein Exklusiv-Interview mit Präsident Gnassingbé Eyadéma. Der Journalist wird sein Gespräch mit dem Staatschef von Togo, der in den Berichten der Menschenrechtsorganisationen regelmäßig negativ auffällt, in einem allgemeinen Artikel über die politische Lage in diesem Land verwerten, ohne dass er einen einzigen Oppositionspolitiker getroffen hätte. Aber er hat bekommen, was er wollte. Man darf davon ausgehen, dass sein „Bericht“ dem Präsidenten nicht allzu sehr missfallen wird.
François Blanchard ist keineswegs der einzige Vermarkter afrikanischer Präsidenten. Einmalig und erstaunlich ist jedoch seine ungenierte Offenheit, immerhin gilt er als Vertrauensmann von Thierry Saussez, der seit langem im Geschäft und Imageberater von mehreren französischen Spitzenpolitikern ist. Aber auch die immer zahlreicher werdenden Konkurrenten von Saussez könnten sich von der Aussage des Kollegen Blanchard ehrlichen Herzens kaum distanzieren. Der politische PR-Markt im frankophonen Afrika ist explosionsartig expandiert, fast scheint es, als würden die einheimischen Politiker ihre Kämpfe nur noch über westliche Berater bestreiten.
Europäer im Dunstkreis der afrikanischen Machthaber sind allerdings nichts Neues. Viele Präsidenten des frankophonen Afrika, wie der Ivorer Félix Houphouët-Boigny, haben sich mit französischen Beratern umgeben. Doch deren Rolle hat sich gewandelt. Seit Einführung des Mehrparteiensystems benötigen die Staatschefs weniger graue Eminenzen als vielmehr „Öffentlichkeitsexperten“, die ihr Image aufbessern, vor allem bei westlichen Partnern, auf deren Kredite man angewiesen ist. „Seit dem franko-afrikanischen Gipfel von La Baule 1989 [wo François Mitterrand die Afrikaner aufforderte, mit der Demokratisierung Ernst zu machen; d. Ü.], müssen die afrikanischen Staatschefs ihre Partner überzeugen, dass sie perfekte Demokraten sind, wenn sie am Geldsegen der Kapitalgeber teilhaben wollen“, erläutert der Journalist Antoine Glaser, der ein Buch zu diesem Thema geschrieben hat1 . „Da spielt ein positiver Bericht in einer großen französischen Zeitung durchaus eine Rolle. Das dient der Lobby-Arbeit, damit kann man den Geldgebern zeigen: ,Seht her, wie gut es in diesem Land läuft, Journalisten sind hier gewesen, es gibt Wahlen, und der Präsident ist ein großer Demokrat.‘ “
Indirekt bestätigt auch Thierry Saussez diese Tendenz: „Wir ermuntern die Regierenden, sich in den großen europäischen Medien zu äußern. Wenn ein Minister nach Brüssel oder Bonn kommt, sorgen wir für Medienpräsenz. Wir handeln Interviews mit Sendern und Zeitungen aus und laden Journalistengruppen ein, für die wir spezielle Programme basteln.“ So wurde die Beratung der Staatschefs des schwarzen Kontinents binnen weniger Jahre zum florierenden Markt. Auf ihm tummeln sich auch deshalb so viele französische Berater, weil in Frankreich die politischen Parteien einer strengeren Kontrolle ihrer Finanzen unterliegen und für solche PR-Dinge nicht so großzügig Geld ausgeben.
Kostspielige Präsenz in den Medien
QUALIFIKATION und Tätigkeit dieser „weißen Gurus“ sind allerdings ganz unterschiedlich. Einige sind Schüler von Jacques Foccart, dem Afrika-Berater von General de Gaulle und den Präsidenten Pompidou und Chirac, doch immer häufiger sind sie echte Werbeprofis. Wie etwa Jacques Séguéla, der in Frankreich dadurch berühmt wurde, dass er François Mitterrand ein neues Image verschaffte. Heute betätigt er sich im Ausland, etwa als Wahlkampfberater für den israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak. Doch er wirkt auch in Afrika, wie etwa 1992 für den kamerunischen Staatschef Paul Biya. Und kürzlich wurde er von Senegals Präsident Abdou Diouf angeheuert, um die im Februar 2000 stattfindende Präsidentschaftswahl vorzubereiten. Andere Mitarbeiter seiner Agentur Euro RSCG waren in verschiedenen afrikanischen Ländern tätig, wie etwa in Togo beim Präsidentschaftswahlkampf von General Eyadéma im Juni 1998.2
Thierry Saussez, Mitglied der gaullistischen Partei RPR und dem engeren Beraterkreis des ehemaligen Ministerpräsidenten Alain Juppé zugehörig, machte seine Karriere weitgehend in Frankreich. Er verweist stolz darauf, für die meisten Spitzenpolitiker der Rechten gearbeitet zu haben, so für Valéry Giscard d’Estaing, Jacques Chirac, Alain Juppé, Edouard Balladur oder Nicolas Sarkozy. In den letzten vier Jahren hat er seine Tätigkeit auf Schwarzafrika ausgeweitet.
Seine Aufgabe besteht ganz allgemein darin, das Image seiner Klienten in Frankreich und in Europa zu pflegen. Nebenbei ist er stellvertretender Bürgermeister des Pariser Vorortes Rueil-Malmaison, und er räumt ein, dass seine Kunden durchaus von seinen weit gespannten politischen Beziehungen profitieren: „Für einen Staatschef ein Arbeitsessen mit vier Unternehmerpersönlichkeiten und vier hohen Politikern zu organisieren gehört zu den Standardaufgaben. Oder man arrangiert ein Treffen in einem Restaurant zwischen dem Präsidenten der Elfenbeinküste Henri Konan Bédié und Nicolas Sarkozy (dem ehemaligen Gaullistenchef), der gelegentlich nach Afrika reist, oder man begleitet drei Europa-Parlamentarier nach Afrika. Das ist nichts Besonderes.“ Mit seiner Firma Image et Stratégie arbeitet Thierry Saussez regelmäßig für die Elfenbeinküste, gelegentlich war er auch in Kongo-Brazzaville und in Togo tätig (drei Länder, deren Präsidenten zu den umstrittensten Figuren Afrikas gehören).
Thierry Saussez beteuert, er würde „aus moralischen Gründen nie für eine Partei wie den Front National arbeiten“, hat aber offenbar keinerlei Hemmungen, Image-Pflege für den Präsidenten der Elfenbeinküste, Henri Konan Bédié, zu betreiben. Der hatte, bevor er Ende Dezember 1999 durch einen Militärputsch unter Führung des Armeechefs Robert Guei gestürzt wurde, ein Wahlgesetz durchgedrückt, bei dem ein Le Pen vor Neid erblassen würde: Um wählbar zu sein, musste ein Kandidat nachweisen, dass beide Eltern ivorischer Herkunft waren. Das Gesetz richtete sich eindeutig gegen Alassane Dramane Ouattara, seinen Hauptkonkurrenten bei der Präsidentschaftwahl, die für Oktober 2000 angesetzt war.3 Und dass internationale Beobachter im Juni 1998 in Togo gravierende Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl feststellten, hindert Saussez nicht daran, den togolesischen Staatschef als Demokraten zu bezeichnen. Ein ähnliches Unbedenklichkeitszeugnis liefert er Denis Sassou-Nguesso, dem Exdiktator von Kongo-Brazzaville, der durch einen blutigen Bürgerkrieg erneut an die Macht gekommen ist.
Die Firma Image et Stratégie kann mit dem Geschäft zufrieden sein. 1998 erwirtschaftete sie die Hälfte ihres Umsatzes mit Millionenverträgen in Afrika. Die in einem vornehmen Pariser Viertel residierende Firma ist allerdings nicht allein auf dem Markt. In Abidjan hat es Thierry Saussez mit Konkurrenz von anderen Agenturen zu tun, etwa mit der von Marc Vanghelder repräsentierten Euro RSCG. Manche afrikanischen Machthaber legen so großen Wert auf weiße Berater, dass sie möglichst viele davon haben wollen. Sassou-Nguesso zum Beispiel verfügt über eine ganze Armee. Zu ihr gehört auch Jean-Paul Pigasse, ehemals Journalist der Wochenzeitung Jeune Afrique. Pigasse gibt ein Propagandablättchen über den Kongo heraus – Les dépêches de Brazzaville – und gilt als der Verfasser eines üppig honorierten Weißbuches über den Krieg von 1997, das ein sehr freundliches Bild der neuen Machthaber zeichnet. Auch Jean-Pierre Pierre-Bloch, ein ehemaliger französischer UDF-Abgeordneter, gehört zum inneren Kreis um den kongolesischen Staatschef.4 Und Jacques Attali, der frühere Sonderberater Mitterrands, fliegt ebenfalls ab und zu nach Brazzaville und setzt sich in Brüssel energisch für die Sache der Kongolesen ein.
Ein guter Bekannter des kongolesischen Staatschefs ist auch Jean-François Probst, der politische Berater der neuen RPR-Präsidentin Michèle Aillot-Marie. Vor einigen Monaten hat er berichtet, wie er 1997 dazu beitrug, dass Nguesso an die Macht zurückkehrte. „Meine Hilfe bestand darin, ihn bei der Auswahl der richtigen Kontakte zu beraten. Ich habe Sassous Umfeld organisiert, ich habe ihm französische Politiker vorgestellt, und Journalisten. Auch während des Krieges habe ich ihm mit einer Menge Informationsmaterial geholfen.“ Denis Sassou-Nguesso hat offenbar sehr rasch begriffen, wie wichtig sein Image im Ausland ist.
In Madagaskar hat sich Romain Balladur, ein Sohn des ehemaligen französischen Ministerpräsidenten, mit Gérald Le Pemp zusammengetan, der früher im Sicherheitsdienst für die Pariser Metro tätig war und selbst eine Bewachungsfirma besaß. Gemeinsam gründeten sie einen „Franko-Madagassischen Solidaritätsverein“, der laut Statuten zum Ziel hat, „das wirtschaftliche Potential der Insel“ sowie „die technische Kooperation zwischen französischen und madagassischen Unternehmern“ zu fördern. Ehrenpräsidentin des Vereins ist niemand anderes als Madame Albert Zafy, die Frau des früheren madagassischen Präsidenten. Ebenfalls in Madagaskar, jedoch im gegnerischen Lager – dem des jetzigen, vom marxistischen Diktator zum Demokraten gewandelten Präsidenten Didier Ratsiraka – begegnen wir Gérard Ecorcheville, einem Abgeordneten des gaullistischen RPR, der als einer der Brückenbauer zwischen der republikanischen und der extremen Rechten in Frankreich gilt. Auch er bewegte sich eine Zeitlang im Dunstkreis von Denis Sassou-Nguesso.
Wie die unterschiedlichen Persönlichkeitsprofile und Aktivitäten dieser Berater zeigen, ist die Grenze zwischen bloßer Öffentlichkeitsberatung und politischer Beratertätigkeit häufig fließend. Das Beispiel von Claude Marti zeigt dies in besonders paradoxer Weise. Er behauptet einerseits, „in der Werbung alles schon gemacht“ zu haben, andererseits verwahrt er sich dagegen, Image-Pflege zu betreiben. „Ich mache strategische Beratung“, sagt er. Dieser alte Afrika-Fan, der zwar Kontakte zu François Mitterrand hatte, persönlich aber Michel Rocard nahe steht, hat in den letzten fünfzehn Jahren für eine ganze Reihe afrikanischer Präsidenten gearbeitet. Auch für solche „Hardliner“ wie Gnassingbé Eyadéma und den Guineer Lansana Conté, der erst neulich den führenden Oppositionellen Alpha Condé ins Gefängnis werfen ließ. Claude Marti war auch für den Gabuner Omar Bongo tätig, außerdem für Nigerias früheren Präsidenten Mahamane Ousmane, aber auch für Ibrahim Baré Maïnassara, der gegen Ousmane einen Putsch inszenierte.
Ein besonderes Faible hat Marti für Kamerun und dessen ewigen Präsidenten Paul Biya, für den er von 1984 bis 1985 arbeitete. „Ich habe mit der neuen Partei, dem Rassemblement démocratique du peuple camerounais, zusammengearbeitet“, erklärt er. „Ich brachte die Presse her, ich habe Yannick Noah [den Tennisstar, d. Ü.] eingespannt und einen Kommunikationsdienst aufgezogen, der immer noch funktioniert. Aber ich habe das nicht fortgesetzt.“ In Wirklichkeit hatte ihm die Firma Adefi International – geleitet von Jean-Pierre Fleury, einem Vertrauten von Jean-Christophe Mitterrand – das Geschäft weggeschnappt.5 „Ich habe seither ständig für die Regierung Kameruns gearbeitet“, bestätigt Jean-Pierre Fleury. Ansonsten wahrt er Diskretion über seine Tätigkeiten. Nur in einem Nebensatz deutet er an, auch für Madagaskar und die Zentralbank der westafrikanischen Staaten (BCEAO) gearbeitet zu haben. Claude Marti hat 1998 seine Kontakte zu Kamerun wieder aktiviert, indem er sich um eine von Chantal Biya, der Ehefrau des Staatschefs, gegründete Stiftung kümmerte.
Parallel zu den rastlos zwischen Frankreich und Afrika pendelnden Kommunikationsexperten agieren nach wie vor die „Messieurs Afrique“, jene Emissäre, die traditionell für die Kontakte zwischen den afrikanischen Staatschefs und der französischen Regierung oder den großen französischen Unternehmen zuständig sind. Neben Michel Dupuch, dem Afrika-Berater des französischen Präsidenten, haben die meisten politischen Parteien ihre eigenen Verbindungsleute. Manchmal mischen sich prominente Politiker auch ganz unerwartet in afrikanische Angelegenheiten ein. So improvisierte der ehemalige Ministerpräsident Michel Rocard während der politischen Krise in Togo eine Vermittlungsaktion, wobei er einen für Präsident Eyadéma sehr vorteilhaften Bericht verfasste; jetzt versucht er auf den Komoren seinen Einfluss geltend zu machen.
Schließlich gibt es noch Männer, die im Verborgenen arbeiten und nur gelegentlich in einem Zeitungsartikel genannt werden. Zum Beispiel Rechtsanwalt Robert Bourgi, der Gabuns Präsident Omar Bongo und andere afrikanische Politiker berät. Der einflussreiche Mann geriet im Dezember 1998 in Frankreich in die Schlagzeilen, als er auf Kosten der Machthaber französische Wahlbeobachter ins Land holte, darunter hochrangige Juristen.6
Der zunehmende Einfluss der Kommunikationsexperten macht wieder einmal deutlich, wie isoliert der afrikanische Kontinent ist. Schwarzafrika ist nicht nur das Stiefkind des weltwirtschaftlichen Wachstums, es bleibt auch bei der Globalisierung der Medien links liegen. Die Redaktionen im Westen zahlen selten Recherchen vor Ort. Sogar auf Afrika spezialisierte Medien reisen nur noch auf Einladung und bei Erstattung sämtlicher Spesen an. Wenn nicht gerade Massaker verübt werden (Ruanda) oder Bürgerkriege toben (Zaire/ Kongo, Sierra Leone), kommt Afrika in der Presse kaum vor. Die Ausnahme ist Südafrika, das Persönlichkeiten wie einen Nelson Mandela und vor allen Dingen ein bedeutendes Wirtschaftspotential hat. Um von sich reden zu machen, müssen die Länder dieses Erdteils die schlimmsten Tragödien erleiden – außer wenn sie die multinationalen Firmen des Westens anlocken können. Doch meist hat Afrika nur den Tod, um auf sich aufmerksam zu machen.
Die Public-Relations-Berater haben begriffen, dass der schwarze Kontinent sie braucht, um in den Medien nicht nur negativ in Erscheinung zu treten. Sie haben die entdeckte Marktlücke besetzt. So bestimmt weitgehend eine kleine, satt honorierte Kaste, was über Afrika berichtet wird. Ein extremes Paradox: Das bettelarme Afrika bezahlt seinen Platz in der Presse oft mit teurem Geld und päppelt damit auch noch einen Berufsstand auf, für den Objektivität auf der Werteskala ganz unten steht.
dt. Joseph Winiger
* Journalisten bei Radio France Internationale.